Abtretung einer
Darlehensforderung; (keine) Nichtigkeit nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen
§ 203 II Nr. 1 StGB; Reichweite des Bankgeheimnisses
BGH, Urteil vom 27. Oktober
2009 - XI ZR 225/08
Fundstelle:
NJW 2010, 361
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Die Abtretung von
Darlehensforderungen durch eine als Anstalt des öffentlichen Rechts
organisierte Sparkasse verstößt nicht gegen § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB
(Fortführung von BGHZ 171, 180).
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu
BGHZ 171, 180.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Der Kläger begehrt gegenüber der beklagten Sparkasse die Feststellung,
dass ein zwischen ihnen zustande gekommenes Darlehensverhältnis ungeachtet
einer Abtretungserklärung der Beklagten fortbestehe und die Beklagte
weiterhin Inhaberin von zwei zur Absicherung der
Darlehensrückzahlungsforderung eingetragenen Grundschulden sei.
2 Der Kläger und seine Ehefrau schlossen mit der Beklagten, die nach ihrer
Satzung eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist, in den Jahren 1994 und
1998 zwei Darlehensverträge über 1 Mio. DM und 110.000 DM. Als Sicherheiten
dienten zwei Grundschulden über insgesamt 3,8 Mio. DM, die zugunsten der
Beklagten auf dem im Grundbuch von S. eingetragenen Wohnungseigentum des
Klägers und seiner Ehefrau lasten. Vertragliche Grundlage der
Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien waren unter anderem die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen 1993.
3 Nachdem in den Jahren 1998 bis 2003 gegen den Kläger mehrere Pfändungen
ausgebracht worden waren und er am 11. Oktober 2004 die eidesstattliche
Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben hatte, kündigte die
Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 8. Dezember 2004 unter
Bezugnahme auf Nr. 26 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen
Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse die beiden Darlehen, forderte
ihn - erfolglos - zum Ausgleich des offenen Gesamtbetrages von 535.666,08 €
auf und stellte die Grundschulden fällig; der Zugang dieses Schreibens wird
vom Kläger bestritten. Am 23. Dezember 2004 ließ die Beklagte dem Kläger und
seiner Ehefrau zum Zwecke der Zwangsvollstreckung eine vollstreckbare
Ausfertigung der Grundschulden nebst abstraktem Schuldanerkenntnis über
800.000 DM nebst Zinsen zustellen.
4 Die Beklagte verkaufte am 16. Oktober 2005 ein Kreditportfolio über
insgesamt ca. 30 Mio. €, darunter ihre Darlehensforderungen gegen den Kläger
und seine Ehefrau, an die C.
und trat die Forderungen nebst Grundschulden und sonstiger Sicherheiten mit
Vertrag vom 31. Oktober 2005 an diese ab. Mit Schreiben vom 1. November 2005
teilte die Beklagte dem Kläger dies mit.
5 Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das
Darlehensverhältnis zwischen den Parteien trotz der Abtretung fortbestehe
und die Beklagte weiterhin Inhaberin der Grundschulden sei. Er ist der
Auffassung, die Abtretung sei wegen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis und
gegen § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB unwirksam.
6 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Während des
Revisionsverfahrens ist über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren
eröffnet worden. Nachdem der Insolvenzverwalter die Aufnahme des
Rechtsstreits abgelehnt hat, hat ihn der Kläger wieder aufgenommen.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision ist unbegründet.
I.
8 Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in WM 2007, 2103 veröffentlicht
ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9 Der Feststellungsklage fehle zwar das Feststellungsinteresse. Gleichwohl
sei die Klage aber nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abzuweisen,
weil sie auch in der Sache keinen Erfolg habe.
