Anwaltshaftung: Kausalität; normativer Schadensbegriff; ZPO: Streitgegenstandsbegriff (§ 253 II Nr. 2 ZPO)


BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11 - OLG München


Fundstelle:

noch nicht bekannt


Amtl. Leitsatz:

a) Verfolgt ein Anleger vertragliche Ansprüche aus einer Vereinbarung über Finanzdienstleistungen gegen einen Finanzdienstleister, erfasst der Streitgegenstand des Prozesses auch etwaige im Falle einer fehlenden behördlichen Erlaubnis gegebene deliktische Ansprüche des Anlegers. Dagegen ist ein anderer Streitgegenstand betroffen, soweit der Anleger daneben aus einer fehlerhaften Beratung durch den Finanzdienstleister Schadensersatzansprüche herleitet.
b) Geht ein Rechtsstreit wegen eines Anwaltsfehlers verloren, ist ein Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt nicht gegeben, wenn das Ergebnis des Vorprozesses dem materiellen Recht entspricht.


Zentrale Probleme:

Der Geschäftsführer einer GmbH wird von einem Dritten gerichtlich auf Ersatz bestimmter Verluste aus einem Anlagegeschäft in Anspruch genommen. Das Gericht prüft vertragliche Ansprüche und bejaht den Anspruch, weil es dem Geschäftsführer aufgrund eines - zu unterstellenden - Verschulden seines Anwalts nicht gelungen war, die Echtheit einer schriftlichen Vereinbarung nachzuweisen, deren Existenz einen vertraglichen Anspruch ausgeschlossen hätte. Nach Rechtskraft des Urteils verklagt der Geschäftsführer nun seinen Anwalt wegen einer Pflichtverletzung (§ 280 I BGB) aus dem Anwaltsvertrag (Geschäftsbesorgungsvertrag, § 675 BGB).
Der Senat legt zunächst dar, dass sich ein Anspruch des Klägers im Vorprozess auch aus einer deliktischen Anspruchsgrundlage hätte ergeben können (hier: § 823 II BGB i.V.m. § 32 KWG a.F.) und dass das Gericht, hätte es einen vertraglichen Anspruch verneint, einen deliktischen Anspruch in derselben Höhe zusprechen können (gleicher Streitgegenstand!) und müssen. Ob es das tatsächlich getan hätte, spielt bei der Anwaltshaftung keine Rolle, d.h. es kommt bei der Anwaltshaftung nicht darauf an, wie das Gericht ohne die Pflichtverletzung des Anwalts tatsächlich entschieden hätte (möglicherweise hätte es den deliktischen Anspruch übersehen oder aus unzutreffenden Gründen verneint), sondern wie es richtig hätte entscheiden müssen. Das hatte der BGH bereits in
BGH, NJW 2009, 987 klargestellt. Insofern gilt in wertender Korrektur von § 249 I BGB ein "normativer", d.h. gesetzlicher Schadensbegriff. Zwar mag es sein, dass - der Differenzhypothese des § 294 I BGB folgend - der Kläger den Vorprozess ohne die Pflichtverletzung des Anwalts gewonnen hätte, wenn das Gericht falsch entschieden hätte, jedoch wird "durch eine fiktive Entscheidung, die gerade mit diesem Inhalt nicht hätte ergehen dürfen, wird kein schutzwürdiger Besitzstand begründet".
Von Interesse ist die Entscheidung insbesondere auch wegen der lehrbuchmäßigen Darstellung des zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriffs.

©sl 2012


Tatbestand:

1 Der Kläger war Geschäftsführer der G. GmbH (nachfolgend: GmbH), die sich gegenüber Interessenten erbot, treuhänderisch auf deren Rechnung Vermögensanlagen zu erwerben. Ende Mai des Jahres 2000 händigte E. D. dem Kläger einen Betrag in Höhe von 380.000 DM aus, den der Kläger auf ein unter seinem eigenen Namen geführtes Treuhandkonto einzahlte. Am 6. Juni 2000 unterzeichnete D. gegenüber der GmbH eine Beitrittserklärung nebst Zusatzvereinbarung, nach deren Inhalt die GmbH treuhänderisch für D. 2.350 Fondsanteile an der N. AG zu einem Ausgabepreis von je 74 € für 2100 Stück und von je 78,90 € für 250 Stück mit einer Laufzeit bis zum 30. Mai 2002 erwerben sollte. In der Vereinbarung vom 6. Juni 2000 wurde unter anderem folgende Regelung getroffen:

"Sollte der Verkaufspreis bei Fälligkeit unter 100 € sein, zahlt die G. GmbH bzw. Herr K. S. (persönlich) den Restbetrag, bis 100 € erfüllt sind".

