Kein Erlass (§ 397 BGB)
durch Vertrag zugunsten Dritter
BGH, Urteil vom 26. Oktober
2009 - II ZR 222/08
Fundstelle:
NJW 2010, 64
Amtl. Leitsatz:
a) Eine Verfügung eines
Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH über das Vermögen der
Gesellschaft kann nur dann eine Schadensersatzpflicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG
auslösen, wenn der Geschäftsführer damit gegen ein Verbot verstößt, das -
wie § 30 oder § 64 GmbHG - durch eine Weisung der Gesellschafterversammlung
nicht außer Kraft gesetzt werden kann.
b) Ein Verzicht durch Vertrag zu Gunsten Dritter ist nicht möglich.
Zentrale Probleme:
Verfügende Verträge zugunsten Dritter sind nicht zulässig.
Die §§ 328 BGB lassen dies nur für schuldrechtliche Verträge zu. Da der Erlass
(§ 397 BGB) ein schuldrechtliches Verfügungsgeschäft ist, kommt ein Erlass
zugunsten eines Dritten nicht in Betracht. Eine Ausnahme stellt insoweit §
423 BGB dar, der eine Gesamtwirkung zulässt (BGH v. 22.12.2011 - VII ZR 7/11).
Er kann aber nach § 140 BGB in
eine mögliches, nur schuldrechtlich wirkendes pactum de non petendo
zugunsten eines Dritten umgedeutet werden. Das setzt freilich das Vorliegen
eines entsprechenden Parteiwillens voraus, woran - wie im Falle eines
Verzichts - strenge Voraussetzungen zu stellen sind.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Der Beklagte war Alleingesellschafter und -geschäftsführer
der klagenden GmbH, die damals noch unter A. GmbH firmierte. Er veräußerte
am 28. Oktober 2005 seinen Geschäftsanteil mit Wirkung zum 2. Januar 2006 an
I. M. Außerdem verkaufte er ihm am 28. Oktober 2005 unter dem Datum 26.
Oktober 2005 für 75.000,00 € einen Anspruch auf Rückzahlung eines
Gesellschafterdarlehens und trat die Forderung unter der aufschiebenden
Bedingung der Zahlung des Kaufpreises ab. Der Kaufpreis sollte ebenfalls am
2. Januar 2006 fällig werden. In dem Kauf- und Abtretungsvertrag heißt es:
"Der Veräußerer hat der ... GmbH ... ein Darlehen gewährt, das mit Stichtag
zum 26. Oktober 2005 i.H.v. 200.000,00 € valutiert."
2 Tatsächlich valutierte das Darlehen am 26. Oktober 2005 zu mehr als
240.000,00 €. Der Beklagte hatte eine Überweisung i.H.v. 40.000,00 € an sich
veranlasst, die als Verwendungszweck die Angabe "Rückführung
Gesellschafterdarlehen" enthielt und von der Bank am 28. Oktober 2005
ausgeführt wurde.
3 Die Klägerin verlangt - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse -
Rückzahlung der 40.000,00 € und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr
insoweit stattgegeben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision
verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision des Beklagten führt zur Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils.
5 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus § 43
Abs. 2 GmbHG. Der Beklagte habe pflichtwidrig gehandelt, indem er mit der
Rückzahlung der 40.000,00 € eine nicht fällige Schuld erfüllt habe. Das
Darlehen habe nur mit einer dreimonatigen Frist gekündigt werden können.
Eine Kündigung sei nicht erfolgt. Der durch diese Pflichtverletzung
verursachte Schaden belaufe sich auf 40.000,00 €. Die Vereinbarung zwischen
dem Beklagten und M. beinhalte nämlich einen Teilverzicht, der auch die
ausgekehrten 40.000,00 € erfasst hätte.
6 II. Das hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
7 1. Die Inanspruchnahme des Beklagten als früheren Geschäftsführer der
Klägerin scheitert allerdings nicht daran, dass der neue
Alleingesellschafter der Klägerin, M. , keinen förmlichen Beschluss nach §
46 Nr. 8 GmbHG gefasst hat. Es genügt, wenn er als Alleingesellschafter und
zugleich Geschäftsführer den Anspruch geltend macht. Eine
Beschlussniederschrift nach § 48 Abs. 3 GmbHG zu fordern, wäre bei dieser
Sachlage eine nutzlose Förmelei (vgl. Sen.Urt. v. 9. Dezember 1996 - II ZR
240/95, DStR 1997, 252 m. Anm. Goette).
