Verbraucher- und
Unternehmerbegriff bei Existenzgründungsgeschäften; Ausschluß des
Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften gem. § 312 III Nr. 1 BGB
("vorhergehende Bestellung")
BGH, Urteil vom 15.
November 2007 - III ZR 295/06
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Zur Abgrenzung von
Unternehmer- und Verbraucherhandeln und zu einer Haustürsituation bei einem
Rechtsgeschäft, das der Vorbereitung einer Existenzgründung dient
(Fortführung der Grundsätze des Senatsbeschlusses
BGHZ 162, 253).
Zentrale Probleme:
S. die Nachw. bei
BGHZ 162, 253.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Die Beklagte beabsichtigte, sich als Mitinhaberin eines Fitness-Studios
selbständig zu machen, indem sie in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts,
die dieses Studio betrieb, eintrat. Auf Einladung der Beklagten und ihres
Ehemanns suchte der klagende Steuerberater die Eheleute am 7. Januar 2004 in
deren Wohnung auf, um die steuerliche Situation der Eheleute zu
"beleuchten". Der Kläger behauptet, bei dieser Gelegenheit sei er von der
Beklagten mit der Erstellung eines Existenzgründungsberichts beauftragt
worden, der insbesondere der Erlangung von Fördermitteln habe dienen sollen.
Für die Ausarbeitung des Berichts stellte der Kläger der Beklagten ein
Honorar für 40 Stunden zu je 80 € zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung.
Diesen Betrag nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen hat er im
vorliegenden Rechtsstreit eingeklagt.
2 Mit Schriftsatz vom 14. September 2005 hat die Beklagte den Vertrag gemäß
§§ 312, 355 BGB vorsorglich widerrufen.
3 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Forderung weiter.
Entscheidungsgründe
4 Die Revision ist nicht begründet. Beide Vorinstanzen haben zutreffend
angenommen, dass der vom Kläger behauptete Vertrag über die Erstellung des
Existenzgründungsberichts ein Haustürgeschäft im Sinne des § 312 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 BGB n.F. gewesen ist. Dementsprechend stand der Beklagten das
Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, das sie wirksam ausgeübt hat.
5 1. Die Beklagte war bei der Erteilung des Auftrags vom 7. Januar 2004
Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB, der Kläger Unternehmer im Sinne des §
14 BGB.
6 a) Der Auftrag konnte weder der gewerblichen noch der selbständigen
beruflichen Tätigkeit der Beklagten zugerechnet werden. Zwar hat der Senat
entschieden, dass Unternehmer- und nicht Verbraucherhandeln schon dann
vorliegt, wenn das betreffende Geschäft im Zuge der Aufnahme einer
gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte
Existenzgründung) geschlossen wird (Senatsbeschluss
BGHZ 162, 253,
256 f). Entscheidend hierfür ist die - objektiv zu bestimmende -
Zweckrichtung des Verhaltens. Das Gesetz stellt nicht auf das
Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geschäftlicher Erfahrung, etwa
aufgrund einer bereits ausgeübten gewerblichen oder selbständigen
beruflichen Tätigkeit, ab; vielmehr kommt es darauf an, ob das Verhalten der
Sache nach dem privaten - dann Verbraucherhandeln - oder dem
gewerblich-beruflichen Bereich - dann Unternehmertum - zuzuordnen ist.
Rechtsgeschäfte im Zuge einer Existenzgründung, z.B. die Miete von
Geschäftsräumen, der Abschluss eines Franchisevertrags oder der Kauf eines
Anteils an einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis, sind nach den
objektiven Umständen klar auf unternehmerisches Handeln ausgerichtet (Senatsbeschluss
aaO S. 257 m.w.N.).
7 b) Mit diesen Fallkonstellationen ist die vorliegende - wie beide
Vorinstanzen mit Recht hervorgehoben haben - indessen nicht vergleichbar.
