Ungleichbehandlung
männlicher und weiblicher Erben im islamischen (hier: iranischen) Recht
und deutscher ordre public (Art. 6 EGBGB)
OLG Hamm - Beschluß v. 29.04.1992 - 15 W
114/91
Fundstellen:
IPRax 1994, 49 mit krit. Anm. Dörner
aaO S. 33
FamRZ 1993, 111 ff
vgl. zu diesem Problem auch Lorenz IPRax 1993, 148 ff sowie nunmehr
OLG Hamm v. 28.2.2005 - 15 W 117/04
Leitsätze:
1. Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen läßt es nach Art. 8 III
S. 2 zu, erbrechtliche Verhältnisse an der Vorbehaltsklausel des Art. 6
EGBGB zu messen.
2. Die Bevorzugung des Ehemannes nach iranischem Nachlaßrecht verstößt
vorliegend nicht gegen den ordre public; es ist nicht abzustellen auf
einen abstrakten Verstoß gegen das Verfassungsgebot der Gleichstellung von
Mann und Frau, sondern darauf, ob im konkreten Fall das Ergebnis der
Anwendung iranischen Rechts in untragbarem Widerspruch zu grundlegenden
deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen stehen würde.
U. a. sind zu berücksichtigen die Sachgerechtigkeit der Kollisionsregelung
und der Inhalt der danach berufenen ausländischen Sachnormen einerseits
sowie der Umfang der Inlandsbeziehungen andererseits.
3. Zu den güterrechtlichen Verhältnissen in gemischt-nationalen Ehen im
Hinblick auf Art. 220 EGBGB und zu deren Einfluß auf das Erbrecht des
überlebenden Ehegatten.
4. Der Anspruch der überlebenden Ehefrau auf Wertausgleich nach iranischem
Recht - Art. 946, 947 iranisches ZGB - kann nicht in analoger Anwendung
der §§ 2363, 2364 BGB in den Erbschein aufgenommen werden.
5. Zu den Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft eines ausländischen
Erblassers.
Aus den Gründen:
Am 11. 11. 1988 verstarb in E. der iranische [iran.] Staatsangehörige Dr.
M. Y. S. ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Er gehörte der
Religionsgemeinschaft der Bahai an.
Der Erblasser lebte seit dem Jahre 1952 in der Bundesrepublik Deutschland;
er hatte in der Bundesrepublik Medizin studiert und sich 1972 als Chirurg
in E. niedergelassen. Er war außerdem Alleininhaber einer
Teppichimportfirma in E. und Eigentümer eines nicht unbeträchtlichen
Grundbesitzes.
1961 hatte er in E. mit der Beteiligten [Bet.] zu 1 die Ehe geschlossen.
Aus der Ehe sind drei Söhne, die Bet. zu 2 bis 4 hervorgegangen.
Der Vater des Erblassers ist vorverstorben; seine Mutter, die Bet. zu 5,
lebt in E.
Aufgrund notarieller Verhandlung v. 21. 12. 1988, die bei dem AmtsG E. am
22. 12. 1988 einging, hat die Bet. zu 1 zunächst die Erteilung eines
Erbscheins nach deutschem Erbrecht beantragt, der sie zu 1/2 und ihre
Söhne zu je 1/6 Anteil als Erben ausweisen soll.
Nach Einholung eines unter dem 6. 7. 1989 erstatteten Rechtsgutachtens des
Instituts für Internationales und Ausländisches Privatrecht der
Universität K., Professor Dr. K., hat die Bet. zu 1 unter Berücksichtigung
der im Gutachten festgestellten Erbquoten mit Schriftsatz ihres
Verfahrensbevollmächtigten v. 28. 7. 1989 einen Hilfsantrag gestellt, der
wie folgt lautet:
"Lediglich hilfsweise wird der Erbscheinsantrag entsprechend
Rechtsgutachten . . . mit der Maßgabe abgeändert, daß auf das
Inlandsvermögen des Erblassers bezogen seiner Witwe eine Quote von 1/4 +
1/8 zusteht, wobei bezüglich des 1/8-Anteils hinsichtlich des
Grundvermögens nur ein Anspruch auf Zahlung des Wertes der Bäume und der
Gebäude besteht, der Mutter des Erblassers eine Quote von 1/6 und den
Kindern des Erblassers jeweils eine Quote von 30/72 + 1/8 (vom Grundbesitz
dieses Achtels nicht der Wert der Bauten und Bäume) zusteht."
Das AmtsG hat durch Beschluß v. 14. 12. 1989 einen Vorbescheid erlassen,
in dem es in den Gründen den Hauptantrag abgelehnt und die Erteilung eines
Erbscheines auf Grund des Hilfsantrages mit dem nachfolgenden Wortlaut
angekündigt hat, falls nicht innerhalb von zwei Wochen Beschwerde
eingelegt werde:
"Der am . . . ist unter Beschränkung auf
das im Inland befindliche Vermögen in Anwendung iranischen Rechts beerbt
worden
1) bezüglich des beweglichen Nachlasses von a) seiner Mutter N. S., . .
. zu 1/6 Anteil, b) seiner Ehefrau H. S., . . . zu 3/8 Anteil,
c) seinen Söhnen
aa) E. S., . . .
bb) S. S., . . .
cc) R. S., . . .
zu je 11/72 Anteil,
2) bezüglich des unbeweglichen Nachlasses von
a) seiner Mutter zu 1/6 Anteil,
b) seiner Ehefrau zu 1/4 Anteil,
c) seinen Söhnen zu je 7/36 Anteil."
Abgelehnt hat es jedoch, einen Hinweis auf
den Wertausgleichsanspruch der Bet. zu 1 gegenüber den übrigen Miterben
und damit die die anderen Miterben belastende Verfügungsbeschränkung in
den Erbschein aufzunehmen.
Gegen diesen Beschluß haben die Bet. zu 1 bis 4 mit Schriftsatz ihres
Verfahrensbevollmächtigten v. 21. 12. 1989 Beschwerde eingelegt . . . In
diesem Schriftsatz wiederholt die Bet. zu 1 ihren Hilfsantrag und verweist
wiederum darauf,
"daß in dem Erbschein bezüglich des Grundstücks in E. analog §§ 2363, 2364
BGB eine Verfügungsbeschränkung zu Lasten der Bet. zu 2 bis 5 zu vermerken
ist wegen des Zahlungsanspruchs der Bet. zu 1 i. H. des Wertes von 1/8 der
auf dem Grundstück stehenden Gebäude und Bäume."
