Rechtsbehelfe in der
Zwangsvollstreckung: Wahlrecht zwischen Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) und
Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) bei formellen Einwendungen gegen den
Vollstreckungstitel
BGH, Beschluß vom 16.
Juli 2004 - IXa ZB 326/03
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Liegen die Voraussetzungen einer Klauselerinnerung nach
§ 732 ZPO und einer Vollstreckungsgegenklage in entsprechender Anwendung des
§ 767 ZPO vor, so hat der Schuldner ein Wahlrecht.
Zentrale Probleme:
s. die Anm. zu
BGH v.
22.10.2003 - IV ZR 398/02 unter "formelle Einwendungen": Die
formelle Einwendung, daß (mangels wirksamer Stellvertretung bei der Abgabe
einer Unterwerfungserklärung nach § 794 Nr. 5 ZPO) kein wirksamer
Vollstreckungstitel vorliegt, kann nicht nur im Wege der Klauselerinnerung
nach § 732 ZPO gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel vorgebracht
werden, weil deren Erteilung das Vorliegen eines wirksamen Titels
voraussetzt, sondern auch in Analogie zu § 767 ZPO mit der
Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden (s. BGH v.
22.10.2003 - IV ZR 398/02). Vorteil der Vollstreckungsgegenklage ist, daß
sie - wenn sie Erfolg hat - den Titel als solchen beseitigt, d.h. es ist ein
für allemal klar, daß aus diesem nicht vollstreckt werden kann, während die
Klauselerinnerung nur die Klausel beseitigt und den Gläubiger nicht daran
hindert, erneut die Erteilung einer Vollstreckungsklausel zu beantragen. Der
BGH stellt hier klar, daß dieser - für den Schuldner im Erfolgsfall weniger
vorteilhafte Rechtsbehelf - durch die Möglichkeit, nach § 767 ZPO
vorzugehen, nicht verdrängt wird. Der Schuldner hat eine Wahlrecht zwischen
beiden Rechtsbehelfen.
©sl 2004
Gründe:
I. Der Schuldner,
vertreten durch die C. -GmbH, diese vertreten durch den Bürovorsteher F. ,
übernahm gegenüber der den Erwerb eines Wohnungserbbaurechts finanzierenden
Rechtsvorgängerin der Gläubigerin in Höhe eines Betrages von 333.667 DM (=
170.601,23 €) die persönliche Haftung und unterwarf sich insoweit der
sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Bei der
Beurkundung am 14. März 1996 lagen dem Notar Ausfertigungen der notariellen
Vollmachten vor, die der Urkunde in beglaubigter Abschrift als Anlage
beigefügt wurden. Der Schuldner wendet sich gegen die der Gläubigerin zur
Urkunde vom 14. März 1996 erteilten Klausel, weil die Unterwerfung unter die
sofortige Zwangsvollstreckung auf einer unwirksamen Vollmacht beruhe und
daher kein ordnungsgemäßer Titel errichtet worden sei. Das Amtsgericht hat
seiner Erinnerung stattgegeben, das Landgericht sie auf die sofortige
Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde des Schuldners.
II. Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im
übrigen zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der Schuldner, der – wie hier - die
Wirksamkeit eines nach Form und Inhalt vollstreckungsfähigen Titels mit
materiell-rechtlichen Einwendungen angreife, müsse eine
Vollstreckungsgegenklage in entsprechender Anwendung des § 767 ZPO erheben,
ohne daß ihm daneben auch die Klauselerinnerung zur Verfügung stehe. Allein
im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage könne eine umfassende und
abschließende Klärung der materiellen Rechtslage erfolgen. Es könne daher
für das vorliegende Verfahren offenbleiben, ob die der C. -GmbH erteilte
Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam sei,
sich dies auf die Wirksamkeit der den Schuldtitel bildenden Urkunde vom 14.
März 1996 auswirke und ob der Schuldner nach § 242 BGB gehindert sei, sich
auf die Unwirksamkeit zu berufen, weil er sich gegenüber der
Rechtsvorgängerin der Gläubigerin im Darlehensvertrag zur Abgabe einer
persönlichen Unterwerfungserklärung verpflichtet habe.
Die Rechtsbeschwerde hält dem entgegen, Klauselerinnerung und
Vollstreckungsgegenklage hätten unterschiedliche Rechtsschutzziele. Bei der
Erinnerung gehe es darum, die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der
Klausel zu erreichen, während bei der Vollstreckungsgegenklage über die
Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel selbst entschieden
werde. Das gelte auch für die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung
entwickelte erweiterte Vollstreckungsgegenklage in entsprechender Anwendung
des § 767 ZPO, die es ermögliche, im Klagewege formelle Einwendungen gegen
den Titel vorzubringen. Zwischen beiden Verfahren habe der Schuldner die
Wahl; für vergleichbare Fälle sehe § 768 ZPO ein solches Wahlrecht
ausdrücklich vor. Im Klauselerteilungsverfahren habe das zuständige Organ
den Nachweis einer wirksamen prozessualen Vollmacht zu prüfen. Der zwischen
dem Schuldner und der C. -GmbH geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag sei
wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig (§ 134 BGB). Dieser
Mangel erfasse die Vollmacht; die dazugehörigen Umstände ergäben sich
unmittelbar aus der notariellen Urkunde selbst.
