Haftung für fehlerhafte
Anlageberatung; Kausalitätsvermutung, Rolle des Mitverschuldens,
Verjährungsbeginn nach § 199 I BGB; Voraussetzungen einer Parteivernehmung
nach § 448 ZPO
BGH, Urteil vom 8. Juli
2010 - III ZR 249/09
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Eine grob fahrlässige Unkenntnis des
Beratungsfehlers eines Anlageberaters oder der unrichtigen Auskunft eines
Anlagevermittlers ergibt sich nicht schon allein daraus, dass es der Anleger
unterlassen hat, den ihm überreichten Emissionsprospekt durchzulesen und auf
diese Weise die Ratschläge und Auskünfte des Anlageberaters oder
-vermittlers auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren.
Zentrale Probleme:
Eine sehr gehaltvolle Entscheidung zur Haftung für
fehlerhafte Anlageberatung, die auch in Bezug auf die Parteivernehmung (§§
447, 448 ZPO) wichtige prozessuale Komponenten enthält. Der Senat
entscheidet auch eine wichtige und bisher in der Rspr. uneinheitlich
beantwortete verjährungsrechtliche Frage, weshalb die Entscheidung auch für
BGHZ vorgesehen ist. Kernpunkte: Es geht um die Haftung wegen fehlerhafter
Anlageberatung, dabei auch um den Einwand des Mitverschuldens sowie um die
Vermutung der Kausalität des Beratungsfehlers für die Anlageentscheidung.
Die Haftung wird hier - da es sich um einen Altfall handelt, noch nach pVV
begründet, heute wäre (ohne sachliche Änderung) Anspruchsgrundlage § 280 I
BGB.
In diesem Zusammenhang steht auch die Verjährungsfrage: Der Beginn der
Verjährung hängt nach § 199 I Nr. 2 BGB u.a. davon ab, ob der Gl. Kenntnis
oder grobfahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen
hatte. Dies wird hier verneint, obwohl der Gl. aus dem Anlageprospekt hätte
erkennen können, daß die Aussage des Anlageberaters, die Anlage sei
"risikolos", unrichtig war. Hierbei gelten letztlich dieselben Kriterien wie
beim Mitverschulden, das nur in Ausnahmefällen beachtlich ist.
S. zu diesem Themenkomplex auch die Anm. zu
BGH NJW 2009, 1141 m.w.N.
©sl 2010
Tatbestand:
1 Der Kläger nimmt den Beklagten unter dem Vorwurf fehlerhafter
Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
2 Auf Empfehlung des Beklagten zeichnete der Kläger am 28. Oktober 1999 über
eine Summe von 150.000 DM zuzüglich 5 % Agio (7.500 DM) eine Beteiligung an
der C. G. GmbH & Co. Vermietungs KG (Turmcenter F. ), einem geschlossenen
Immobilienfonds. Die hierfür benötigten Mittel hatte der Kläger aus dem
Verkauf eines von seinem Vater ererbten Hausgrundstücks gewonnen. Der Fonds
wurde zum 31. Dezember 1999 nach Vollplatzierung geschlossen. Nach
anfänglichen Ausschüttungen geriet der Fonds aufgrund deutlichen Rückgangs
der Mieteinnahmen ab dem Jahre 2002 in zunehmende wirtschaftliche
Schwierigkeiten. Der Versuch, die im Eigentum des Fonds stehende
Büroturm-Immobilie - als wesentlichen Teil des Fondsvermögens - zu
veräußern, blieb ohne Erfolg. Auf Antrag der finanzierenden Bank wurde am 4.
August 2005 die Zwangsverwaltung des Objekts angeordnet. Die Hauptmieterin
kündigte das Mietverhältnis außerordentlich zum 31. Dezember 2005. Am 17.
Februar 2006 ordnete das Amtsgericht München die vorläufige
Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Fondsgesellschaft an.