Die Bet. zu 5 hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten v. 6.
10. 1990 die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt . . .
Durch Beschluß v. 1. 3. 1991 hat das LG die Beschwerde der Bet. zu 1 bis 4
als unbegründet zurückgewiesen . . .
Gegen diesen Beschluß wenden sich die Bet. zu 1 bis 4 mit ihrer durch
Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten v. 27. 3. 1991 eingelegten
weiteren Beschwerde . . .
II.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel gegen die Beschwerdeentscheidung,
womit der Hauptantrag zurückgewiesen worden ist, ohne Erfolg, weil die
Entscheidung des LG im Ergebnis insoweit nicht auf einer Verletzung des
Gesetzes beruht (§ 27 S. 1 FGG); im übrigen führt das Rechtsmittel zur
Aufhebung des Vorbescheides, der aufgrund des Hilfsantrages v. 28. 7. 1989
ergangen ist.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer
zulässigen Erstbeschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluß v. 14. 12.
1989 ausgegangen, auch wenn es die "Doppelfunktion" des amtsgerichtlichen
Beschlusses nicht ausreichend berücksichtigt hat. Dazu ist zunächst
grundsätzlich auszuführen, daß die Möglichkeit, Haupt- und Hilfsanträge
mit sachlich verschiedenem Inhalt zu verbinden, im Erbscheinsverfahren
uneingeschränkt eröffnet ist; der Antragsteller muß nur in jedem Antrag
das mit ihm beanspruchte Erbrecht genau bezeichnen und bestimmen, in
welcher Reihenfolge die Anträge geprüft werden sollen. Das AmtsG hat es
jedoch unterlassen, die Zurückweisung des Hauptantrages im Beschlußtenor
aufzunehmen. Dieses ist zwar unschädlich, da es ausreicht, wenn sich die
Zurückweisung aus den Beschlußgründen ergibt; jedoch hat dies in der
landgerichtlichen Entscheidung offenbar dazu geführt, daß in der
"Hauptsache" über den Hauptantrag und den Hilfsantrag, soweit dieser vom
AmtsG berücksichtigt worden ist, insgesamt und über das eigentlich zum
Hilfsantrag gehörende zusätzliche Begehren, nämlich die Aufnahme einer
Verfügungsbeschränkung in den Erbschein, gesondert entschieden worden ist.
Wenn auch der Beschluß des LG somit in erster Linie den Vorbescheid
aufrechterhalten hat, so ist im Ergebnis aufgrund der zulässigen
Erstbeschwerde auch über den vom AmtsG abgelehnten Hauptantrag entschieden
worden.
Ohne Rechtsfehler ist das LG im übrigen von einer zulässigen
Erstbeschwerde gegen den Vorbescheid selbst ausgegangen. Insoweit war
dieser Beschluß, obwohl er noch keine die erste Instanz abschließende
Endentscheidung enthielt, selbständig mit der Beschwerde anfechtbar.
Zur Einlegung der Erstbeschwerde gegen die Zurückweisung des Hauptantrages
und den Vorbescheid waren nicht nur die Bet. zu 1 als Antragstellerin,
sondern auch die Bet. zu 2 bis 4 befugt, denn grundsätzlich sind zur
Anfechtung einer nur auf Antrag zu erlassenden Verfügung auch die Personen
befugt, die den verfahrenseinleitenden Antrag in erster Instanz zwar nicht
gestellt haben, dazu aber berechtigt gewesen wären. Da die Bet. zu 2 bis 4
als Miterben den Erbscheinsantrag ebenfalls hätten stellen können, ist
ihre Beschwerdebefugnis gegeben, und zwar auch dann, wenn sie bei der von
ihnen in erster Linie erstrebten Anwendung deutschen Erbrechts eine
ungünstigere Rechtsstellung erlangen sollten, als dieses nach iran.
Erbstatut der Fall wäre oder wenn sie im Rahmen des Hilfsantrages durch
Aufnahme einer Verfügungsbeschränkung im Erbschein belastet werden sollten
(BayObLGZ 1958, 225 ff., 228; Keidel/Kuntze/Winkler, FG, Teil A, 12.
Aufl., FGG § 20 Rz. 51, 85 und § 84 Rz. 10). Im übrigen ergibt sich ihre
Beschwerdebefugnis aus dem Umstand, daß sie zum einen ein Erbrecht für
sich in Anspruch nehmen, das in dem angefochtenen Beschluß abgelehnt wird,
und zum anderen nach dem Hilfsantrag die Aufnahme einer
Verfügungsbeschränkung in den Erbschein anstreben, die in dem
angekündigten Erbschein nicht berücksichtigt worden ist.
III.
In sachlicher Hinsicht darf der Hilfsantrag nicht vor dem Hauptantrag
geprüft werden, weil beide Anträge einen voneinander unabhängigen,
selbständigen Verfahrensgegenstand zum Inhalt haben und deshalb im
Ergebnis die Erteilung von Erbscheinen mit unterschiedlichem Inhalt
anstreben (Senatsbeschluß v. 21. 10. 1966 - 15 W 416/64 -).
Die örtliche Zuständigkeit des AmtsG E. zur Entscheidung über den
Hauptantrag ist von den Vorinstanzen zutreffend als gegeben angenommen
worden.
Eingehender Prüfung hätte jedoch die Frage bedurft, ob das deutsche NachlG
international zuständig war. Der Erblasser war iran. Staatsangehöriger.
Der vorliegende Fall hat daher eine Verbindung zum Recht eines
ausländischen Staates, welches voraussetzt, daß die internationale
Zuständigkeit des NachlG E. gegeben sein muß (BayObLGZ 1981, 137, 140;
1986, 466, 469). Auch das Gesetz zur Neuregelung des internationalen
Privatrechts (IPR-Gesetz) v. 25. 7. 1986 (BGBl I 1142), das am 1. 9. 1986
in Kraft getreten ist, regelt die internationale Zuständigkeit in
Nachlaßsachen nicht. Es bleibt somit bei dem Grundsatz - von den Ausnahmen
der anderweitigen Regelung eines Staatsvertrags, der Anordnung von
vorläufigen Sicherungsmaßnahmen und der Erteilung eines
Fremdrechtserbscheins nach den §§ 2369 ff. BGB abgesehen -, daß die
internationale Zuständigkeit regelmäßig nur gegeben ist, soweit deutsches
materielles Erbrecht anwendbar ist. Diese als "Grundsatz des Gleichlaufs"
bezeichnete Rechtsauffassung gilt in der Rspr. unangefochten und ist auch
nach der Neuregelung des IPR bestätigt worden (BayObLGZ, a.a.O., m.w.N.).
