Bedeutung der
"Pfandflasche"; Auslegung von Willenserklärungen "ad incertas personas"
BGH, Urteil vom 9. Juli
2007 - II ZR 232/05
Fundstelle:
NJW 2007, 2912
s. auch BGH NJW 2007, 2913
Amtl. Leitsatz:
Der Begriff "Pfand" auf
einer individualisierten - dauerhaft von den Produkten anderer
Hersteller/Vertreiber unterscheidbaren - Getränkeflasche beinhaltet das
Angebot des dort namentlich genannten Getränkeherstellers/Vertreibers an
jedermann, die Flasche gegen Zahlung des Pfandbetrages zurückzunehmen.
Tatbestand:
1 Die Klägerin, die einen Flaschengroßhandel betreibt, befasst sich mit der
Sortierung von Getränkeflaschen. Sie bietet diese Dienstleistung
Getränkeherstellern an und sortiert aus den mit Leergut bestückten
Getränkekästen ihrer Vertragspartner die Flaschen anderer Hersteller aus.
Als Entgelt darf sie in dem jeweils vereinbarten Verhältnis die
aussortierten Fremdflaschen behalten. Auf diese Weise haben sich bei der
Klägerin erhebliche Bestände an Flaschen der französischen
Mineralwassermarken V. und E. angesammelt. Die Beklagte vertreibt diese
Wassersorten in Deutschland und verwendet hierzu 1,5 Liter
PET-Einwegpfandflaschen, die sie beim Verkauf des Wassers mit einem
Pfandbetrag von 0,25 € belegt; dieser Betrag wird auch auf den nachfolgenden
Handelsstufen vom jeweiligen Käufer erhoben. Der Name des jeweiligen Wassers
ist in die Flaschen eingestanzt, das Wort "Pfand" bzw. "Pfandflasche" ist
aufgedruckt. Die Flaschen sind mit Banderolen versehen. Die Banderolen
enthalten neben den Angaben zu dem Mineralwasser und zu seiner Herkunft u.a.
den Aufdruck "Pfand € 0,25" bzw. "0,25 € Pfand" und den Hinweis, dass das
Wasser in Deutschland von der Beklagten vertrieben wird. Die Klägerin nimmt
die Beklagte mit der Behauptung, sie sei im Besitz von jeweils 60.000 leeren
Flaschen der Marken V. und E. , die von der Beklagten gegen Pfandzahlung in
den Verkehr gebracht worden seien, auf Auszahlung des Pfandgeldes (30.000,00
€) Zug um Zug gegen Herausgabe dieser 120.000 Flaschen in Anspruch. Das
Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat die
Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die - von dem
Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
2 Die Revision bleibt erfolglos.
3 I. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, NJW 2005, 3148) hat zur
Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
4 Das Flaschenetikett erwecke bei dem Endverbraucher den Eindruck, dass die
Beklagte als Vertreiberin des Wassers eine Rückgabe des Leerguts wünsche und
bereit sei, neben dem Abfüller des Mineralwassers für den Einsatzbetrag
aufzukommen. Hieraus ergebe sich eine vertragliche Verpflichtung der
Beklagten, dem Endkunden den Pfandbetrag zu erstatten. Dieser Anspruch des
Endkunden gehe nach § 426 BGB auf einen Händler über, der bei der Rücknahme
der Flasche das Pfand einlöse; einem Dritten, der den Besitz an der Flasche
erwerbe, werde der Anspruch stillschweigend abgetreten.
5 II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nur im
Ergebnis stand.
6 1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus,
dass die Frage, ob die Beklagte nicht nur gegenüber ihren unmittelbaren
Vertragspartnern, sondern auch gegenüber der außerhalb ihrer Vertriebskette
stehenden Klägerin zur Erstattung des Pfandbetrages und zur Rücknahme der
von ihr in den Handel gebrachten Pfandflaschen verpflichtet ist, nur mit
Blick auf den Erklärungsinhalt der Flaschenbanderole beantwortet werden
kann. Ebenso wenig zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts,
dass die in der Banderole enthaltenen Erklärungen - jedenfalls - der
Beklagten als dem dort genannten Vertriebsunternehmen zuzurechnen sind.
7 2. Verfehlt ist jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, aus der
Banderole ergebe sich lediglich die Verpflichtung der Beklagten, die von ihr
in den Verkehr gebrachten Flaschen von dem Endverbraucher zurückzunehmen und
diesem das Pfandgeld zu erstatten. Nach dem objektiven Erklärungsinhalt
der Banderole ist die Beklagte verpflichtet, die von ihr vertriebenen
Flaschen von jedem beliebigen Besitzer einer solchen Flasche zurückzunehmen
und ihm den Pfandbetrag auszuzahlen.
8 a) Der Senat kann den in den Flaschenbanderolen verkörperten
Erklärungsinhalt nach objektiven Kriterien selbst feststellen, weil die
Beklagte eine Vielzahl von Flaschen mit derartigen Banderolen in den Verkehr
gebracht hat, die für einen zahlenmäßig nicht eingegrenzten Personenkreis
bestimmt sind (vgl. Sen.Urt. v. 16. Mai 1994 - II ZR 223/92, NJW-RR 1994,
1185 f.; Sen.Urt. v. 27. November 2000 - II ZR 218/00, ZIP 2001, 243, 244).
