Schadensersatz für den abstrakten Nutzungsausfall
eines Internetzugangs
BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 III ZR 98/12 - LG Koblenz
Fundstelle:
NJW 2013, 1072
BGHZ 196, 101
Amtl. Leitsatz:
Es kann einen ersatzfähigen Vermögensschaden
darstellen, wenn dem Inhaber eines DSL-Anschlusses die Möglichkeit genommen
wird, seinen Zugang zum Internet zu nutzen, ohne dass ihm hierdurch
Mehraufwendungen entstanden oder Einnahmen entgangen sind.
Zentrale Probleme:
Eine höchst lehrreiche Entscheidung, die den Stand der
Rechtsprechung zum "abstrakten Nutzungsausfall" hervorragend zusammenfasst.
Im Zentrum steht immer die Abgrenzung zum Nichtvermögensschaden, der nach §
253 BGB eben nur in bestimmten Fällen ersetzbar ist. Daher muss hergeleitet
werden, dass die bloße Möglichkeit der Nutzung eines Gegenstandes bereits
einen Vermögenswert hat, der dann ohne die Einschränkung des § 253 BGB
ersetzbar ist. Da man sich hart an der Grenze zu § 253 BGB bewegt (wenn sie
nicht schon überschritten ist), kommt das nur in denjenigen Ausnahmefällen
in Betracht, in welchen die Verfügbarkeit des Gegenstandes für die
eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von zentraler Bedeutung ist. Der BGH
bejaht dies mit sehr sorgsamer Begründung für das Zurverfügungstehen eines
Internetzugangs- Lesen! S. dazu auch
BGH v. 20.2.2014 - VII ZR 172/13.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Der Kläger verlangt von der
Beklagten, einem Telekommunikationsunternehmen, Schadensersatz, weil er
seinen Internetanschluss für längere Zeit nicht nutzen konnte. Der
Kläger hatte mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden werden
die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin einheitlich als Beklagte bezeichnet)
einen Vertrag über die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses geschlossen,
über den er auch seinen Telefonund Telefaxverkehr abwickelte (Voice und Fax
over IP). Zum 15. Dezember 2008 vereinbarten die Vertragsparteien einen
Tarifwechsel. Ab diesem Datum war der Anschluss des Klägers jedoch
unterbrochen. Nachdem es die Beklagte trotz mehrfacher Mahnungen nicht
vermocht hatte, die Verbindung mit dem Internet wieder herzustellen,
kündigte der Kläger den bestehenden Vertrag und wechselte zu einem anderen
Diensteanbieter. Dieser nahm die Aufschaltung des Anschlusses an sein Netz
am 16. Februar 2009 vor.
2 Der Kläger verlangt von der Beklagten den Ausgleich der Mehrkosten, die
infolge des Vertragsschlusses mit dem anderen Anbieter (427,50 €) und für
die Nutzung eines Mobiltelefons zwischen dem 15. Dezember 2008 und dem
16. Februar 2009 (30 €) anfielen. Zudem beansprucht er
Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit, seinen DSL-Anschluss
während dieses Zeitraums für die Festnetztelefonie sowie für den Telefaxund
Internetverkehr zu nutzen. Hierfür verlangt er 50 € täglich, mithin
insgesamt 3.150 €.
3 Das Amtsgericht hat dem Kläger 457 € für das höhere, bei dem anderen
Diensteanbieter anfallende Entgelt sowie für die Kosten der Mobilfunknutzung
zuerkannt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers
und die Anschlussberufung der Beklagten sind ohne Erfolg geblieben. Mit
seiner vom Berufungsgericht für ihn zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger seinen auf Schadensersatz für die entgangenen Nutzungsmöglichkeiten
seines DSL-Anschlusses gerichteten Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
4 Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es den Kläger beschwert, und zur
Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I.