3 Der Kläger hat seine Schadensersatzforderung unter Einberechnung der
Kosten für die Beteiligung an dem Fonds und entgangener anderweitiger
Anlagezinsen - nach Abzug ihm verbliebener Ausschüttungen - mit 102.879,46 €
beziffert und geltend gemacht, der Beklagte habe seine Pflichten aus dem
Anlageberatungsvertrag verletzt, da er ihm mit der Fondsbeteiligung eine
Anlage empfohlen habe, die seinem erklärten Anlageziel einer sicheren
Altersvorsorge widersprochen habe. Der Beklagte habe ihn nicht auf die
spezifischen Risiken dieser Anlage, insbesondere nicht auf das Risiko eines
Totalverlusts, hingewiesen, die gebotene Überprüfung der wirtschaftlichen
Plausibilität, Seriosität und Tragfähigkeit des Beteiligungsangebots
unterlassen und negative Pressestimmen nicht berücksichtigt. Als Fachmann
habe der Beklagte erkennen müssen, dass das Beteiligungsangebot auf eine
Täuschung der neu eintretenden Anleger abgezielt und von vornherein keine
Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg gehabt habe.
4 Der Beklagte ist diesen Vorwürfen entgegengetreten und hat die Einrede der
Verjährung erhoben.
5 Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Die
Berufung des Beklagten ist im Wesentlichen - bis auf einen geringfügigen
Teil der erstinstanzlich zugesprochenen Zinsen - ohne Erfolg geblieben. Mit
seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein
Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
6 Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.
I.
7 Das Berufungsgericht (GWR 2010, 93) hat zur Begründung seiner Entscheidung
ausgeführt:
8 Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch wegen
Vertragspflichtverletzung des Beklagten zu. Zwischen den Parteien sei ein
Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die ihm hieraus erwachsenen
Pflichten habe der Beklagte verletzt, da er keine anlegergerechte - das
heißt dem erklärten Anlageziel des Klägers gemäße - Beratung geleistet habe.
Der Beklagte habe dem Kläger eine Kapitalanlage empfohlen, die für das Ziel
einer Altersvorsorge erkennbar ungeeignet gewesen sei. Die Beteiligung an
einem geschlossenen Immobilienfonds berge das Risiko des Totalverlusts. Nach
den zu Grunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts habe der Kläger
eine Kapitalanlage gewünscht, die gerade auch dem Zweck der Altersversorgung
habe dienen sollen. Durch den von ihm zu vertretenden Beratungsfehler habe
der Beklagte einen Schaden in der mit der Klage geltend gemachten Höhe
herbeigeführt. Ein anrechnungsfähiges Mitverschulden falle dem Kläger nicht
zur Last, da er auf den Rat des Beklagten habe vertrauen dürfen. Der
Schadensersatzanspruch des Klägers sei auch nicht verjährt. Es sei nicht
feststellbar, dass der Kläger vor dem 1. Januar 2004 Kenntnis von den den
Anspruch begründenden Umständen gehabt oder sich insoweit grob fahrlässig in
Unkenntnis befunden habe. Für eine grob fahrlässige Unkenntnis genüge es
nicht, dass er den ihm überlasse-nen Anlageprospekt nicht durchgelesen habe.
II.
9 Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das
Berufungsgericht hat die Klage zu Recht als begründet angesehen. Der
Beklagte schuldet dem Kläger den geforderten Schadensersatz nach den
Grundsätzen der Haftung wegen positiver Vertragsverletzung (Art. 229 § 5
Satz 1 EGBGB).
10 1. Die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien sei - über
eine reine Anlagevermittlung hinausgehend - ein Anlageberatungsvertrag
zustande gekommen, der den Beklagten zu einer eingehenden anlegergerechten,
an den konkreten Anlagezielen des Klägers orientierten Beratung verpflichtet
habe, lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht
angegriffen.
11 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des
Berufungsgerichts, dass der Beklagte seine Pflichten aus dem
Anlageberatungsvertrag verletzt habe, da er keine anlegergerechte - dem
erklärten Anlageziel des Klägers gemäße - Beratung geleistet habe.