Das LG hätte mithin die Beschwerde, soweit sie den Hauptantrag betraf,
bereits auf Grund der fehlenden internationalen Zuständigkeit des NachlG
zurückweisen können, nachdem es rechtsfehlerfrei festgestellt hatte, daß
deutsches Erbrecht nicht anzuwenden sei . . .
Aus Art. 25 EGBGB ergibt sich der allgemeine Grundsatz, daß jeder nach dem
Gesetz des Staates beerbt wird, dem er zur Zeit seines Todes angehört -
Erbstatut. Die Entscheidung über die Erbfolge eines Ausländers setzt daher
die Feststellung seiner Staatsangehörigkeit zur Zeit seines Todes voraus.
Da der Erblasser zur Zeit seines Todes die iran. Staatsangehörigkeit
besessen hat, ist für die Erbfolge das iran. Recht maßgebend. Diese
Rechtsfolge, die sich bereits aus dem deutschen autonomen Kollisionsrecht
ergibt, ist in dem deutsch-iran. Niederlassungsabkommen v. 17. 2. 1929 (RGBl
1930 II 1006; Weitergeltung bestätigt mit Wirkung v. 4. 11. 1954 - BGBl
1955 II 829) in Art. 8 III ausdrücklich vereinbart worden und geht
insoweit gemäß Art. 3 II EGBGB dem deutschen autonomen Kollisionsrecht
vor. Ungeachtet dieser staatsvertraglichen Regelung bestimmt auch das
iranische Zivilgesetzbuch [iran. ZGB] - Art. 967 i. V. mit Art. 6 -, daß
"die Gesetze, die die Erbfolge regeln, auf alle Iraner Anwendung finden,
auch wenn sie sich im Ausland aufhalten" (vgl. eingehend IPG 1967-68 Nr.
59, 628 f., auch IPG 1969 Nr. 33, 255). Mithin ist ein Gleichlauf zwischen
dem anwendbaren materiellen Erbrecht und dem deutschen
Erbscheinsverfahrensrecht nicht gegeben. Ohne Rechtsfehler ist das LG auch
davon ausgegangen, daß Art. 8 III des deutsch-iran.
Niederlassungsabkommens nicht durch andere Regelungen verdrängt wird,
insbesondere könne der Erblasser nicht als Flüchtling nach den insoweit
maßgeblichen Gesetzen mit der Folge angesehen werden, daß deutsches
Erbrecht anzuwenden sei.
...
Insbesondere hat das LG zu der Frage, ob der Erblasser Flüchtling i. S.
der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, weil er den Iran i. J. 1952
verlassen hat, die Auffassung vertreten, daß dafür keinerlei Anhaltspunkte
bestünden. Es kann dahinstehen, ob diese ohne weitere Ermittlungen
getroffenen Feststellungen den Umständen, die den Erblasser veranlaßt
haben, in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen, gerecht werden.
Jedenfalls hat er seine Flüchtlingseigenschaft spätestens zu dem Zeitpunkt
nach Art. 1 C Ziff. 1 GFK wieder verloren, als er in der Folgezeit die
Aushändigung eines iran. Passes beantragt hat. Der BGH hat in seiner
Entscheidung v. 8. 10. 1965 - MDR 1966, 129 - dazu ausgeführt, daß nach
Art. 1 C Ziff. 1 GFK eine Person nicht mehr unter dieses Abkommen falle,
wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen
Staatsangehörigkeit sie besitzt, unterstelle. Unter den Schutz des Landes
stellen bedeute hiernach, sich von der Auslandsvertretung des Heimatlandes
tatsächlich Vorteile gewähren zu lassen. Eine solche Vorteilsgewährung
liege u. a. darin, einen Paß entgegenzunehmen und, wie es hier geschehen
ist, immer neu verlängern zu lassen.
Es liegen auch keine Umstände vor, aus denen entnommen werden könnte, daß
der Erblasser die Eigenschaft als Flüchtling später erworben habe, wie das
LG zutreffend wie folgt ausgeführt hat . . .
Die insoweit vom LG vorgenommene tatsächliche Würdigung des Ergebnisses
seiner Ermittlungen, die nur einer eingeschränkten Überprüfung im
Verfahren der weiteren Beschwerde unterliegt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler,
a.a.O., FGG § 27 Rz. 42), ist nachvollziehbar, überzeugend und hat alle
wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigt. Insbesondere sieht
es auch der Senat als zutreffend an, den Einbürgerungsantrag, unabhängig
von der Frage, ob er bei der Behörde eingereicht worden ist oder nicht, in
der Weise zu werten, wie es das LG getan hat. Für den Erblasser waren
insoweit in erster Linie wichtig sein bereits seit vielen Jahren
andauernder Aufenthalt in Deutschland, seine Ehe, Kinder und sein Beruf.
Daß der Erblasser gerade aus Furcht oder Verfolgung, also von dieser Angst
motiviert, sich außerhalb seines Heimatlandes aufgehalten hat, ist diesem
Antrag gerade nicht zu entnehmen.
Die in diesem Zusammenhang von den Bet. zu 1 bis 4 erhobene
Verfahrensrüge, ihnen sei keine Gelegenheit gegeben worden, auf den
Schriftsatz der Bet. zu 5 v. 24. 2. 1991, der ihnen erst nach der
Beschwerdeentscheidung v. 1. 3. 1991 übersandt worden sei, Stellung zu
nehmen, obwohl dies zu einer einseitigen Bewertung der Flüchtlingsfrage
durch das LG geführt habe, führt zu keiner anderen Bewertung; die
Beschwerdeführer übersehen, daß in dem Schriftsatz v. 24. 2. 1991
überwiegend nur Rechtsausführungen erfolgt sind und nur am Anfang des
Schriftsatzes bezweifelt wird, ob der Erblasser den erwähnten
Einbürgerungsantrag tatsächlich gestellt habe. Gerade auf diesen Umstand
hat das LG aber nicht entscheidend abgestellt, sondern diese Frage bei
seiner Entscheidung bewußt offengelassen. Mit dem LG ist mithin davon
auszugehen, daß der Erblasser nicht als "Konventionsflüchtling" anzusehen
ist.