5 Das Berufungsgericht hat gemeint, eine Nutzungsentschädigung für den
Ausfall seines Telekommunikationsanschlusses stehe dem Kläger nicht zu. Eine
derartige Entschädigung sei dem Geschädigten nur dann zu gewähren, wenn ihm
Güter, deren Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von
zentraler Bedeutung seien, nicht zur Verfügung stünden. Dies gelte auch für
vertragliche Nutzungsmöglichkeiten. Die tägliche Verfügbarkeit eines
Faxgeräts sei im Privatbereich nicht als überragendes Gut für die
eigenwirtschaftliche Lebensführung anzusehen, weil es nicht allzu häufig
erforderlich sei. Anders könne es sich mit dem Telefonfestnetzanschluss und
dem Internetzugang verhalten. Insoweit sei es durchaus diskutabel, die
überragend wichtige Bedeutung für die eigenwirtschaftliche Lebensführung zu
bejahen. Jedoch habe der Kläger ein Mobiltelefon als Ersatz für den
ausgefallenen Anschluss eingesetzt und die hierdurch entstandenen Kosten als
Schadensposition geltend gemacht. Ein so genanntes Handy zumindest neuere
Modelle böten auch die Möglichkeit, das Internet zu nutzen und insbesondere
E-Mails zu senden und zu empfangen. Auch wenn der Handyersatz für den Nutzer
weniger komfortabel sei, sei es, ähnlich wie der Mietwagen für das
beschädigte und dadurch ausgefallene Kraftfahrzeug, eine Möglichkeit, den
Ausfall des Festnetzanschlusses und des Internetzugangs aufzufangen. Ein
Schaden entstehe dem Kunden daher nicht, weil die erforderlichen Mehrkosten
zu ersetzen seien. Unabhängig davon, dass nach diesen Erwägungen ein Ersatz
schon dem Grunde nach ausscheide, sei die geltend gemachte Höhe der
Forderung erheblich überzogen. Diese habe sich bei Ausfall von Festnetzund
Internetanschluss an dem Betrag der monatlich für einen solchen Anschluss
aufgewandten Gebühren zu orientieren. Dies sei hier die von den Parteien
vereinbarte monatliche Flat-Gebühr von 24,90 € pro Monat.
II.
6 Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
7 1. Da das Berufungsgericht die Revision beschränkt auf die Schadenshöhe
zugelassen hat, hat der Senat bei seiner Entscheidung ohne weiteres davon
auszugehen, dass der Kläger dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch
gemäß § 280 BGB hat, weil die Beklagte ihre vertraglich vereinbarten
Pflichten schuldhaft verletzte, indem sie die ihr obliegende Leistung im
Zeitraum vom 15. Dezember 2008 bis zum 16. Februar 2009 nicht erbrachte.
8 2. Der Auffassung der Vorinstanz, der Kläger könne für den durch die
Unterbrechung des DSL-Anschlusses verursachten Fortfall der Möglichkeit, das
Festnetztelefon, das Telefaxgerät und mittels seines Computers das Internet
zu nutzen, keinen Schadensersatz verlangen, der über den Ersatz der
Mehrkosten für den Anschluss bei dem anderen Diensteanbieter und für den
Einsatz des Mobiltelefons hinausgehe, vermag der Senat nicht beizutreten.
9 a) Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines
Wirtschaftsguts kommt für einen der vermögensmehrenden,
erwerbswirtschaftlichen Verwendung vergleichbaren eigenwirtschaftlichen,
vermögensmäßig erfassbaren Einsatz der betreffenden Sache in Betracht. Der
Ersatz für den Verlust der Möglichkeit zum Gebrauch einer Sache muss
grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich
typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung
signifikant auswirkt. Andernfalls bestünde die Gefahr,
unter Verletzung des § 253 BGB die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden
auszudehnen. Auch würde dies mit den Erfordernissen von
Rechtssicherheit und Berechenbarkeit des Schadens in Konflikt geraten
(z.B. BGH, Urteil
vom 10. Juni 2008 VI ZR 248/07, NJW-RR 2008, 1198 Rn. 7).
Deshalb beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, deren ständige
Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von
zentraler Bedeutung ist (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 9.
Juli 1986 GSZ 1/86, BGHZ 98, 212, 222 f;
BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 aaO)
und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden
können (BGH, Urteil vom 10.
