Keine entsprechende Anwendung von § 680 BGB auf
den Amtsträger im Rahmen der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.M. Art. 34 S. 1 GG;
Voraussetzungen einer Analogie; Anwendbarkeit von § 680 BGB auf berufliche
Nothelfer (offengelassen)
BGH, Urteil vom 14. Juni 2018 - III
ZR 54/17 - OLG Karlsruhe
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Die Haftung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1
GG wegen eines amtspflichtwidrigen Verhaltens eines zur Gefahrenabwehr
handelnden Amtsträgers (hier: eines Feuerwehrbeamten) ist nicht
entsprechend § 680 BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.
Zentrale Probleme:
Die städtische Feuerwehr setzt fahrlässig ein falsches
Löschmittel ein und verursacht hierdruch Schäden. Es stellt sich die Frage,
ob § 680 BGB, der bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag eine Haftung die
Haftung für einfache Fahrlässigkeit, anordnet, auf den Amtshaftungsanspruch
analog anwendbarf ist. Der Senat verneint das bereits wegen des Fehlen einer
Regelungslücke. Fast noch interessanter ist die zweite vom BGH
diskutierte und letztlich offengelassene Frage, ob § 680 BGB auch bei
Vorliegen einer GoA auch auf professionelle Nothelfer anwendbar ist. Eine
starke, wenngleich nicht unbestrittene in der Literatur vertretene
Ansicht verneint das im Rahmen einer teleolgischen Reduktion. Dabei wird
auch darauf abgestellt, dass es ein Widerspruch sei, dem professionellen
Nothelfer über §§ 683, 670 BGB einen Aufwendungsersatz auch in Gestalt eines
Arbeitslohns zuzusprechen (s. z.B. die Anm. zu
BGH v. 17.11.2011 - III ZR 53/11),
ihn aber zugleich von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit
freizusprechen. Leider bleibt diese Frage hier offen. Weiter ist zu
beachten, dass bei Noteinsätzen auch im Rahmen der Prüfung
des Vorwurfes der einfachen Fahrlässigkeitder Notsituation Rechnung getragen
werden. Ist die objektiv richtige Handlung angesichts der Verhältnisse
am Einsatzort und in der Kürze der für die Entscheidungsfindung zur
Verfügung stehenden Zeit nicht erkennbar, kann dem Nothelfer jedenfalls kein
Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden
©sl 2019
Tatbestand:
1 Die Klägerin
begehrt Schadensersatz aus Amtshaftung aufgrund eines Einsatzes der
Feuerwehr der Beklagten bei einem Großbrand in B..
2 Die
Klägerin ist Eigentümerin der Anwesen K. Straße 11 und 15 im Gemeindegebiet
der Beklagten. Dort befanden sich das Auslieferungslager und das
Verwaltungsgebäude eines Reformwarenhandels. Am Abend des 8. Februar 2010
brach im Bereich der vor den Laderampen des Auslieferungslagers geparkten
Lastkraftwagen auf dem Grundstück K. Straße 15 ein Feuer aus, das auf das
Lager- und das Verwaltungsgebäude übergriff. Die Feuerwehr der Beklagten
traf ab 21:29 Uhr am Brandort ein. Die Einsatzkräfte stellten -
zutreffend - fest, dass der Brand der Lagerhalle nicht mehr zu löschen war,
und beschränkten sich darauf, ein Übergreifen des Feuers, insbesondere auf
eine auf dem angrenzenden Grundstück K. Straße 13 befindliche Lagerhalle,
zu verhindern. In dem Bereich zwischen der brennenden Halle der
Klägerin und dem benachbarten Lagergebäude setzte die Feuerwehr ab
ca. 23:30 Uhr ein perfluoroctansulfathaltiges Schaummittel (künftig:
PFOS-Schaum) ein, um ein Übergreifen des Feuers zu verhindern.