Ebensowenig ergibt sich seine Rechtsstellung als Flüchtling aus dem
Asylverfahrensgesetz. Nach § 3 I AsylVfG genießen Asylberechtigte im
Geltungsbereich dieses Gesetzes zwar die Rechtsstellung nach der GFK. Dies
setzt jedoch voraus, daß ein Asylantrag gestellt worden ist. Ein solcher
ist jedoch vom Erblasser zu keinem Zeitpunkt gestellt worden. Schließlich
ist der Erblasser - worauf das LG zutreffend hinweist -, auch kein
"Kontingentflüchtling" i. S. des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen
humanitärer Hilfsaktionen aufgenommener Flüchtlinge v. 22. 7. 1980.
Soweit das Beschwerdegericht im einzelnen die Rechtslage aufgezeigt hat,
wie sie sich unter Berücksichtigung des deutschen ordre-public - Art. 6
EGBGB - darstellt, lassen seine Darlegungen keinen Rechtsverstoß erkennen.
Es war insbesondere nicht durch das zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Iran abgeschlossene deutsch-iran.
Niederlassungsabkommen, das u. a. für erbrechtliche Verhältnisse die
Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen
Staates dem Heimatrecht unterwirft, gehindert, seine Feststellungen an der
Vorbehaltsklausel des Art. 6 EGBGB zu messen, obwohl das Abkommen
(Staatsvertrag) keinen ausdrücklichen ordre-public-Vorbehalt enthält.
Staatsvertragliche Regelungen gehen zwar regelmäßig dem nationalen
Kollisionsrecht und damit auch dessen Vorbehaltsklausel vor (Art. 3 II
GG), so daß im Zweifel auch bei Staatsverträgen, die nicht ausdrücklich
den Vorbehalt enthalten oder ihn ausschließen, die Vertragspartner
völkerrechtlich ohne Einschränkung zur Anwendung des kraft Staatsvertrages
maßgeblichen Rechts verpflichtet sind (vgl. MünchKomm/Sonnenberger, BGB,
2. Aufl., Art. 6 EGBGB Rz. 27, m.w.N.).
Jedoch kann die auch in diesen Fällen vorzunehmende Vertragsauslegung
ergeben, daß die Vertragspartner den jeweiligen nationalen ordre public
vorbehalten wollten (vgl. MünchKomm/Sonnenberger, a.a.O.). Ein
dementsprechender Vorbehalt ergibt sich vorliegend aus Art. 8 III S. 2
deutsch-iran. Niederlassungsabkommen (vgl. Krüger, FamRZ 1973, 6, 8 f.;
Wengler, NJW 1962, 248; IPG 1983 Nr. 32 S. 293). Das Abkommen lautet
insoweit wie folgt:
"Die Anwendung dieser Gesetze kann von dem anderen vertragschließenden
Staat nur ausnahmsweise und nur insoweit ausgeschlossen werden, als ein
solcher Ausschluß allgemein gegenüber jedem anderen fremden Staat
erfolgt."
Zwar sollte diese Bestimmung in erster Linie die Anwendung der besonderen
Vorbehaltsklauseln des deutschen Kollisionsrechts ermöglichen, jedoch ist
es nach dem Wortlaut sachgerecht, auch die allgemeine Vorbehaltsklausel
des Art. 6 EGBGB dann anzuwenden, wenn es sich um die Ausschaltung von
solchen Bestimmungen des iran. Rechts handelt, deren Anwendung auch bei
anderen Rechtsordnungen verweigert würde (vgl. IPG, a.a.O.). Insoweit kann
davon ausgegangen werden, daß bei einer entsprechend einschneidenden
Benachteiligung eines gesetzlichen Erben aufgrund seines Geschlechts auch
durch andere ausländische Rechte diese nicht akzeptiert würden. Bei dem
somit an der Vorbehaltsklausel des Art. 6 EGBGB zu messenden ausländischen
Recht ist jedoch zu beachten, daß gerade das Erbrecht sehr häufig
unterschiedlich in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen geregelt und
auch von daher die Vorbehaltsklausel in diesem Bereich nur zurückhaltend
anzuwenden ist (vgl. MünchKomm/Birk, a.a.O., Art. 25 EGBGB Rz. 110).
Zusätzlich ist vorliegend Art. 8 III S. 2 deutsch-iran.
Niederlassungsabkommen zu berücksichtigen, der auch nur "ausnahmsweise"
die Ausschließung des ausländischen Rechts zuläßt. Demzufolge wäre unter
Beachtung dieser Grundsätze nur von einem Verstoß auszugehen, wenn das
konkrete Ergebnis mit den Grundrechten nicht vereinbar wäre.
Zutreffend hat mithin das LG bei der Entscheidung der Frage, ob die
Anwendung iran. Erbrechts im vorliegenden Fall gegen den deutschen "ordre
public" verstößt, nicht auf einen abstrakten Verstoß gegen das
Verfassungsgebot der Gleichberechtigung von Mann und Frau, sondern darauf
abgestellt, ob im konkreten Fall das Ergebnis der Anwendung iran. Rechts
in untragbarem Widerspruch zu grundlegenden deutschen
Gerechtigkeitsvorstellungen stehen würde (BGHZ 50, 370 = FamRZ 1968, 642;
54, 123 = FamRZ 1970, 547; v. Bar, Internationales Privatrecht, Bd. I,
Allgemeine Lehren, Rz. 632, 634). Es kommt vielmehr allein darauf an, ob
die Anwendung ausländischen Rechts auf den konkreten Sachverhalt gegen
tragende Prinzipien der deutschen Rechtsordnung, insbesondere auch gegen
die deutsche Verfassung verstößt, und zwar auch dann, wenn man die
Gleichstellung des ausländischen Staates und die Eigenständigkeit seiner
Rechtsordnung grundsätzlich berücksichtigt (vgl. BVerfGE 31, 58 = FamRZ
1971, 414; BGHZ 60, 78). Demgemäß kann ein der Vorbehaltsklausel
entsprechender Verstoß nicht bereits darin gesehen werden, daß
anzuwendendes ausländisches Recht der Gleichstellung von Mann und Frau
nicht genügt.
