Verbraucherschützendes
Widerrufsrecht bei Sicherungsgeschäften: Maßgeblichkeit der
Verbrauchereigenschaft allein des Sicherungsgebers, Irrelevanz der
Verbrauchereigenschaft des persönlichen Schuldners (Aufgabe von
BGHZ 139, 21 = NJW 1998, 2356); Haftung aus
§ 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 II
BGB (culpa in contrahendo) bei Verharmlosung des Vertragsrisikos;
schadensersatzrechtliche Vertragsaufhebung, Verhältnis zu § 123 BGB
BGH, Urteil vom 10. Januar
2006 - XI ZR 169/05
Fundstelle:
NJW 2006, 845
BGHZ 165, 363
Amtl. Leitsatz:
a) Das Widerrufsrecht
eines Verpfänders gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB hängt nicht von der
Verbrauchereigenschaft des persönlichen Schuldners oder einer auf diesen
bezogenen Haustürsituation ab (Abweichung von BGH,
Urteil vom 14. Mai 1998 - IX ZR 56/95, BGHZ 139, 21).
b) Zu den Voraussetzungen des § 312f Satz 2 BGB, wenn der persönliche
Schuldner seine Ehefrau bittet, zur Abgabe einer Verpfändungserklärung aus
der gemeinsamen Wohnung in seine Geschäftsräume zu kommen.
Zentrale Probleme:
Ein sehr lehrreiche Entscheidung sowohl zu den
verbraucherschützenden Widerrufsrechten als auch zur Haftung aus culpa in
contrahendo:
Der BGH ging bisher (in der Folge einer Entscheidung des EuGH zur
Anwendbarkeit des früheren HtWiG, jetzt § 312 BGB) davon aus, daß es bei
persönlichen Sicherungsgeschäften (zB Bürgschaft) für den persönlichen
Anwendungsbereich der Widerrufsregelung nicht (allein) auf die
Verbrauchereigenschaft des Sicherungsgebers (also z.B. des Bürgen), sondern
wegen des Akzessorietätsgrundsatzes auch auf die Verbrauchereigenschaft des
Hauptschuldners ankommt, s. dazu
EuGH
NJW 1998, 1295 f (RS C-45/96 "Dietzinger") und daraufhin BGH
NJW 1998, 2356 ff. Diese Ansicht ist auf vehemente
Kritik in der Literatur gestoßen (s. bereits Lorenz NJW 1998, 2937).
Der BGH gibt diese Ansicht nunmehr in einem Fall der Verpfändung
ausdrücklich auf: Es kommt allein auf die Verbrauchereigenschaft des
Sicherungsgebers an. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB dient dem Schutz des
Verbrauchers vor der Gefahr, bei der Anbahnung eines Vertrages in einer
ungewöhnlichen räumlichen Situation überrumpelt und zu einem unüberlegten
Geschäftsabschluss veranlasst zu werden. Diese Gefahr droht einem Bürgen oder
Verpfänder immer, wenn er sich selbst in einer "Haustürsituation" befindet.
Sie besteht unabhängig davon, ob die Hauptschuld ein Verbraucherdarlehen
oder ein gewerblicher Kredit ist und ob der Hauptschuldner ebenfalls durch
eine Haustürsituation zum Vertragsschluss bestimmt worden ist.
Der Senat verneint allerdings den situativen Anwendungsbereich von § 312
BGB, da keine "Haustürsituation" vorlag. Damit kam aber noch ein
schadensersatzrechtlicher Anspruch auf Vertragsaufhebung aus §§ 311 II, 241
II, 249 I BGB in Betracht, wenn eine vorvertragliche Pflichtverletzung
vorlag, welche die Pfandschuldnerin zum Abschluß des Vertrages bestimmt hat.