3 Das Grundstück der Klägerin in der K. Straße 15 war nicht an
die Kanalisation angeschlossen. Oberflächenwasser wurde über
Versickerungsmulden abgeführt, die das beim Löschen des Brandes anfallende
Wasser lediglich teilweise aufnehmen konnten und anschließend nach und nach
in den Untergrund abgaben. Auf diese Weise gelangte der PFOS-Schaum
in das Erdreich und das Grundwasser. Mit Bescheid vom 2. Juni 2010 gab die
Beklagte der Klägerin auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes sowie
des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes umfangreiche Maßnahmen
zur Sanierung des Grundstücks K. Straße 15 auf.
4
Die Klägerin hat vorgetragen, der von der Feuerwehr der Beklagten verwendete
PFOS-Schaum habe unter Berücksichtigung des dadurch verursachten Schadens
nicht eingesetzt werden dürfen. Ein Ausbreiten des Brandes habe
auch ohne den Einsatz dieses Schaums verhindert werden können.
Die Feuerwehr habe zumindest grob fahrlässig gehandelt.
5
Die Klägerin hat die Erstattung der bislang angefallenen und die
Freistellung von künftigen Kosten für die Sanierung des Grundstücks infolge
des Feuerwehreinsatzes begehrt sowie den Ersatz der Kosten für den Bau eines
weiteren Löschwasserbrunnens und des Wertverlustes, den das Grundstück K.
Straße 15 trotz durchgeführter Sanierung erlitten habe. Darüber hinaus hat
sie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle weitergehenden
materiellen, auch künftigen Schäden aus dem Feuerwehreinsatz beantragt.
6 Das Landgericht hat - nach Zeugenvernehmung und Erhebung
von Sachverständigenbeweis - die Klage im Hinblick auf die bislang
angefallenen Sanierungskosten und den Ersatz des Wertverlustes des
Grundstücks dem Grunde nach für berechtigt erklärt sowie
festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin von weiteren, auch künftigen
Bodensanierungskosten aufgrund des Feuerwehreinsatzes freizustellen und ihr
alle weitergehenden materiellen Schäden aus diesem Einsatz zu ersetzen habe.
7 Das Oberlandesgericht hat zu der Berufungsverhandlung vom 28. November
2016 einen bislang nicht in der Sache tätigen Sachverständigen für Brand-
und Explosionsschutz geladen, der ein umfangreiches mündliches Gutachten
erstattet hat. Das von der Beklagten zum Ergebnis der
Beweisaufnahme beantragte Schriftsatzrecht hat das Oberlandesgericht nicht
gewährt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 23. Dezember
2016 anberaumt. Mit am 21. Dezember 2016 beim Oberlandesgericht
eingegangenem Schriftsatz gleichen Datums hat die Beklagte zu dem mündlichen
Sachverständigengutachten Stellung genommen und die Einholung eines
ergänzenden Gutachtens sowie die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
beantragt. Sie hat ausgeführt, eine fachgerechte weitere Stellungnahme unter
Hinzuziehung eines Privatsachverständigen erfordere einen Zeitraum von drei
Wochen. Daher werde beantragt, ihr zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein
weiteres Äußerungsrecht bis zum 15. Januar 2017 einzuräumen. Daraufhin hat
das Oberlandesgericht mit - den Parteien am selben Tag zugestellter -
Verfügung vom 22. Dezember 2016 den Termin zur Verkündung einer Entscheidung
auf den 23. Januar 2017 verlegt, da eine hinreichende Befassung mit dem
Schriftsatz der Beklagten vom 21. Dezember 2016 vor dem Verkündungstermin
am 23. Dezember 2016 nicht möglich sei.
8 Das Oberlandesgericht hat
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass - infolge
einer entsprechenden Klagerücknahme - der Tenor des Urteils des Landgerichts
in seinem Feststellungsausspruch auf Kosten und Schäden aus dem Einsatz des
PFOS-Schaums begrenzt ist. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat
zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf
Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe (Auszug):
9 Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
I.
