Zustandekommen eines
Auskunftsvertrages mit einem Anlagevermittler; Voraussetzungen der Haftung
wegen Schlechterfüllung
BGH, Urteil vom 12. Mai
2005 - III ZR 413/04
Fundstelle:
noch nicht bekannt
s. auch BGH
NJW 1991, 352 sowie BGH NJW 2003, 1521
Amtl. Leitsätze:
Für das Zustandekommen
eines Auskunftsvertrages kann es genügen, wenn der Anleger den
Anlagevermittler um einen Beratungstermin bittet und der Anlagevermittler
dann Angaben zu der fraglichen Anlage macht.
Tatbestand:
Nach Gesprächen mit dem Beklagten beteiligte sich die Klägerin unter anderem
mit Anträgen vom 27. April 1992, 3. September 1993 und 8. April 1994 an
BGB-Gesellschaften, die von der P. C. GmbH als alleiniger Geschäftsführerin
und Vertreterin geführt wurden. Hierauf zahlte sie an den Treuhänder der
BGB-Gesellschaften "P. C. GbR ..." - einschließlich einer 10 %igen
Abschlußgebühr, die der P. C. GmbH zufließen sollte - insgesamt 57.900 DM (=
29.603,80 €).
Der Beklagte hatte der Klägerin erklärt, 91 % ihrer Anlage bei P. C. seien
abgesichert und es seien Renditen zwischen 0,4 % und 2 % p.m. zu erwarten.
Nach dem prospektierten Anlagekonzept waren Arbitrage-Geschäfte mit Triple
A-Staatsanleihen geplant.
Die P. C. GmbH geriet 1995 in Vermögensverfall; über ihr Vermögen wurde das
Konkursverfahren eröffnet. Es stellte sich heraus, daß sie nach dem
Schneeballsystem gearbeitet hatte.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil er
Auskunftspflichten, die ihm als Anlagevermittler obgelegen hätten, schlecht
erfüllt habe. Der Beklagte schulde ihr daher Erstattung der Aufwendungen,
die ihr durch die Beteiligung an dem Anlagemodell der P. C. GmbH entstanden
seien. Ihre Anspruchsberechtigung werde nicht dadurch infrage gestellt, daß
sie später ihre Ansprüche gegen die P. C. GmbH und deren Geschäftsführer G.
, gegen den Notar W. , die FT C. GmbH, den Kaufmann K. , den Kaufmann M. -B.
"sowie weitere(r) in Betracht kommende(r) Firmen und Personen" an den
Beklagten als Vorsitzenden des Vereins der P. C. Geschädigten e.V.
abgetreten habe.
Das Landgericht hat der Klägerin - unter Berücksichtigung, daß sie von P. C.
angebliche Renditezahlungen erhielt - 17.920,60 € nebst Zinsen zugesprochen
und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist
erfolglos geblieben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Beklagte sein Begehren, die Klage vollständig abzuweisen,
weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin sei aktivlegitimiert, weil die mit dem Verein der P. C.
Geschädigten e.V. getroffene Abtretungsvereinbarung gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1
Satz 1 RBerG, § 134 BGB unwirksam sei.
Der Beklagte und nicht eine durch diesen vertretene C. GmbH habe der
Klägerin die Anlage bei P. C. vermittelt. Im Zuge der Anlagevermittlung sei
zwischen den Parteien ein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Seiner
Auskunftspflicht habe der Beklagte indes nicht genügt. Das Anlagekonzept von
P. C. sei fragwürdig gewesen. Nach dem Prospekt habe eine konservative
Anlagestrategie, nämlich Arbitrage-Geschäfte mit Triple A-Staatsanleihen,
verfolgt werden sollen. Der Beklagte habe sich bei der gebotenen
Plausibilitätsprüfung fragen und diese Zweifel der Klägerin offenbaren
müssen, wie mit solchen weitgehend risikolosen Geschäften dauerhaft Renditen
zwischen 4,8 % und 24 % p.a. erzielt werden könnten. Denn andere -
spekulativ einsetzbare - Anlagegelder als diejenigen, mit denen der Erwerb
der amerikanischen Staatsanleihen hätte finanziert werden sollen, hätten
nicht zur Verfügung gestanden.
II. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch in
Höhe des zuerkannten Betrages zu.
1. Die Klägerin ist anspruchsberechtigt. Wie die Revisionserwiderung zu
Recht geltend macht, umfaßt die vorgerichtliche Abtretung die
Schadensersatzforderung der Klägerin gegen den Beklagten nicht. Die von der
Klägerin und dem Beklagten als Vorstand des Vereins der P. C. Geschädigten
e.V. getroffene "Abtretungsvereinbarung" - die der Senat selbst auslegen
kann, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind - nennt als
Anspruchsgegner namentlich die P. C. GmbH und deren Geschäftsführer, eine FT
C. GmbH, den an dem Anlagemodell beteiligten Notar und zwei Kaufleute, nicht
jedoch den Beklagten. Es ist auch auszuschließen, daß die Klägerin ihren
Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten unter der Sammelbezeichnung
"Ansprüche gegen ... weitere(r) in Betracht kommende(r) Firmen und Personen"
hat abtreten wollen. Denn ihre Abtretungserklärung richtete sich gerade an
den Beklagten als "(Zessionar) Vereinsvorsitzender Verein P. C. Geschädigter
e.V.".
2. Die Klägerin kann von dem Beklagten Schadensersatz beanspruchen, weil
er einen mit ihr geschlossenen Auskunftsvertrag schuldhaft verletzt hat.
a) Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt zwischen dem Anlageinteressenten
und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest
stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, daß er, auf
eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und
Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der
Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag
verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über
diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß des
Interessenten von besonderer Bedeutung sind (Senatsurteile vom 13. Mai
1993 - III ZR 25/92 -NJW-RR 1993, 1114, vom 13. Januar 2000 - III ZR 62/99 -
ZIP 2000, 355, 356 und vom 11. September 2003 - III ZR 381/02 - NJW-RR 2003,
1690).
b) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, zwischen den
Parteien sei ein Auskunftsvertrag im vorbeschriebenen Sinn zustande
gekommen. Das wird von den im Berufungsurteil in Bezug genommenen und
insoweit unstreitigen Feststellungen des Landgerichts getragen. Danach
erfuhr die Klägerin von P. C. , als der Beklagte ihrem Sohn dieses
Anlagemodell in dessen Wohnung vorstellte. Sie vereinbarte damals einen
Beratungstermin mit dem Beklagten, bei dem dieser das Beteiligungskonzept
erörterte und die hohe Rendite aufzeigte.
aa) Die Revision wendet gegen die Annahme einer vertraglichen
Auskunftspflicht ein, nach dem Vorbringen des Beklagten sei die Klägerin
schon vor ihrer ersten Zeichnung fest entschlossen gewesen, sich bei P. C.
zu beteiligen. Sie habe es nämlich abgelehnt, eine detaillierte
Vermögensberatung entgegenzunehmen, und immer nur die Kapitalanlage P. C.
gewünscht. Von anderen, ihr vom Beklagten angebotenen Kapitalanlagen habe
sie nichts wissen wollen. Diese Umstände stellen die Würdigung des
Berufungsgerichts indes nicht durchgreifend in Frage (§ 286 ZPO).
Die Klägerin mag das Anlagemodell P. C. als für sie attraktiv angesehen
haben, nachdem sie es bei Gelegenheit eines Werbegesprächs des Beklagten mit
ihrem Sohn kennengelernt hatte. Sie wünschte aber dennoch einen eigenen
Beratungstermin. Das durfte das Berufungsgericht dahin verstehen, daß die
Klägerin von dem als sachkundig eingeschätzten Beklagten dann eine
verbindliche Auskunft zur Anlage bei P. C. erwartete. Ließ sich der Beklagte
- wie geschehen - auf ein solches Ersuchen ein, ist der Auskunftsvertrag
zustande gekommen.