Insoweit weist der Senat an die Vorinstanz zurück und betont dabei, daß nach
ständiger Rechtsprechung eine solche Vertragsaufhebung nicht durch § 123 BGB
verdrängt ist und auch nicht den zeitlichen Grenzen des § 124 BGB unterliegt
(zu dieser in der Lit. weiter str., aber ständigen Rspr. des BGB s. etwa die
Anm. zu BGH NJW 1998,
302 sowie BGH
NJW 1998, 898 und BGH NJW 2002, 2774).
S. dazu auch BGH v. 2.5.2007 - XII ZR
109/04. Nach heutiger
Rechtslage ist die Entscheidung überholt, s.
BGH v. 22.9.2020 - XI ZR 219/19.
©sl 2006
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Rentnerin, nimmt die beklagte Bank auf Herausgabe von
Wertpapieren in Anspruch, die sie als Sicherheit für
Darlehensverbindlichkeiten des Unternehmens ihres Ehemannes und ihres Sohnes
verpfändet hat.
Der Ehemann und der Sohn der Klägerin betrieben in der Rechtsform einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Luftheizungs- und Kaminbauunternehmen.
Die Geschäftsräume dieses Unternehmens befanden sich in einem Miets- und
Geschäftshaus, das dem Wohnhaus der Klägerin und ihres Ehemannes gegenüber
liegt. Die beiden Gebäude, die unterschiedliche Hausnummern haben, stehen
auf verschiedenen Flurstücken, die sich optisch als ein Grundstück
darstellen und ein gemeinsames Tor zur Straße haben. Am 5. Dezember 2002
suchte ein Mitarbeiter der Beklagten den Ehemann und den Sohn der Klägerin
in den Geschäftsräumen auf. Der Ehemann rief die Klägerin aus dem Wohnhaus
in die Geschäftsräume. Dort unterzeichnete sie eine Erklärung über die
Verpfändung von Wertpapieren, die sie kurz zuvor von einer Verwandten
erhalten hatte. Auf die gleiche Weise kam es am 23. Dezember 2002 zur
Unterzeichnung der streitigen Verpfändungserklärung durch die Klägerin.
Diese Erklärung, die ebenso wie die vom 5. Dezember 2002 keine Belehrung
über das Recht zum Widerruf von Haustürgeschäften enthielt, diente der
Sicherung der Forderung der Beklagten gegen die Gesellschaft bürgerlichen
Rechts aus einem Darlehensvertrag vom 19. Dezember 2002 in Höhe von 115.000
€. Nachdem die Gesellschaft insolvent geworden war, kündigte die Beklagte am
8. April 2003 die Geschäftsverbindung und stellte der Klägerin die
Verwertung der Sicherheiten in Aussicht.
Die Klägerin hat die Verpfändungserklärungen als Haustürgeschäfte
widerrufen. Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe sie über die bereits
bei Unterzeichnung der Verpfändungserklärungen desolate wirtschaftliche Lage
der Gesellschaft ihres Ehemannes und ihres Sohnes aufklären müssen und die
mit der Verpfändung verbundenen Risiken verharmlost.
Das Landgericht hat der Klage auf Herausgabe der Wertpapiere stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Herausgabe der
Wertpapiere, weil sie diese wirksam zur Sicherung der Ansprüche der
Beklagten aus dem Darlehensvertrag vom 19. Dezember 2002 verpfändet habe.
Sie könne die der Pfandrechtsbestellung zugrunde liegende Sicherungsabrede
nicht gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB widerrufen. Die Bestellung eines
Pfandrechts falle ebenso wie eine Bürgschaftserklärung (EuGH
WM 1998, 649, 651; BGHZ 139, 21, 25 f.) nur
dann in den Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes bzw. des § 312
BGB, wenn das Pfandrecht eine Verbindlichkeit sichere, die ein Verbraucher
im Rahmen eines Haustürgeschäfts gegenüber einem Gewerbetreibenden als
Gegenleistung für Waren oder Dienstleistungen eingegangen sei. Die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bestellung einer Grundschuld (BGHZ
131, 1, 5) rechtfertige keine andere Beurteilung, weil sie vor der zitierten
Entscheidung des EuGH ergangen sei. Zudem sei die Grundschuld anders als
Bürgschaft und Pfandrecht nicht akzessorisch. Da die gesicherte Forderung
der Beklagten im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit der Gesellschaft des
Ehemannes und des Sohnes der Klägerin begründet worden sei, habe die
Klägerin kein Widerrufsrecht.