Juni 2008 aaO). Der Tatrichter soll den Schadensersatz
nicht an unkontrollierbaren subjektiven Wertschätzungen festmachen müssen,
die ihm der Geschädigte angibt, sondern an Werten, die der Verkehr dem
Interesse an der konkreten Nutzung beimisst (BGH aaO; vgl. auch BGH, Großer
Senat für Zivilsachen aaO S. 222 ff). Hierzu kann auf die Verkehrsanschauung
abgehoben werden, wenn diese auch nicht darüber entscheiden kann, wo die
Grenze des § 253 BGB verläuft (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 aaO; vgl. auch
BGH, Urteil vom 15. November 1983 VI ZR
269/81, BGHZ 89, 60, 62 f mwN).
10 Bei der Prüfung, ob nach der
Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines
Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein
strenger Maßstab anzulegen. Das verlangt die in § 253 BGB getroffene
gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur
ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen ist
(BGH, Urteil vom
10. Juni 2008 aaO Rn. 9). Dieser restriktive
Maßstab hat dazu geführt, dass der Bundesgerichtshof mehrfach für den
Nutzungsausfall von Gegenständen eine Entschädigungspflicht verneint hat
(vgl. Urteile vom
10. Juni 2008 aaO Rn. 10 ff Wohnmobil; 15. November 1983
aaO S. 64 Motorsportboot; vom 15. Dezember 1982 VIII ZR 315/80, BGHZ 86, 128
Wohnwagen; vom 28. Februar 1980 VII ZR 183/79, BGHZ 76, 179
privates Schwimmbad und vom 12. Februar 1975 VIII ZR 131/73, BGHZ 63, 393
Pelzmantel). In den genannten Fällen ist die Zuerkennung eines
Entschädigungsanspruchs für den Nutzungsverlust letztlich daran gescheitert,
dass sich der zeitweise Verlust unter Berücksichtigung der
Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden dargestellt hat,
sondern als individuelle Genussschmälerung und damit als nicht
vermögensrechtlicher Schaden. Demgegenüber hat der
Bundesgerichtshof eine Entschädigung für den Fortfall der
Nutzungsmöglichkeit etwa von Kraftfahrzeugen (st. Rspr. z.B.
Senatsurteil vom 30. September 1963 III ZR 137/62, BGHZ 40, 345, 348 ff;
BGH, Urteile vom 10. Juni
2008 aaO Rn.6 mwN und vom 15. April 1966 VI ZR 271/64,
BGHZ 45, 212, 215), Wohnhäusern (z.B. BGH, Großer Senat für
Zivilsachen aaO S. 224) und Ferienwohnungen (z.B. BGH,
Urteil vom 16. September 1987 IVb ZR 27/86, BGHZ 101, 325, 334) bejaht. In
der Rechtsprechung der Instanzgerichte wurde darüber hinaus ein
Nutzungsausfallersatz zum Beispiel für Kücheneinrichtungen (LG Osnabrück,
NJW-RR 1999, 349; LG Kiel NJW-RR 1996, 559), Fahrräder (KG, NJW-RR 1993,
1438) sowie Fernsehgeräte (OLG München NJW-RR 2010, 1112, 1113) zuerkannt
und für einen Personal Computer und einen Laptop für möglich gehalten (OLG
München, VersR 2010, 1229, 1230).
11 b) Gemessen an den vorstehenden abstrakten Kriterien und unter
Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung ist die Frage, ob dem
Kläger für den zeitweisen Fortfall der in Rede stehenden
Nutzungsmöglichkeiten Schadensersatz zu leisten ist, differenziert zu
beantworten.
12 aa) Keinen Ersatz kann er für die entfallene Möglichkeit, sein
Telefaxgerät zu nutzen, beanspruchen. Ein solcher Apparat ist zumindest im
privaten Bereich bei Anwendung des gebotenen strengen Maßstabs kein
Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit für den Einzelnen bei seiner
eigenwirtschaftlichen Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung
ist und dessen Funktionsstörung sich als solche auf die materiale Grundlage
der Lebenshaltung signifikant auswirkt. Das Telefaxgerät dient der
Fernübertragung von Abbildungen, zu denen insbesondere auch Texte gehören.