12 a) Nach den Feststellungen beider Vorinstanzen, die maßgeblich auf die
Würdigung der Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen R. -H.. E. ,
des Sohnes des Klägers, gestützt worden sind, hatte der Kläger dem
Beklagten im Beratungsgespräch erklärt, dass es ihm neben dem Aspekt der
Steuerersparnis gerade auch darum gehe, dass das Kapital "sicher" sei und so
angelegt werden solle, dass es für das Alter reiche; der Zweck der
Alterssicherung und -vorsorge sei ausdrücklich mitgeteilt worden.
13 Diese Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
14 Soweit der Beklagte einwendet, dass es weitere Gespräche zwischen den
Parteien gegeben habe, an denen der Zeuge E. nicht beteiligt gewesen sei,
weist die Revisionserwiderung in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht zu
Recht darauf hin, dass der Beklagte nicht dargetan hat, dass der Kläger in
diesen weiteren Gesprächen von dem bekundeten Anlageziel abgewichen wäre,
insbesondere das Ziel einer "sicheren Altersvorsorge" aufgegeben hätte. Dass
die Ziele einer einerseits steuersparenden und andererseits zur
Altersvorsorge geeigneten, "sicheren" Kapitalanlage in einen Konflikt
geraten können - jedoch nicht: geraten "müssen" -, steht der Schlüssigkeit
und Widerspruchsfreiheit der Beweiswürdigung nicht entgegen.
15 Auch mit seiner Rüge, das Berufungsgericht habe - ebenso wie schon das
Landgericht - fehlerhaft davon abgesehen, ihn selbst zum Inhalt der
Beratungsgespräche als Partei zu vernehmen oder anzuhören, vermag der
Beklagte nicht durchzudringen. Mangels Zustimmung des Klägers (§ 447 ZPO)
kam hier allein eine Parteivernehmung des Beklagten nach § 448 ZPO in
Betracht. Diese setzt freilich voraus, dass aufgrund einer schon
durchgeführten Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits
eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die durch die Parteivernehmung zu
beweisende Tatsache spricht ("Anbeweis"; s. etwa BGHZ 150, 334, 342;
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02 - NJW-RR 2003, 1002, 1003
m.w.N.). Hiervon ist das Berufungsgericht nicht ausgegangen, ohne dass ihm
dabei ein Rechtsfehler unterlaufen ist.
16 Allerdings kann im Fall der Beweisnot einer Partei eine
Parteivernehmung nach § 448 ZPO oder eine Anhörung der Partei nach § 141 ZPO
aus dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit notwendig sein. Der
Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches
Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines
wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK) erfordern, dass einer Partei,