bb) Ohne Erfolg greift die Revision die Feststellung des Berufungsgerichts
an, der durch die Anlagevermittlung begründete Auskunftsvertrag sei mit dem
Beklagten und nicht mit der C. GmbH zustande gekommen. Die - bestrittene -
Behauptung des Beklagten, er habe sich der Klägerin ausdrücklich als
Vertreter der C. GmbH vorgestellt, blieb beweislos. Die vom Beklagten
verwandten formularmäßigen Beteiligungsanträge enthielten teilweise den
Stempel der A. GmbH - die hier nicht im Spiel ist -, aber keinen Hinweis auf
die C. GmbH. Daß der Beklagte für die C. GmbH auftreten wollte, konnte sich
deshalb nicht schon daraus ergeben, daß er in dem Antragsformular seinen
Namen in die Spalte "Der Antrag wird eingereicht von Mitarbeiter Nr. 771
Namen des Mitarbeiters: ..." eintrug. Zwar hatte die Klägerin jedenfalls
nach dem Vorbringen des Beklagten noch ihre persönlichen Daten in dem ihr
von dem Beklagten vorgelegten "Leitfaden" der C. GmbH, in dem es eingangs
unter anderem hieß "Gehen Sie ihn gemeinsam mit Ihrem C. FINANZBERATER",
vermerkt. Dem durfte das Berufungsgericht aber, weil sich die C.
-Vermögensanalyse nicht konkret auf die hier maßgeblichen Anlagegeschäfte
bezog, geringeres Gewicht beimessen (§ 286 ZPO) als den
Beteiligungsanträgen. Letztere nannten, wie schon erwähnt, die C. GmbH
nicht; sie boten damit aus Sicht der Klägerin keinen Anhalt dafür, daß die
Anlagevermittlung nicht durch den tatsächlich tätigen Beklagten, sondern
durch eine C. GmbH erfolgt sein könnte.
Ob die Klägerin jedenfalls bei Zeichnung des letzten Beteiligungsantrags vom
Dezember 1994 oder Januar 1995 wußte, daß der Beklagte als "Mitarbeiter" der
C. GmbH handelte, ist unerheblich. Denn die Vorinstanzen haben dem Beklagten
ohnehin die Vermittlung dieses Beteiligungsvertrages nicht zugerechnet.
c) Frei von Rechtsfehlern ist weiter die Würdigung des Berufungsgerichts,
der Beklagte habe den mit der Klägerin geschlossenen Auskunftsvertrag
schuldhaft verletzt.
aa) Kapitalanlagevermittler sind unabhängig davon, ob sie besonderes
Vertrauen genießen, verpflichtet, das Anlagekonzept, bezüglich dessen sie
Auskunft erteilen sollen, (wenigstens) auf Plausibilität, insbesondere auf
wirtschaftliche Tragfähigkeit hin, zu prüfen. Sonst können sie keine
sachgerechten Auskünfte erteilen. Fehlende Sachkunde muß der
Anlagevermittler dem Vertragspartner offenlegen (vgl. Senatsurteil vom
13. Januar 2000 aaO S. 356).
bb) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat den
Beklagten auch zu Recht nicht deshalb der Plausibilitätsprüfung als enthoben
angesehen, weil sich aus Prüfvermerken von Wirtschaftsprüfern ergab, daß der
Geschäftsablauf, insbesondere der Mittelzufluß und die Mittelverwendung,
nach den vertraglichen Vereinbarungen erfolgt sei; den Beklagten entlastete
ferner nicht der Informationsbrief von "kapitalmarkt intern" vom 22. Mai
1992, wonach P. C. als "seriöser als zahlreiche Vergleichsofferten"
angesehen wurde. Diese Unterlagen besagten erkennbar nichts darüber, ob das
Anlagekonzept von P. C. tragfähig und die von dem Beklagten in Aussicht
gestellte Rendite von 4,8 % bis 24 % p.a. realistisch war (vgl. Senatsurteil
vom 13. Januar 2000 aaO).
cc) Bei mithin gebotener Plausibilitätsprüfung hätte dem Beklagten die
Fragwürdigkeit des Anlagekonzepts von P. C. auffallen müssen. Die von dem
Beklagten erwartete Rendite von bis zu 24 % p.a. konnte mit der von P. C.
prospektierten Anlagestrategie schwerlich erzielt werden.