10
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
11 Die beklagte
Stadt habe der Klägerin für eine schuldhafte Amtspflichtverletzung
einzustehen. Der Einsatz des PFOS-Schaums sei ermessensfehlerhaft und daher
amtspflichtwidrig gewesen. Welche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Rahmen der
Bekämpfung von Schadenfeuern ergriffen würden, liege im Auswahlermessen des
Einsatzleiters der Feuerwehr, bei dessen Ausübung der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit zu beachten sei. Von mehreren geeigneten Mitteln sei das
den Betroffenen am wenigsten in seinen Rechten beeinträchtigende
auszuwählen. Der Einsatzleiter der Feuerwehr der Beklagten habe im Rahmen
des ihm zukommenden Auswahlermessens keine hinreichende Abwägung der zu
berücksichtigenden Belange vorgenommen. Eine ordnungsgemäße
Ermessensausübung habe eine Abwägung der mit der Verwendung des
Schaummittels einhergehenden erheblichen Umweltgefahren mit den bei einem
Übergreifen des Brandes auf das Nachbargebäude betroffenen Rechtsgütern
vorausgesetzt. Dies habe der Einsatzleiter infolge seiner
fehlerhaften Annahme, zum Aufhalten des Brandes an der Grundstücksgrenze
habe es keine Alternative gegeben, unterlassen.
12 Die
Ermessensunterschreitung sei für den Schaden ursächlich gewesen.
Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Einsatzleiter bei
ordnungsgemäßer Ausübung seines Auswahlermessens unter Abwägung der
relevanten Gefahren und Rechtsgüter den PFOS-Schaum nicht zum Einsatz
gebracht hätte. Dieser habe bei der Bekämpfung des Brandes der Halle der
Klägerin keinen feuerwehrtechnischen oder -taktischen Vorteil gegenüber
nicht fluorhaltigen Mehrbereichsschaummitteln geboten.
13 Die
Beklagte treffe hinsichtlich des Ermessensfehlers ihres Einsatzleiters
zumindest der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens. Dem
Einsatzleiter habe bekannt sein müssen, dass allein der drohende Übergriff
des Schadenfeuers auf das Nachbargrundstück ihn nicht von jeglicher Ausübung
seines Auswahlermessens hinsichtlich der weiteren Brandbekämpfung
freigestellt habe. Die von dem PFOS-Schaum ausgehenden Umweltgefahren hätten
ihm als Berufsfeuerwehrmann bewusst sein müssen. Als beruflichem
Nothelfer komme ihm auch kein Haftungsprivileg nach § 680 BGB zugute, das
seine Einstandspflicht - und die der Beklagten - auf Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit beschränke.
14 Der Schriftsatz der Beklagten
vom 21. Dezember 2016 gebe keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung. Ein Schriftsatznachlass zur Stellungnahme auf das in der
Sitzung vom 28. November 2016 erstattete Sachverständigengutachten sei der
Beklagten nicht zu gewähren gewesen. Das Gutachten habe kein überraschendes,
für die Beklagte unvorhersehbares Ergebnis erbracht. Sie sei sachkundig und
habe die Verhandlung hinreichend sach- und fachkundig vertreten wahrnehmen
müssen. Im Termin vom 28. November 2016 habe sie nicht erkennen lassen, dass
sie zu einer sachgerechten Befragung des Gutachters nicht in der Lage
gewesen sei. Auch ihr Schriftsatz vom 21. Dezember 2016 enthalte hierzu
keine tragfähigen Ausführungen. Innerhalb der von ihr dort ausbedungenen
weiteren Frist habe die Beklagte ebenfalls keine zusätzlichen Fragen an den
Sachverständigen mitgeteilt.
II.
15 Die Revision ist
unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen
Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m.
Art. 34 Satz 1 GG.
16 1. Das Berufungsgericht hat
rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Entscheidung des Einsatzleiters, den
PFOS-Schaum zu verwenden, um einen Übergriff des Feuers auf die auf dem
Grundstück K. Straße 13 befindliche Lagerhalle zu verhindern,
ermessensfehlerhaft und damit amtspflichtwidrig war.