Die Übermittlung der Bilder mittels Signalen über Telekommunikationsnetze
(vgl. § 3 Nr. 24, 27 TKG) ersetzt dabei die Versendung von Ausdrucken oder
Datenträgern auf dem herkömmlichen Post- oder Kurierweg. Die Telefaxtechnik
weist gegenüber diesem den Vorteil auf, dass der Versand weniger aufwändig
ist, da das Einlegen in Umschläge, das Adressieren, das Frankieren und der
Einwurf in einen Briefkasten beziehungsweise Übergabe an einen Kurierdienst
entfallen. Zudem erfolgt der Transport erheblich schneller, und durch den
Ausdruck eines Sendeberichts kann sich der Absender leichter als bei Nutzung
der gewöhnlichen Post vergewissern, ob die Sendung den Adressaten erreicht
hat. Für den Empfänger einer Fernkopie hingegen wirkt sich lediglich der
Zeitgewinn aus. Die Vorteile des Telefaxverkehrs gegenüber der
Inanspruchnahme der klassischen Transportwege stellen lediglich
Erleichterungen dar, die sich in einem höheren Komfort für die Versender und
einer Beschleunigung der Übermittlung erschöpfen. Fällt der Fernkopierer
aus, ist damit für den Nutzer lediglich ein vergleichsweise geringes Maß an
Umständlichkeit verbunden, das sich nicht signifikant auf seine
Lebensgestaltung auswirkt. Hinzu tritt, dass die Nutzung des Telefaxes
mittlerweile an Bedeutung verliert, weil es zunehmend und zwar auch im
Rechtsverkehr beim Abschluss von (Verbraucher-)Geschäften des täglichen
Lebens (vgl. § 126b BGB) durch die Versendung von Text- und Bilddateien mit
elektronischer Post verdrängt wird.
13 bb) Zumindest im Ergebnis ist dem Berufungsgericht auch darin
beizupflichten, dass der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz hat,
soweit er sein Festnetztelefon infolge der Unterbrechung des DSL-Anschlusses
nicht nutzen konnte.
14 Dass die Nutzungsmöglichkeit des Telefons ein Wirtschaftsgut ist, dessen
ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Bedeutung ist,
versteht sich allerdings seit Jahrzehnten von selbst und bedarf keiner
näheren Begründung (vgl. nur Erwägungsgründe Nr. 4, 7 bis 10 und
insbesondere 14 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei
elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten Universaldienstrichtlinie
-, ABl. EG vom
24. April 2002, Nr. L 108/51).
15 Die Ersatzpflicht des Schädigers für die entgangene Möglichkeit,
Nutzungsvorteile aus einem Wirtschaftsgut zu ziehen, entfällt jedoch, wenn
dem Geschädigten ein in etwa gleichwertiger Ersatzgegenstand zur Verfügung
steht und ihm die gegebenenfalls entstehenden Kosten für dessen Anmietung
ersetzt werden (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2007 VI ZR 241/06, NJW 2008, 913
Rn. 10), da es in diesem Fall an der notwendigen fühlbaren
Beeinträchtigung während des maßgeblichen Zeitraums fehlt (siehe
hierzu z.B. Senatsurteil vom
13. Dezember 1965 III ZR 62/64, NJW 1966, 589, 590; BGH, Urteil vom 4.
Dezember 2007 aaO sowie Urteile vom 28. Januar 1975 VI ZR 143/73, NJW 1975,
922, 923 und vom 15. April 1966 VI ZR 271/64, BGHZ 45, 212, 219). Eine
solche Konstellation liegt nach der von Rechts wegen nicht zu beanstandenden
tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts vor. Das vom Kläger
genutzte Mobilfunkgerät konnte das ausgefallene Festnetztelefon vollständig
ersetzen, soweit er selbst Verbindungen zu anderen Teilnehmern herstellte.
Allerdings war die Erreichbarkeit des Klägers behindert. Er musste,
da er das Mobiltelefon samt SIM-Karte nach den Feststellungen der
Vorinstanzen erst aus Anlass der Unterbrechung seines Internetzugangs
beschafft hatte, seinen potentiellen Anrufern nach dem 15. Dezember 2008
zunächst seine Mobilfunknummer übermitteln, um angerufen werden zu können.
