Abtretbarkeit von
anwaltlichen Honorarforderungen: Schutz des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung im Abtretungsrecht
BGH, Urteil vom 1. März
2007 - IX ZR 189/05
Fundstelle:
NJW 2007, 1196
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Die Abtretung einer
Anwaltsgebührenforderung an einen Rechtsanwalt ist ohne Zustimmung des
Mandanten wirksam.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Frage der Abtretbarkeit von Forderungen,
bei welchen die Abtretung zu einer strafbaren Verletzung des
Berufsgeheimnisses führen würde und deshalb gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB
i.V.m. §§ 134, 138 BGB nichtig wäre (s. dazu auch
BGH v. 27.2.2007 - XI ZR 195/05
zur Frage der Herkunft und des Einflusses des Bankgeheimnisses). Der Senat
entscheidet nun die im Zusammenhang mit anwaltlichen Honorarforderungen
lange strittige Frage. Er sieht in § 49b Abs. 4 BRAO, der den Anwalt als
Zessionar zur Verschwiegenheit verpflichtet, einen Rechtfertigungsgrund zu §
203 Abs. 1 Nr. 3 StGB, weshalb die Abtretung trotz der damit verbundenen
Informationspflichten (s. § 402 BGB) wirksam ist, wenn der
Abtretungsempfänger selbst Anwalt ist.
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen des Senats zur
verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Regelung unter dem Gesichtspunkt
von Art. 3 I GG (Gleichheitssatz), weil bei ärztlichen Honorarforderungen
eine entsprechende Regelung nicht existiert.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Der klagende Rechtsanwalt macht aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf
Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren geltend. Die Rechtsanwaltskanzlei F. , E.
und B. (im Folgenden: Zedentin) stellte den Beklagten mit Schreiben vom 8.
Oktober 2001 für die Erstellung eines Testamentsentwurfes durch Rechtsanwalt
F. einen Betrag von 197.250,81 DM (100.852,73 €) in Rechnung. Die Beklagten
bestreiten, einen Auftrag erteilt zu haben. Am 3./5. November 2003
unterzeichneten der Kläger und Rechtsanwalt F. als Vertreter der Zedentin
eine Vereinbarung, wonach die genannte Anwaltsgebührenforderung an den
Kläger abgetreten wird. Die Beklagten haben dieser Abtretung nicht
zugestimmt.
2 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist
ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Kläger seinen Anspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
3 Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
4 Das Berufungsgericht hat die Aktivlegitimation des Klägers verneint. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die Abtretung der Klageforderung an den Kläger
verstoße gegen § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB und sei deshalb gemäß §§ 134, 138 BGB
nichtig. Dieser Beurteilung stehe die am 9. September 1994 in Kraft
getretene Bestimmung des § 49b Abs. 4 BRAO nicht entgegen.
II.
5 Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung nicht
stand. Die Abtretung ist wirksam, der Kläger aktivlegitimiert.
6 1. Für die Zeit vor Inkrafttreten des § 49b Abs. 4 BRAO hat der
Bundesgerichtshof im Anschluss an die Rechtsprechung zur Abtretung
ärztlicher Honorarforderungen (BGHZ 115, 123, 130) und zur Weitergabe einer
ärztlichen Patienten- und Berufskartei (BGHZ 116, 268, 272 f) entschieden,
dass die Abtretung von Honorarforderungen eines Rechtsanwalts (§§ 398, 675
BGB) ohne Zustimmung des Mandanten in der Regel den objektiven Tatbestand
der Strafvorschrift des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt, weil mit der
Abtretung die umfassende Informationspflicht des § 402 BGB gegenüber dem
neuen Gläubiger verbunden ist. Deshalb waren - vor Einführung des § 49b Abs.
4 BRAO - sowohl das schuldrechtliche Grundgeschäft der Forderungsübertragung
als auch die Abtretung als dingliches Erfüllungsgeschäft gemäß §§ 134, 138
BGB nichtig. Dadurch wurde dem durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG
gewährleisteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen
(BGHZ 122, 115, 119; 148, 97, 101; BGH, Urt. v. 13. Mai 1993 - IX ZR
234/92, WM 1993, 1251, 1252; v. 8. Juli 1993 - IX ZR 12/93, WM 1993, 1849,
1850; v. 11. November 2004 - IX ZR 240/03, ZIP 2005, 218; v. 9. Juni 2005 -
IX ZR 14/04).
