Voraussetzungen eines
vertraglichen Abtretungsausschlusses (§ 399 BGB); Herkunft, Inhalt und
Wirkung des Bankgeheimnisses: Kein Einfluß auf die Abtretbarkeit einer
Forderung (Abgrenzung zum Abtretungsverbot bei ärztlichen
Honorarforderungen); Gewohnheitsrecht als Verbotsgesetz iSv § 134 BGB; keine
Unwirksamkeit der Abtretung bei Verstoß gegen das BDSG; Widerruf von
Bürgschaftserklärungen nach § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB; "Arbeitsplatz" iSv § 312
Abs.1 Nr. 1 BGB; Voraussetzungen des Umgehungsverbots (§ 312 f S. 2 BGB);
kein Schriftformerfordernis nach § 766 BGB für Vereinbarungen, welche die
Bürgenhaftung erleichtern; Schriftformvorbehalt in AGB und
Stellvertretungsrecht; Handlungsvollmacht nach §§ 54, 55 HGB
BGH, Urteil vom 27. Februar
2007 - XI ZR 195/05
Fundstelle:
NJW 2007, 2106
BGHZ 171, 180
Amtl. Leitsatz:
a) Der wirksamen
Abtretung von Darlehensforderungen eines Kreditinstituts stehen weder das
Bankgeheimnis noch das Bundesdatenschutzgesetz entgegen.
b) Arbeitsplatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG a.F. (§ 312 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 BGB) ist nur derjenige des Verbrauchers.
c) Zu den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 HWiG (§ 312f Satz 2 BGB), wenn der
Bürge seine Bürgschaftserklärung am Arbeitsplatz des persönlichen Schuldners
abgibt.
Zentrale Probleme:
Eine außerordentlich gehaltvolle und lehrreiche
Entscheidung sowohl zum Zessionsrecht als auch zum Widerrufsrecht nach nach
§ 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dabei finden sich neben der Herleitung des
Bankgeheimnisses auch grundsätzliche Ausführungen zu § 134 BGB sowie zum
Gewohnheitsrecht, zum AGB-Recht, zum Bürgschaftsrecht sowie zum
Stellvertretungsrecht, deren Darlegung den vorliegenden Rahmen sprengen
würde (also: lesen!).
Die Kernaussage zum "Abtretungskomplex" besteht darin, daß das Bankgeheimnis
kein dingliches Abtretungsverbot enthält, sondern sich daraus allenfalls
ergibt, daß der Zedent Pflichten iSv §§ 280 I, 241 II BGB gegenüber dem
Schuldner verletzt, wenn er bestimmte Informationen an den Zessionar
weitergibt. Sofern er dazu nach der Gesetzeslage dazu gegenüber dem
Zessionar verpflichtet ist (s. § 402 BGB), muß er dies - was möglich ist -
diesem gegenüber eben abbedingen (s. dazu auch
BGH NJW 2007, 1196:
Abtretbarkeit anwaltlicher Honorarforderungen).
Besonders gelungen ist die teleologische Argumentation, mit welcher der
Senat die situative Anwendbarkeit von § 312 Abs 1 Nr. 1 BGB verneint (zum
Problem des sachlichen Anwendungsbereichs s. die Anm. zu
BGHZ 165, 363):
Ratio der Norm ist eben nicht nur der Überrumpelungseffekt, sondern die
nicht gegebene Umkehrmöglichkeit des Verbrauchers, die an einem fremden
Arbeitsplatz, den man jederzeit verlassen kann, eben gegeben ist.
Sehr lehrreich ist auch die am Ende der Entscheidung erörterte
Schriftformklausel für Vertragsänderungen sowie die Abgrenzung zum
Stellvertretungsrecht mit der Fiktion der Vertretungsmacht gem. § 55 iVm §
54 HGB.
Bestätigt durch BGH, Urteil vom 27. Oktober
2009 - XI ZR 225/08.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht der Raiffeisenbank F. (im
Folgenden: Zedentin) von den Beklagten zu 1) und 2) im Rahmen einer
Teilklage die Rückzahlung eines Darlehens; den Beklagten zu 3) nimmt sie als
Bürgen in Anspruch.
2 Der Beklagte zu 1) schloss mit der Zedentin am 23. Dezember 1996 einen
Darlehensvertrag über 405.500 DM zur Zwischenfinanzierung des Kaufs einer
Eigentumswohnung. Zur Abwicklung der Darlehensauszahlung eröffnete er
zusammen mit seiner Ehefrau, der Beklagten zu 2), bei der Zedentin am 8.