die für ein Vier-Augen-Gespräch - anders als die Gegenpartei - keinen Zeugen
hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess
persönlich einzubringen; zu diesem Zweck ist die Partei gemäß § 448 ZPO zu
vernehmen oder gemäß § 141 ZPO persönlich anzuhören (Senat, Urteil vom
12. Juli 2007 - III ZR 83/06 - NJW-RR 2007, 1690, 1691 Rn. 10 sowie
Beschlüsse vom 25. September 2003 - III ZR 384/02 - NJW 2003, 3636 und vom
30. September 2004 - III ZR 369/03 - BeckRS 2004, 09779; BGH, Urteile vom 9.
Oktober 1997 - IX ZR 269/96 - NJW 1998, 306 f; vom 16. Juli 1998 - I ZR
32/96 - NJW 1999, 363, 364; vom 19. Dezember 2002 aaO; vom 27. September
2005 - XI ZR 216/04 - NJW-RR 2006, 61, 63 und vom 23. April 2008 - XII ZR
195/06 - NJW-RR 2008, 1086, 1087 Rn. 13; BVerfG, NJW 2001, 2531 f; NJW 2008,
2170 f; EGMR, NJW 1995, 1413 f). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht
vor. Bei dem vom Zeugen E. bekundeten Gespräch handelt es sich nicht um
ein Vier-Augen-Gespräch. Der Zeuge E. hat bei dem Beratungsgespräch nicht
anstelle des Klägers als dessen Vertreter gehandelt, sondern als weitere
Person teilgenommen. Dass er dem Kläger als dessen Sohn nahe steht,
rechtfertigt es nicht ohne weiteres, das Gespräch als ein zwischen den
Parteien geführtes "Vier-Augen-Gespräch" einzuordnen (s. auch BGH,
Urteil vom 23. April 2008 aaO; für den Fall des Gesprächs zwischen einer
Prozesspartei und einem "außenstehenden" bzw. "nicht ausschließlich im
Lager" der gegnerischen Partei stehenden Zeugen s. BGHZ 150, 334, 341 ff und
Senatsbeschluss vom 30. September 2004 aaO). Hinzu kommt, dass sich der
Beklagte für seine gegenteilige Behauptung, dass es dem Kläger stets und
allein um die Steuerersparnis - als "einzige Richtschnur" - gegangen sei,
nicht aber (auch) um eine sichere, zur Altersvorsorge geeignete
Kapitalanlage, auf das Zeugnis der Steuerberaterin F. -F. berufen hat; diese
Zeugin hat in ihrer Vernehmung vor dem Landgericht freilich bekundet, an den
Gesprächen nicht beteiligt gewesen zu sein beziehungsweise sich hieran nicht
mehr erinnern zu können. Bei dieser Lage einer - behaupteten -
Gesprächsbeteiligung zweier weiterer als Zeugen vernommener Personen fordert
der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit nicht die Anhörung oder
Vernehmung derjenigen Partei, zu deren Nachteil die Beweisaufnahme
ausgegangen ist. Abgesehen davon ist den Belangen der in Beweisnot
geratenen Partei zureichend Genüge getan, wenn diese bei oder nach der
Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung) vor Gericht persönlich anwesend war und
daher die Möglichkeit hatte, ihre Darstellung vom Verlauf des Gesprächs
durch eine Wortmeldung gemäß § 137 Abs. 4 ZPO persönlich vorzutragen oder
den Zeugen zu befragen (Senatsbeschlüsse vom 25. September 2003 aaO und
vom 30. September 2004 aaO; BGH, Urteil vom 23. April 2008 aaO; BVerfG, NJW
2008, 2170, 2171). Der Beklagte war bei sämtlichen Verhandlungs- und
Beweisterminen in beiden Vorinstanzen persönlich anwesend; zum
Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht war zudem sein persönliches
Erscheinen angeordnet worden. Dafür, dass er daran gehindert gewesen wäre,
in diesen Terminen seine Sicht der Gesprächsinhalte zu schildern, ist nichts
vorgetragen noch sonst ersichtlich.
17 b) Ausgehend davon, dass der Kläger ausdrücklich - auch - eine
"sichere", zur Altersvorsorge geeignete Kapitalanlage wünschte, hat das
Berufungsgericht einen Beratungsfehler des Beklagten zu Recht schon darin
gesehen, dass dieser dem Kläger die Anlage in dem hier
streitgegenständlichen geschlossenen Immobilienfonds empfohlen hat.
18 Eine solche Empfehlung verletzte die Pflicht zur "anlegergerechten",
auf die persönlichen Verhältnisse und Anlageziele des Kunden zugeschnittene
Beratung. Soll gemäß dem Anlageziel des Kunden eine sichere Geldanlage
getätigt werden, so kann, wie dies der Senat bereits mehrfach ausgesprochen
hat, die Empfehlung einer unternehmerischen Beteiligung wegen des damit
regelmäßig verbundenen Verlustrisikos schon für sich genommen fehlerhaft
sein (Senatsurteile vom 19. Juni 2008 - III ZR 159/07 - BeckRS 2008,
13080 Rn. 6 und vom 19. November 2009 - III ZR 169/08 - BKR 2010, 118, 120
Rn. 21). Zwar ist bei der Beteiligung an einem Immobilienfonds das Risiko
eines anteilmäßig hohen Kapitalverlusts meist gering zu veranschlagen; dies
gilt insbesondere für das Risiko eines Totalverlusts, da dem Fonds in aller
Regel der Sachwert des Immobilienvermögens verbleibt (vgl. dazu BGHZ
167, 239, 249 Rn. 26 sowie BGH, Urteile vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08
- NJW-RR 2010, 115, 116 Rn. 25 und - XI ZR 338/08 - BB 2010, 15, 16 Rn. 28).