2 Die GmbH erzielte am Ende der Laufzeit aus der Veräußerung der Anlage infolge erheblicher Kursverluste einen Erlös in Höhe von insgesamt nur 28.687,37 €. Gestützt auf die vorstehende Klausel nahm D. den durch den beklagten Rechtsanwalt vertretenen Kläger in einem Vorprozess auf Zahlung in Höhe von 235.000 € in Anspruch. Der Kläger machte zu seiner Rechtsverteidigung u.a. geltend, die Abrede vom 6. Juni 2000 sei durch eine von D. - was dieser bestritt - am 8. Juni 2000 unterzeichnete Vereinbarung ersetzt worden, derzufolge der Restbetrag "... ab Ausgabepreis bis 100 € ..." zu erstatten sei. Das Oberlandesgericht verurteilte den Kläger auf der Grundlage der Vereinbarung vom 6. Juni 2000 rechtskräftig zur Zahlung von 206.312,63 € (2.350 x 100 € = 235.000 € abzüglich des Erlöses von 28.687,37 €). Dabei gelangte es - sachverständig beraten - zu der Feststellung, dass von dem Kläger der Beweis für die Unterzeichnung der Erklärung vom 8. Juni 2000 durch D. nicht geführt sei.

Vorliegend nimmt der Kläger wegen des Verlusts des Vorprozesses den Beklagten unter dem Vorwurf, nicht die gebotenen prozessualen Möglichkeiten zum Nachweis der Unterzeichnung der Vereinbarung vom 8. Juni 2000 durch D. ergriffen zu haben, auf Schadensersatzleistung in Anspruch. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Berufungsgericht den Beklagten in der Hauptsache zur Zahlung von 146.437,63 € sowie zur Erstattung von Kosten aus dem Vorprozess in Höhe von 3.017,39 € verurteilt und außerdem festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen weiteren Schaden aus der Vollstreckung des in dem Vorprozess ergangenen Urteils zu ersetzen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4 Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.
5 Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

6 Der Beklagte habe in dem Vorprozess fehlerhaft reagiert, weil er sich mit der Begutachtung der Originalunterschrift durch den Sachverständigen während einer Sitzungspause anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht begnügt und nicht beantragt habe, dem Sachverständigen eine Untersuchung des Schriftstücks im Rahmen eines Ergänzungsgutachtens aufzugeben. Das Regressgericht sei wegen des Vorrangs materieller Gerechtigkeit nicht auf die Aufklärungsmöglichkeiten beschränkt, die dem Richter des Vorprozesses zur Verfügung gestanden hätten. Das in vorliegendem Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten ergebe, dass die Unterschrift des D. unter der Zusatzvereinbarung vom 8. Juni 2000 echt sei.

7 Zwar seien Schadensersatzansprüche des D. auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG aF gegen den Kläger denkbar. Sie seien jedoch nicht zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen, weil D. die Voraussetzungen derartiger Ansprüche in dem Vorprozess gegen den Kläger nicht vorgetragen habe. Diese Ansprüche stützten sich wegen des Gesichtspunkts einer fehlenden Erlaubnis der GmbH auf einen anderen Lebenssachverhalt als der in dem Vorprozess tatsächlich geltend gemachte vertragliche Anspruch aus der Vereinbarung vom 6. Juni 2000. Ein Hinweis auf einen solchen Anspruch hätte das Gebot der Unparteilichkeit verletzt und wäre daher von dem erkennenden Senat nicht erteilt worden. Der normative Schadensbegriff gebiete keine Korrektur dieses Ergebnisses. Der Kläger hätte den Vorprozess nach den Regeln des Zivilprozessrechts zu Recht gewonnen, weil der Beklagte nicht auf eine etwaige Erlaubnispflicht habe hinweisen dürfen oder gar müssen. Ob der Kläger wegen der Anschaffung der konkreten Fondsanteile gegenüber D. hafte, könne ebenfalls offen bleiben, weil sich D. darauf in dem Vorprozess nicht gestützt habe. Es finde sich nur offensichtlich unzutreffendes Vorbringen zu Options- und Terminsgeschäften.

8 Diese Ausführungen halten in entscheidenden Punkten rechtlicher Prüfung nicht stand.

II.