Dies war sicherlich mit einer nicht unerheblichen Lästigkeit
verbunden, die es auch gerechtfertigt hätte, einen Telefonvertrag aus
wichtigem Grund zu kündigen (§ 626 Abs. 1 BGB). Bei der Beurteilung, ob ein
vorhandener Ersatzgegenstand gleichwertig ist, ist jedoch eine
objektivierte, typisierende Betrachtungsweise geboten. Da auch im privaten
Bereich die Nutzung von Mobilfunkgeräten mittlerweile nahezu flächendeckend
neben den Gebrauch des Festnetztelefons tritt und diesen teilweise sogar
ersetzt, sind innerhalb des Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreises in
aller Regel auch die Mobilfunknummern verbreitet. Ebenso
werden sie im geschäftlichen Verkehr (auch) von Verbrauchern sofern
überhaupt die Telefonnummer abgefragt oder mitgeteilt wird häufig zusätzlich
oder alternativ zur Nummer des Festnetzanschlusses angegeben.
Danach ist die telekommunikative Erreichbarkeit bei Ausfall des
Festnetztelefons im Allgemeinen nur geringfügig eingeschränkt. Ein
Mobilfunkgerät ist deshalb bei der erforderlichen, von den subjektiven
Besonderheiten des einzelnen Geschädigten losgelösten Betrachtung ein im
Wesentlichen gleichwertiger Ersatz für die Unterbrechung der
Festnetztelefonverbindung.
16 cc) Demgegenüber kann der Kläger Schadensersatz für den Fortfall
der Möglichkeit verlangen, seinen Internetzugang für weitere Zwecke als für
den Telefonund Telefaxverkehr zu nutzen.
17 (1) Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen
ständige Verfügbarkeit seit längerer, jedenfalls vor dem hier maßgeblichen
Jahreswechsel 2008/2009 beginnender Zeit auch im privaten Bereich für die
eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung
ist und bei dem sich eine Funktionsstörung als solche auf die materiale
Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. Das Internet
stellt weltweit umfassende Informationen in Form von Text-, Bild-, Videound
Audiodateien zur Verfügung. Dabei werden thematisch nahezu alle Bereiche
abgedeckt und verschiedenste qualitative Ansprüche befriedigt. So sind etwa
Dateien mit leichter Unterhaltung ebenso abrufbar wie Informationen zu
Alltagsfragen bis hin zu hochwissenschaftlichen Themen. Dabei ersetzt das
Internet wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr
andere Medien, wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen.
Darüber hinaus ermöglicht es den weltweiten Austausch zwischen seinen
Nutzern, etwa über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Zudem wird
es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung
von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten
genutzt (von der unübersehbaren Vielfalt z.B. nur: Fernabsatzkäufe, Hotel-,
Bahnund Flugbuchungen, Erteilung von Überweisungsaufträgen, Abgabe von
Steuererklärungen, Anund Abmeldung der Strom-, Gasund Wasserversorgung sowie
der Müllabfuhr, Verifikation von Bescheinigungen). Nach dem unbestritten
gebliebenen Sachvortrag des Klägers bedienen sich nahezu 70 % der Einwohner
Deutschlands des Internets, wobei dreiviertel hiervon es sogar täglich
nutzen. Damit hat sich das Internet zu einem die Lebensgestaltung
eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt,
dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht. Die Unterbrechung
des Internetzugangs hat typischerweise Auswirkungen, die in ihrer Intensität
mit dem Fortfall der Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu nutzen, ohne weiteres
vergleichbar sind.