Gleichwohl handelt es sich hierbei um eine "unternehmerische
Beteiligung", die als solche das Risiko birgt, dass das eingesetzte Kapital
zumindest zu einem Teil verloren gehen kann. Dieses Risiko hängt in
seinem Ausmaß unter anderem von der Eigenkapital-/Fremdkapitalquote, der
Entwicklung der Immobilienpreise und Mieteinkünfte und den zu Grunde
gelegten Wertansätzen ab. Da die hier empfohlene Fondsanlage - worauf der
Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf entsprechende Angaben im
Anlageprospekt hingewiesen haben will - sogar (im "Extremfall") ein
"Totalverlustrisiko" aufwies, durfte diese Beteiligung nicht als praktisch
(weitgehend) "risikofrei" und mithin "sichere", zur Altersvorsorge geeignete
Kapitalanlage eingeordnet werden. Gegenteiliges hat der Beklagte in den
Vorinstanzen auch nicht geltend gemacht.
19 Unter diesen Umständen hätte der Beklagte dem Kläger die hier
eingegangene Beteiligung nicht empfehlen dürfen, sondern davon abraten
müssen. Dafür, dass der Kläger, etwa unter dem Eindruck entsprechender
deutlicher Hinweise des Beklagten, von seinem Anlageziel einer "sicheren",
zur Altersvorsorge geeigneten Kapitalanlage abgerückt wäre und sich
letztlich bewusst auf eine diesem Anlageziel widersprechende
Fondsbeteiligung eingelassen hätte, hat der Beklagte keinen tragfähigen
Anhaltspunkt vorgetragen, und ein solcher ist auch im Übrigen nicht
ersichtlich.
20 3. Die Kausalität des Beratungsfehlers des Beklagten für die
Anlageentscheidung des Klägers und den ihm daraus erwachsenen Schaden hat
das Berufungsgericht mit Recht bejaht. Diesen Punkt greift die Revision auch
nicht an. Für den Ursachenzusammenhang zwischen einer fehlerhaften
Beratung und der Anlageentscheidung spricht eine durch die Lebenserfahrung
begründete tatsächliche Vermutung (s. etwa Senatsurteile vom 9. Februar
2006 - III ZR 20/05 - NJW-RR 2006, 685, 687 f Rn. 22 ff; vom 19. Juni 2008
aaO Rn. 8; vom 5. November 2009 aaO S. 351 Rn. 21 und vom 19. November 2009
aaO S. 121 Rn. 26 sowie Senatsbeschluss vom 9. April 2009 - III ZR 89/08 -
BeckRS 2009, 11192 Rn. 8 m.w.N.). Diese Vermutung hat der Beklagte nicht
zu entkräften vermocht.
21 4. Auch gegen den Umfang des zuerkannten Schadensersatzanspruchs und die
Ablehnung eines anrechnungsfähigen Mitverschuldens des Klägers (§ 254 BGB)
bringt die Revision nichts vor. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon
ausgegangen, dass ein Mitverschulden des Anlageinteressenten im Falle eines
Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung von Aufklärungs- und
Beratungspflichten nur unter besonderen Umständen zur Anrechnung kommt, weil
sich der Anleger regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm
erteilten Aufklärung und Beratung verlassen darf (s. dazu BGHZ 100, 117,
125; BGH, Urteile vom 25. November 1981 - IVa ZR 286/80 - NJW 1982, 1095,
1096; vom 26. September 1997 - V ZR 65/96 - NJW-RR 1998, 16 und vom 13.