8 2. Die Klägerin hat aber keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung
von 40.000,00 €.
9 a) Ein Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG scheidet schon deshalb
aus, weil der Beklagte zu dem Zeitpunkt, als er die Überweisung an sich
veranlasst hat, Alleingesellschafter der Klägerin war.
An einer Pflichtverletzung i.S. des § 43 Abs. 1 GmbHG fehlt es grundsätzlich
dann, wenn die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer zu dem - später
beanstandeten - Verhalten anweist. Soweit der Geschäftsführer dadurch nicht
gegen gesetzliche Pflichten - etwa aus §§ 30, 64 GmbHG - verstößt, muss er
die Weisung befolgen und haftet der Gesellschaft demgemäß nicht aus § 43
Abs. 2 GmbHG auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens (BGHZ 31, 258,
278).
11 Diese Grundsätze gelten erst Recht, wenn die Gesellschaft nur einen
Gesellschafter hat.
12 Danach kommt eine Haftung des Beklagten aus § 43 Abs. 2 GmbHG nicht in
Betracht. Der Beklagte hat seinen Geschäftsanteil erst mit Wirkung zum 2.
Januar 2006 auf M. übertragen, war also zu dem Zeitpunkt, als er die
Überweisung an sich veranlasste, noch Alleingesellschafter der Klägerin. Die
Teilrückzahlung des Darlehens verstieß auch nicht gegen eine gesetzliche
Verhaltenspflicht. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass mit dem
Darlehen Eigenkapital ersetzt worden wäre, so dass die Teilrückzahlung gegen
ein aus der entsprechenden Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG folgendes - und
dem Gesellschafterwillen vorgehendes - Auszahlungsverbot verstoßen hätte.
Ohne Erfolg rügt die Revisionserwiderung, das Berufungsgericht habe insoweit
beweisbewehrten Vortrag der Klägerin außer Acht gelassen. Die Klägerin hatte
lediglich - angesichts der Zahlung von 75.000,00 € für die abgetretene
Forderung schon im Ansatz nicht ohne weiteres nachvollziehbar - vorgetragen,
sie sei finanziell ausgezehrt und durch hohe Verlustvorträge wirtschaftlich
überschuldet gewesen. Diesem Vortrag brauchte das Berufungsgericht nicht
nachzugehen. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung der Voraussetzungen
einer Krise i.S. des § 32 a Abs. 1 GmbHG a.F.
13 III. Das angefochtene Urteil ist auch nicht aus anderen Gründen im
Ergebnis richtig (§ 561 ZPO).
14 1. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung
gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Denn die Zahlung der 40.000,00 € an
den Beklagten ist nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Vielmehr lag ihr ein
wirksamer Darlehensvertrag zugrunde.
15 a) Der Beklagte hat auf den Darlehensrückzahlungsanspruch entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts nicht - teilweise - verzichtet. Für
einen Verzicht hätte es eines Erlassvertrages zwischen dem Beklagten und der
Klägerin bedurft. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass ein
derartiger Erlassvertrag zustande gekommen ist.
16 Ein etwa im Rahmen der Verträge des Beklagten mit dem Anteilserwerber M.
erklärter Verzicht würde nicht zum Erlöschen des
Darlehensrückzahlungsanspruchs führen. Denn M. konnte zu diesem Zeitpunkt
nicht über die Forderung der Klägerin verfügen. Insoweit wäre nur ein
Verzicht im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter in Betracht gekommen, was
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber nicht möglich ist (BGHZ
126, 261, 266). Wirksam wäre nur eine Absprache, durch die für den Dritten -
hier die Klägerin - ein Anspruch gegen den Gläubiger - hier den Beklagten -
begründet wird, dass dieser seinen Anspruch nicht geltend mache (BGH,
Urt. v. 18. September 1957 - V ZR 209/55, ZZP 71, 412; BGHZ 126, 261, 266).