Januar 1997 außerdem ein Gemeinschaftskontokorrentkonto, das im Jahr 1998
ein Soll von ca. 125.000 DM aufwies. Am 14. Oktober 1998 unterzeichnete der
Beklagte zu 3), der Vater der Beklagten zu 2), eine selbstschuldnerische
Höchstbetragsbürgschaft über 150.000 DM zur Sicherung aller bestehenden,
künftigen und bedingten Ansprüche der Zedentin gegen die Beklagten zu 1) und
2). Die Bürgschaftsurkunde enthielt keine Widerrufsbelehrung und bestimmte
in Ziffer 9, dass jede Änderung oder Ergänzung des Bürgschaftsvertrages oder
eine Vereinbarung über dessen Aufhebung, um Gültigkeit zu erlangen, der
Schriftform bedürfe. Die weiteren Umstände des Abschlusses des
Bürgschaftsvertrages sind zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte zu 3)
behauptet, er habe seine Bürgschaftserklärung bei einem unbestellten Besuch
einer Mitarbeiterin der Zedentin in der Zahnarztpraxis der Beklagten zu 2)
abgegeben. Dabei sei ihm zugesagt worden, dass er aus der Bürgschaft
entlassen werde, sobald eine vom Beklagten zu 1) erwartete, inzwischen
erfolgte Steuerrückerstattung von ca. 50.000 DM eingegangen sei.
3 Am 22./28. Oktober 1998 schlossen die Beklagten zu 1) und 2) mit der
Zedentin einen Darlehensvertrag über 550.000 DM, der ein Altdarlehen von
424.000 DM und - zur Ablösung der Überziehung des Kontokorrentkontos - eine
Kreditaufstockung von 126.000 DM umfasste. Die Beklagten zu 1) und 2)
unterzeichneten eine gesonderte, der Vorschrift des § 7 VerbrKrG a.F.
entsprechende "Information über das Recht zum Widerruf". Der
Darlehensvertrag enthielt ferner "Allgemeine Darlehensbedingungen", deren
Ziffer 11 mit "Refinanzierung" überschrieben ist und folgenden Inhalt hat:
"Die Bank ist berechtigt, im Fall der Refinanzierung die Darlehensforderung
abzutreten und die vom Darlehensnehmer bestellten Sicherheiten an die
Refinanzierungsstelle zu übertragen."
4 Nachdem über das finanzierte Objekt im Jahr 2002 die Zwangsversteigerung
angeordnet worden war, kündigte die Zedentin mit Schreiben vom 1. Oktober
2002 den im Oktober 1998 geschlossenen Darlehensvertrag und verlangte unter
Fristsetzung bis zum 30. November 2002 die Rückzahlung von 287.190,52 €.
5 Mit Vereinbarungen vom 25. September 2003 trat die Zedentin ihre
Forderungen gegen die Beklagten zu 1) und 2) und die eingeräumten
Sicherheiten, u.a. die von dem Beklagten zu 3) übernommene Bürgschaft, an
die Klägerin ab.
6 Das Landgericht hat die auf Zahlung eines Teilbetrages von 76.693,78 €
zuzüglich Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin
hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat
zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revisionen der Beklagten zu 1) und 2) sind unbegründet. Die Revision
des Beklagten zu 3) hat Erfolg und führt - soweit das Berufungsgericht zu
seinem Nachteil erkannt hat - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur Zurückverweisung der Sache.
I.
8 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
9 Der Klägerin stehe der Zahlungsanspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2)
aus dem Darlehensvertrag vom 22./28. Oktober 1998 und gegen den Beklagten zu
3) aus der Bürgschaft vom 14. Oktober 1998 zu. Die Klägerin sei
aktivlegitimiert, weil die Abtretung vom 25. September 2003 wirksam sei;
insbesondere könne aus dem Bankvertrag kein - stillschweigend vereinbartes -
Abtretungsverbot hergeleitet werden.
10 Dem Beklagten zu 3) stehe kein Recht zum Widerruf seiner
Bürgschaftserklärung zu, weil eine Bürgschaft nicht in den Anwendungsbereich
des § 1 HWiG falle. Außerdem sei er zur Abgabe der Bürgschaftserklärung
nicht an seinem Arbeitsplatz bestimmt worden, weil er diese nach seinem -
von der Klägerin bestrittenen - Vortrag in den Praxisräumen der Beklagten zu
2) abgegeben habe. Seinen weiteren Tatsachenvortrag, eine Mitarbeiterin der
Bank habe ihm bei Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung und nochmals am 9.
Februar 2001 zugesagt, aus der Bürgschaftsverpflichtung entlassen zu werden,
wenn eine von dem Beklagten zu 1) erwartete Steuerrückerstattung über ca.
50.000 DM - die unstreitig am 4. Februar 1999 in Höhe von 53.417,89 DM
erfolgte - auf dem Kontokorrentkonto der Beklagten zu 1) und 2) eingehe,
habe er im zweiten Rechtszug nicht wirksam wiederholt.
II.
11 Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.
12 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht die Aktivlegitimation der
Klägerin bejaht. Entgegen der Auffassung der Revision steht der Wirksamkeit
der Abtretung der Darlehens- und der Bürgschaftsforderung weder ein
vertragliches noch ein gesetzliches Abtretungsverbot entgegen.
13 a) Die Abtretung durch die Zedentin ist nicht gemäß § 399 Alt. 2 BGB
ausgeschlossen, weil eine hierfür erforderliche "Vereinbarung mit dem
Schuldner" nicht vorliegt.