Januar 2004 - XI ZR 355/02 - NJW 2004, 1868, 1870, jeweils m.w.N.).
22 5. Entgegen der Ansicht der Revision greift auch der Einwand der
Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) nicht
durch. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Verjährungsfrist habe nicht
vor Ablauf des Jahres 2004 zu laufen begonnen und sei daher durch Zustellung
des Mahnbescheids am 13. Februar 2007 gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3
BGB), lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
23 a) Der hier in Rede stehende Schadensersatzanspruch wegen positiver
Vertragsverletzung ist im Jahre 1999, nämlich mit dem vom Beklagten
empfohlenen Erwerb der Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds,
entstanden (§ 198 Satz 1 BGB a.F.) und unterlag mithin zunächst der
30jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F.
24 Zwar ist der Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen,
wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers
gekommen ist; der Eintritt einer risikobehafteten Situation genügt dafür
grundsätzlich nicht (BGHZ 73, 363, 365; 100, 228, 231 f; 124, 27, 30; BGH,
Urteil vom 17. Februar 2000 - IX ZR 436/98 - NJW 2000, 1498, 1499).
Allerdings kann der auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Erwerb einer
für den Anlageinteressenten nachteiligen, seinen konkreten Anlagezielen und
Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage bereits für sich
genommen einen Schaden darstellen und ihn deshalb - unabhängig von der
Werthaltigkeit der Anlage - dazu berechtigen, im Wege des Schadensersatzes
die Rückabwicklung des Erwerbs der Anlage zu verlangen; der
Schadensersatzanspruch entsteht hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und
vollzogenen) Erwerb der Kapitalanlage (BGHZ 162, 306, 309 f; BGH, Urteile
vom 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90 - NJW-RR 1991, 1125, 1127; vom 27. Januar
1994 - IX ZR 195/93 -NJW 1994, 1405, 1407; vom 26. September 1997 - V ZR
29/96 - NJW 1998, 302, 304 und vom 19. Juli 2004 - II ZR 354/02 - NJW-RR
2004, 1407). So liegt es auch hier.
25 b) Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 EGBGB gilt seit dem
1. Januar 2002 für den bis dahin nicht verjährten Schadensersatzanspruch die
dreijährige Regelverjährung nach § 195 BGB n.F., wobei für den Fristbeginn
zusätzlich die subjektiven Voraussetzungen nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB
vorliegen müssen; der Gläubiger muss von den den Anspruch begründenden
Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben oder seine
diesbezügliche Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhen (BGHZ 171, 1, 7
ff Rn. 19 ff; 179, 260, 276 Rn. 46; BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR
25/07 - NJW 2008, 506 Rn. 8; Senatsurteil vom 19. November 2009 aaO S. 119
Rn. 13). Für eine dahingehende Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis
des Klägers trägt der Beklagte als Schuldner die Darlegungs- und Beweislast
(BGHZ 171, 1, 11 Rn. 32; BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06 - NJW
2008, 2576, 2578 Rn. 25).
26 c) Die Würdigung des Berufungsgerichts, eine grob fahrlässige Unkenntnis
des Klägers von den Anspruchsvoraussetzungen ergebe sich nicht schon daraus,
dass dieser es unterlassen hat, den ihm übergebenen Emissionsprospekt
durchzulesen und hierbei auf durchgreifende Hinweise auf die fehlende
Eignung der Kapitalanlage für seine Anlageziele zu stoßen, hält den
Angriffen der Revision stand.
