Haftung für fehlerhafte
Anlageberatung durch Dritte: Haftungsausfüllung im Wege der
Naturalrestitution; Vorteilsausgleichung (§ 249 I BGB)
BGH, Urteil vom 15. Januar
2009 - III ZR 28/08
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Der durch eine
fehlerhafte Anlageberatung Geschädigte kann seinen im Abschluss eines
notariellen Kaufvertrages über eine Immobilie mit einem Dritten bestehenden
Schaden auch gegenüber dem beratenden Unternehmen in der Weise geltend
machen, dass er die Erstattung des gezahlten Kaufpreises Zug-um-Zug gegen
Übereignung der erworbenen Kapitalanlage verlangt; dies entspricht dem im
allgemeinen Schadenersatzrecht geltenden Prinzip des Vorteilsausgleichs und
bedarf keines besonderen Antrags und keiner Einrede des Schuldners
(Fortführung des Senatsurteils vom 21. Oktober 2004 - III ZR 323/03 - NJW-RR
2005, 170).
Zentrale Probleme:
Eine vollkommen richtige und sehr lehrreiche Entscheidung
zur Haftung für fehlerhafte Beratung. Im Mittelpunkt steht die
Haftungsausfüllung und dabei die Problematik der Vorteilsausgleichung. S.
dazu die Anm. zu
BGH
NJW 2001, 1274 sowie
BGH v. 12.3.2009 - VII ZR 88/08.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Die Kläger schlossen auf Vermittlung und nach Beratung
durch die Beklagte, die gewerbsmäßig hauptsächlich den An- und Verkauf von
Immobilien betreibt, am 2. Februar 1999 einen notariellen Kaufvertrag über
eine Eigentumswohnung in Emden, Wilhelm-Leuschner-Straße 35, mit der
vormaligen Eigentümerin dieses Objektes, P. .
2 Mit ihrer Klage verlangen die Kläger, nachdem sich die Kapitalanlage als
unrentabel erwiesen hatte, von der Beklagten die Erstattung der von ihnen
für den Kauf der Eigentumswohnung aufgewandten Beträge Zug-um-Zug gegen
Abgabe verschiedener Erklärungen zur Übereignung der Immobilie auf die
Beklagte sowie die Feststellung eines weitergehenden
Schadensersatzanspruches. Zur Begründung ihrer Forderungen stützen sie sich
auf die Verletzung eines aus ihrer Sicht mit der Beklagten zustande
gekommenen Beratungsvertrages im Zusammenhang mit dem Erwerb, der
Finanzierung und der Unterhaltung der fraglichen Eigentumswohnung.
3 Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen
verurteilt, an die Kläger zu Händen eines von diesen zu beauftragenden
Notars 53.648,33 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Abgabe der im Tenor der
angefochtenen Entscheidung näher bezeichneten Erklärungen vor dem
beauftragten Notar zur Übereignung der Immobilie auf die Beklagte zu zahlen.
Darüber hinaus hat es ihre Verpflichtung zum Ersatz möglicher weiterer
Vermögensschäden im Zusammenhang mit dem Ankauf der Eigentumswohnung
festgestellt, soweit der Schaden mit dem Erwerb der Immobilie, ihren
laufenden Unterhaltskosten und einer eventuell zu zahlenden
Vorfälligkeitsentschädigung zusammenhängt. Auf die Berufung der Beklagten
ist dieses Urteil teilweise abgeändert worden; das Berufungsgericht hat auf
den von ihm angeregten Hilfsantrag der Kläger lediglich festgestellt, die
Beklagte sei zum Ausgleich des Vermögensschadens verpflichtet, der den
Klägern aus der dem Ankauf der Eigentumswohnung zugrunde liegenden
Falschberatung entstanden sei.
4 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger
ihren Antrag auf Zurückweisung der gegen das erstinstanzliche Urteil
gerichteten Berufung weiter.
Entscheidungsgründe
5 Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur
Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung.
I.