7 2. Nach der im Jahre 1994 in Kraft getretenen, im Streitfall
anwendbaren Vorschrift des § 49b Abs. 4 BRAO ist ein Rechtsanwalt, der eine
Gebührenforderung erwirbt, in gleicher Weise zur Verschwiegenheit
verpflichtet wie der beauftragte Rechtsanwalt (Satz 1); die Abtretung von
Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an einen nicht als
Rechtsanwalt zugelassenen Dritten ist unzulässig, es sei denn, die Forderung
ist rechtskräftig festgestellt, ein erster Vollstreckungsversuch fruchtlos
ausgefallen und der Anwalt hat die ausdrückliche schriftliche Einwilligung
des Mandanten eingeholt (Satz 2).
8 Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass entgegen der zuvor geltenden
Rechtslage nunmehr die Abtretung der Honorarforderung an einen anderen
Rechtsanwalt ohne Zustimmung des Mandanten allgemein zulässig ist.
9 a) Im Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neuordnung des
Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BT-Drucks. 12/4993)
war in § 49b Abs. 4 BRAO folgende Regelung vorgesehen:
"Die Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung
an einen nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Dritten, insbesondere an ein
Inkassobüro ist unzulässig, es sei denn, die Forderung ist rechtskräftig
festgestellt, ein erster Vollstreckungsversuch fruchtlos ausgefallen und die
Pflicht zur Berufsverschwiegenheit wird nicht beeinträchtigt."
10 Zur Begründung wurde ausgeführt, Absatz 4 untersage grundsätzlich die
Abtretung von nicht titulierten Gebührenansprüchen an Personen, die nicht
einer Rechtsanwaltskammer angehören, um sicherzustellen, dass die
beruflichen Verschwiegenheitspflichten bei der Durchsetzung von
Honorarforderungen beachtet werden (BT-Drucks. 12/4993 S. 7, 31).
11 Auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages ist in §
49b Abs. 4 BRAO der nunmehr geltende Satz 1 eingefügt und Satz 2 unter
anderem dahin geändert worden, dass der Rechtsanwalt bei der Abtretung an
nicht als Rechtsanwälte zugelassene Dritte auch die ausdrückliche,
schriftliche Einwilligung des Mandanten einholen muss (vgl. BT-Drucks.
12/7656 S. 11). In der Begründung (vgl. BT-Drucks. 12/7656 S. 49) wurde auf
die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 25. März 1993 (BGHZ 122, 115) und 13.
Mai 1993 (aaO) verwiesen, aus denen sich ergebe, dass die Abtretung
anwaltlicher Gebührenforderungen nur wirksam sei, wenn entweder der
Rechtsanwalt die Zustimmung des Mandanten zur Weitergabe von Informationen
aus dem Mandatsverhältnis einhole oder Zessionar und Zedent denselben
Schweigepflichten unterworfen seien; dem solle mit der gegenüber dem
Regierungsentwurf geänderten Fassung klarstellend Rechnung getragen werden.
12 b) In welcher Weise unter diesen Umständen § 49b Abs. 4 BRAO auszulegen
ist, hat der Bundesgerichtshof bisher offengelassen (vgl. BGH, Urt. v. 11.
November 2004 aaO; v. 9. Juni 2005 aaO). In Rechtsprechung und Literatur ist
die Frage seit Inkrafttreten der Vorschrift umstritten.
13 Nach einer Auffassung wird durch die Regelung in § 49b Abs. 4 BRAO nur
die Verschwiegenheitspflicht des Zessionars geregelt (OLG Düsseldorf NJW-RR
1999, 1583, 1584 zur Parallelvorschrift des § 43a Nr. 3 PatentanwaltsO; OLG
Koblenz DStRE 2000, 555, 556; LG Karlsruhe MDR 2001, 1383, 1384; LG München
I NJW 2004, 451; AG München NJW-RR 1997, 1559; Erman/Palm, BGB, 10. Aufl. §
134 Rn. 62; MünchKomm-BGB/Mayer-Maly/ Armbruster, 4. Aufl. § 134 Rn. 55;
Hoyer in Rudolphi/Horn/Günther, SK-StGB, 7. Aufl. § 203 Rn. 78;
Lackner/Kühl, StGB, 25. Aufl. § 203 Rn. 18 a.E.; Berger NJW 1995, 1406,
1407; Prechtel, NJW 1997, 1813, 1816).