2. Der Standpunkt des Beschwerdegerichts ist im Ergebnis richtig.
a) Allerdings ist der Rechtsbeschwerde darin zuzustimmen, daß es dem
Schuldner freisteht, ob er eine Vollstreckungsgegenklage in entsprechender
Anwendung des § 767 ZPO erhebt oder sich für die Klauselerinnerung
entscheidet. Mit dem Verfahren nach § 732 ZPO kann der Schuldner
Einwendungen gegen eine dem Gläubiger erteilte Klausel erheben, die Fehler
formeller Art zum Gegenstand haben. Dazu gehört die Einwendung, die gemäß §
794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO abgegebene Unterwerfungserklärung sei auf eine
unwirksame Vollmacht zurückzuführen; denn dies betrifft die Frage, ob ein
ordnungsgemäßer Titel geschaffen worden ist. Nach der früheren
Rechtsprechung stand dem Schuldner in diesen Fällen sogar ausschließlich die
Klauselerinnerung zur Verfügung; das Vorliegen eines wirksamen Titels
wiederum war prozessuale Voraussetzung für die Erhebung einer
Vollstreckungsgegenklage (BGHZ 15, 190, 191; 22, 54, 65; BGH, Urteil vom 21.
Mai 1987 - VII ZR 210/86 – WM 1987, 1232 unter 2 und 3;
Nichtannahmebeschlüsse vom 17. September 1987 - III ZR 261/86 - BGH Dat
Zivil; vom 6. Oktober 1988 - III ZR 4/88 - BGH Dat Zivil unter 1).
Dieser prinzipielle Vorrang der Klauselerinnerung ist in der neueren
Rechtsprechung weitgehend aufgegeben worden. Die Möglichkeit einer
Klauselerinnerung steht der Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage nicht
mehr grundsätzlich entgegen (BGHZ 92, 347, 348; 118, 229, 232 ff.; BGH,
Urteile vom 3. Dezember 1987 - III ZR 261/86 - WM 1988, 109; vom 21. April
1999 - VIII ZR 110/98 - NJW-RR 1999, 1080, 1081 unter II 1); jedenfalls ist
es statthaft, mit der Vollstreckungsgegenklage eine weitere Klage in
entsprechender Anwendung des § 767 ZPO zu verbinden, deren Streitgegenstand
die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels ist. Damit kann auch im
Klageverfahren - und nicht nur mit der Klauselerinnerung - ein
formell-rechtlicher Einwand gegen den Vollstreckungstitel geltend gemacht
werden. Würde der Vollstreckungsschuldner ausnahmslos auf den Weg der
Klauselerinnerung verwiesen, wäre er einem erheblichen Risiko ausgesetzt.
Wird nämlich die Vollstreckungsabwehrklage wegen Unwirksamkeit des Titels
als unzulässig verworfen, so ist das Vollstreckungsgericht in einem
nachfolgenden Klauselerinnerungsverfahren an diese Rechtsauffassung nicht
gebunden. Der Vollstreckungsschuldner liefe dann Gefahr, in beiden Verfahren
zu unterliegen. Zudem beseitigt die Vollstreckungsabwehrklage die
Vollstreckbarkeit der Urkunde schlechthin, während sich die
Klauselerinnerung nur gegen die jeweilige vollstreckbare Ausfertigung
richtet und die Erteilung einer weiteren Vollstreckungsklausel nicht hindert
(vgl. BGHZ 118, 229, 236; 124, 164, 170; Urteile vom 27. September 2001 -
VII ZR 388/00 - ZIP 2001, 2288, 2289; vom 22. Oktober 2003 - IV ZR 398/02 -
WM 2003, 2372 unter II 1; vom 18. November 2003 - XI ZR 332/02 - ZIP 2004,
159 unter II 1; vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 421/02 - WM 2004, 372 unter II
1; vom 15. Dezember 2003 - II ZR 358/01 - DB 2004, 373 unter 2 a bb; vom 10.
März 2004 - IV ZR 143/03 - unter II 1, bei Juris abrufbar). Eine solche
Vollstreckungsgegenklage ist jedoch nur eine weitere Möglichkeit, eine
formell-rechtliche Überprüfung des Titels zu erreichen; die
Klauselerinnerung wird durch sie nicht verdrängt. Das würde weder der
Intention des Gesetzgebers entsprechen, der dieses Verfahren in § 732 ZPO
i.V. mit § 797 Abs. 3 ZPO ausdrücklich vorgesehen hat, noch dem Umstand, daß
es dem Schuldner unbenommen bleibt, sich lediglich gegen die Erteilung der
Klausel zu wenden und sich - ohne die Erhebung einer Klage - für das
einfachere, wenn auch in seinem Prüfungsgegenstand beschränkte Verfahren der
Erinnerung zu entscheiden. Für den Schuldner besteht daher ein Wahlrecht
zwischen Klauselerinnerung und Vollstreckungsgegenklage (vgl. BGH, Urteil
vom 15. Dezember 2003 aaO; vom10. März 2004 aaO; Windel, ZZP 102 (1989),
175, 219 ff., 230).