17 a)
Das Ermessen des Einsatzleiters war entgegen der Auffassung der Revision
nicht schon deshalb zugunsten einer Verwendung des PFOS-Schaums auf Null
reduziert, weil nicht auszuschließen war, dass sich noch Personen in dem
Nachbargebäude befanden, auf das der Brand überzugreifen drohte.
18
Das Berufungsgericht hat dem Einsatzleiter zu Recht vorgeworfen,
sein Ermessen bei der Auswahl des Mittels zur Verhinderung des
Brandübergriffs nicht erkannt und ausgeübt zu haben. Es hat
ausgeführt, es liege im Auswahlermessen des Einsatzleiters, welche Maßnahmen
zur Gefahrenabwehr im Rahmen der Bekämpfung von Schadenfeuern ergriffen
würden. Von mehreren geeigneten Mitteln sei das den Betroffenen am
wenigsten in seinen Rechten beeinträchtigende auszuwählen (S. 12 f
der Entscheidungsgründe). Auf der Grundlage der von ihm durchgeführten
Beweisaufnahme hat es festgestellt, dass es bei dem Brand zu keinem
Zeitpunkt eine Situation gegeben habe, in der es gerechtfertigt gewesen sei,
ein fluorhaltiges Schaummittel einzusetzen. Dessen besondere
Eigenschaft, auf einer brennenden Oberfläche einen Film zu bilden, habe
nicht genutzt werden können, weil keine hinreichend ebene Oberfläche mehr
vorhanden gewesen sei. Die weitere günstige Eigenschaft, mit dem Schaum die
Oberflächenspannung des mit ihm versetzten Löschwassers herabzusetzen, habe
auch durch andere, nicht fluorhaltige Schaummittel erreicht werden können.
Zur Kühlung der Außenwand der Halle auf dem Nachbargrundstück sei reines
Löschwasser ausreichend gewesen (S. 18 ff der Entscheidungsgründe). Bot der
PFOS-Schaum aber - wie vom Berufungsgericht festgestellt - gegenüber
anderen, Erdreich und Grundwasser weniger gefährdenden Löschmitteln keine
Vorteile, durfte er nicht eingesetzt werden, auch nicht zum Schutz von sich
möglicherweise in der Nachbarhalle noch aufhaltenden Personen.
19 Es
mag missverständlich sein, wenn das Berufungsgericht dem Einsatzleiter
vorwirft, ermessensfehlerhaft angenommen zu haben, zum Aufhalten desBrandes
an der Grundstücksgrenze habe es keine Alternative gegeben (S. 17 der
Entscheidungsgründe). Diese Formulierung könnte dahin verstanden werden, der
Einsatzleiter habe gegebenenfalls den Brand auf das
Nachbargebäude übergreifen lassen müssen. In dem Gesamtverständnis des
Berufungsurteils ist ihm jedoch zweifelsfrei zu entnehmen, dass dem
Einsatzleiter nicht ein Fehler bei der Ausübung des
(Entschließungs-)Ermessens, ob der Brandübergriff zu verhindern war, sondern
bei der Ausübung des (Auswahl-)Ermessens, wie - das heißt mit welchem Mittel
- der Brandübergriff zu verhindern war, vorgeworfen wird (vgl. etwa S. 15
und 24 der Entscheidungsgründe: keine hinreichende Abwägung im Rahmen des
dem Einsatzleiter zukommenden Auswahlermessens; keine Freistellung von
jeglicher Ausübung des Auswahlermessens). Dies wird letztlich auch von der
Revision nicht verkannt (vgl. S. 28 der Beschwerdebegründung vom 31. Mai
2017).
20 b) Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner Feststellungen
zur Ermessensausübung des Einsatzleiters keinen entscheidungserheblichen
Vortrag der Beklagten übergangen.