10 Die Abtretung der Darlehensforderungen nebst Sicherheiten sei wirksam.
Die Veräußerung von Forderungen unterfalle mit Rücksicht auf Art. 56 Abs. 1
EGV, der den freien Kapital- und Zahlungsverkehr innerhalb der Europäischen
Gemeinschaften regele, nicht § 134 BGB. Darüber hinaus sei auch kein Verstoß
gegen § 203 StGB gegeben, weil der mit der Abtretung verbundene
Datenaustausch nicht unbefugt im Sinne dieser Vorschrift erfolge;
andernfalls komme es zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung bei der
Veräußerung von Krediten privater Banken und solchen öffentlichrechtlich
organisierter Sparkassen. Schließlich gebiete § 134 BGB bei wertender
Betrachtung selbst bei einem unterstellten Verstoß gegen § 203 StGB nicht
die Nichtigkeit der Abtretung.
II.
11 Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung stand, so dass die
Revision zurückzuweisen ist.
12 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Feststellungsklage nicht
als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen. Dabei kann dahinstehen,
ob der Kläger ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO
hinreichend dargelegt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
handelt es sich bei dem von § 256 ZPO geforderten rechtlichen Interesse
nicht um eine Prozessvoraussetzung, ohne deren Vorliegen dem Gericht eine
Sachprüfung und ein Sachurteil überhaupt verwehrt ist (vgl. BGHZ 12, 308,
316; 130, 390, 399 f.; BGH, Urteil vom 14. März 1978 - VI ZR 68/76, NJW
1978, 2031, 2032). Aufgrund dessen kann die Feststellungsklage auch bei
fehlendem Feststellungsinteresse als unbegründet abgewiesen werden. So liegt
der Fall hier.
13 2. Das Berufungsgericht hat die Wirksamkeit der Abtretung der
Darlehensforderungen und der Grundschulden zu Recht bejaht.
14 a) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 27.
Februar 2007 (BGHZ 171, 180, Tz. 12 ff.) entschieden und im Einzelnen
begründet hat, steht der Wirksamkeit der Abtretung weder das Bankgeheimnis
noch das Bundesdatenschutzgesetz entgegen. Da in dem dieser Entscheidung
zugrunde liegenden Sachverhalt Zedentin eine Genossenschaftsbank war, hat
der Senat eine Nichtigkeit der Abtretung gemäß § 134 BGB i.V. mit § 203 StGB
bereits deshalb verneint, weil das Strafgesetzbuch für die Verletzung des
Bankgeheimnisses durch Vorstandsmitglieder oder Angestellte einer
Genossenschaftsbank - wie auch eines privaten Kreditinstituts - keine
Sanktion vorsieht (BGHZ 171, 180, Tz. 22).
15 b) Entgegen der Revision gilt für die Vorstandsmitglieder oder
Angestellten einer in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts
organisierten Sparkasse nichts anderes. Die Abtretung von
Darlehensforderungen durch eine als Anstalt des öffentlichen Rechts
organisierte Sparkasse oder eine Landesbank verstößt nicht gegen § 203 Abs.
2 Satz 1 Nr. 1 StGB.
16 aa) Dabei kann dahinstehen, ob die Mitarbeiter einer Sparkasse oder
Landesbank trotz des Wegfalls der Gewährträgerhaftung und der Ersetzung bzw.