Es ging hier nämlich gerade nicht um ein Rechtsgeschäft im Zuge der
Existenzgründung, sondern um ein solches, das die Entscheidung, ob es
überhaupt zu einer Existenzgründung kommen sollte, erst vorbereiten sollte,
indem die betriebswirtschaftlichen Grundlagen dafür ermittelt wurden.
Erst das Ergebnis dieser Untersuchung eröffnete der Beklagten überhaupt die
Möglichkeit, mit Sachkunde diese Entscheidung zu treffen. Da es - wie
bereits ausgeführt - auf den objektiven Zweck des Rechtsgeschäfts ankommt,
ist es unerheblich, ob die Beklagte subjektiv bereits fest zu einer
Existenzgründung entschlossen war. Entscheidend ist vielmehr, dass die
getroffene Maßnahme noch nicht Bestandteil der Existenzgründung selbst
gewesen war, sondern sich im Vorfeld einer solchen bewegte. Dementsprechend
ist der Auftrag (noch) nicht dem unternehmerischen, sondern dem privaten
Bereich zuzuordnen.
8 c) Die von der Revision hiergegen unter Praktikabilitätsgesichtspunkten
geäußerten Bedenken vermag der Senat nicht zu teilen. Die Unterscheidung
zwischen Geschäften, die im Zuge einer Existenzgründung vorgenommen werden,
und solchen, die diese Gründung vorbereiten sollen oder ihr vorgelagert
sind, ist sachgerecht und bringt keine besonderen Abgrenzungsprobleme mit
sich.
9 2. Auch eine "Haustürsituation" im Sinne des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB
ist hier zu bejahen, da die mündlichen Verhandlungen im Bereich der
Privatwohnung der Beklagten stattgefunden haben. Der Ausnahmetatbestand
des § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB liegt nicht vor. Nach dieser Bestimmung
besteht ein Widerrufsrecht nicht, wenn die mündlichen Verhandlungen, auf
denen der Abschluss des Vertrags beruht, auf vorhergehende Bestellung des
Verbrauchers geführt worden sind. Das Berufungsgericht hat hierzu
tatrichterlich festgestellt, dass der Kläger in das Haus der Beklagten nicht
zu dem Zweck bestellt worden war, um über eine Überarbeitung des
Unternehmenskonzepts der Beklagten zu verhandeln. Vielmehr war der Zweck
ausschließlich die steuerliche Situation der Beklagten und ihres Ehemanns im
Falle der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und die Erörterung der
damit zusammenhängenden Bedenken des Ehemanns der Beklagten. Bei dieser
Sachlage musste die Beklagte nicht damit rechnen, mit dem Angebot
konfrontiert zu werden, einen Existenzgründungsbericht zu erstellen
(vgl. Staudinger/Thüsing, BGB [2005] § 312 Rn. 159; Münch-KommBGB/Masuch, 5.
Aufl., § 312 Rn. 98; siehe auch BGHZ 110, 308, 310; 109, 127, 135 f; BGH,
Urteil vom 19. November 1998 - VII ZR 424/97 = NJW 1999, 575, 576).
Dementsprechend sind die mündlichen Verhandlungen, auf denen die Erteilung
des Auftrags beruht, nicht auf vorhergehende Bestellung der Beklagten
geführt worden. Entgegen der Betrachtungsweise der Revision vermag der
Senat darin, dass diese Konstellation in die gesetzliche Widerrufsregelung
des § 312 BGB einbezogen wird, keine Überspannung des Verbraucherschutzes zu
erkennen.
10 3. Da der Kläger die Beklagte unstreitig nicht in einer den gesetzlichen
Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB genügenden Weise über das Widerrufsrecht
belehrt hat, konnte es noch im Laufe dieses Rechtsstreits wirksam ausgeübt
werden. Eine Verwirkung dieses Rechts durch die Beklagte hat das
Berufungsgericht mit zutreffender Begründung verneint; die Revision erhebt
insoweit auch keinen Angriff.
11 4. Einen Wertersatzanspruch nach § 356 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 346 ff BGB
haben die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen
verneint.
12 5. Die Klage ist nach alledem mit Recht abgewiesen worden; die Revision
des Klägers war zurückzuweisen. |