14 Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum setzt ein
Abtretungsausschluss einen Vertrag voraus, in dem sich die Vertragsparteien
zumindest stillschweigend über den Ausschluss der Abtretung geeinigt haben
(vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2002 - VIII ZR 327/00, WM 2002, 1845,
1846; MünchKommBGB/Roth, 4. Aufl. § 399 Rdn. 30; Palandt/Grüneberg, BGB 66.
Aufl. § 399 Rdn. 8; Staudinger/Busche, BGB Neubearbeitung 2005 § 399 Rdn. 54
jew. m.w.Nachw.). Dies beruht darauf, dass nach § 398 BGB die Abtretbarkeit
der Regelfall und deren Ausschluss die Ausnahme ist, die - wie auch der
eindeutige Wortlaut des § 399 Alt. 2 BGB besagt - von den Parteien erklärt
worden sein muss und diesen nicht lediglich unterstellt werden darf.
15 Nach diesen Grundsätzen ist hier die stillschweigende Vereinbarung eines
Abtretungsausschlusses zu verneinen. Für den hierzu erforderlichen
übereinstimmenden inneren Willen der Parteien fehlt es an jedem
Anhaltspunkt. Ganz im Gegenteil ist in Ziffer 11 der Allgemeinen
Darlehensbedingungen für den Fall der Refinanzierung die Berechtigung der
Zedentin zur Forderungsabtretung ausdrücklich vorgesehen. Dessen ungeachtet
widerspricht ein Abtretungsausschluss - für den Kunden erkennbar - den
berechtigten Interessen der Bank. Diese ist an einer freien Abtretbarkeit
der Kreditforderungen zum Zwecke der Refinanzierung oder der Risiko- und
Eigenkapitalentlastung interessiert (vgl. OLG Köln WM 2005, 2385, 2386; LG
Frankfurt/Main WM 2005, 1120, 1123; LG Koblenz WM 2005, 30, 32; Bruchner BKR
2004, 394, 396; Cahn WM 2004, 2041, 2048; Langenbucher BKR 2004, 333, 334;
Nobbe WM 2005, 1537, 1541; Schantz VuR 2006, 464, 465).
16 b) Entgegen der Revision ergibt sich ein vertraglicher
Abtretungsausschluss auch nicht aus dem Bankgeheimnis. Dies entspricht der
nahezu einhelligen Auffassung in der Instanzrechtsprechung und in der
Literatur (vgl. KG NZG 2006, 706; OLG Köln WM 2005, 2385, 2386; LG
Frankfurt/Main WM 2005, 1120, 1122; LG Koblenz WM 2005, 30, 32; Rohe, in:
Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1. März 2006, § 399 Rdn. 13;
Palandt/Grüneberg aaO § 399 Rdn. 8; Staudinger/Busche, BGB Neubearbeitung
2005 § 399 Rdn. 54; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht § 1 Rdn. 23 f.;
Petersen, Das Bankgeheimnis zwischen Individualschutz und
Institutionenschutz, S. 38 ff.; Böhm BB 2004, 1641, 1642 f.; Bütter/Aigner
BB 2005, 119, 121 f.; Bütter/Tonner ZBB 2005, 165, 169 ff.; Bruchner BKR
2004, 394 ff.; Cahn WM 2004, 2041, 2048 ff.; Hofmann/Walter WM 2004, 1566,
1571 f.; Jobe ZIP 2004, 2415, 2416 ff.; Langenbucher BKR 2005, 333 f.; Nobbe
WM 2005, 1537, 1540 ff.; Rinze/ Heda WM 2004, 1557, 1559; Rögner NJW 2004,
3230, 3232 f.; Stiller ZIP 2004, 2027, 2029), die auch der Senat bereits
gebilligt hat (Beschluss vom 27. Januar 1998 - XI ZR 208/97, nicht
veröffentlicht). Die von der Revision im Anschluss an eine - vereinzelt
gebliebene - Entscheidung des OLG Frankfurt/Main (WM 2004, 1386, 1387)
vorgebrachten Gegenargumente überzeugen nicht.
17 aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht das
Bankgeheimnis in der Pflicht des Kreditinstituts zur Verschwiegenheit über
kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die ihm aufgrund, aus Anlass oder im
Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind und die der
Kunde geheim zu halten wünscht (vgl. BGHZ 27, 241, 246; Senatsurteil vom
24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, WM 2006, 380, 384 m.w.Nachw., zur
Veröffentlichung in BGHZ 166, 84 vorgesehen). Die Verpflichtung zur
Wahrung des Bankgeheimnisses ist eine besondere Ausprägung der allgemeinen
Pflicht der Bank, die Vermögensinteressen des Vertragspartners zu schützen
und nicht zu beeinträchtigen (Senatsurteil aaO, S. 385).