17 Das Berufungsgericht hat indes eine derartige Vereinbarung nicht frei von
Rechtsfehlern festgestellt. Es hat gemeint, die Absprache zwischen dem
Beklagten und M. sei auf einen Teilverzicht "hinausgelaufen". Dagegen wehrt
sich die Revision mit Erfolg.
18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die
Auslegung einer Individualvereinbarung grundsätzlich Sache des Tatrichters.
Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob der
Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt ist und gesetzliche
Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften
verletzt sind (Sen.Urt. v. 3. April 2000 - II ZR 194/98, WM 2000, 1195;
Sen.Urt. v. 16. März 2009 - II ZR 68/08, ZIP 2009, 880, Tz. 12). Zu den
allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört, dass in erster Linie der
von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende
objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigten ist und dass bei der
Auslegung die beiderseitigen Interessen gebührend zu beachten sind. Dabei
sind an die Annahme eines Verzichts - oder einer vergleichbaren Abrede -
strenge Anforderungen zu stellen. Das Angebot auf Abschluss eines solchen
Vertrages muss unmissverständlich erklärt werden (BGH, Urt. v. 21.
November 2006 - VI ZR 76/06, NJW 2007, 368, Tz. 9, m.w.Nachw.).
19 Gegen diese Auslegungsgrundsätze hat das Berufungsgericht verstoßen.
Weder der Anteils- noch der Forderungskaufvertrag zwischen dem Beklagten und
M. enthalten Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte sich verpflichten
wollte, seinen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die Klägerin, soweit er
ihn nicht abgetreten hat, nicht geltend zu machen. Aus der maßgeblichen
Sicht des Erklärungsempfängers M. war das Angebot des Beklagten, ihm eine
Forderung auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens abzutreten, das noch
mit 200.000,00 € valutierte, eindeutig. M. musste - auch wenn er die
ursprüngliche Höhe des Darlehens nicht gekannt haben sollte - davon
ausgehen, dass ihm ein Anspruch i.H.v. 200.000,00 € gegen Zahlung von
75.000,00 € abgetreten werden sollte. Keinesfalls durfte er annehmen, der
Darlehensrückzahlungsanspruch sei tatsächlich höher und der Beklagte wolle
sich verpflichten, diesen höheren Teil nicht geltend zu machen. Für eine
solche Auslegung bieten weder der Wortlaut der Erklärung noch die
Interessenlage der Parteien einen Anhaltspunkt.
20 b) Dass der Darlehensrückzahlungsanspruch am 28. Oktober 2006 mangels
Kündigung noch nicht fällig war, begründet ebenfalls keinen Zahlungsanspruch
der Klägerin aus § 812 BGB. Das ergibt sich aus § 813 Abs. 2 BGB. Danach ist
die Rückforderung ausgeschlossen, wenn eine noch nicht fällige Forderung
vorzeitig erfüllt wird (vgl. BGH, Urt. v. 22. März 2007 - VII ZR 268/05, NJW
2007, 1947, Tz. 31).
21 2. Die Klägerin hat auch keinen ihr von M. abgetretenen Anspruch gegen
den Beklagten auf Zahlung von 40.000,00 €. Dabei kann offen bleiben, ob -
wie das Landgericht gemeint hat - die von der Klägerin behauptete Abtretung
wirksam bestritten und nicht unter Beweis gestellt ist. Denn jedenfalls
hatte M. keinen auf Ersatz der 40.000,00 € gerichteten Anspruch - etwa aus §
439, § 437 Nr. 1, § 434 Abs. 1, 3, § 453 Abs. 1 BGB.
22 M. ist eine Forderung des Beklagten i.H.v. 200.000,00 € verkauft worden,
die er auch erhalten hat. Außerdem ist ihm der Geschäftsanteil des Beklagten
verkauft worden, den er ebenfalls erhalten hat. Dass eine weitergehende
Darlehensforderung des Beklagten nicht bestehen und - zeitgleich mit dem
Abschluss des Anteils- und Forderungskaufvertrages - aus
Gesellschaftsmitteln erfüllt werden würde, ist ihm weder zugesichert worden
noch verstand sich das von selbst.
23 IV. Damit hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ersatz ihrer
vorgerichtlichen Anwaltskosten.
24 V. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da weitere
tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind. |