21 - 41 ... (wird ausgeführt)
42 2. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass
die pflichtwidrige Unterschreitung des dem Einsatzleiter zukommenden
Auswahlermessens ursächlich für den - nach Klagerücknahme noch
streitgegenständlichen - Schaden war. Dabei hat es die Rechtsprechung des
erkennenden Senats zugrunde gelegt, nach der eine fehlerhafte
Ermessensentscheidung nur dann ursächlich für einen Schaden ist, wenn
feststeht, dass bei richtiger Handhabung des Ermessens der Schaden nicht
eingetreten wäre (Senat, Urteile vom 7. Februar 1985 - III ZR
212/83, NVwZ 1985, 682, 684 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84, VersR
1985, 887; Beschluss vom 28. Februar 1991 - III ZR 81/90, juris Rn. 5; vgl.
auch BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 [01.04.2018], Rn. 489).
43 Die Frage,
ob bei fehlerfreiem Verhalten eine andere, den Schaden vermeidende
Ermessensausübung vorgenommen worden wäre, hat das Berufungsgericht -
entgegen der Revision - nicht in Abweichung von der vorgenannten
Senatsrechtsprechung der haftungsausfüllenden Kausalität zugeordnet. Es hat
auch nicht offen gelassen, ob eine Belastung des Bodens ebenso, also
in gleichem Ausmaß, bei Verwendung eines anderen Löschmittels
aufgetreten wäre. In der von der Revision beanstandeten Textstelle des
angefochtenen Urteils (S. 22 der Entscheidungsgründe) begründet das
Berufungsgericht lediglich, weshalb dahinstehen kann, ob eine Belastung des
Bodens und des Grundwassers als solche, das heißt unabhängig von ihrem
Ausmaß, auch bei Verwendung eines anderen Löschmittels eingetreten wäre. Es
sieht hingegen eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein
Schadensersatzanspruch der Klägerin jedenfalls in irgendeiner Höhe besteht,
weil das Vorbringen der Beklagten nicht den Schluss zulasse, dass durch den
Einsatz eines anderen Löschmittels Aufwendungen in gleicher Weise angefallen
wären. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Sie stehen insbesondere
nicht in Widerspruch zu der - zutreffenden - Auffassung des
Berufungsgerichts, eine fehlerhafte Ermessensentscheidung sei nur
schadensursächlich, wenn feststehe, dass bei fehlerfreiem Verhalten eine
andere, den Schaden vermeidende Ermessensausübung vorgenommen worden wäre.
Dass der Klägerin durch den Einsatz des PFOS-Schaums ein Schaden entstanden
ist, hat das Berufungsgericht einheitlich und widerspruchsfrei bejaht. Die
Feststellung der Höhe des Schadens hat es - zutreffend - dem
Betragsverfahren überlassen.
44 3. Die pflichtwidrige
Unterschreitung des Auswahlermessens erfolgte schuldhaft. Das
Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ein fahrlässiges Verhalten des
Einsatzleiters bejaht.
45 Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage
der Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass dem
Einsatzleiter zum Zeitpunkt des Brandereignisses die von der Verwendung des
PFOS-Schaums ausgehenden Umweltgefahren hätten bekannt sein müssen. ...
(wird ausgeführt)
46 4. Schließlich hat das Berufungsgericht
zutreffend erkannt, dass dem Einsatzleiter - und damit auch der
Beklagten - kein Haftungsprivileg im Sinne von § 680 BGB dahingehend
zugutekommt, dass seine Einstandspflicht auf Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit beschränkt ist.
47 aa) Im Rahmen des
Amtshaftungsanspruchs aus § 839 Abs. 1 BGB gilt der Sorgfaltsmaßstab des §
276 BGB (Senatsurteil vom 20. Februar 1992 - III ZR 188/90, BGHZ
117, 240, 249), so dass grundsätzlich jeglicher Grad
von Fahrlässigkeit die Haftung wegen einer Amtspflichtverletzung begründet.