27 aa) Die tatrichterliche Beurteilung, ob einer Partei der Vorwurf grober
Fahrlässigkeit zu machen ist, unterliegt der Nachprüfung durch das
Revisionsgericht nur dahin, ob der Tatrichter den Begriff der groben
Fahrlässigkeit verkannt, bei der Beurteilung des Verschuldensgrades
wesentliche Umstände außer Betracht gelassen oder gegen Denkgesetze,
Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstoßen hat (st. Rspr.; s. nur
BGHZ 10, 14, 16 f; 10, 69, 74; 145, 337, 340; 163, 351, 353; BGH, Urteile
vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07 - NJW-RR 2009, 547 Rn. 17 m.w.N. und
vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08 - VersR 2010, 214, 215 Rn. 12 m.w.N.).
28 Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv
nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von §
199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb
fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das
nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen,
wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden
Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche
Informationsquellen nicht genutzt hat (s. BGH, Urteile vom 23. September
2008 aaO Rn. 16 und vom 10. November 2009 aaO Rn. 13 m.w.N.; Gesetzentwurf
der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drucks. 14/6040, S. 108 unter anderem
mit Hinweis auf BGHZ 10, 14, 16 und 89, 153, 161; Palandt/Ellenberger, BGB,
69. Aufl., § 199 Rn. 36; MünchKommBGB/ Grothe, 5. Aufl., § 199 Rn. 28;
Henrich/Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 199 Rn. 19 f). Dem
Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner
eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von
"Verschulden gegen sich selbst", vorgeworfen werden können (BGH, Urteil
vom 10. November 2009 aaO m.w.N.; Grothe aaO). Ihn trifft generell keine
Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen
Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das
Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu
unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des
Gläubigers bejahen zu können (s. BGH, Urteil vom 10. November 2009 aaO
S. 216 Rn. 15 f m.w.N.; s. auch Grothe aaO).
29 bb) Nach diesen Maßgaben ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der
Umstand, dass der Anlageinteressent den ihm überlassenen Emissionsprospekt
nicht durchgelesen hat, genüge für sich allein noch nicht, um die grob
fahrlässige Unkenntnis von einem Beratungsfehler zu begründen, nicht zu
beanstanden.
30 Diese Frage wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte allerdings
nicht einheitlich beantwortet. Eine Reihe von Oberlandesgerichten hält es
für einen den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigenden schweren
Verstoß gegen die Gebote des eigenen Interesses des Anlageinteressenten,
wenn er es im Zusammenhang mit einer bedeutsamen Investitionsentscheidung
unterlässt, den ihm von einem Anlageberater oder einem Anlagevermittler zur
Verfügung gestellten Anlageprospekt durchzulesen, und aus diesem Grunde
nicht bemerkt, dass er falsch beraten oder ihm eine unrichtige Auskunft
erteilt worden ist (so OLG Frankfurt am Main, OLGR 2008, 880, 881 f und
Beschluss vom 20. September 2007 - 14 W 75/07 - juris Rn. 5; OLG Düsseldorf,
Teilurteil vom 18. April 2008 - I-16 U 275/06 - juris Rn. 58 ff; OLG Köln,
Beschluss vom 22. Oktober 2008 - 13 U 10/08 - juris Rn. 7 f;
Brandenburgisches OLG, Urteile vom 19. Februar 2009 - 12 U 140/08 - juris
Rn. 26 ff und vom 30. April 2009 - 12 U 225/08 - juris Rn. 24; OLG Celle,
OLGR 2009, 121) Dabei wird teilweise grob fahrlässige Unkenntnis selbst
für den Fall bejaht, dass der Prospekt erst bei oder sogar kurz nach der
Zeichnung übergeben worden ist (OLG Köln aaO; Brandenburgisches OLG aaO),
teilweise nur für den Fall, dass der Prospekt ausreichende Zeit vor dem
abschließenden Beratungsgespräch vorgelegen hat (OLG Celle aaO). Die
Gegenansicht verweist demgegenüber darauf, dass der Anlageinteressent
regelmäßig auf die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der ihm erteilten
Anlageberatung vertrauen und ihm eine unterbliebene "Kontrolle" dieser
Beratung durch Lektüre des Prospekts deshalb nicht ohne weiteres als grobe
Fahrlässigkeit vorgehalten werden dürfe (s. OLG München, Urteil vom 6.