18 (2) Das Berufungsgericht hat die grundsätzliche Ersatzfähigkeit des
Nutzungsausfalls eines Internetzugangs unterstellt, den insoweit vom Kläger
erhobenen Schadensersatzanspruch jedoch mit der Begründung scheitern lassen,
diesem habe mit dem Mobiltelefon ein Ersatz zur Verfügung gestanden. Dies
hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
19 Im Ausgangspunkt zutreffend ist zwar, dass die Ersatzpflicht des
Schädigers für die entgangene Möglichkeit, Nutzungsvorteile aus einem
Wirtschaftsgut zu ziehen, entfällt, wenn dem Geschädigten ein in etwa
gleichwertiger Ersatzgegenstand zur Verfügung steht und ihm die
gegebenenfalls entstehenden Kosten für dessen Anmietung ersetzt werden
(siehe oben Buchst. bb). Richtig ist ferner, dass mit bestimmten
Mobilfunkgeräten auch eine einigermaßen komfortable Internetnutzung möglich
ist (etwa mit so genannten Smartphones). Die Feststellung des
Berufungsgerichts, das von dem Kläger im maßgeblichen Zeitraum verwendete
Mobilfunkgerät sei internetfähig gewesen und habe daher den unterbrochenen
Festnetzzugang ersetzen können, beruht jedoch, wie die Revision mit Recht
rügt, auf einem Verfahrensfehler. Weder dem Sachvortrag des Klägers noch dem
der Beklagten ist zu entnehmen, dass das vom Kläger ersatzweise verwendete
Mobiltelefon über diese Funktion verfügte. Insbesondere der von der
Revisionserwiderung insoweit angeführte Schriftsatz vom 31. Mai 2011 enthält
keinen Vortrag zu den Funktionalitäten und insbesondere zur
Internetfähigkeit des Mobilfunkgeräts.
20 Die Zurückverweisung gibt den Parteien die Gelegenheit, ihren Sachvortrag
zu diesem Punkt zu ergänzen, und dem Berufungsgericht sodann die
Möglichkeit, die notwendigen Feststellungen nachzuholen.
21 3. Für das weitere Verfahren weist der Senat hinsichtlich der Höhe des
dem Kläger möglicherweise zustehenden Ersatzanspruchs auf Folgendes hin:
22 Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann nicht ohne Weiteres der
Betrag zugrunde gelegt werden, den der Eigentümer für die Anmietung einer
Ersatzsache zur Überbrückung der Ausfallzeit hätte aufbringen müssen, weil
es nicht um das Reparationsinteresse, sondern um das Kompensationsinteresse
geht. Dieses richtet sich nicht danach, was der Eigentümer an Kosten erspart
hat, sondern danach, was die Einsatzfähigkeit der Sache für den
Eigengebrauch dem Verkehr in Geld wert ist (BGH, Großer Senat für
Zivilsachen, Beschluss vom 9. Juli 1986 BGHZ 98, 212, 225; BGH, Urteil vom
16. September 1987 IVb ZR 27/86, BGHZ 101, 325, 335). Neben den anteiligen
Vorhaltekosten, die im vorliegenden Fall allerdings wohl keinen geeigneten
Maßstab darstellen dürften, können der Schadensbemessung im Ausgangspunkt
gleichwohl Wertmaßstäbe des Verkehrs für eine entgeltliche
Gebrauchsüberlassung zugrunde gelegt werden (BGH, Großer Senat für
Zivilsachen, aaO S. 225 f; BGH, Urteil vom 16. September 1987 aaO). Als
Maßstab bei dem Entzug von Sachen ist hiernach der fiktive Mietpreis
anzusetzen, der jedoch von allen auf Gewinnerzielung gerichteten und
sonstigen, eine erwerbswirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren zu
bereinigen ist (BGH, Urteil vom 16. September 1987 aaO). Auf die vorliegende
Fallgestaltung übertragen bedeutet dies, dass der Kläger einen Betrag
verlangen kann, der sich nach den marktüblichen, durchschnittlichen Kosten
richtet, die für die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses mit der
vereinbarten Kapazität ohne Telefonund Faxnutzung für den betreffenden
Zeitraum angefallen wären, abzüglich der vorgenannten Positionen (vgl.
Bamberger/Roth/Schubert, BGB, 3. Aufl., § 249 Rn. 32, 38; MünchKommBGB/
Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 79; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 249 Rn.
52). Gegenzurechnen ist das Entgelt, das der Kläger während des Ausfalls des
Anschlusses der Beklagten gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu leisten
brauchte. Bei der Berechnung der Differenz wird zu beachten sein, dass die
Tarife für einen lediglich kurzzeitig bereit gestellten DSL-Anschluss pro
Tag regelmäßig erheblich über denjenigen liegen, die bei einer langfristigen
Vertragsbindung, wie sie die Parteien eingegangen sind, vereinbart werden.
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