18 bb) Aus dieser Verschwiegenheitspflicht, die rein schuldrechtlichen
Charakter hat, folgt kein dinglich wirkendes Abtretungsverbot. Hierzu
bedürfte es einer - wie oben ausgeführt hier nicht vorliegenden -
ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung der Parteien i.S. des §
399 Alt. 2 BGB.
19 Allerdings kann die aus dem Bankgeheimnis folgende
Verschwiegenheitspflicht mit der Auskunftspflicht des Zedenten nach § 402
BGB, die Bestandteil des der Zession zugrunde liegenden schuldrechtlichen
Grundgeschäfts ist, in Konflikt geraten. Danach ist der Zedent verpflichtet,
dem Zessionar die zur Geltendmachung der Forderung nötigen Auskünfte zu
erteilen. Ein hiermit verbundener Verstoß gegen die
Verschwiegenheitspflicht kann jedoch lediglich auf schuldrechtlicher Ebene
eine Schadensersatzpflicht aus § 280 Abs. 1 BGB i.V. mit § 241 Abs. 2 BGB
auslösen, berührt aber die Wirksamkeit des dinglichen Verfügungsgeschäfts
der Forderungsabtretung nicht (LG Koblenz WM 2005, 30, 32; Staudinger/Busche,
BGB Neubearbeitung 2005 § 399 Rdn. 54; Nobbe WM 2005, 1537, 1541). Gegen
die Auffassung, jede Zession verletze wegen der mit ihr verbundenen
Informationspflichten stets die Verschwiegenheitspflicht des Kreditinstituts
(vgl. OLG Frankfurt/Main WM 2004, 1386, 1387), spricht zudem, dass § 402
BGB zwar eine typisierende, aber keineswegs zwingende Regelung enthält,
sondern abbedungen oder beschränkt werden kann. Der Zedent kann etwa
weiterhin zur Einziehung der abgetretenen Forderung verpflichtet werden, so
dass es zu keiner Informationsweitergabe kommt und das Bankgeheimnis von
vornherein nicht betroffen ist (vgl. Bütter/Tonner ZBB 2005, 165, 170;
Langenbucher BKR 2004, 333, 334; Stiller ZIP 2004, 2027, 2029; siehe auch
Rundschreiben 4/97 des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen zur
Veräußerung von Kundenforderungen im Rahmen von Asset-Backed
Securities-Transaktionen vom 19. März 1997 unter III., WM 1997, 1821, 1822).
20 c) Schließlich verstößt die Abtretung auch nicht gegen ein gesetzliches
Abtretungsverbot gemäß § 134 BGB.
21 aa) Entgegen der Ansicht der Revision, die sich insoweit ebenfalls nur
auf die Entscheidung des OLG Frankfurt/Main (WM 2004, 1386, 1387 f.) stützen
kann, lässt sich ein gesetzliches Abtretungsverbot nicht mit der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit der Abtretung von
Honorarforderungen von Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern und Vertretern
ähnlicher Berufe (vgl. BGHZ 115, 123, 124 ff. betr. Arzt/Zahnarzt; BGHZ 122,
115, 117 betr. Rechtsanwalt; BGH, Urteil vom 22. Mai 1996 - VIII ZR 194/95,
WM 1996, 1815, 1816 betr. Steuerberater; ebenso OLG Dresden NJW 2004, 1464
betr. Verfahrenspfleger/ Sozialarbeiter) begründen.
22 Nach diesen Entscheidungen folgt das Abtretungsverbot aus einem
Verstoß gegen § 134 BGB i.V. mit § 203 Abs. 1 StGB. Dieses Verbotsgesetz
stellt die unbefugte Offenbarung eines anvertrauten oder sonst bekannt
gewordenen fremden Geheimnisses durch die in § 203 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 StGB
aufgeführten Berufsangehörigen unter Strafe. Für die Verletzung des
Bankgeheimnisses durch Vorstandsmitglieder oder Angestellte eines privaten
Kreditinstituts oder - wie hier - einer Genossenschaftsbank sieht das
Strafgesetzbuch keine Sanktion vor. Eine analoge Anwendung des § 203 Abs. 1
StGB scheidet wegen Art. 103 Abs. 2 GG von vornherein aus.
23 bb) Ein gesetzliches, dinglich wirkendes Abtretungsverbot ist auch
nicht Bestandteil des Bankgeheimnisses, wenn man dieses - wie Teile der
Literatur - als Gewohnheitsrecht einordnet (so z.B. Schwintowski/
Schäfer, Bankrecht 2. Aufl. § 3 Rdn. 3; Klüwer/Meister WM 2004, 1157;
Koberstein-Windpassinger WM 1999, 473, 474; Toth-Feher/Schick ZIP 2004, 491,
493).
24 Gewohnheitsrecht stellt nur dann ein gesetzliches Verbot i.S. des §
134 BGB dar, wenn es ein Rechtsgeschäft unmissverständlich verwirft, indem
es sich - was allerdings atypisch wäre - gegen ein bestimmtes Rechtsgeschäft
richtet (vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, 5. Aufl. § 134 Rdn. 32). Dies
ist hier nicht der Fall. Es fehlt bereits an der für eine
gewohnheitsrechtliche Ausprägung erforderlichen lang dauernden Übung, die
durch die Rechtsüberzeugung der beteiligten Verkehrskreise getragen werden
muss (vgl. hierzu nur BVerfGE 28, 21, 28; BGHZ 37, 219, 222), dass
ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis auch die Unwirksamkeit der Abtretung
nach sich zieht.
25 cc) Anders als die Revision meint, stehen der Wirksamkeit der Abtretung
schließlich auch nicht die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes
entgegen.