Der BGH führt insoweit aus (BGHZ 60, 79 f.):
". . . Sind nur einzelne Bet. Ausländer, so muß der Besonderheit der
gegebenen Rechtslage Rechnung getragen werden. So ist zu berücksichtigen,
daß die strikte Anwendung des Grundsatzes umfassender Gleichberechtigung
von Mann und Frau die Rechtsstellung des oder der ausländischen Bet.
schmälern kann. Der Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter
steht dann das Interesse des Ausländers an der Beibehaltung und Anwendung
seines Heimatrechts gegenüber . . . Besitzt nur ein Ehegatte die deutsche
Staatsangehörigkeit, so muß der gewöhnliche Aufenthalt der Familie auf
deutschem Boden deshalb noch nicht ohne weiteres das Recht auf
Durchsetzung der vollen Gleichberechtigung von Mann und Frau nach sich
ziehen. Vielmehr erscheint in solchem Falle eine Anpassungsregelung
geboten und auch mit dem Grundrecht der Gleichberechtigung der
Geschlechter vereinbar, wenn sie in sachgerechter Weise das
Zusammentreffen der durch die beiderseitigen Heimatrechte bedingten
unterschiedlichen Rechtsfolgen löst und im Einzelfall zu einem tragbaren
Ergebnis führt.
Eine solche Anpassungsregelung zu schaffen, ist nicht zuletzt die Aufgabe
zwischenstaatlicher Verträge. Wäre der deutsche Gesetzgeber gehalten,
diesen Verträgen nur dann seine Zustimmung zu geben, wenn sie die strikte
Einhaltung der Gleichberechtigung der Geschlechter vorsehen, dann würde
das ein erhebliches Hemmnis für den Abschluß internationaler Verträge auf
familienrechtlichem Gebiet bedeuten. Denn in vielen Staaten ist auf dem
Gebiete des Familienrechts nicht eine umfassende Gleichberechtigung von
Mann und Frau rechtens, wie sie seit dem 1. 4. 1953 in der Bundesrepublik
Deutschland besteht."
Diese Schlußfolgerungen sind auch in den Bereich des Erbrechts zu
übertragen, da ansonsten sinnvolle staatsvertragliche Regelungen in diesem
Bereich zwischen einzelnen Staaten nicht zustandekommen könnten. Der BGH
führt aus, der Abschluß von Staatsverträgen, durch die eine vernünftige
Anpassungsregelung zur Rechtsordnung des anderen Vertragspartners
geschaffen werden solle, könne nicht die volle Durchsetzung des eigenen
Rechts verwirklichen; er könne nur einen Kompromiß zwischen den
Rechtssystemen der beteiligten Staaten darstellen. Die völkerrechtliche
Bindung, die mit der Ratifizierung des Staatsvertrages eingegangen werde,
würde daher durch einen (ausdrücklichen oder stillschweigenden)
verfassungsrechtlichen Vorbehalt, alle der vollen Gleichberechtigung der
Geschlechter nicht entsprechenden Normen auf Grund des deutschen ordre
public außer Anwendung zu lassen, weitgehend wieder aufgehoben. Damit wäre
die Möglichkeit, auf diesem Gebiet staatsvertraglich Abgrenzungs- oder
Anpassungsregeln zu schaffen, in beträchtlichem Umfang behindert oder
ausgeschlossen. Auch das müsse dazu führen, die vertraglich anerkannten
ausländischen Normen, d. h. die für den Erbfall maßgebenden
Regelungsmaßstäbe, nicht generell auf ihre Übereinstimmung mit dem
Grundgesetz zu überprüfen, sondern auf die Zumutbarkeit und Tragbarkeit
des Anwendungsergebnisses im Einzelfall abzustellen. Hierfür würden
allerdings die Sachgerechtigkeit der Kollisionsregelung und der Inhalt der
danach berufenen ausländischen Sachnormen einerseits sowie der Umfang der
Inlandsbeziehungen andererseits von Bedeutung sein.
Gemessen an diesen Gesichtspunkten sind die Vorinstanzen zutreffend davon
ausgegangen, daß die Anwendung iran. Erbrechts im vorliegenden Fall nicht
i. S. des Art. 6 EGBGB unvereinbar mit wesentlichen Grundsätzen des
deutschen Rechts, insbesondere mit dem Grundrecht des Art. 3 II, III GG
ist.
Zutreffend hat das LG herausgestellt, daß nach dem maßgeblichen
iran.-schiitischen Erbrecht die Ehefrau gegenüber dem Ehemann schlechter
gestellt sei, weil der gesetzliche Erbteil des Ehemannes doppelt so hoch
sei und den gesamten Nachlaß erfasse. Dem ist noch hinzuzufügen, daß der
Ehefrau die Erbquote von 1/8 lediglich für den beweglichen Nachlaß
zusteht. Im Hinblick auf den unbeweglichen Nachlaß besteht kein
gesetzliches Erbrecht, sondern nur ein Anspruch auf Wertausgleich
hinsichtlich der auf den Grundstücken befindlichen Gebäude und Bäume, Art.
946, 947 iran. ZGB. Dieser Benachteiligung weiblicher gesetzlicher Erben
nach iran. Recht steht zwar gegenüber, daß Frauen im Gegensatz zu den
Männern von einer Reihe von Pflichten befreit sind, u. a. von der
Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern. Nach Art. 1199 iran. ZGB sind
die Verwandten des Vaters dessen Kindern vor der Mutter
unterhaltspflichtig. Im vorliegenden Verfahren richtet sich jedoch die
Unterhaltspflicht der Bet. zu 1 gegenüber den Bet. zu 2 bis 4 nicht nach
iran., sondern nach deutschem Recht. Art. 8 III S. 1 des deutsch-iran.
Niederlassungsabkommens, der in "Familiensachen" nur bei "gleicher"
Staatsangehörigkeit der Eheleute auf das jeweilige Heimatrecht verweist,
ist wegen der unterschiedlichen Staatsangehörigkeit der Eheleute
vorliegend deshalb nicht anwendbar, so daß nach Art. 1 des Haager
Unterhaltsabkommens von 1956 deutsches Recht als Recht des gewöhnlichen
Aufenthalts anzuwenden ist (vgl. IPG, 1983 Nr. 32, S. 293). Vorrangig ist
mithin die Bet. zu 1 ihren Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Ob
tatsächlich die unterhaltsrechtlichen Vorteile die erbrechtliche
Benachteiligung der weiblichen Erben aufwiegen würden, kann vorliegend
demnach dahingestellt bleiben, da die Bet. zu 1 deutsche Staatsangehörige
ist und auf jeden Fall im Hinblick auf ihre Unterhaltspflicht gegenüber
den Bet. zu 2 bis 4 schlechter gestellt wird.