b) Die danach statthafte Klauselerinnerung ist aber in der Sache
unbegründet. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, der Titel sei unwirksam, so
daß der Notar ihn nicht mit einer Vollstreckungsklausel habe versehen
dürfen. Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich die Erteilung der
Vollstreckungsklausel jedoch nicht beanstanden. Der Notar prüft nach
allgemeinen Regeln, ob ein formell wirksamer Titel mit vollstreckungsfähigem
Inhalt vorliegt. Hat ein Vertreter für den Schuldner die
Unterwerfungserklärung abgegeben, müssen Erteilung und Umfang der Vollmacht
in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde zu Protokoll des Notars
nachgewiesen sein (Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger
Rechtsschutz 3. Aufl. § 797 Rdn. 5, § 794 Rdn. 47, § 726 ZPO Rdn. 5; Zöller/Stöber,
ZPO 24. Aufl. § 794 Rdn. 31a; MünchKomm/Wolfsteiner, ZPO 2. Aufl. § 794 Rdn.
265; weitergehend Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 797 Rdn. 14:
Nachweis gemäß § 80 Abs. 1 ZPO genügt). Das ist vorliegend anläßlich der
Errichtung der Urkunde am 14. März 1996 geschehen, was auch die
Rechtsbeschwerde nicht in Abrede stellt. Eine weitergehende Prüfungsbefugnis
steht dem Notar, dessen Funktion nach § 797 Abs. 2 ZPO der eines
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 724 Abs. 2 ZPO) entspricht, nicht zu.
Es kann dahingestellt bleiben, ob von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu
machen ist, wenn die eine Einwendung begründenden Voraussetzungen - wie die
einer Nichtigkeit gemäß § 134 BGB - der Urkunde, zu der die Klausel erteilt
werden soll, ohne weiteres zu entnehmen sind (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO 3.
Aufl. § 732 Rdn. 5, § 797 Rdn. 4; Münch-Komm/Wolfsteiner, aaO § 794 Rdn.
264, § 797 Rdn. 21; zurückhaltender Zöller/Stöber, aaO § 797 Rdn. 5b). Denn
eine solche Ausnahme wäre jedenfalls vorliegend nicht gegeben. Durch die -
vom Schuldner durch einseitige Erklärung erteilte - Vollmacht als solche ist
nicht gegen Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes (Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz
1 RBerG) verstoßen worden. Vielmehr kann ein solcher Verstoß nur einen
zwischen dem Schuldner und der C. -GmbH bestehenden
Geschäftsbesorgungsvertrag betreffen. Dessen etwaige Nichtigkeit nach § 134
BGB würde lediglich in den Rechtsfolgen auch die zur Ausführung der
übertragenen Geschäftsbesorgung erteilten Vollmachten erfassen
einschließlich der für die Abgabe der Unterwerfungserklärung nach § 794 Abs.
1 Nr. 5 ZPO erforderlichen prozessualen Vollmacht (vgl. BGHZ 154, 283, 285
ff.; BGH, Urteile vom 22. Oktober 2003 aaO unter II 2; vom 18. November 2003
- XI ZR 332/02 - WM 2004, 27 unter II 2 a bb; vom 10. März 2004 aaO unter II
3, bei Juris abrufbar; vom 16. März 2004 - XI ZR 60/03 - WM 2004, 1123 unter
II 1 und 2). Ob eine Nichtigkeit gegeben ist, bestimmt sich somit in erster
Linie nach dem Gegenstand des Geschäftsbesorgungsvertrages. Damit verbunden
ist eine umfassende materiell-rechtliche Prüfung der Voraussetzungen des
Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG i.V. mit § 134 BGB, zu der der Notar (§ 797
ZPO) ebenso wie der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§ 724 ZPO) im Zuge
der Klauselerteilung nicht berufen ist. Entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde wären die für die rechtliche Beurteilung erforderlichen
Umstände vorliegend zudem weder der Urkunde, zu der die
Vollstreckungsklausel erteilt worden ist, noch den ihr in der Anlage
beigefügten notariellen Vollmachtsurkunden unmittelbar zu entnehmen;
insbesondere ist offen, ob und mit welchem Inhalt ein gesonderter
Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Schuldner und der C. GmbH zustande
gekommen ist. Endlich gehört auch die Frage, ob sich der Schuldner
angesichts der in den Darlehensvertrag aufgenommenen Verpflichtung, die
persönliche Haftung in Höhe des Betrages der Sicherungsgrundschuld zu
übernehmen und sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung zu
unterwerfen, überhaupt auf eine Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung
berufen könnte (§ 242 BGB; dazu Urteil vom 22. Oktober 2003 aaO unter II 3
c), nicht in das Klauselverfahren.
|