9 Die Revision nimmt die Würdigung des Berufungsgerichts hin, dass in dem Vorprozess infolge von Pflichtwidrigkeiten des Beklagten nicht der Nachweis der Unterzeichnung der Vereinbarung vom 8. Juni 2000 durch D. erbracht wurde. Ebenso wendet sich die Revision nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, wonach in Höhe von 146.437,63 € eine Zahlungsverpflichtung des Klägers auf der Grundlage der Vereinbarung vom 8. Juni 2000 gegenüber D. nicht bestand. Durchgreifende Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Angesichts des Ausgabekurses von jeweils 74 € für 2100 Stück und jeweils 78,90 € für 250 Stück beläuft sich bezogen auf den Erstattungsbetrag von jeweils 100 € die Ersatzpflicht des Klägers nach Maßgabe der Vereinbarung vom 8. Juni 2000 auf 59.875 €; ausgehend von dem in dem Vorprozess zu seinem Nachteil ergangenen Urteil über 206.312,63 € bemisst sich sein Schaden folgerichtig auf 146.437,63 €.

III.

10 Nicht gefolgt werden kann hingegen der Würdigung des Berufungsgerichts, dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen des Verlusts des Vorprozesses selbst dann gegen den Beklagten begründet wäre, wenn D. in dem Vorprozess zwar nicht aus Vertrag, aber aufgrund ihm zustehender Schadensersatzansprüche gegenüber dem Kläger obsiegt hätte. Insoweit hat das Berufungsgericht die Reichweite des Streitgegenstandes des Vorprozesses (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 261 Abs. 2, § 263 ZPO) wie auch die Grundsätze des normativen Schadensbegriffes (§ 249 Abs. 1 BGB) verkannt.

11 1. Die Gerichte hätten sich in dem Vorprozess, wenn sie nach Maßgabe der Vereinbarung vom 8. Juni 2000 D. vertragliche Ansprüche gegen den Kläger teilweise versagt hätten, von Amts wegen mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das Klagebegehren des D. wegen des Differenzbetrages aufgrund etwaiger ihm zustehender Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG aF oder aus unterlassener Aufklärung über die Risiken der Anlage gegenüber dem Kläger begründet war.

12 a) Der Streitgegenstand des Vorprozesses umfasste von vornherein neben vertraglichen Ansprüchen auch etwaige gesetzliche Schadensersatzansprüche des D. aus § 823 Abs. 2, § 32 KWG aF gegen den Kläger.

13 aa) Hängt die Haftung des Anwalts vom Ausgang eines Vorprozesses ab, hat das Regressgericht nicht darauf abzustellen, wie jener voraussichtlich geendet hätte, sondern selbst zu entscheiden, welches Urteil richtigerweise hätte ergehen müssen. Dabei ist grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, der dem Gericht des Inzidentprozesses bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtsanwalts unterbreitet und von ihm aufgeklärt worden wäre (BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - IX ZR 233/95, BGHZ 133, 110, 111 f; vom 16. Juni 2005 - IX ZR 27/04, BGHZ 163, 223, 227 jeweils mwN). Im Vorprozess wurde der Streitgegenstand gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durch das Klagevorbringen des D. bestimmt (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 6; Beschluss vom 7. April 2009 - KZR 42/08, GRUR-RR 2009, 319), das der Beklagte seiner Beratung zugrunde zu legen hatte.

14 bb) Mit der Klage wird nicht - wie das Berufungsgericht meint - ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht; vielmehr ist Gegenstand des Rechtsstreits der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991, aaO, S. 5; Beschluss vom 10. Dezember 2002 - X ARZ 208/02, BGHZ 153, 173, 175; vom 16. September 2008 - IX ZR 172/07, NJW 2008, 3570 Rn. 9 jeweils mwN). Der Klagegrund geht über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus; zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151, 3152; Beschluss vom 16. September 2008, aaO). Dies gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht (BGH, Urteil vom 17. März 1995 - V ZR 178/93, NJW 1995, 1757 f). Erfasst werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem dem Gericht zur Entscheidung vorgetragenen Lebenssachverhalt herleiten lassen. Auf die rechtliche Begründung des Klägers kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1995 - VI ZR 246/94, NJW 1996, 117, 118; vom 18. Juli 2000 - X ZR 62/98, NJW 2000, 3492, 3493 f; vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 53). Findet das Klagebegehren nach dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt eine Rechtsgrundlage sowohl in Delikt als auch in Verschulden bei Vertragsschluss, ist folgerichtig derselbe Streitgegenstand betroffen (BGH, Urteil vom 5. Juli 1977 - VI ZR 268/75, VersR 1978, 59, 60; die dort wegen § 32 ZPO angenommene Prüfungsbeschränkung auf deliktische Ansprüche ist überholt: BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2002 - X ARZ 208/02, BGHZ 153, 173, 176 ff).