Dem Berufungsurteil ist zu entnehmen, daß im Prospekt nicht spekulative,
sondern weitgehend risikolose Geschäfte konservativen Charakters angekündigt
wurden. Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision vergeblich. Sie
macht geltend, das Berufungsgericht habe Vortrag des Beklagten übergangen (§
286 ZPO), demzufolge das Anlagekapital zu 100 % habe spekulativ arbeiten
sollen; es hätten TED-Spread- und NOB-Spread-Tradings geschlossen werden
sollen, bei denen sehr hohe Renditen gewunken hätten.
Die Rüge ist unbegründet. Nach dem - von dem Beklagten beispielhaft
vorgelegten - Prospekt waren TED-Spread- und NOB-Spread-Geschäfte, die nach
der Behauptung des Beklagten Spekulation waren, zugleich aber
außerordentliche Gewinnchancen boten, gerade nicht geplant; sie wurden "zur
Zeit nicht angeboten" (S. 10 des Prospekts). Vielmehr sollte laut Prospekt
Staatsanleihen-Arbitrage-Handel mit Triple A-Staatsanleihen, also mit
Wertpapieren höchster Bonität, betrieben werden. Die Arbitrage war laut
Prospekt von Spekulationsgeschäften zu unterscheiden. Es handele sich um ein
Geschäft, das Preisunterschiede für dasselbe Objekt an verschiedenen Märkten
- vor allem Börsen - zur Gewinnerzielung ausnutze. Voraussetzung sei eine
schnelle Nachrichtenübermittlung sowie eine Kursdifferenz, die höher sei als
die anfallenden Kosten. Da per Arbitrage nur örtliche Kursdifferenzen
ausgenutzt würden, sei sie theoretisch risikolos. Die Triple
A-Staatsanleihen würden ausschließlich von der "Summe der einzelnen
monatlichen Beträge der GbR" von der Broker-Gesellschaft geordert und dem
Gesamtpool zugeführt (S. 10 des Prospekts). Diesen Prospektangaben durfte
das Berufungsgericht durchaus entnehmen, P. C. habe - zumindest für einen
wesentlichen Teil der Anlagegelder - eine konservative, "theoretisch
risikolose" Anlagestrategie angekündigt. Damit war aber, wie auf der Hand
liegt und die Revision nicht bezweifelt, eine Rendite zwischen 4,8 % und 24
% p.a. nicht zu erzielen. Auf die Frage, wie die weiter prospektierte "91
%ige Kapitalsicherheit" (vgl. S. 5, 6, 7, 11, 13, 18 des Prospekts)
gewährleistet war, kam es nicht mehr an.
dd) Nach der nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts hat der
Beklagte die vorbeschriebenen, im Zuge der Plausibilitätsprüfung gebotenen
Überlegungen nicht angestellt. Hatte der Beklagte aber die Schlüssigkeit des
prospektierten Anlagekonzepts nicht geprüft, dann hätte er auf die
Erklärung, es seien Renditen in einer Größenordnung zwischen 4,8 % und 24 %
jährlich zu erwarten, verzichten oder zumindest offenbaren müssen, daß es
sich um eine rein subjektive Einschätzung handelte, die er ohne Prüfung des
Anlagekonzepts abgebe (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2000 aaO S. 357).
Wenn der Beklagte Kraftfahrer war, keine gesonderte Ausbildung im
Finanzdienstleistungssektor hatte und deshalb das Anlagekonzept nicht
durchschauen konnte, hätte er dies gegenüber der Klägerin aufdecken oder von
der Anlagevermittlung überhaupt Abstand nehmen müssen.
d) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die Kausalität der
Vertragsverletzung für den der Klägerin entstandenen Schaden bejaht und ein
Mitverschulden der Klägerin verneint hat, lassen Rechtsfehler nicht
erkennen.
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