14 Nach anderer Auffassung wird durch die Vorschrift angeordnet, dass die
Abtretung ohne Zustimmung des Mandanten erfolgen kann (OLG Hamburg OLGR
2001, 74, 76; OLG München NJW 2000, 2592, 2594; LG Baden-Baden NJW-RR 1998,
202, 203; Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch 2. Aufl.
Bd. II § 96 Rn. 138; Paulus NJW 2004, 21, 22; Hirtz, EWiR 2005, 787;
MünchKomm-StGB/Cierniak, § 203 Rn. 68; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl. §
49b Rn. 47 f; Nerlich in Hartung, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl. § 49b
BRAO Rn. 84 ff; Dittmann in Henssler/Prütting, BRAO 2. Aufl. § 49b Rn. 37;
Jessnitzer/Blumberg, BRAO 9. Aufl. § 49b Rn. 7; im Grundsatz ebenso Zugehör
in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 861
ff).
15 c) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.
16 aa) Die Rechtsprechung zur Nichtigkeit der Abtretung von
Honoraransprüchen an Rechtsanwälte ohne Zustimmung des Mandanten hat das
Ziel, das Recht des Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung zu
gewährleisten. Dieses aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete
Recht (BVerfGE 65, 1, 41 ff; 78, 77, 84), das seine Wirkung auch im Bereich
des Privatrechts entfaltet (BVerfGE 84, 192, 194 ff), steht unter dem
Schrankenvorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung. Darunter sind alle
Rechtsnormen zu verstehen, die formell und materiell mit der Verfassung in
Einklang stehen (BVerfGE 65, 1, 43 f; 80, 137, 153; 90, 145, 171 f; 96, 10,
21). Die das informationelle Selbstbestimmungsrecht schützende Norm des §
203 Abs. 1 Nr. 3 StGB kann jedoch eingeschränkt werden, sofern die
entsprechende Vorschrift als gesetzliche Offenbarungsbefugnis im Sinne eines
Rechtfertigungsgrundes anzusehen ist (MünchKomm-StGB/Cierniak, aaO Rn. 68;
Lenckner in Schönke/ Schröder, StGB 27. Aufl. § 203 Rn. 29). Dies erfordert,
dass die Offenbarungsbefugnis in ihren Voraussetzungen und ihrem Umfang dem
Gesetz eindeutig und für den Bürger erkennbar zu entnehmen ist und damit dem
Gebot der Normenklarheit entspricht (vgl. BVerfGE 65, 1, 44).
17 bb) Diesen Anforderungen genügt die in § 49b Abs. 4 getroffene
Neuregelung. Aus Inhalt und Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt sich
hinreichend deutlich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Abtretbarkeit von
Honorarforderungen an andere Rechtsanwälte ohne Zustimmung des Mandanten
zugelassen hat.
18 (1) Der Rechtsausschuss des Bundestages und ihm folgend der Bundestag
hatten die Absicht, eine Offenbarungsbefugnis des Zedenten gegenüber
Rechtsanwälten zu schaffen. Dies kommt bereits in der oben zu a) zitierten
Fassung des Entwurfs der Bundesregierung zum Ausdruck. Sie erklärt allein
die Abtretung an nicht als Rechtsanwälte zugelassene Dritte für unzulässig,
sofern nicht ausnahmsweise die dort genannten Voraussetzungen kumulativ
erfüllt sind. Diese Regelung zwingt schon vom Wortlaut her zu dem
Gegenschluss, dass die Abtretung an Rechtsanwälte demgegenüber keinen
Beschränkungen unterworfen sein soll.
19 Dieser Vorschrift wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses der heute
geltende Satz 1 nur deshalb vorangestellt, weil der erkennende Senat im
Urteil vom 13. Mai 1993 (aaO, S. 1252) erklärt hatte, auch die Abtretung an
einen Anwalt sei unwirksam, solange es keine Bestimmung gebe, die die
Abtretung erlaube und den Zessionar denselben Schweigepflichten unterwerfe
wie den Zedenten. Eine entsprechende Verschwiegenheitspflicht des
Rechtsanwalts, an den die Abtretung erfolgt, sah das Gesetz bis dahin nicht
vor; denn auf den Zessionar des Honoraranspruchs findet § 203 Abs. 1 Nr. 3
StGB auch dann keine Anwendung, wenn er von Beruf Rechtsanwalt ist (BGH,
Urt. v. 13. Mai 1993, aaO; Schönke/Schröder/Lenckner, aaO § 203 Rn. 13, 15;
MünchKomm-StGB/Cierniak, aaO § 203 Rn. 41, 45; Prechtel NJW 1997, 1813,
1814). Diesem Umstand trug der neu eingefügte Satz 1 Rechnung, indem er eine
berufsrechtliche Verschwiegenheit des anwaltlichen Zessionars begründete.