Modifizierung der Anstaltslast sowie der zunehmend erwerbswirtschaftlichen
Tätigkeit der Sparkassen und Landesbanken auch bei der Ver gabe nicht
subventionierter Kredite und der Abtretung solcher Forderungen überhaupt
noch öffentliche Verwaltung ausüben und insoweit als Amtsträger im Sinne des
§ 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c
StGB anzusehen sind (vgl. BGHSt 31, 264, 271; Fischer, StGB, 56. Aufl., §
203 Rn. 24; MünchKommStGB/Cierniak, 1. Aufl.,§ 203 Rn. 92; Hoyer in SK-StGB,
Stand: Mai 2003, § 203 Rn. 55; Bruch-ner/Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski,
Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 39 Rn. 314; Domke/Sperlich, BB 2008, 342,
346; Otto, wistra 1995, 323, 327 f.; Sester/Glos, DB 2005, 375 f.) oder ob
insoweit eine funktionsbezo-gene Unterscheidung vorzunehmen ist (hierfür
Schünemann in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., § 203 Rn. 50; Dörrie,
ZBB 2008, 292, 294; Jaeger/Heinz, BKR 2009, 273, 274; Nobbe, ZIP 2008, 97,
101; Schalast/ Safran/Sassenberg, NJW 2008, 1486, 1488 f.; Schulz/Schröder,
DZWIR 2008, 177, 179 f.; Vollborth, Forderungsabtretung durch Banken im
Lichte von Bankgeheimnis und Datenschutz, 2007, S. 153 ff.). Ebenso kann
unentschieden bleiben, ob die Abtretung von Darlehensforderungen durch
Mitarbeiter von öffentlich-rechtlich organisierten Sparkassen und
Landesbanken - sei es nur bei der Veräußerung notleidender
Kreditforderungen, sei es auch bei der Veräußerung nicht notleidender
Kreditforderungen -(nicht) unbefugt im Sinne des § 203 Abs. 2 StGB erfolgt
(vgl. hierzu Dom-ke/Sperlich, BB 2008, 342, 346 f.; Stefan Gehrlein, Die
Veräußerung und Übertragung eines Kreditportfolios unter Berücksichtigung
der Übertragungsstrukturen, des Bankgeheimnisses und des Datenschutzes,
2007, S. 141 f.; Jaeger/Heinz, aaO, S. 274 f.; Nobbe, aaO; Schalast/Safran/
Sassenberg, aaO, S. 1489 f.; Schulz/Schröder, aaO, S. 181 f.; Sester/Glos,
aaO, S. 377 ff.).
17 bb) Durch die Abtretung einer Darlehensforderung wird bereits kein
fremdes Geheimnis im Sinne des § 203 Abs. 2 StGB berührt. Normzweck und
Systematik des § 203 StGB gebieten insoweit eine einschränkende Auslegung
dieser Vorschrift.
18 (1) Das Bankgeheimnis besteht in der Pflicht des Kreditinstituts zur
Verschwiegenheit über kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die ihm
aufgrund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden
bekannt geworden sind und die der Kunde geheim zu halten wünscht. Die
Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses ist eine besondere Ausprägung
der allgemeinen Pflicht der Bank, die Vermögensinteressen des
Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen (Senat BGHZ 171,
180, Tz. 17 m.w.N.). Unabhängig davon, ob das Bankgeheimnis auf
vertraglicher oder gewohnheitsrechtlicher Grundlage beruht (vgl. hierzu
Senat BGHZ 171, 180, Tz. 23 m.w.N.), steht es nicht unter dem
strafrechtlichen Schutz des § 203 Abs. 1 StGB, weil die Vorstandsmitglieder
und Angestellten der privaten Kreditinstitute und Genossenschaftsbanken wie
auch der öffentlich-rechtlich organisierten Sparkassen und Landesbanken
nicht unter die in den Nummern 1 bis 6 dieser Strafvorschrift aufgeführten
Berufsangehörigen fallen.
19 (2) Mangels erkennbarer Sachgründe, wie etwa einer besonderen
Schutzbedürftigkeit der Kunden einer öffentlich-rechtlich organisierten
Sparkasse oder Landesbank, hat die gesetzgeberische Grundentscheidung gegen
einen strafrechtlichen Schutz des Bankgeheimnisses in § 203 Abs. 1 StGB auch
für dessen Absatz 2 zu gelten. Denn der Begriff des Geheimnisses wird in §
203 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StGB in identischer Weise verstanden (Fischer,
StGB, 56. Aufl., § 203 Rn. 3 ff.; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl., § 203 Rn.
14; MünchKommStGB/Cierniak, 1. Aufl., § 203 Rn. 92; Lenckner in Schönke/Schröder,
StGB, 27. Aufl., § 203 Rn. 44). Andernfalls würden zwei an sich gleich
liegende Sachverhalte - die Abtretung von Kreditforderungen durch private
Kreditinstitute, zu denen auch die privatrechtlich organisierten Sparkassen
zählen, und die Veräußerung einer Darlehensforderung durch
öffentlich-rechtlich organisierte Sparkassen - ohne rechtfertigenden Grund
ungleich behandelt (vgl. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2006, § 1 Rn.