26 (1) Das Bundesdatenschutzgesetz regelt die Erhebung, Verarbeitung und
Nutzung personenbezogener Daten, d.h. von Einzelangaben über die
persönlichen und sachlichen Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren
natürlichen Person (§ 1 Abs. 2 i.V. mit § 3 Abs. 1 BDSG). Werden
Informationen über die Kreditbeziehung, die zur Geltendmachung der Forderung
notwendig sind, dem Zessionar durch den Zedenten offenbart, handelt es sich
um die Übertragung von Daten an einen Dritten nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 a
BDSG und damit um Datenverarbeitung i.S. des § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG, die
gemäß § 4 Abs. 1 BDSG nur zulässig ist, soweit das Bundesdatenschutzgesetz
(z.B. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG) oder eine andere Rechtsvorschrift dies
erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Zu den
Voraussetzungen eines solchen Erlaubnistatbestandes hat das Berufungsgericht
keine Feststellungen getroffen. Hierauf kommt es vorliegend auch nicht an.
Selbst im Falle eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen
lässt sich aus dem Bundesdatenschutzgesetz kein gesetzliches
Abtretungsverbot i.S. des § 134 BGB herleiten.
27 In der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum wird überwiegend die
Auffassung vertreten, dass § 134 BGB bei einer gegen die Vorgaben des
Bundesdatenschutzgesetzes verstoßenden Abtretung nicht anwendbar sei
(vgl. OLG Celle WM 2004, 1384, 1385; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht §
1 Rdn. 22; Bütter/Aigner BB 2005, 119, 122; Bütter/ Tonner ZBB 2005, 165,
170; Cahn WM 2004, 2041, 2051; Früh WM 2000, 497, 501; ders., in: Hellner/Steuer,
Bankrecht und Bankpraxis, Stand: September 2006, Rdn. 3/138h; Nobbe WM 2005,
1537, 1543 f.; Rinze/Heda WM 2004, 1557, 1563; Theewen WM 2004, 105, 113).
Die Gegenauffassung hält demgegenüber § 28 BDSG für ein Verbotsgesetz
i.S. des § 134 BGB, so dass im Falle eines Verstoßes gegen § 28 BDSG auch
die Abtretung unwirksam sei (Küppers/Brause AG 1998, 413, 418; Kusserow/Dittrich
WM 1997, 1786, 1791; Schantz VuR 2006, 464, 467).
28 (2) Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an.
29 (a) Nach der Konzeption des Bundesdatenschutzgesetzes kommt diesem kein
Vorrang vor dem Bankgeheimnis zu. Entgegen einer in der Literatur
vertretenen Ansicht (Canaris, in: Großkomm. HGB 4. Aufl. Bankvertragsrecht I
Rdn. 72; Petersen, Das Bankgeheimnis zwischen Individualschutz und
Institutionenschutz, S. 92) kann auch der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 19. September 1985 (III ZR 213/83, BGHZ 95, 362, 367)
nichts anderes entnommen werden. Vielmehr erlangen die Vorschriften des
Bundesdatenschutzgesetzes im Verhältnis zum Bankgeheimnis nur dann
Bedeutung, wenn eine Frage aufgrund des Bankgeheimnisses nicht abschließend
beantwortet werden kann.
30 Das Verhältnis zwischen Datenschutz und Bankgeheimnis wird maßgeblich von
§ 1 Abs. 3 Satz 2 BDSG bestimmt. Danach bleibt die Verpflichtung zur Wahrung
von Berufsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, von
den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes unberührt. Dies bedeutet
nicht nur, dass Datenschutz und Bankgeheimnis nebeneinander gelten, sondern
auch, dass das Datenschutzrecht im Verhältnis zum Bankgeheimnis als
Berufsgeheimnis eine Auffangfunktion hat (Bergmann/Möhrle/Herb,
Bundesdatenschutzgesetz, Stand: August 2006, § 1 Rdn. 23 f.; Gola/Schomerus,
Bundesdatenschutzgesetz 2. Aufl. § 1 Rdn. 25; Walz, in: Simitis,
Bundesdaten-schutzgesetz 6. Aufl. § 1 Rdn. 182 und § 28 Rdn. 134;
Dörr/Schmidt, Neues Bundesdatenschutzgesetz 2. Aufl. § 1 Rdn. 22; Fisahn CR
1995, 632, 634 f.; Koberstein-Windpassinger WM 1999, 473, 476; Koch MMR
2002, 504, 506 f.; Nobbe WM 2005, 1537, 1544; Rinze/Heda WM 2004, 1557,
1563; a.A. Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz, Stand: Dezember
2006, § 1 Rdn. 35, die das Bankgeheimnis - ohne Begründung - nicht zu den
Berufsgeheimnissen zählen). Dies ergibt sich bereits aus der Verwendung des
Wortes "unberührt" und wird von der amtlichen Begründung zum
Regierungsentwurf des Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der
Datenverarbeitung und des Datenschutzes bestätigt, wonach sowohl gesetzliche
Regelungen als auch von der Rechtsprechung für besondere Geheimnisse
entwickelte Grundsätze den Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes vorgehen
sollen (vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 39 zu § 1 Abs. 5).