Damit wurde unter Beachtung der genannten Rechtsprechung eine andernfalls
bestehende Schutzlücke geschlossen. Aus der Vorschrift kann zudem in
Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch ein
Zeugnisverweigerungsrecht des Zessionars abgeleitet werden, der andernfalls
als Zeuge zur Offenbarung der ihm im Zusammenhang mit der Abtretung bekannt
gewordenen Privatgeheimnisse gezwungen wäre.
20 Dieser Zusatz war jedoch nur erforderlich, weil die Vorschrift des § 49b
Abs. 4 BRAO schon in der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Fassung die
Abtretung des Honoraranspruchs an einen anderen Anwalt ohne Zustimmung des
Mandanten vorsah. Daher heißt es auch in der Begründung des
Rechtsausschusses, den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
gestellten Anforderungen werde mit der veränderten Fassung des § 49b Abs. 4
klarstellend Rechnung getragen. Eine solche Klarstellung wäre nicht
notwendig gewesen, wenn der Gesetzgeber die Abtretung an Rechtsanwälte im
Vergleich zu der in BGHZ 122, 115 ff festgestellten Rechtslage nicht
erleichtert hätte.
21 (2) Schon nach der ursprünglichen Rechtslage war es zulässig, einen
anderen Rechtsanwalt mit der Beitreibung der Gebührenforderung zu
beauftragen (vgl. BGHZ 122, 115, 120; 148, 97, 102; BGH, Urt. v. 11.
November 2004 - IX ZR 240/03, ZIP 2005, 218, 219; v. 10. August 1995 - IX ZR
220/94, ZIP 1995, 1678, 1680). Weiter war die Abtretung an den Erwerber
einer Anwaltskanzlei, der zuvor als Mitarbeiter des Zedenten die
Angelegenheit umfassend kennengelernt hatte (vgl. BGH, Urt. v. 10. August
1995 - IX ZR 220/94, WM 1995, 1841), an den Erwerber einer Anwaltskanzlei,
der in die mit ihm bestehende (Außen-)Sozietät eingetreten war (vgl. BGHZ
148, 97, 101 ff) und den bereits vor der Abtretung bestellten Abwickler der
Kanzlei (vgl. BGH, Urt. v. 17. Oktober 1996 - IX ZR 37/96, WM 1996, 2244)
nach der ursprünglichen Rechtslage wirksam. Dies beruhte gerade darauf, dass
in den genannten Fällen auch die Zessionare einer gesetzlichen
Schweigepflicht unterlagen. Im Hinblick darauf dient die neue Vorschrift
erkennbar dem Zweck, die in diesem Bereich drohende Kasuistik durch eine
einheitliche Regelung zu ersetzen, welche die Abtretung von
Honorarforderungen an Rechtsanwälte generell gestattet. § 49b Abs. 4 Satz 1
BRAO berücksichtigt die Belange der Mandanten dadurch, dass der Anwalt als
Zessionar in gleichem Umfang wie der Zedent zur Verschwiegenheit
verpflichtet ist. Damit wird zugleich der Verkauf von Anwaltskanzleien
wesentlich erleichtert, was einem anzuerkennenden Bedürfnis des Berufsstands
entspricht.
22 (3) Der Gesetzgeber hat folglich in § 49 Abs. 4 BRAO einen
Erlaubnistatbestand geschaffen, der eine Strafbarkeit des Zedenten nach §
203 Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie eine Unwirksamkeit der Verfügung nach § 134 BGB
ausschließt. Der Gesetzestext genügt den verfassungsrechtlichen
Anforderungen an die Bestimmtheit eines Gesetzes; denn es reicht aus, wenn
Inhalt und Zweck einer Vorschrift aus dem Zusammenhang, in dem der Text
steht, sowie den Materialien deutlich wird (BVerfGE 65, 1, 54). Die etwa
notwendige Klarstellung durch Auslegung ist vornehmlich Aufgabe der obersten
Bundesgerichte (BVerfGE 21, 245, 261).