Außerdem lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin zur Abgabe der
Verpfändungserklärungen durch mündliche Verhandlungen bestimmt worden sei,
und dass eine Haustürsituation und das damit verbundene Überraschungsmoment
für die Abgabe der Erklärungen zumindest mitursächlich geworden seien. Die
Klägerin sei schon vor dem Besuch des Mitarbeiters der Beklagten in den
Geschäftsräumen ihres Ehemannes und ihres Sohnes von ihrem Ehemann damit
konfrontiert worden, dass sie ihre kurz zuvor erlangten Wertpapiere
voraussichtlich verpfänden müsse, um einen finanziellen Engpass des
Unternehmens zu überbrücken. Hierzu sei sie ohne Einwirkung des Mitarbeiters
der Beklagten bereit gewesen. Ihr sei lediglich gesagt worden, sie solle
dies unterschreiben und dann wäre es gut. Ob der Mitarbeiter der Beklagten
am 5. Dezember 2002 gesagt habe, die Klägerin solle sich wegen des Risikos,
die Wertpapiere zu verlieren, keine Sorgen machen, könne dahinstehen. Die
maßgebliche Verpfändungserklärung, aus der die Beklagte ihre Rechte
herleite, habe sie erst am 23. Dezember 2002 unterschrieben. Dass die
Verpfändung die Gefahr begründe, den Pfandgegenstand zu verlieren, sei der
Klägerin bereits bewusst gewesen, als ihr Ehemann sie erstmals gefragt habe,
ob sie den finanziellen Engpass seines Unternehmens mit ihren Wertpapieren
überbrücken könne. Sie habe nicht damit rechnen können, dass die Beklagte
ihr dieses Risiko abnehme.
Die Klägerin habe keinen Schadensersatzanspruch wegen positiver
Vertragsverletzung oder Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, der auf
Rückabwicklung der Pfandrechtsbestellung gerichtet sei. Da die Klägerin von
ihrem Ehemann auf die Verpfändung der Wertpapiere angesprochen worden sei,
habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass sie über die wirtschaftliche
Situation des Unternehmens ihres Ehemannes und ihres Sohnes unterrichtet
sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Mitarbeiter der Beklagten
die mit der Verpfändung der Wertpapiere verbundenen Gefahren pflicht- und
wahrheitswidrig verharmlost habe.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
1. Allerdings ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne
die Herausgabe der Wertpapiere nicht gemäß § 346 Abs. 1, § 355 Abs. 1 Satz
1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, im Ergebnis rechtlich nicht zu
beanstanden. Der Klägerin steht kein Widerrufsrecht gemäß § 312 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 BGB zu.
a) Dies kann aber, anders als das Berufungsgericht meint, nicht damit
begründet werden, dass das von der Klägerin bestellte Pfandrecht einen
gewerblichen Kredit sichert. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 26.