6 Das Berufungsgericht hat dem Grunde nach eine Schadensersatzverpflichtung
der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Schlechterfüllung eines
selbständigen Beratungsvertrages mit den Klägern nach den Grundsätzen der
positiven Vertragsverletzung festgestellt. Als Rechtsfolge hat es
angenommen, die Kläger seien so zu stellen, als wären sie von der Beklagten
richtig und umfassend beraten worden. In diesem Fall hätten die Kläger den
Kaufvertrag mit der ehemaligen Eigentümerin P. nicht geschlossen. Zur
Rückabwicklung dieses Kaufvertrages sei die Beklagte aber nicht in der Lage,
weil sie weder über die tatsächlichen noch die rechtlichen Möglichkeiten
verfüge, eine Rückübertragung der Eigentumswohnung auf die damalige
Verkäuferin zu bewirken. Rückabgewickelt werden könne der notarielle
Kaufvertrag lediglich im Verhältnis der Eigentümerin und Verkäuferin P. den
Klägern als Käufern. Der von den Klägern in erster Linie verfolgte
Schadensausgleich sei nur dann möglich, wenn die Übertragung des Eigentums
an der Wohnung Gegenstand des Leistungsaustauschs zwischen den Parteien des
Beratungsvertrages gewesen wäre. Da der Haftungsgrund vorliegend nicht im
Abschluss des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung, sondern in der
Falschberatung durch die Beklagte liege, und zwischen den streitenden
Parteien Schadenersatz im Wege der Naturalrestitution deshalb nicht in
Betracht komme, sei die Klage lediglich im Umfang des in der
Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Feststellungsantrages begründet.
II.
7 Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
8 1. Im vorliegenden Revisionsverfahren geht es nur noch um die Frage der
Höhe und Berechnung des geltend gemachten Schadenersatzanspruches.
Ausweislich der Begründung zur Zulassung der Revision am Ende der
Entscheidungsgründe ist lediglich die dort formulierte Frage, ob der durch
eine Falschberatung Geschädigte gegen den Schädiger einen Ersatzanspruch auf
Erstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übereignung des von einem
Dritten erworbenen Kaufgegenstandes durchsetzen könne, als klärungsbedürftig
angesehen worden. Damit sollte erkennbar nur diese, die Höhe und Berechnung
der Schadenersatzforderung betreffende, rechtliche Beurteilung einer
höchstrichterlichen Entscheidung zugänglich gemacht werden (vgl. dazu auch
Senatsurteil vom 4. September 2008 - III ZR 331/07 - WuM 2008, 681, 682 Rn.
8). Entsprechend haben die Kläger mit ihrer Revision nur geltend gemacht,
ihr Schadenersatzbegehren sei im Umfang des in erster Instanz gestellten
Hauptantrages mit dem darin enthaltenen Zug-um-Zug-Vorbehalt - jedenfalls in
Form der vom Landgericht vorgenommenen Verurteilung - begründet gewesen.
9 2. Das erstinstanzliche Gericht hat mit Recht einen Anspruch der Kläger
auf Zahlung des in erster Instanz ausgeurteilten Betrages Zug-um-Zug gegen
Abgabe der aus seiner Sicht notwendigen und ausreichenden, von der Beklagten
in zweiter Instanz nicht beanstandeten, Erklärungen zur Übereignung der von
der Verkäufern P. erworbenen Eigentumswohnung auf die Beklagte angenommen.
Auf der Grundlage des rechtskräftig festgestellten Haftungsgrundes haben die
Kläger gemäß § 249 Satz 1 BGB a.F. (nach Art. 229 § 5 EGBGB ist im
Streitfall noch das BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung
anwendbar) einen Anspruch auf Schadensersatz im Wege der
Naturalrestitution, so dass der Zustand wiederherzustellen ist, der ohne das
schädigende Ereignis bestehen würde (vgl. z.B. Oetker, in: MünchKommBGB,
5. Aufl. 2007, § 249, Rn. 308); die Kläger sind danach vermögensmäßig so
zu stellen, wie sie ohne die Verletzung der Pflichten der Beklagten aus dem
zustande gekommenen Beratungsvertrag stehen würden. Bei ordnungsgemäßer
Beratung hätten sie aber den Kaufvertrag zum Erwerb der Eigentumswohnung mit
der ehemaligen Eigentümerin P. nicht abgeschlossen.
10 a) Bei schuldhafter Verletzung eines Beratungsvertrages und Vorliegen
eines dadurch verursachten Schadens, der - wie im Streitfall - im Abschluss
eines bereits vollzogenen Kaufvertrages mit einem Dritten besteht, kann der
Geschädigte wählen, ob er an dem Geschäft festhalten, hier die
Eigentumswohnung also behalten, und darüber hinaus zusätzliche
Vermögenseinbußen ersetzt verlangen, oder ob er den "großen" Schadensersatz
unter Übereignung der Kaufsache geltend machen will (vgl. BGH, Urteile
vom 4. April 2001 - VIII ZR 32/00 - NJW 2001, 2163, 2165 und vom 13. Januar
2004 - XI ZR 355/02 - NJW 2004, 1868, 1869, 1870).
11 b) Nach diesen Grundsätzen können die Kläger, die den "großen"
Schadenersatz gewählt haben, die Erstattung der zum Erwerb der fraglichen
Immobilie aufgewandten Beträge - unter Berücksichtigung der vom Landgericht
vorgenommenen Abzüge - von der Beklagten fordern.