Daß das LG trotz dieser Sachlage die Anwendung iran. Erbrechts in
Anlehnung an das eingeholte Gutachten als noch mit Art. 6 EGBGB vereinbar
angesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere hat es im
vorliegenden Fall die besonders starke Inlandsbeziehung nicht übersehen.
Zwar lebte der Erblasser seit 1952 in der Bundesrepublik, er hatte hier
studiert, geheiratet und eine Existenz aufgebaut und bis zu seinem Tode
mit seiner Ehefrau und den Kindern in der Bundesrepublik gelebt.
Schließlich befindet sich das Vermögen, für das der Erbschein beantragt
wird, in der Bundesrepublik. Gleichwohl hat es diese Inlandsbeziehungen
zutreffend als nicht ausreichend angesehen, um die Anwendung iran.
Erbrechts im vorliegenden Fall als gegen den deutschen "ordre public"
verstoßend anzusehen, denn andererseits ist auf Grund des vom LG
festgestellten Sachverhalts zu bedenken, daß der Erblasser bis zuletzt
einen gültigen iran. Paß besaß und trotz der Verfolgungen im Heimatland
keinen Asylantrag gestellt hat. Ferner sind die oben dargelegten Maßstäbe
und der Umstand zu berücksichtigen, daß gerade in dem national sehr
unterschiedlich geregelten Bereich des Erbrechts die Vorbehaltsklausel des
Art. 6 EGBGB nur zurückhaltend anzuwenden ist.
Die Bet. zu 1 ist auch keineswegs praktisch von der Erbfolge
ausgeschlossen. Zutreffend sind die Vorinstanzen unter Berücksichtigung
des eingeholten Gutachtens davon ausgegangen, daß bei der Bet. zu 1 eine
Erhöhung des Erbteils um 1/4 nach § 1371 I BGB zu berücksichtigen ist. Für
die Bet. zu 1 ist davon auszugehen, daß für die Ehe das Güterrechtsstatut
nach deutschem Recht galt. Die Ehe ist i. J. 1961 geschlossen worden. Die
intertemporale Geltung für das Ehegüterrecht ist in Art. 220 III n. F.
EGBGB besonders geregelt. Danach unterliegen die güterrechtlichen
Wirkungen von Ehen, die in der Zeit zwischen dem 21. 3. 1953 und dem 9. 4.
1983 geschlossen worden sind, bis zum 8. 4. 1983 in erster Linie dem
gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten bei Eheschließung. Hilfsweise gilt
das Recht, dem die Ehegatten sich unterstellt hatten oder von dessen
Anwendung sie ausgegangen waren, insbesondere nach dem sie einen
Ehevertrag geschlossen hatten (Abs. III Nr. 2), sonst das Heimatrecht des
Ehemannes bei Eheschließung (Abs. III Nr. 3). Für die Zeit nach dem 8. 4.
1983 gilt Art. 15 I n. F. i. V. mit Art. 14 EGBGB. Allgemein wird Art. 220
III EGBGB in der Weise angewendet, daß für güterrechtsrelevante Vorgänge -
hier die Auflösung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten -, die
vor dem 8. 4. 1983 abgeschlossen sind, das nach Abs. III Nr. 1 bis 3 EGBGB
bestimmte Güterrechtsstatut, für güterrechtliche Vorgänge nach diesem
Zeitpunkt das neue, nach Art. 15 I n. F. i. V. mit Art. 14 EGBGB
anzuwendende Güterrechtsstatut maßgebend ist. Dabei erfaßt der nach neuem
Recht ermittelte Güterstand das gesamte, auch vor dem 9. 4. 1983 erworbene
Vermögen. Eine gesonderte Auseinandersetzung des bis (einschließlich) 8.
4. 1983 vorhandenen Vermögens für den Fall eines auf Grund der Neuregelung
zum 9. 4. 1983 eintretenden Statutenwechsels findet nicht statt (BGH,
FamRZ 1986, 1200 ff.; BGH, FamRZ 1987, 679 ff.). Für die Zeit nach dem 8.
4. 1983 ist demzufolge Art. 15 n. F. EGBGB anzuwenden. Nach Art. 15 I i.
V. mit Art. 14 I Nr. 2 EGBGB lebten die Eheleute hier im Zeitpunkt des
Todes des Erblassers somit im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
. . .
Des weiteren erbt die Bet. zu 1 1/8 des beweglichen Vermögens und hat
bezüglich des unbeweglichen Vermögens einen gesicherten Anspruch gegen die
übrigen Bet. auf Ausgleich des Wertes von 1/8 der auf den Grundstücken
befindlichen Gebäude und Bäume.
Dieses nicht gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau
verstoßende Ergebnis der Anwendung iran. Erbrechts wird auch nicht dadurch
in Frage gestellt, daß sich die Bet. zu 1 bis 4 im Hinblick darauf auf
eine Beeinträchtigung ihrer religiösen Bekenntnisfreiheit berufen. Der
einzelne kann nicht mit Erfolg geltend machen, daß eine bestimmte
gesetzliche Regelung grundrechtswidrig ist, weil sie mit seinem Glauben,
seinem Gewissen, seinem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis
unvereinbar ist. Er kann nicht verlangen, daß "seine" Überzeugung zum
Maßstab für die Gültigkeit der allgemein geltenden Rechtsnormen gemacht
wird (BVerfGE 67, 26 ff., 37 = FamRZ 1984, 863 ff.; Maunz/Dürig/Herzog,
GG, Art. 4 Rz. 113, 156).
Deswegen können sich die Bet. nicht der Anwendung des allgemein im Iran
geltenden staatlichen Erbrechts entziehen, selbst wenn dieses ihrer
religiösen Überzeugung nicht entspricht.
Ferner kann nicht außer Betracht gelassen werden, daß der Erblasser für
das im Inland belegene unbewegliche Vermögen in Form einer Verfügung von
Todes wegen deutsches Recht hätte wählen können (Art. 25 II EGBGB).