48 Allerdings hat gemäß § 680 BGB bei einer Geschäftsführung
ohne Auftrag der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu
vertreten, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn
drohenden dringenden Gefahr bezweckt. Diese Haftungsbeschränkung gilt, wenn
die Voraussetzungen des § 680 BGB erfüllt sind, auch für einen Anspruch
aus § 823 BGB (BGH, Urteil vom 30. November 1971 - VI ZR 100/70,
NJW 1972, 475; OLG Hamburg, VersR 1984, 758). Ob sie in diesem Fall
(unmittelbar) auch für einen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB gilt, kann
vorliegend schon deshalb dahinstehen, weil die Voraussetzungen einer
(öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinne von §§ 677,
680 BGB nicht festgestellt sind. Das Berufungsgericht hat daraus
folgende Ansprüche vielmehr - von der Revision unbeanstandet - ausdrücklich
offen gelassen (S. 27 der Entscheidungsgründe).
49 bb) Eine
danach allein in Betracht kommende analoge Anwendung des Haftungsmaßstabs
gemäß § 680 BGB auf den Amtshaftungsanspruch der Klägerin aus § 839 BGB ist
vorliegend zu verneinen.
50 Ob die
Haftungsbeschränkung des § 680 BGB zugunsten sogenannter professioneller
Nothelfer - insbesondere Notärzte, Rettungssanitäter, Bergwacht und
Feuerwehr - gilt, ist bereits für den unmittelbaren Anwendungsbereich dieser
Vorschrift umstritten. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage
bislang offen gelassen (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1974 - VII ZR 223/72,
BGHZ 63, 167, 175).
51 (1) Teilweise wird im Schrifttum die
Auffassung vertreten, auch dem beruflichen Nothelfer sei das
Haftungsprivileg des § 680 BGB zubilligen (NK-BGB/ Schwab, 3.
Aufl., § 680 Rn. 3 [ausdrücklich auch für Amtshaftungsansprüche];
BeckOK-BGB/Gehrlein, BGB, § 680 Rn. 2 [Stand: 1. November 2017];
Zimmermann/Neideck, JuS 2011, 1100, 1103; Lippert, NJW 1982, 2089, 2093;
Timmerbrink, BADK-Information 1996, 13; einschränkend PWW/Fehrenbacher, BGB,
13. Aufl., § 680 Rn. 3). Der besonderen Stellung des Nothelfers soll
dieser Ansicht zufolge durch eine am Einzelfall ausgerichtete sowie nach
Berufs- und Tätigkeitsfeldern differenzierende Fahrlässigkeitsprüfung
Rechnung getragen werden (Zimmermann/Neideck aaO; Lippert aaO).
52 (2) Dagegen wird überwiegend eine Anwendbarkeit des
Haftungsmaßstabes aus § 680 BGB in Fällen der Gefahrenabwehr durch
professionelle Nothelfer verneint (OLG München, NJW 2006, 1883,
1885; für die Gefahrenabwehr durch Behörden und Amtspersonen: BeckOGK/Thole,
BGB, § 680 Rn. 21 [Stand: 1. Oktober 2017]; für die Gefahrenabwehr durch die
Feuerwehr: Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 283 f; für
den Bereich des staatlich organisierten Rettungsdienstes: Loyal, Die
"entgeltliche" Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 259; verneinend auch
MüKoBGB/Schäfer, 7. Aufl., § 680 Rn. 9; Staudinger/Bergmann, BGB,
Neubearbeitung 2015, § 680 Rn. 15; Soergel/Beuthin, BGB, 13. Aufl., § 680
Rn. 5; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 680 Rn. 1; Jauernig/Mansel, BGB, 16.
Aufl., § 680 Rn. 1; Gregor in jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 680 Rn. 7;
Erman/Dornis, BGB, 15. Aufl., § 680 Rn. 2; Roth, NJW 2006, 2814, 2816).