9 b) Der auf der Flaschenbanderole aufgedruckte Begriff "Pfand"
beinhaltet die verbindliche Zusage, diese Flasche gegen Erstattung des
angegebenen Betrages zurück zu nehmen. Diese Willenserklärung wird von der
Beklagten abgegeben, weil die Beklagte die für den Vertrieb des
Mineralwassers verwendeten Flaschen mit dieser Banderole versehen in den
Verkehr gebracht hat. Sie richtet sich nicht nur an die Vertragspartner der
Beklagten und ist auch nicht auf deren Abnehmer begrenzt. Die Auslegung der
in der Banderole enthaltenen Erklärung ergibt vielmehr, dass die Beklagte
den Vertrag mit jedem abzuschließen bereit ist, der im Besitz ihrer Flaschen
ist und ihr diese zurückbringt. Das Wort "Pfand" in Verbindung mit der
Angabe eines bestimmten Geldbetrages vermittelt dem Erklärungsadressaten die
Vorstellung, dass die Beklagte, die ihr Wasser in so etikettierten und durch
den eingestanzten Namen des Wassers dauerhaft von den Produkten anderer
Hersteller/Vertreiber unterscheidbaren Flaschen in den Verkehr gebracht hat,
ein Interesse daran hat, diese Flaschen zurück zu bekommen und deshalb
bereit ist, jedem beliebigen Dritten für die Rückgabe einer solchen Flasche
den angegebenen Betrag zu zahlen. Dieses - auf dem Inhalt der Banderole
beruhende - Verständnis des Rechtsverkehrs wird zudem durch den auch auf den
Flaschen selbst befindlichen Aufdruck "Pfand" oder "Pfandflasche" bestätigt.
10 c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass die Beklagte eine
derartige Verpflichtungserklärung gegenüber jedermann nicht abgeben will,
weil sie an der Rückführung der von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen
kein wirtschaftliches Interesse hat. Hierauf kommt es nicht an. Aus dem
objektiven Inhalt der Banderole, insbesondere aus dem dort verwendeten
Begriff "Pfand", verbunden mit der Angabe eines Zahlungsbetrages, ergibt
sich eindeutig das Gegenteil. Hieran muss sich die Beklagte festhalten
lassen. Bei der Auslegung von Willenserklärungen, die für eine Vielzahl
von Personen Bedeutung erlangen können, ist ausschließlich der objektive
Inhalt der Erklärung maßgeblich. Hingegen dürfen subjektive Vorstellungen
der Beklagten, die den potentiellen Erklärungsadressaten nicht bekannt und
auch nicht erkennbar sind, weil sie im Inhalt der Erklärung keinen Ausdruck
gefunden haben, nicht berücksichtigt werden (vgl. Sen.Urt. v. 30. April
1979 - II ZR 57/78, NJW 1979, 2102).
11 d) Entgegen der Auffassung der Revision steht der Annahme eines - an
jedermann gerichteten - Angebotes der Beklagten, die Flasche gegen Zahlung
des Pfandbetrages zurückzunehmen, nicht entgegen, dass der Banderole nur
eine Postfachanschrift der Beklagten zu entnehmen ist. Die
unmissverständliche Bedeutung des auf der Banderole aufgedruckten Wortes
"Pfand" lässt keine andere Auslegung der in der Banderole verkörperten
Erklärung zu.
12 Durch dieses Verständnis der Banderole wird die Beklagte nicht unzumutbar
belastet. Anders als die Revision offenbar befürchtet, führt das Versprechen
der Beklagten, die von ihr in den Verkehr gebrachten Flaschen gegen
Auszahlung des auf der Banderole angegebenen Betrages von jedermann
zurückzunehmen, nicht dazu, dass der Rücklauf der leeren Getränkeflaschen
nicht mehr regelmäßig auf dem durch das Vertriebssystem vorgegebenen Weg
stattfindet, sondern dass die Flaschen von jeder Vertriebsstufe
einschließlich des Endverbrauchers unmittelbar an die Beklagte
zurückgeliefert werden. Es gewährleistet jedoch dem Abnehmer ihres Produktes
- ungeachtet etwa bestehender öffentlich-rechtlicher
Rücknahmeverpflichtungen - einen großzügigen und bequemen Rücklauf des
Leergutes, weil sich jeder zur Rücknahme des Leergutes bereite Händler
darauf verlassen kann, seine Pfanderstattungsansprüche jedenfalls gegen die
Beklagte durchsetzen zu können.
13 e) Ob die Beklagte nicht nur durch das in der Flaschenbanderole erklärte
und von der Klägerin - mit der Aufforderung, ihr die Pfandbeträge gegen
Rückgabe der Flaschen zu erstatten - angenommene Angebot, sondern auch nach
den Vorschriften der Verpackungsverordnung zur Rücknahme der Flaschen und
Auszahlung des Pfandgeldes verpflichtet ist, bedarf hier keiner
Entscheidung.
14 3. Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, aufgrund der Aussagen der Zeugen Z. und M. stehe fest,
dass sich im Besitz der Klägerin jeweils 60.000 1,5 Liter Pfandflaschen der
Marken V. und E. befinden, die von der Beklagten in Deutschland vertrieben
wurden. Die gegen Feststellungen des Berufungsgerichts erhobenen
Verfahrensrügen sind nicht begründet. Die tatrichterliche Würdigung der
Zeugenaussagen ist möglich und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die
Revision zeigt insoweit keinen Rechtsfehler auf. Darauf, ob für sämtliche
bei der Klägerin lagernden Flaschen der Pfandbetrag von einem Endverbraucher
geleistet wurde, kommt es nach dem vom Senat festgestellten Erklärungsinhalt
der Flaschenbanderole nicht an.
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