Ein Verstoß gegen den ordre public ist im übrigen auch nicht darin zu
sehen, daß im Gegensatz zum deutschen Erbrecht die Mutter des Erblassers -
die Bet. zu 5 - eine feste Quote von 1/6 Anteil am Gesamtnachlaß erbt,
Art. 896, 904 iran. ZGB (vgl. IPG, a.a.O., S. 294). Auch die deutschen
erbrechtlichen Regelungen schließen grundsätzlich eine Beteiligung der
Eltern und Geschwister sowie der Großeltern des Erblassers am Nachlaß des
Erblassers nicht aus, wenn auch nur in den Fällen, in denen keine
Abkömmlinge des Verstorbenen vorhanden sind, §§ 1925, 1926, 1931 BGB. Die
nach iran. Erbrecht geltende Regelung steht mithin gerade nicht in einem
unlösbaren Widerspruch zum deutschen Recht. Darüber hinaus ist zu
berücksichtigen, daß das iran. Erbrecht keine Sonderregelungen enthält,
sondern auch in den Fällen der vorliegenden Art die Beerbung durch die
Mutter, die Ehefrau und die Söhne zuläßt. Das gesamte Vermögen bleibt
mithin innerhalb der Familie. Allein der Umstand, daß nach dem
ausländischen Recht ein anderer Verteilungsmaßstab zu Gunsten des
jeweiligen Familienmitgliedes als nach deutschem Erbrecht gilt, ist kein
Verstoß i. S. des Art. 6 EGBGB.
Letztlich ist darauf hinzuweisen, daß deutsches Recht anstelle des iran.
für die Beerbung des Erblassers auch dann nicht anzuwenden wäre, wenn ein
Verstoß gegen den ordre public vorliegen sollte. Art. 6 EGBGB sagt nur,
unter welchen Umständen ein "an sich" berufenes ausländisches Recht nicht
anzuwenden ist. Welches Recht an seine Stelle tritt, bleibt offen. Der
Gesetzgeber wollte die Praxis bewußt nicht darauf festlegen, stets die
"deutsche lex fori" als Ersatzrecht heranzuziehen. Damit bleibt es auch
unter dem neugefaßten EGBGB bei der je nach den Umständen aufzulösenden
Alternative zwischen der Anwendung deutschen Rechts oder eines
modifizierten Auslandsrechts (vgl. v. Bar, a.a.O., Rz. 640 f.). Bedenken
würden demnach nicht bestehen, wenn die modifizierte Anwendung des
ausländischen Rechts zu einem Ergebnis führte, das mit dem deutschen ordre
public nicht im Widerspruch stünde. Die nächstliegende Möglichkeit wäre
hier, die Regelungen anzuwenden, die nach dem iran. Erbrecht für die
Beerbung der Ehefrau gelten (MünchKomm/Sonnenberger, a.a.O., Art. 6 EGBGB
Rz. 85). Die Ehefrau würde folglich nach iran. - und nicht nach deutschem
- Erbrecht die gleiche Quote erben wie der Ehemann, und zwar auch
hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens.
Deutsches Erbrecht findet nach alledem keine Anwendung, so daß der
Hauptantrag zu Recht zurückgewiesen worden ist, und zwar mangels
internationaler Zuständigkeit des NachlG.
IV.
Soweit die Bet. zu 1 bis 4 in der Rechtsbeschwerdeinstanz unter dem 12. 8.
1991 einen weiteren Hilfsantrag und diesen nunmehr in erster Linie
gestellt haben, ist dieser unabhängig davon, daß in ihm nicht sämtliche
Erben angegeben worden sind und schon deshalb zurückzuweisen gewesen wäre,
nicht zulässig. Das Beschwerdegericht und das Gericht der weiteren
Beschwerde dürfen eine Entscheidung in der Sache nur insoweit treffen, als
das Gericht erster Instanz einen Beschluß erlassen hat. Der angefochtene
erstinstanzliche Beschluß bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens
in den weiteren Instanzen. Diesen Gegenstand darf das Beschwerdegericht
nicht einschränken, nicht erweitern und auch nicht auswechseln. Es hat
vielmehr über den gleichen Gegenstand zu entscheiden wie das AmtsG (Senatsbeschluß
v. 27. 5. 1963 - 15 W 180/63 -, JMBl NW 1963, 192). Deshalb sind im
Beschwerdeverfahren neue Anträge, die die Angelegenheit zu einer anderen
machen als diejenige war, die Gegenstand der amtsgerichtlichen
Entscheidung gewesen ist, unzulässig. Ein neuer Antrag kann immer nur beim
Gericht erster Instanz gestellt werden (Senat, JMBl NW 1962, 190; BayObLGZ
1961, 289, 291).
Demgegenüber führt die weitere Beschwerde zur Aufhebung der amts- und
landgerichtlichen Beschlüsse, soweit die Erstbeschwerde gegen den
Vorbescheid, der auf der Grundlage des nunmehr in zweiter Linie gestellten
Hilfsantrages ergangen ist, zurückgewiesen worden ist. Insoweit beruht die
Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes, § 27 FGG.
Zur Erteilung eines Fremdrechtserbscheins unter Beschränkung auf die im
Inland belegenen Nachlaßgegenstände war das NachlG daher gemäß § 2369 BGB
international zuständig (vgl. BayObLGZ 1965, 377, 382, sowie a.a.O.).
Im Erbscheinsverfahren bildet nach § 2353 BGB der Antrag des Erben die
notwendige Voraussetzung für das Tätigwerden des NachlG. Er muß das
beanspruchte Erbrecht genau bezeichnen . . .
Das NachlG kann nur entweder dem Antrag, einen Erbschein zu erteilen, so
wie er gestellt ist, stattgeben oder ihn abweisen; es ist nicht
berechtigt, einen Erbschein mit einem anderen als dem beantragten Inhalt
zu erteilen oder anzukündigen, auch wenn Grund für die Annahme besteht,
daß der Antragsteller einen Erbschein anderen als dem beantragten Inhalts
billigen und sich mit ihm zufrieden geben würde (Senatsbeschluß, a.a.O.).