31 (b) Die Herleitung eines gesetzlichen Abtretungsverbots aus dem
Bundesdatenschutzgesetz würde zudem zu einem untragbaren Wertungswiderspruch
führen. Nach § 3 Abs. 1 BDSG fallen in dessen Anwendungsbereich lediglich
die Daten natürlicher Personen, nicht aber diejenigen juristischer Personen.
Es ist kein sachlich gerechtfertigter Grund ersichtlich, die Abtretung von
Darlehensforderungen eines Kreditinstituts gegen natürliche Personen an
einem datenschutzrechtlichen Abtretungsverbot scheitern zu lassen, die
Abtretung solcher Forderungen gegen juristische Personen aber als wirksam
anzusehen. Ein solches Ergebnis wäre insbesondere im Hinblick auf den
spezifischen Geheimnis- und Vertrauensschutz, der durch das Bankgeheimnis
zwischen Kreditinstitut und Kunde begründet wird, nicht mehr verständlich
(vgl. Nobbe WM 2005, 1537, 1544).
32 Aufgrund dessen kann auch das von der Gegenansicht herangezogene
Argument, zur Verwirklichung des verfassungsmäßigen Rechts auf
informationelle Selbstbestimmung sei die Sanktion der Nichtigkeit der
Abtretung notwendig (vgl. Schantz VuR 2006, 464, 467), nicht überzeugen. Im
Übrigen wird der Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen nicht nur - wie der
Verstoß gegen das Bankgeheimnis - durch einen zivilrechtlichen
Schadensersatzanspruch, sondern darüber hinaus auch durch die Bußgeld- und
Strafvorschriften der §§ 43, 44 BDSG ausreichend sanktioniert.
33 (c) Weiterhin spricht gegen die Nichtigkeit der Abtretung infolge eines
Verstoßes gegen Datenschutzbestimmungen, dass ansonsten in weiten Bereichen
die nach § 398 BGB vom Gesetzgeber gewollte grundsätzliche Abtretbarkeit von
Geldforderungen ausgehebelt würde. Stattdessen wäre nach § 28 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 BDSG die Zulässigkeit der Übermittlung der zur Geltendmachung der
Forderung erforderlichen Informationen an den Zessionar von dem Ergebnis der
Abwägung der berechtigten Interessen der zedierenden Bank an deren
Weitergabe und der schutzwürdigen Belange des Kreditnehmers an deren
Nichtweitergabe abhängig, die in jedem Einzelfall gesondert vorgenommen
werden müsste. Dass der Gesetzgeber ein solches Ergebnis gewollt hat, kann
insbesondere vor dem Hintergrund, dass er mit den Regelungen des § 354a HGB
und des § 22d Abs. 4 KWG, nach denen unter den dort genannten
Voraussetzungen selbst ein vertragliches Abtretungsverbot nach § 399 Alt. 2
BGB die Abtretbarkeit der Forderung nicht hindert, die Verkehrsfähigkeit von
Geldforderungen insbesondere von Kreditinstituten gestärkt hat, nicht
angenommen werden.
34 (d) Entgegen der Auffassung der Revision (so auch Kusserow/ Dittrich WM
1997, 1786, 1791) spricht auch die Sanktionierung von Verstößen gegen § 28
BDSG als Ordnungswidrigkeit gemäß § 43 BDSG oder die Eigenschaft des § 28
BDSG als Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB nicht für ein gesetzliches
Abtretungsverbot. Weder Vorschriften, die eine Ordnungswidrigkeit
statuieren, noch solche, die ein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB
darstellen, sind stets Verbotsgesetze i.S. des § 134 BGB. Vielmehr muss
jeweils geprüft werden, ob der Zweck des übertretenen Gesetzes dieses als
Verbotsgesetz erscheinen lässt (vgl. BGHZ 132, 313, 318; MünchKommBGB/Armbrüster,
5. Aufl. § 134 Rdn. 60 m.w.Nachw.). Dies ist hier - wie ausgeführt - nicht
der Fall.
35 2. Das Berufungsgericht hat des Weiteren zutreffend entschieden, dass
der Beklagte zu 3) seine Bürgschaftserklärung nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1
HWiG a.F. wirksam widerrufen hat.
36 a) Allerdings scheitert ein Widerrufsrecht des Beklagten zu 3) nicht
schon daran, dass - wie das Berufungsgericht unter Berufung auf BGHZ 139, 21
gemeint hat - der durch die Bürgschaft gesicherte Vertrag nicht nach § 1
Abs. 1 Nr. 1 HWiG a.F. widerrufen werden konnte. Wie der erkennende Senat -
nach Erlass des angefochtenen Urteils - unter Aufgabe der früheren
Rechtsprechung mit Urteil vom 10. Januar
2006 (XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363, 366 ff. m.w.Nachw.) entschieden hat,
kommt es hierauf nicht an. Vielmehr besteht unter den Voraussetzungen des §
1 Abs. 1 HWiG bzw. des § 312 BGB ein eigenes Widerrufsrecht des Bürgen, weil
ein Bürge, der in einer Haustürsituation einen gewerblichen Zwecken
dienenden Kredit verbürgt, im Hinblick auf den Schutzzweck dieser Normen und
zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nicht schlechter stehen darf als
derjenige, der in einer solchen Situation den Kreditvertrag als Mithaftender
unterzeichnet (Senat aaO, S. 368 f.).