September 1995 - XI ZR 199/94 (BGHZ 131, 1, 4) entschieden, dass eine
Sicherungsabrede, die auf die Bestellung einer Grundschuld gerichtet ist,
auch dann in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 HWiG, der
Vorgängerregelung des § 312 BGB n.F., fällt, wenn die Grundschuld einen
gewerblichen Kredit sichert. Dasselbe muss für die Bestellung eines
Pfandrechts und anderer akzessorischer Sicherungsrechte gelten. Der IX.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat zwar im Anschluss an das
Urteil des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) vom 17. März 1998 (WM 1998, 649 ff.) entschieden,
dass ein Bürgschaftsvertrag, der zur Absicherung eines gewerblichen Kredits
geschlossen wird, kein Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 HWiG sei (BGHZ
139, 21, 24 ff.). Diese Auffassung, die in der Literatur ganz
überwiegend auf zum Teil massive Kritik gestoßen ist (MünchKomm/Ulmer,
BGB 4. Aufl. § 312 Rdn. 22; Ann, in: Bamberger/Roth, BGB § 312 Rdn. 8;
Palandt/Grüneberg, BGB 65. Aufl. § 312 Rdn. 8; Allstadt-Schmitz, in:
Ebenroth/Boujong/Joost, HGB BankR IV Rdn. 522; Knops, in: Derleder/Knops/Bamberger,
Handbuch für deutsches und internationales Bankrecht § 20 Rdn. 64; Auer ZBB
1999, 161, 168; Canaris AcP 200 (2000), 273, 353 f.; Drexl JZ 1998, 1046,
1055 f.; Horn ZIP 2001, 93, 94; Kulke JR 1999, 485, 491 f.; Lorenz NJW 1998,
2937, 2939; Medicus JuS 1999, 833, 836 f.; Pfeiffer ZIP 1998, 1129, 1137;
Reinicke/Tiedtke ZIP 1998, 893, 894 f.; Riehm JuS 2000, 138, 143; Tiedtke
NJW 2001, 1015, 1027; Treber WM 1998, 1908, 1918 f.; a.A.: Vowinckel DB
2002, 1362, 1364), teilt der nunmehr für das Bürgschaftsrecht zuständige,
erkennende Senat nicht.
§ 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB dient dem Schutz des Verbrauchers vor der
Gefahr, bei der Anbahnung eines Vertrages in einer ungewöhnlichen räumlichen
Situation überrumpelt und zu einem unüberlegten Geschäftsabschluss
veranlasst zu werden (Senat, Urteil vom 27. Januar 2004 - XI ZR 37/03,
WM 2004, 620, 623; Palandt/Grüneberg, BGB 65. Aufl. § 312 Rdn. 3). Diese
Gefahr droht einem Bürgen immer, wenn er sich selbst in einer so genannten
Haustürsituation befindet. Sie besteht unabhängig davon, ob die Hauptschuld
ein Verbraucherdarlehen oder ein gewerblicher Kredit ist und ob der
Hauptschuldner ebenfalls durch eine Haustürsituation zum Vertragsschluss
bestimmt worden ist (Reinicke/Tiedtke DB 1998, 2001, 2003; Drexl JZ
1998, 1046, 1056). Die Akzessorietät der Bürgschaft rechtfertigt keine
andere Beurteilung. Sie eröffnet dem Bürgen zwar die Möglichkeit, sich
analog § 770 BGB auf ein etwaiges Widerrufsrecht des Hauptschuldners zu
berufen (MünchKomm/ Habersack, BGB 4. Aufl. § 770 Rdn. 6; Riehm, JuS
2000, 138, 143), macht aber die Begründung eines eigenen Widerrufsrechts
des Bürgen nicht von der Verbrauchereigenschaft des Hauptschuldners oder
einer auf diesen bezogenen Haustürsituation abhängig (Allstadt-Schmitz,
in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB BankR IV Rdn. 522; Auer ZBB 1999, 161, 168;
Reinicke/Tiedtke ZIP 1998, 893, 894; Mayen, in: Festschrift für Schimansky
S. 415, 423). Der Bürgschaftsvertrag begründet ein eigenes
Schuldverhältnis (Kulke JR 1999, 485, 492) und unter den Voraussetzungen des
§ 312 BGB ein eigenes Widerrufsrecht des Bürgen.