22; Stefan Gehrlein, Die Veräußerung und Übertragung eines Kreditportfolios
unter Berücksichtigung der Übertragungsstrukturen, des Bankgeheimnisses und
des Datenschutzes, 2007, S. 141 f.; Jaeger/Heinz, BKR 2009, 273, 275; Nobbe,
ZIP 2008, 97, 101; Sester/Glos, DB 2005, 375, 379; Vollborth,
Forderungsabtretung durch Banken im Lichte von Bankgeheimnis und
Datenschutz, 2007, S. 152 f.). Eine analoge Anwendung des § 203 Abs. 1 StGB
auf die Mitarbeiter privater Kreditinstitute, die zur Auflösung dieses -
auch im strafrechtlichen Schrifttum (vgl. Lackner/Kühl, aaO, Rn. 7;
Schünemann in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., § 203 Rn. 71;
MünchKommStGB/Cierniak, aaO; Lenckner in Schönke/Schröder, aaO) beklagten -
Wertungswiderspruchs theoretisch denkbar wäre, scheidet wegen Art. 103 Abs.
2 GG von vornherein aus (Senat BGHZ 171, 180, Tz. 22). Aufgrund dessen ist
es geboten, die Abtretung von Darlehensforderungen durch die Mitarbeiter
öffentlich-rechtlich organisierter Sparkassen und Landesbanken und die
hiermit verbundene Weitergabe der notwendigen Informationen über das
Kreditverhältnis von dem Anwendungsbereich des § 203 Abs. 2 StGB generell
auszunehmen.
20 (3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Normzweck des § 203
StGB. Im Mittelpunkt des Schutzbereichs dieser Vorschrift steht das vom
Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitete Recht des
Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1, 41 ff.) und
dessen persönliche Geheimsphäre (vgl. BGHZ 115, 123, 125; 122, 115, 117;
BGH, Urteil vom 10. August 1995 - IX ZR 220/94, WM 1995, 1841, 1844;
Fischer, StGB, 56. Aufl., § 203 Rn. 2; Schünemann in Leipziger Kommentar zum
StGB, 11. Aufl., § 203 Rn. 14; MünchKommStGB/ Cierniak, 1. Aufl., § 203 Rn.
2). Daneben umfasst der Normzweck des § 203 StGB auch die
Vermögensinteressen und - zumindest mittelbar - das Vertrauen der
Allgemeinheit in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe bzw.
der Träger bestimmter Funktionen (Fischer, aaO; MünchKommStGB/Cierniak, aaO).
21 Eine Einbeziehung der mit der Abtretung von Darlehensforderungen
verbundenen Informationsweitergabe in den Schutzbereich des § 203 StGB ist
weder nach dessen Normzweck noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
22 Bei der Abtretung von Forderungen durch eine öffentlich-rechtlich
organisierte Sparkasse oder Landesbank erhält der Zessionar - wie auch bei
einer Forderungsveräußerung durch eine private Bank - über das nach § 402
BGB bestehende Auskunftsrecht nur solche Informationen, die für ihn
erforderlich sind, um die Forderung geltend machen zu können. Dagegen erhält
er keine umfassenden Informationen über Kontoinhalte und Kontobewegungen,
die eine erhebliche Beeinträchtigung der Geheimhaltungsinteressen des
Schuldners darstellen könnten.
23 Die Wertung des Gesetzes, wonach die Abtretung ungeachtet einer
persönlichkeitsrechtlichen Relevanz der nach § 402 BGB zu erteilenden
Auskünfte wirksam sein soll, begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken. Sie dient der Verkehrsfähigkeit von Forderungen und damit einem
für die Privatrechtsordnung wesentlichen Allgemeinbelang (BVerfG, WM 2007,
1694). Ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis wird durch eine etwaige
zivilrechtliche Schadensersatzpflicht ausreichend sanktioniert (Senat BGHZ
171, 180, Tz. 32). |