Die entsprechende teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von
§ 680 BGB wird vor allem damit begründet, dass es widersprüchlich sei, einem
solchen - in der Regel auch haftpflichtversicherten - Geschäftsführer
Aufwendungsersatz gemäß § 683 Satz 1 BGB in Gestalt der üblichen Vergütung
zu gewähren (vgl. zu diesem Anspruch BGH, Urteil vom 26. Januar
2005 - VIII ZR 66/04, NJW-RR 2005, 639, 641 mwN) und ihn
andererseits nicht mit dem gewöhnlichen Haftungsrisiko nach § 276 BGB zu
belasten.
53 (3) Für die im Streitfall in Ausübung eines
öffentlichen Amtes erfolgte Gefahrenabwehr, das heißt im Hinblick auf den
geltend gemachten Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB, schließt sich der
Senat der letztgenannten Auffassung an. Der eingeschränkte Haftungsmaßstab
des § 680 BGB findet jedenfalls in diesem Bereich keine entsprechende
Anwendung.
54(a) Es fehlt bereits an der für eine
Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Sachverhalte
(vgl. hierzu z.B. BGH, Urteil vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 274/02, BGHZ 155,
380, 389 f mwN).
55 Nach Sinn und Zweck von § 680 BGB soll
der potentielle Geschäftsführer in Augenblicken dringender Gefahr zur
Hilfeleistung ermutigt werden, weil dies auch im allgemeinen Interesse
erwünscht und nach § 323c StGB unter Umständen sogar gefordert ist. Die
Vorschrift des § 680 BGB will also denjenigen schützen und in gewissem
Umfang vor eigenen Verlusten bewahren, der sich zu spontaner Hilfe
entschließt. Sie berücksichtigt, dass wegen der in
Gefahrensituationen geforderten schnellen Entscheidung ein ruhiges und
überlegtes Abwägen ausgeschlossen ist und es sehr leicht zu einem
Sichvergreifen in den Mitteln der Hilfe kommen kann (BGH, Urteile
vom 17. Februar 1972 - II ZR 46/70, juris Rn. 11; vom 30. November 1971 aaO
S. 476 und vom 16. März 1965 - VI ZR 210/64, BGHZ 43, 188, 194; vgl. bereits
Mugdan II S. 479).
56 Diese Situation entspricht nicht derjenigen von
Amtsträgern, zu deren öffentlich-rechtlicher Pflicht die
"berufsmäßige" Abwehr einer dringenden Gefahr für Einzelne oder die
Allgemeinheit gehört (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 FwG BW zur
gesetzlichen Aufgabe der von der Beklagten unterhaltenen Feuerwehr).
Die genannten Amtsträger sind auf die mit der Gefahrenabwehr häufig
verbundenen Noteinsätze typischerweise vorbereitet und können auf
entsprechende Erfahrungen aus dem Berufsalltag zurückgreifen, so dass das
Risiko eines Fehlverhaltens deutlich geringer ist als bei zufällig
hinzutretenden Personen (Gregor in jurisPK-BGB aaO; Erman/Dornis
aaO). Zudem hat die hinter der Haftungsbeschränkung des § 680 BGB
stehende Erwägung, den fremdnützig in einer Notsituation eingreifenden
Helfer vor eigenen Verlusten zu bewahren, in Fällen der Gefahrenabwehr durch
Behörden deutlich weniger Gewicht. Die baden-württembergischen
Gemeinden als Aufgabenträger der Feuerwehr (§ 3 Abs. 1 Satz 1 FwG BW) nehmen
am Aufkommen der zweckgebundenen Feuerschutzsteuer teil (§ 33 FwG BW). Sie
können darüber hinaus bei Einsätzen zur Brandbekämpfung unter bestimmten
Voraussetzungen Kostenersatz verlangen (§ 34 Abs. 1 Satz 2 FwG BW). Auch
sind die Feuerwehren der baden-württembergischen Gemeinden über deren
kommunale Haftpflichtversicherung mitversichert. Angesichts der auf diese
Weise gesicherten Abdeckung der mit Feuerwehreinsätzen verbundenen
finanziellen Risiken und Kosten ist der gemäß Art. 34 Satz 1 GG in Anspruch
zu nehmenden Körperschaft ein höheres Haftungsrisiko zuzumuten als dem
privaten, im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 680 BGB handelnden
Geschäftsführer (vgl. hierzu auch Loyal aaO).