37 b) Das Berufungsgericht hat aber ein Widerrufsrecht des Beklagten zu 3)
mit der zutreffenden Begründung verneint, dass der Beklagte zu 3) bereits
nach seinem eigenen Vorbringen zum Abschluss des Bürgschaftsvertrages
nicht in einer Haustürsituation bestimmt worden ist. Der Beklagte zu 3)
befand sich, als er mit der Vertreterin der Zedentin sprach und seine
Bürgschaftserklärung unterschrieb, weder an seinem Arbeitsplatz noch im
Bereich einer Privatwohnung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG a.F., sondern in
den Praxisräumen der Beklagten zu 2). Dort war er nicht beschäftigt.
38 aa) Unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG a.F. fällt grundsätzlich nur der
Arbeitsplatz des Verbrauchers. Das Ansprechen am Arbeitsplatz eines Dritten,
der zu demjenigen des Verbrauchers keine Verbindung aufweist, wird im
Unterschied zur Privatwohnung eines Dritten vom Wortlaut der Nr. 1 ("seinem
Arbeitsplatz") nicht erfasst (h.M.; vgl. nur Münch-KommBGB/Ulmer, 4.
Aufl. § 312 Rdn. 37; Staudinger/Thüsing, BGB Neubearbeitung 2005 § 312 Rdn.
82; Ann, in: Beck'scher OnlineKommentar BGB, Stand: 1. März 2006, § 312 Rdn.
14; Palandt/ Grüneberg, BGB 66. Aufl. § 312 Rdn. 14).
39 Eine erweiternde Auslegung dieses Merkmals kommt auch im Hinblick auf die
Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den
Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen
Verträgen (ABl. Nr. L 372 S. 31) nicht in Betracht. Art. 1 Abs. 1 der
Richtlinie beschränkt den Anwendungsbereich ebenfalls auf Verträge, die
anlässlich eines Besuchs des Gewerbetreibenden beim Verbraucher "an seinem
Arbeitsplatz" geschlossen werden, während es für Vertragsschlüsse in der
Wohnung ausreichend ist, wenn diese mit dem Verbraucher "in seiner oder in
der Wohnung eines anderen Verbrauchers" zustande kommen.
40 bb) § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG a.F. findet vorliegend auch nicht gemäß § 5
Abs. 1 HWiG a.F. Anwendung. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG a.F. ist nach dem im
Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachvortrag des Beklagten zu 3)
nicht durch anderweitige Gestaltungen umgangen worden. Dies würde
voraussetzen, dass er durch die Vertragsanbahnung ebenso überrascht worden
ist, wie wenn sie am eigenen Arbeitsplatz erfolgt wäre (MünchKommBGB/Ulmer,
aaO § 312 Rdn. 37, 50). Es genügt - wie auch die Entstehungsgeschichte
des § 1 Abs. 1 HWiG a.F. zeigt (vgl. BT-Drucks. 10/2876, S. 9, 10) - nicht
allein die "Überrumpelung" des Verbrauchers. Der Verbraucher muss sich
vielmehr in einer arbeitsplatztypischen "Befangenheitssituation" befinden
(Ann, aaO § 312 Rdn. 14).
41 Nach diesen Grundsätzen liegt hier kein Umgehungstatbestand vor. Der
Beklagte zu 3) wurde in die Praxisräume der Beklagten zu 2) gerufen, die in
keinem Zusammenhang mit seiner beruflichen Sphäre standen. Er hätte sich
anders als bei einer Ansprache an seinem Arbeitsplatz dem Gespräch mit der
Angestellten der Zedentin und deren Einwirkung jederzeit durch Rückkehr in
seine in derselben Stadt befindliche Wohnung entziehen können. Die
Überrumpelungssituation, in der sich der Beklagte zu 3) nach seinem
Vorbringen befunden hat, beruhte nicht auf der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG a.F.
vorausgesetzten arbeitsplatztypischen "Befangenheitssituation", sondern
auf der Anwesenheit seiner Tochter, der Beklagten zu 2), und dem Wunsch oder
Drängen, ihr zu helfen. Hiervor will § 1 HWiG nicht schützen.
42 3. Mit Erfolg rügt die Revision des Beklagten zu 3) jedoch, dass das
Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft entscheidungserhebliches Vorbringen
übergangen hat (§ 286 ZPO).
43 a) Wie die Revision zutreffend aufzeigt, hat der Beklagte zu 3) in erster
Instanz vorgetragen, eine Mitarbeiterin der Zedentin habe bei Abschluss des
Bürgschaftsvertrages erklärt, dass die Bürgschaftsübernahme lediglich
vorübergehend sei und er unter Aushändigung der Bürgschaftsurkunde wieder
aus der Haftung entlassen werde, sobald die von dem Beklagten zu 1)
erwartete - und später unstreitig erfolgte - Steuererstattung in Höhe von
ca. 50.000 DM auf dem Kontokorrentkonto eingegangen sei. Das
Berufungsgericht hat dieses Vorbringen, für das der Beklagte zu 3) Beweis
angeboten und auf das er in seiner Berufungserwiderung Bezug genommen hat,
verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt.