Diese Anforderungen sind hier nicht genügend berücksichtigt worden. Der
Hilfsantrag v. 28. 7. 1989, soweit er die Erbquoten betrifft, hätte
bereits einer Richtigstellung und Präzisierung bedurft. Es hätte bereits
auffallen müssen, daß die Quote für die Kinder - "je 30/72" - nicht
zutreffend sein konnte. Darüber hinaus ist auch beantragt worden, den
Ausgleichsanspruch der Bet. zu 1 in den Erbschein aufzunehmen. Dieser
Antrag ist, nachdem im Beschluß des AmtsG die Bet. hierüber entsprechend
aufgeklärt worden waren, mit Schriftsatz v. 27. 2. 1990 dahin rechtlich
eingeordnet worden, daß es sich um eine Verfügungsbeschränkung handele. Um
einen Vorbescheid erlassen zu können, wäre das AmtsG daher veranlaßt
gewesen, die Verfügungsbeschränkung mit in den Beschluß aufzunehmen. Aus
den Gründen des amtsgerichtlichen Beschlusses ist jedoch zu ersehen, daß
die Aufnahme einer Verfügungsbeschränkung nicht für zulässig erachtet
worden ist. Mithin wäre das AmtsG bereits gehalten gewesen, auch den
Hilfsantrag zurückzuweisen. Allenfalls hätte es die Bet. zu 1 darauf
hinweisen können, daß nach seiner Auffassung die begehrte
Verfügungsbeschränkung nicht in den Erbschein aufzunehmen und eine
Antragsberichtigung erforderlich sei. Hätte die Bet. zu 1 diesem Hinweis
nicht entsprochen, wäre sodann auch der Hilfsantrag zurückzuweisen
gewesen.
Das LG wäre demzufolge veranlaßt gewesen, den Vorbescheid unter diesem
Gesichtspunkt aufzuheben und die Sache nunmehr zur Entscheidung über den
Hilfsantrag an das AmtsG zurückzugeben, und zwar entweder mit dem Ziel
einer Zurückweisung des hilfsweise beantragten Erbscheins, oder mit der
Anweisung, die Verfügungsbeschränkung zu berücksichtigen, was jedoch nach
der Entscheidung des LG und auch der Auffassung des Senats unter
Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen des deutschen Erbrechts
nicht möglich ist. Insoweit führt das LG zutreffend aus, der Anspruch auf
Wertausgleich sei - mögen die Bet. zu 2 bis 5 auch in ihrer
Verfügungsmacht über Gebäude und Bäume bis zur Erfüllung der Forderung
nach iran. Recht beschränkt sein und möge der Bet. zu 1 nach iran.
Rechtsverständnis bis dahin auch ein mit einer gesetzlichen Hypothek
deutschen Rechts vergleichbares dingliches Sicherungsrecht am jeweiligen
Grundstück zustehen - als solcher doch nur schuldrechtlicher Natur.
Ebensowenig wie ein Vermächtnis kann deshalb die Beteiligung der Witwe an
Bauten und Bäumen in den Erbschein aufgenommen werden. Der
Fremdrechtserbschein ist lediglich ein Zeugnis über das Erbrecht an den in
Deutschland gelegenen Nachlaßgegenständen, so daß von daher die Frage, ob
und inwieweit die Verfügungsgewalt der Erben reicht und ob eine dingliche
Sicherung des Begünstigten besteht, nicht nach iranischem Erbstatut,
sondern nach vorgehendem Sachstatut, lex rei sitae, also nach deutschem
Recht zu beurteilen ist. Letzteres aber kennt im vergleichbaren
Vermächtnisrecht kein die Verfügungsmacht des Beschwerten beschränkendes
und die Zahlungsforderung des Begünstigten dinglich sicherndes
gesetzliches Recht. Folglich ist beides nicht in dem gemäß § 2369 BGB zu
erteilenden Erbschein auszuweisen. Die diesbezügliche Begründung des LG
und die in Bezug genommenen Ausführungen des AmtsG lassen einen
Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere ist es rechtlich zutreffend,
wenn das AmtsG unter Bezugnahme auf das OLG Köln (NJW 1983, 525) darauf
hinweist, daß der Erbschein lediglich das erwähnte Erbrecht und den
Umstand bezeuge, daß andere als die angegebenen Verfügungsbeschränkungen
nicht bestünden. Als Verfügungsbeschränkung seien jedoch gemäß §§ 2363,
2364 BGB nur der Nacherben- und der Testamentsvollstreckungsvermerk
anzugeben. Auf das Fehlen sonstiger Beschränkungen erstrecke sich die
Vermutung des § 2365 BGB nicht. Der Erbschein besagt nichts über den
Umfang des Nachlasses sowie darüber, welche Gegenstände vom Erbrecht
erfaßt bzw. nicht erfaßt werden.
Mithin besteht vorliegend für den Senat ebenfalls nur die Möglichkeit, den
Vorbescheid aufzuheben, auch wenn er sich im Ergebnis, soweit sich aus ihm
die Erbquoten der Bet. ergeben, als zutreffend erweist. Denn der Senat ist
ebenfalls an den Antrag der Bet. zu 1 gebunden und kann nicht darüber
hinausgehen bzw. ihn abändern. Zwar waren die Bet. zu 1 bis 4, über deren
weitere Beschwerde der Senat zu befinden hat, durch den Beschluß des LG,
soweit es den Vorbescheid aufrechterhalten hat, nicht beschwert.
Hinsichtlich des Hilfsantrages ging es ihnen nur darum, daß die
Verfügungsbeschränkung berücksichtigt werde. Wenn auch im
Erbscheinsverfahren das Verbot der reformatio in peius gilt (vgl.
Senatsbeschluß v. 5. 1. 1967 - 15 W 216/65 -, OLGZ 1967, 71, 72), so
hindert das den Senat nicht, den angefochtenen Beschluß darauf zu
überprüfen, ob er dem gestellten Antrag entsprach; denn
Verfahrensgegenstand ist die Prüfung der Frage, ob die Bet. zu 1 bis 4
ihrem Antrag entsprechend beschieden worden sind.
Die Bet. zu 1 bis 4 werden zu entscheiden haben, ob sie im weiteren
Verfahren über den Erbscheinsantrag den Ausführungen dieser Entscheidung
entsprechend den noch anhängigen Antrag vor dem AmtsG abändern.
Anderenfalls wäre das AmtsG gehalten, den Erbscheinsantrag, auch soweit er
hilfsweise gestellt ist, nunmehr zurückzuweisen.
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