12 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trägt die vorgenommene
Differenzierung, der Haftungsgrund liege nicht im Abschluss des
Kaufvertrages, mit dem den Klägern erst der Gegenwert in Form der Wohnung
zugeflossen sei, sondern in der Falschberatung durch die Beklagte, eine
andere Beurteilung nicht. Denn maßgeblich in den Blick zu nehmen sind die
unmittelbare Schadensfolge der unzureichenden und unzutreffenden Beratung
durch die Beklagte, die in dem die Vermögensschädigung herbeiführenden
Abschluss des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung, den sie vermittelt
hat, besteht, sowie die von den Klägern getroffene Wahl, in welcher Form sie
Ersatz des erlittenen Schadens geltend machen wollen.
13 c) Bei dieser Sachlage besteht auch kein sachlich gerechtfertigter Grund,
den Klägern diese Art der Schadensberechnung gegenüber der Beklagten deshalb
zu verweigern und sie auf den vom Berufungsgericht nur als begründet
angesehenen Anspruch zu verweisen, weil die Beklagte nicht Vertragspartnerin
des notariellen Kaufvertrages über die Eigentumswohnung gewesen ist und sie
das Eigentum an der Wohnung nicht auf die ehemalige Verkäuferin P.
zurückübertragen könne.
14 In derartigen Fallgestaltungen ist eine solche Schadensberechnung und
Fassung des Klageantrags, mit dem die Kläger neben ihrem Zahlungsverlangen
gleichzeitig anbieten, Zug-um-Zug gegen Zahlung des geforderten
Kaufpreisbetrages den von ihnen erlangten Vorteil in Gestalt des Eigentums
an der Wohnung herauszugeben, unabdingbar. Denn Grundlage des damit
erklärten Zug-um-Zug-Vorbehalts ist das dem allgemeinen Schadensersatzrecht
innewohnende Prinzip der Vorteilsausgleichung, das bewirkt, dass die
Schadensersatzpflicht der Beklagten nur gegen Herausgabe der Vorteile
erfüllt zu werden braucht, die mit dem schädigenden Ereignis in adäquatem
Zusammenhang stehen. Es geht deshalb nicht um die Frage, ob die Beklagte
in der Lage ist, die Eigentumswohnung wiederum der ehemaligen Eigentümerin
und Verkäuferin P. zurück zu übertragen oder ob die Beklagte im Laufe des
Rechtsstreits eine Übereignung auf sich im Wege des Vorteilsausgleichs
verlangt hat. Der Anspruch der Kläger ist von vornherein nur mit der
Einschränkung begründet, dass gleichzeitig die Vorteile, die ihnen aus dem
aufgrund der fehlerhaften Beratung geschlossenen Kaufvertrag erwachsen sind,
herausgegeben werden; dazu bedarf es keines besonderen Antrags oder einer
Einrede des Schuldners (vgl. BGHZ 27, 241, 248 f; Senatsurteile BGHZ
158, 188, 200 sowie vom 21. Oktober 2004 - III ZR 323/03 - NJW-RR 2005, 170,
171; Schiemann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249, Rn. 143).
Eben dieser Besonderheit des Schadensersatzanspruchs haben die Kläger mit
ihrem Klageantrag (zu 1.) in erster Instanz Rechnung getragen. Die
Verpflichtung zur Naturalrestitution kann deshalb auch nicht daran
scheitern, dass der Schädiger nicht Partei des den Schaden verursachenden
Vertrages gewesen ist.
15 In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte insbesondere
geltend gemacht, dass etwaige Steuervorteile und Mieteinnahmen der Kläger
als weitere auszugleichende Vorteile zu berücksichtigen seien. Hierzu ist
festzustellen, dass bereits das Landgericht unter Hinweis auf
Rentabilitätsberechnungen der Beklagten ausgeführt hat, der von den Klägern
geforderte Zahlungsbetrag sei lediglich als Mindestschaden anzusehen, weil
die eine zusätzliche Schadensposition darstellenden jährlichen Zinszahlungen
im Ergebnis nicht durch Mieteinnahmen und Steuervorteile ausgeglichen
würden. Die Beklagte hat kein maßgebliches Vorbringen in der
Berufungsinstanz aufgezeigt, das dieser Feststellung und Beurteilung
entgegenstünde.
16 3. Danach konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da das
Landgericht die begehrte Verurteilung zur Erstattung des Kaufpreises
Zug-umZug gegen Abgabe verschiedener Erklärungen zum Zwecke der Übereignung
der Immobilie zutreffend als begründet und möglich angesehen hat, ist die
Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen. |