44 Der bloße Umstand, dass der Beklagte zu 3) im Berufungsrechtszug diese
Einwendung nicht ausdrücklich wiederholt hat, lässt entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts nicht darauf schließen, dass er hieran nicht länger
festhalten wollte. Der Berufungsbeklagte kann in der Berufungserwiderung
grundsätzlich weitgehend auf sein Vorbringen in erster Instanz Bezug nehmen
und sich auf die Verteidigung des angefochtenen Urteils beschränken (st.Rspr.;
vgl. nur BGH, Urteile vom 17. Mai 2002 - V ZR 123/01, WM 2002, 2421, 2424
und vom 22. Februar 2006 - VIII ZR 40/04, WM 2006, 923, 926). Darüber hinaus
lässt die Würdigung des prozessualen Verhaltens des Beklagten zu 3) durch
das Berufungsgericht, zu dessen abweichender Bewertung der Senat befugt ist
(vgl. BGHZ 115, 286, 290; BGH, Urteil vom 17. Mai 2002 - V ZR 123/01, aaO),
auch unberücksichtigt, dass für ihn kein Anlass bestand, sein
diesbezügliches Vorbringen in der Berufungsinstanz zu vertiefen. Das
Landgericht hatte die Klage ohne Rücksicht auf dieses Vorbringen mangels
Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen. Der Beklagte zu 3) konnte sich
deshalb darauf beschränken, sein erstinstanzliches Vorbringen zu dieser
Frage im Wege der Bezugnahme zum Gegenstand des Berufungsverfahrens zu
machen. Ein Fallenlassen dieser Behauptung war hiermit nicht verbunden.
45 b) Der übergangene Sachvortrag ist auch entscheidungserheblich.
46 aa) Das Vorbringen des Beklagten zu 3) ist hinreichend substantiiert.
Dass sich der Inhalt der behaupteten Nebenabrede nicht in der
Bürgschaftsurkunde vom 14. Oktober 1998 wieder findet und auch zu dem
vereinbarten Bürgschaftshöchstbetrag von 150.000 DM in einem gewissen
Widerspruch steht, wird bei der weiteren Sachverhaltsaufklärung durch das
Berufungsgericht und im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein.
Der Sachvortrag des Beklagten zu 3), dem insoweit die Beweislast obliegt
(vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1994 - IX ZR 102/93, WM 1994, 784, 786), ist
hierdurch aber nicht widersprüchlich oder unsubstantiiert.
47 bb) Die von dem Beklagten zu 3) behauptete Nebenabrede, die als
Individualabrede dem Text der Formularbestimmung gemäß § 4 AGBG vorginge,
wäre auch trotz der Schriftformklausel in Ziffer 9 der Bürgschaftsurkunde
wirksam geworden. Denn eine Vereinbarung, die die Haftung des Bürgen im
Vergleich zu dem beschränkt, was sich aus der Urkunde in Verbindung mit den
gesetzlichen Vorschriften ergibt, wird formlos gültig (BGH, Urteile vom
15. Juni 1988 - VIII ZR 316/87, WM 1988, 1122, 1123, und vom 17. März 1994 -
IX ZR 102/93, WM 1994, 784, 785).
48 cc) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung wäre die Nebenabrede
auch nicht mangels Vertretungsmacht der für die Zedentin handelnden
Mitarbeiterin unwirksam. Bei Ziffer 9 der Bürgschaftsurkunde handelt es sich
um eine sog. einfache Schriftformklausel, die keinen Hinweis enthält, aus
dem sich unmissverständlich ergibt, dass mündliche Erklärungen des
Vertreters unbeachtlich sein sollen (vgl. Münch-KommBGB/Basedow, 4. Aufl. §
305b Rdn. 14; Staudinger/Schlosser, BGB Neubearbeitung 2006 § 305b Rdn. 50;
Ulmer, in: Ulmer/Brandner/ Hensen, AGB-Recht 10. Aufl. § 305b BGB Rdn. 35).
Dann ist aber § 55 HGB anwendbar. Nach dem in der Revisionsinstanz
zugrunde zu legenden Sachvortrag des Beklagten zu 3) ist die Mitarbeiterin
der Zedentin als deren Handlungsgehilfin i.S. der § 55 Abs. 1, § 59 HGB
anzusehen. Die Nebenabrede wurde bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages
vereinbart und stellt keine Änderung eines abgeschlossenen Vertrages i.S.
des § 55 Abs. 2 HGB dar.
III.
49 Die Revisionen der Beklagten zu 1) und 2) waren demnach als unbegründet
zurückzuweisen. Hinsichtlich der gegen den Beklagten zu 3) gerichteten Klage
war das Berufungsurteil dagegen aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und, da die
Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, insoweit zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1
ZPO).
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