September 2006 - 20 U 2694/06 - juris Rn. 63; OLG Hamm, Urteile vom 20.
November 2007 - 4 U 98/07 - juris Rn. 49 und vom 26. November 2009 - I-4 U
224/08 - juris Rn. 50).
31 Der erkennende Senat hält die letzterwähnte Ansicht für zutreffend.
32 Zwar kommt dem Anlageprospekt in aller Regel eine große Bedeutung für die
Information des Anlageinteressenten über die ihm empfohlene Kapitalanlage
zu. Sofern der Prospekt geeignet ist, die nötigen Informationen
wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und er dem Anleger
rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen worden ist, kann die Aushändigung
eines Prospekts im Einzelfall ausreichen, um den Beratungs- und
Auskunftspflichten Genüge zu tun (s. etwa Senat, Versäumnisurteil vom 18.
Januar 2007 - III ZR 44/06 - NJW-RR 2007, 621, 622 Rn. 17 sowie Urteile vom
12. Juli 2007 - III ZR 145/06 - NJW-RR 2007, 1692 Rn. 9; vom 19. Juni 2008
aaO Rn. 7; vom 5. März 2009 - III ZR 302/07 - NJW-RR 2009, 687, 688 Rn. 17;
vom 5. März 2009 - III ZR 17/08 - WM 2009, 739, 740 Rn. 12 und vom 19.
November 2009 aaO S. 120 Rn. 24 m.w.N.; s. auch BGH, Urteil vom 21. März
2005 - II ZR 310/03 - NJW 2005, 1784, 1787 f). Es liegt daher zweifellos im
besonderen Interesse des Anlegers, diesen Prospekt eingehend durchzulesen.
33 Andererseits misst der Anleger, der bei seiner Anlageentscheidung die
besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder
Anlagevermittlers in Anspruch nimmt, den Ratschlägen, Auskünften und
Mitteilungen des Anlageberaters oder -vermittlers, die dieser ihm in einem
persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei. Die
Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten sind und deren
Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und
steuerrechtlichen Fachausdrücken, viele Anleger von einer näheren Lektüre
abhält, treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraut daher
der Anleger auf den Rat und die Angaben "seines" Beraters oder Vermittlers
und sieht er deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt
durchzusehen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein in
subjektiver und objektiver Hinsicht "grobes Verschulden gegen sich selbst"
zu sehen. Unterlässt der Anleger eine "Kontrolle" des Beraters oder
Vermittlers durch Lektüre des Anlageprospekts, so weist dies auf das
bestehende Vertrauensverhältnis zurück und ist daher für sich allein
genommen nicht schlechthin "unverständlich" oder "unentschuldbar".
34 Eine andere Betrachtungsweise stünde zum einen in einem
Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage des
anspruchsmindernden Mitverschuldens (siehe oben 4.). Zum anderen würde
sie den Anleger unangemessen benachteiligen und seinen
Schadensersatzanspruch oftmals leer laufen lassen. Denn die Risiken und
Nachteile einer Kapitalanlage wirken sich vielfach erst einige Jahre nach
dem Erwerb finanziell spürbar aus (Reduzierung oder gar Wegfall von
Ausschüttungen etc.). Fiele dem Anleger bereits die unterbliebene Lektüre
des Anlageprospekts als grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs.
1 Nr. 2 BGB zur Last, so wäre sein Schadensersatzanspruch häufig schon
verjährt, bevor sich die Risiken oder Nachteile der Kapitalanlage für ihn
"bemerkbar" machen und er sich daher veranlasst sieht, die Richtigkeit der
ihm von einem Anlageberater oder -vermittler gegebenen Empfehlungen und
Auskünfte zu hinterfragen.
35 cc) Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, auch nach der
Zeichnung der Anlage habe sich in der Zeit bis zum 1. Januar 2004 kein
dringender, den Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis rechtfertigender
Anlass für die Lektüre des Emissionsprospekts ergeben, ist
revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. |