Dass ein Bürgschaftsvertrag, der eine im Rahmen der Erwerbstätigkeit des
Hauptschuldners begründete Verbindlichkeit sichert, nach Ansicht des EuGH (WM
1998, 649, 651) nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 577/85/EWG
des Rates vom 20. Dezember 1995 betr. den Verbraucherschutz im Falle von
außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. Nr. L 372/31)
fällt, obwohl deren Wortlaut dafür nichts hergibt und der vom EuGH
angeführte akzessorische Charakter der Bürgschaft und der Zweck des
verbürgten Kredits für den von der Haustürgeschäfterichtlinie bezweckten
Schutz der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers in einer Haustürsituation
bedeutungslos sind (Canaris AcP 200 (2000), 273, 353; Drexl JZ 1998,
1046, 1055; Reini-cke/Tiedtke ZIP 1998, 893, 895; Lorenz NJW 1998, 2937,
2938 f.; Treber WM 1998, 1908, 1915; Mayen, in: Festschrift für Schimansky
S. 415, 423 f.), ändert nichts. Nach Art. 8 dieser Richtlinie können die
Mitgliedstaaten günstigere Verbraucherschutzbestimmungen erlassen oder
beibehalten. Davon ist hier unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte
des Haustürwiderrufsgesetzes (vgl. Reinicke/Tiedtke DB 1998, 2001, 2002)
sowie zur Vermeidung unerträglicher Wertungswidersprüche auszugehen. Der
Bürge, der in einer Haustürsituation einen gewerblichen Zwecken dienenden
Kredit verbürgt, darf nicht schlechter stehen als derjenige, der in einer
solchen Situation den Kreditvertrag als Mithaftender unterzeichnet.
b) Hingegen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei nicht
durch mündliche Verhandlungen in einer Haustürsituation zur Verpfändung der
Wertpapiere am 23. Dezember 2002 bestimmt worden, im Ergebnis
rechtsfehlerfrei. Die Klägerin befand sich, als sie mit dem Vertreter der
Beklagten sprach und die Verpfändungserklärungen unterschrieb, weder an
ihrem Arbeitsplatz noch im Bereich einer Privatwohnung im Sinne des § 312
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB, sondern in den Geschäftsräumen des Unternehmens
ihres Ehemannes und ihres Sohnes.
Die Klägerin war in diesem Unternehmen nicht beschäftigt und hatte dort
keinen Arbeitsplatz.
Die Geschäftsräume gehören auch nicht zum Bereich der Privatwohnung der
Klägerin und ihres Ehemannes. Der Bereich einer Privatwohnung umfasst den
gesamten räumlichen Wohnbereich, der dem Verbraucher oder anderen zum
dauernden Aufenthalt dient (Erman/ I. Saenger, BGB 11. Aufl. § 312 Rdn. 41).
Er erstreckt sich auch auf Hausflur, Garten (BT-Drucks. 10/2876 S. 11) und
andere zugehörige Anlagen wie Garagen und private Parkplätze, da hier die
private Sphäre dominiert. Entscheidend ist, dass der Verbraucher an diesen
Orten auf ein werbemäßiges Ansprechen nicht eingestellt ist und sich in
seiner Entschließungsfreiheit typischerweise eingeengt fühlt (MünchKomm/
Ulmer, BGB 4. Aufl. § 312 Rdn. 36), weil er sich dem von anderer Seite
initiierten Gespräch nicht ohne weiteres durch Weggehen entziehen kann (vgl.
Senatsurteil BGHZ 131, 385, 390 f.).
Nach diesen Grundsätzen gehören die Geschäftsräume des Unternehmens des
Ehemannes und des Sohnes der Klägerin nicht zum Bereich der Privatwohnung
der Klägerin und ihres Ehemannes. Das zum Teil vermietete Wohn- und
Geschäftshaus, in dem sich die Geschäftsräume befinden, liegt zwar in
unmittelbarer Nähe des Wohnhauses und hat mit diesem ein gemeinsames Tor zur
Straße. Die Geschäftsräume gehören aber nicht zum Wohnbereich und sind nicht
zum dauernden Aufenthalt bestimmt. In ihnen dominiert nicht die private,
sondern die geschäftliche Sphäre. Die Klägerin hätte sich jederzeit aus
freiem Entschluss dem Gespräch mit dem Angestellten der Beklagten und dessen
Einwirkung durch die Rückkehr in ihr Wohnhaus entziehen können.