57 (b) Das
Gesetz enthält auch keine planwidrige Regelungslücke (zu dieser
Voraussetzung einer analogen Gesetzesanwendung vgl. BGH, Urteile vom 16.
Juli 2003 aaO und vom 13. November 2001 - X ZR 134/00, BGHZ 149, 165, 174).
Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, die im Wege der Analogie
ausgefüllt werden kann, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde
liegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen
an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein (BGH, Urteil
vom 13. November 2001 aaO). Dies ist im Hinblick auf den Haftungsmaßstab für
die in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgende Gefahrenabwehr nicht der
Fall.
58 Der Anwendungsbereich des § 839 Abs. 1 BGB ist davon
geprägt, dass ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab gilt, bei dem es auf die
Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt, die für die Führung des übernommenen
Amtes erforderlich sind (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteile vom 11.
Dezember 1997 - III ZR 52/97, NJW 1998, 1307, 1308 und vom 20. Februar 1992
- III ZR 188/90, BGHZ 117, 240, 249; jeweils mwN). Mit diesem
Grundsatz ist es nicht vereinbar, die Haftung für eine lediglich einfach
fahrlässige Amtspflichtverletzung von vorneherein auszuschließen. Das gilt
umso mehr, wenn - wie im Bereich der öffentlich-rechtlich organisierten
Gefahrenabwehr (z.B. Polizei, Ordnungsbehörden, Notaufnahmen in
Krankenhäusern, Feuerwehr) - die betroffene Tätigkeit den
Kernbereich der öffentlich-rechtlich zugewiesenen Aufgaben bildet.
Die Revisionserwiderung weist insofern zu Recht darauf hin, dass das
Personal der vorgenannten staatlichen Einrichtungen und Dienste gerade dafür
ausgebildet wird, in den drängenden Gefahrenlagen, denen es sich in seinem
Tätigkeitsgebiet häufig gegenübersieht, auch unter großem Zeitdruck die in
Betracht kommenden Handlungsalternativen besonnen gegeneinander abzuwägen
und sofort Entscheidungen zu treffen. Eine solche Vorgehensweise entspricht
den für die Führung des Amtes erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten des
Amtsträgers als Grundlage des für die Amtshaftung geltenden
Sorgfaltsmaßstabs.
59 Würde dagegen für die gesamte
öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr, soweit sie Notsituationen betrifft,
ein reduzierter Haftungsmaßstab entsprechend § 680 BGB gelten, wären
bedeutende Bereiche staatlicher Tätigkeit von der Haftung für einfache
Fahrlässigkeit ausgenommen. Eine derartige Haftungsprivilegierung ist weder
mit den vorgenannten Grundsätzen der Amtshaftung nach § 839 BGB vereinbar
noch ist sie erforderlich. Denn der besonderen Situation eines
Noteinsatzes kann - unter Berücksichtigung der Ausbildung und der Erfahrung
des Amtsträgers - auch im Rahmen der Prüfung des Vorwurfes der
einfachen Fahrlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden. Ist
die objektiv richtige Handlung für den Amtsträger angesichts der
Verhältnisse am Einsatzort und in der Kürze der für die Entscheidungsfindung
zur Verfügung stehenden Zeit nicht erkennbar, kann ihm jedenfalls kein
Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Unter Umständen liegt bereits keine
Amtspflichtverletzung vor (vgl. Senat, Urteil vom 6. Oktober 2016 -
III ZR 140/15, BGHZ 212, 173 Rn. 46). Einer Absenkung des
Haftungsmaßstabes bedarf es daher in solchen Fallkonstellationen
öffentlich-rechtlicher Gefahrenabwehr nicht.
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