IPR: Wirksamkeit einer "Handschuhehe"


OLG Zweibrücken v. 8.12.2010 - 3 W 175/10


Fundstelle:

noch nicht bekannt


Leitsatz:

Zur Wirksamkeit einer nach pakistanischem Recht im Wege der Stellvertretung geschlossenen Ehe.


Zentrale Probleme:

Die sog. "Handschuhehe" (Eheschließung durch Stellvertretung, zur Geschichte s. hier) ist ein IPR-"Klassiker". Die Problematik kann sich in mehrfacher Hinsicht stellen. Schließt etwa ein deutscher Staatsangehöriger im Ausland eine solche Ehe durch Stellvertreter in einem Staat, der die "Handschuhehe" zulässt, stellt sich die Frage, ob es sich dabei um eine Stellvertretung im Willen oder in der Form handelt. Handelt es sich um eine Stellvertretung "im Willen", d.h. hat der Vertreter einen eigenen Entscheidungsspielraum, ist das Rechtsinstitut materiellrechtlich zu qualifizieren, d.h. die Zulässigkeit unterliegt gem. Art. 13 I EGBGB dem Heimatrecht des jeweiligen Verlobten. Da das deutsche Recht eine solche Stellvertretung nicht zulässt (§ 1311 S. 1 BGB), wäre die Eheschließung unwirksam. Wenn es sich aber nur um eine Frage der Eheschließungsform handelt, ist nach Art. 11 I, III EGBGB u.a. das Recht des Ortes der Eheschließung anwendbar. Dann kann auch ein deutscher Staatsangehöriger eine solche "Handschuhehe" eingehen (s. dazu schon BGHZ 29, 137 sowie zuletzt BGH v. 29.9.2021 - XII ZB 309/21). Im Inland kann eine solche Handschuhehe keinesfalls geschlossen werden, da Art. 13 III S. 1 EGBGB (heute: Art. 13 IV S. 1 EGBGB) dafür zwingend die Inlandsform vorschreibt und § 1311 BGB die gleichzeitige Anwesenheit der Verlobten vorschreibt.
Hier stellte sich die Frage im Kontext des ordre public (Art. 6 EGBGB) im Rahmen der (materiellrechtlichen) Anerkennung (= Wirksamkeitskontrolle nach Art. 13 EGBGB) einer im Ausland zwischen Ausländern geschlossenen Ehe. Eine Stellvertretung "im Willen" (also etwa eine Zwangsehe) würde im Inland nach Art. 6 EGBGB die Anerkennung versagt, bei einer bloßen Stellvertretung in der Form ist dies nicht der Fall. Für IPR-Kenner ist der Fall keineswegs spektakulär, in der Öffentlichkeit hat er hingegen zu Unrecht Furore gemacht (s. z.B. hier). Hätte das Gericht einen Anhaltspunkt für eine Zwangsehe gehabt, hätte es selbstverständlich der Eheschließung die Anerkennung nach Art. 6 EGBGB versagen können. 

©sl 2011


Gründe:

I. Die Beteiligten zu 2) haben am 24. Februar 2009 in K..../Pakistan die Ehe geschlossen. Vor dem Standesbeamten anwesend waren dabei die Ehefrau, die die pakistanische Staatsangehörigkeit besitzt, sowie ein Onkel des Ehemannes, welcher zum damaligen Zeitpunkt staatenlos war. Der Ehemann war der Trauungszeremonie telefonisch zugeschaltet. Beide Ehegatten waren sich zum Zeitpunkt der Eheschließung persönlich noch nie begegnet; sie trafen sich erstmals im Oktober 2009.

Den durch den Ehemann gestellten Antrag auf Beurkundung der Eheschließung nach §§ 15, 35 PstG hat der Standesbeamte dem Amtsgericht im Rahmen einer Zweifelsvorlage nach § 49 Abs. 2 PstG zur Entscheidung vorgelegt. Das Amtsgericht hat den Standesbeamten daraufhin angewiesen, von der Wirksamkeit der Eheschließung auszugehen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Standesamtes.

II.

1. Die Beschwerde ist statthaft und in zulässiger Weise eingelegt (§§ 51 PStG, §§ 58 ff FamFG). Das Beschwerderecht der Beteiligten zu 1) folgt aus § 51 Abs. 2 PStG.

2. In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet. Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung die Voraussetzungen für die Beurkundung der Eheschließung im Eheregister für die von den Beteiligten zu 2. am 24. Februar 2009 in Pakistan geschlossene Ehe nach 34 Abs. 1 PStG bejaht.

Gemäß § 34 Abs. 1 PStG kann auf Antrag eine im Ausland geschlossene Ehe u.a. eines Staatenlosen im Eheregister beurkundet werden. Die Beurkundung im Eheregister setzt dabei das Bestehen einer Ehe voraus, weshalb der Standesbeamte zu prüfen hat, ob eine nach materiellem Recht wirksame Ehe zustande gekommen ist (BGH FamRZ 1991, 300). Nach welchem materiellen Recht sich die Wirksamkeit der Eheschließung richtet und welche Form dabei einzuhalten ist, bestimmt sich nach Art. 11 und 13 EGBGB.

Im Ausgangspunkt zutreffend geht insoweit auch das Standesamt davon aus, dass die Eheschließung, bei der sich der Ehemann durch seinen Onkel in der Abgabe der Erklärung zur Eheschließung vertreten ließ, nach den gemäß Art. 11 und 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB maßgeblichen Grundsätzen des pakistanischen Rechts formwirksam war, weil das pakistanische Recht die Stellvertretung bei der Eheschließung zulässt (KG, KGR 2004, 326: LG Stuttgart, StAZ 1992, 379). Die Wirksamkeit einer solchen in Pakistan geschlossenen „Handschuhehe" wird in Deutschland auch dann anerkannt, wenn bei der Eheschließung keine notariell beglaubigte und den Heiratspartner genau bezeichnende Vollmacht vorlag, solange nur eine Willensvertretung, die jedenfalls dem deutschen ordre public, also den grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen der deutschen Rechtsordnung zuwider liefe (Art. 6 EGBGB), den Umständen nach ausgeschlossen werden kann (KG, KGR Berlin 2004, 326). Eine solche Vertretung im Willen läge vor, wenn der Vertreter eine eigene Willenserklärung abgeben würde, er insbesondere über das Ob der Abgabe der Willenserklärung zu entscheiden hätte oder ihm die Auswahl des Ehegatten überlassen wäre. Anhaltspunkte für eine solche Willensvertretung fehlen hier. Eine Willensvertretung lag insbesondere auch nicht deshalb vor, weil sich die Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nie begegnet waren. Ausreichend zum Ausschluss einer Willensvertretung ist vielmehr, dass der Vertretene die Identität der Verlobten kennt und seine Vollmacht sich auf diese bestimmte, unverwechselbare Person beschränkt, so dass auszuschließen ist, dass der für einen Verlobten handelnde Vertreter jedweder anderen, zum Termin der Eheschließung erscheinenden Person das Ja – Wort des Vertretenen übermitteln würde. Dies war hier gewährleistet, denn die Verlobte war nach Namen, Alter und Wohnort, Namen ihres Vaters und dessen Ausweisnummer eindeutig und unverwechselbar bezeichnet. Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann seinem Onkel eine nicht nur auf diese eindeutig zu identifizierende Person beschränkte Vollmacht erteilt hat, fehlen.

3. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, weil die Beteiligte zu 1) nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 JGebBefrG von der Zahlung von Gerichtsgebühren befreit ist und der Senat die Ehegatten am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt hat. Daher erübrigt sich auch die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der Beschwerde.