Entgegen der Auffassung der Revision findet § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB
auch nicht gemäß § 312f Satz 2 BGB Anwendung. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB
ist nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachvortrag der
Klägerin, ihr Ehemann habe sie auf Veranlassung des Angestellten der
Beklagten ohne Angabe eines Grundes aus dem Wohnhaus in die Geschäftsräume
herüber gerufen, nicht durch anderweitige Gestaltungen umgangen worden. Die
für einen Vertragsschluss im Bereich einer Privatwohnung typische situative
Überrumpelung lag bei Abgabe der Verpfändungserklärung am 23. Dezember 2002
nicht vor, weil für die Klägerin aufgrund der Bitte ihres Ehemannes, in die
Geschäftsräume zu kommen, vorhersehbar war, dass geschäftliche
Angelegenheiten und Vermögensdispositionen erörtert werden sollten. Die
Klägerin war von ihrem Ehemann bereits zuvor wegen der Pfandrechtsbestellung
für einen gewerblichen Kredit angesprochen worden und hatte am 5. Dezember
2002 schon einmal, von ihrem Ehemann herbeigerufen, in den Geschäftsräumen
eine Verpfändungserklärung unterzeichnet.
2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Begründung, mit der das
Berufungsgericht einen auf Rückgängigmachung der Pfandrechtsbestellung
gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei
Vertragsverhandlungen gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 249
Abs. 1 BGB verneint hat.
Ein Kreditinstitut ist zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, einen
Dritten, der eine Sicherheit zugunsten eines Schuldners des Kreditinstituts
bestellt, über die damit verbundenen Risiken aufzuklären (BGHZ 125, 206,
218; BGH, Urteil vom 17. März 1994 - IX ZR 174/93, WM 1994, 1064, 1066 f.;
Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 90 Rdn. 184;
Joswig, in: Welter/Lang, Handbuch der Informationspflichten im Bankverkehr,
Rdn. 14.63). Pflichtwidrig handelt ein Kreditinstitut aber dann, wenn es
durch sein Verhalten erkennbar einen Irrtum des Sicherungsgebers über das
Risiko hervorruft oder dieses Risiko bewusst verharmlost (Senat, Urteil
vom 9. Oktober 1990 - XI ZR 200/89, WM 1990, 1956; BGH, Urteil vom 24.
Februar 1994 - IX ZR 227/93, WM 1994, 680, 684).
Ein solches Verhalten hat die Klägerin entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts in den Tatsacheninstanzen vorgetragen und unter Beweis
gestellt. Sie hat behauptet, sie habe vor Unterzeichnung der
Verpfändungserklärungen gesagt, sie habe ihre Brille vergessen und könne die
Erklärung nicht lesen. Außerdem habe sie gefragt, ob es denn richtig sei,
wenn sie das jetzt unterschreibe. Das Wertpapierdepot dürfe auf keinen Fall
verloren gehen. Darauf habe der Angestellte der Beklagten erwidert, sie
solle sich keinerlei Sorgen machen. Die Verpfändung sei notwendig, weil das
Unternehmen neuen Kredit brauche. Ferner sei ihr gesagt worden, sie solle
dies unterschreiben und dann wäre es gut. Diese im Revisionsverfahren
zugunsten der Klägerin zu unterstellenden Äußerungen beinhalten entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts eine Verharmlosung des Risikos, die für die
Pfandrechtsbestellung ursächlich geworden sein und deshalb einen auf
deren Rückabwicklung gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens
bei Vertragsverhandlungen gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, §
249 Abs. 1 BGB begründen kann. Ein solcher Anspruch bestünde unabhängig von
einem Anfechtungsrecht gemäß § 123 Abs. 1 BGB und bliebe vom Ablauf der
Anfechtungsfrist gemäß § 124 Abs. 1 BGB unberührt (BGH, Urteil vom 18.
September 2001 - X ZR 107/00, NJW-RR 2002, 308, 309 f., m.w.Nachw.).
III. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die
Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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