23 (4) Die durch § 49b Abs. 4 BRAO bewirkte Neuregelung ist auch inhaltlich
verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie verstößt insbesondere nicht gegen
Art. 3 Abs. 1 GG, obwohl der Gesetzgeber für die Abtretung ärztlicher
Honorarforderungen (vgl. dazu BGHZ 115, 123, 125; 116, 268, 272; BGH, Urt.
v. 20. Mai 1992 - VIII ZR 240/91, NJW 1992, 2348, 2350) keine entsprechenden
Erleichterungen vorgesehen hat. Dies hinderte ihn jedoch nicht, die
Abtretbarkeit von Honorarforderungen der Rechtsanwälte ohne Zustimmung des
Mandanten in dem nunmehr geltenden Umfang zu ermöglichen.
24 Zwar ist Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wenn zwei Gruppen von Normadressaten
unterschiedlich behandelt werden, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die
ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72, 88; 87, 1,
36; 95, 143, 154). Im Rahmen seines Gestaltungsauftrags ist aber der
Gesetzgeber grundsätzlich frei bei seiner Entscheidung, an welche
tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen knüpft und wie er von Rechts
wegen zu begünstigende Personengruppen definiert. Eine Grenze ist nur dann
erreicht, wenn durch die Bildung einer rechtlich begünstigten Gruppe andere
Personen von der Begünstigung ausgeschlossen werden und sich für diese
Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der
Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt. Für die
Beurteilung, ob in einer gesetzlichen Regelung ein Gleichheitsverstoß zu
sehen ist, kommt es maßgeblich auf die Eigenart des zu regelnden
Sachverhalts an (BVerfGE 99, 165, 177 f).
25 Hieran gemessen lässt sich eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht
feststellen. § 49b Abs. 4 BRAO entzieht zwar dem Mandanten in seinem
Regelungsbereich den Schutz des § 203 StGB. Er sichert ihm aber eine
berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht des Zessionars, deren Verletzung
mit den in § 114 BRAO vorgesehenen Maßnahmen geahndet werden und zudem
zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB auslösen kann. Damit
ist ein nach Art und Inhalt sachgerechter und ausreichender Schutz des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch für den Mandanten eines
Rechtsanwalts sichergestellt. Dass das Geheimhaltungsinteresse des Patienten
in seiner Rechtsbeziehung zu dem behandelnden Arzt durch § 203 Abs. 1 Nr. 1
StGB umfassender geschützt ist, stellt keine sachfremde Ungleichbehandlung
dar. Zwar kann die konkrete Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht nur im
Einzelfall beurteilt werden. Das Interesse an der Geheimhaltung einer
Krankheit kann für den Betroffenen gering, das Verschweigen von familien-
oder steuerrechtlichen Tatsachen dagegen von höchster Bedeutung sein.
Gleichwohl ist bei typisierender Betrachtungsweise nicht zu verkennen, dass
Fragen der Gesundheit in der Regel den Bereich der Intimsphäre betreffen,
während die dem Anwalt offenbarten Tatsachen jedenfalls außerhalb des
strafrechtlich bedeutsamen Bereichs meist lediglich wirtschaftliche
Interessen betreffen. Schon deshalb ist der Gesetzgeber nicht von
Verfassungs wegen gehalten, den Grundrechtsschutz beider Personengruppen
einheitlich durch strafrechtliche Sanktionen zu sichern. Dadurch, dass er
den Zessionar einer Anwaltsgebührenforderung der beruflichen Schweigepflicht
unterworfen hat, während der Abtretungsempfänger einer ohne Zustimmung des
Patienten abgetretenen ärztlichen Honorarforderung zwar deren
zivilrechtliche Unwirksamkeit hinnehmen muss, im Übrigen jedoch keiner
gesetzlichen Schweigepflicht unterliegt - sofern nicht § 203 Abs. 1 Nr. 6
StGB eingreift -, ist ein angemessener Interessenausgleich geschaffen
worden.
III.
26 Da die Abtretung an den Kläger somit wirksam ist, hat das angefochtene
Urteil keinen Bestand. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dieses
wird nunmehr die geltend gemachte Verjährung und den klägerischen Anspruch
nach Grund und Höhe zu prüfen haben.
|