15 cc) Soweit der unveränderte Klageantrag in dem Vorprozess abgesehen von Vertrag auch nach § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG aF gerechtfertigt sein konnte, handelte es sich um denselben Streitgegenstand. Der Lebenssachverhalt wurde durch die Gesamtumstände gekennzeichnet, die den Finanzdienstleistungen ausweisenden Vereinbarungen vom 6. und 8. Juni 2000 zugrunde lagen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1995, aaO, S. 1758). Vorliegend ist insoweit von Bedeutung, dass Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG aF an vertragliche Abreden über die Ausführung von Finanzdienstleistungen anknüpfen und abgesehen von einer fehlenden Erlaubnis sowie einem - infolge einer Unterrichtungspflicht - regelmäßig anzunehmenden fahrlässigen Verstoß nicht an besondere zusätzliche Voraussetzungen gekoppelt sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2005 - III ZR 238/03, WM 2005, 1217, 1218). Die Frage, ob die GmbH über eine zur Vornahme der mit D. vereinbarten Finanzdienstleistungen notwendige Erlaubnis verfügte, war danach ungeachtet des Parteivorbringens bei natürlicher Betrachtungsweise Bestandteil des hier auf der Grundlage des Klagevorbringens zu untersuchenden Sachverhalts. Denn sie stand in engem tatsächlichem und rechtlichem Zusammenhang mit dem von D. erhobenen Vertragsanspruch (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1995, aaO). Ein Verstoß gegen § 32 KWG aF lag in dem Streitfall überdies nach dem vorgetragenen Sachverhalt nahe, weil bei der Vertragspartnerin des Klägers als mit Vermögensbetreuung befasster GmbH, die Zahlungen ihrer Vertragspartner über ein Treuhandkonto ihres Geschäftsführers entgegennahm, eine bankrechtliche Erlaubnis nicht ohne weiteres zu erwarten war und keine der Parteien die Erteilung einer solchen Erlaubnis vorgetragen hatte.

16 dd) Vor diesem Hintergrund mussten die Gerichte des Vorprozesses ohne Rücksicht auf die von D. für sein Klagebegehren gegebene rechtliche Begründung auch rechtliche Gesichtspunkte untersuchen, die nach dem vorgetragenen Sachverhalt das Klagebegehren gemäß § 823 Abs. 2, § 32 KWG aF tragen konnten. Nicht nötig ist es, dass der Kläger den rechtlichen Gesichtspunkt bezeichnet, unter dem sein Sachvortrag den Klageantrag stützt. Die Subsumtion des vorgetragenen Sachverhalts unter die in Betracht kommenden gesetzlichen Tatbestände ist vielmehr Sache des Gerichts (BGH, Urteil vom 20. März 1997 - IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 149; vom 17. März 1994 - IX ZR 102/93, NJW 1994, 1656, 1657 aE; vom 21. Juni 1999 - II ZR 47/98, NJW 1999, 2817 f). Das Gebot zur rechtlichen Prüfung des Sachverhalts von Amts wegen verletzt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht die Pflicht zur Unparteilichkeit der Gerichte, weil eine umfassende Rechtsprüfung den anerkennenswerten Interessen aller Verfahrensbeteiligter dient.

17 (1) In dem Vorprozess hatte D. einen auf die Vereinbarung vom 6. Juni 2000 gestützten vertraglichen Anspruch gegen den Kläger verfolgt. Dieser Anspruch konnte nur bestehen, wenn dem Vertrag vom 6. Juni 2000 keine Gültigkeitsmängel anhafteten und er nicht durch die - ihrerseits wirksame - Vereinbarung vom 8. Juni 2000 modifiziert worden war. Deshalb mussten die mit dem Vorprozess befassten Gerichte ungeachtet des Parteivorbringens und insbesondere der Echtheit der Vereinbarung vom 8. Juni 2000 im Blick auf beide Abreden etwaigen sich aus Verstößen gegen Normen zur Regelung des Kreditwesens in Zusammenhang mit § 134 BGB ergebenden Nichtigkeitsgründen nachgehen (vgl. MünchKomm-BGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 134 Rn. 69; Staudinger/Sack, BGB, 2003, § 134 Rn. 258; PWW/Ahrens, BGB, 7. Aufl., § 134 Rn. 48 jeweils mwN). Sofern Verstöße gegen Vorschriften des Kreditwesens die Wirksamkeit des Vertrages unberührt ließen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - IX ZR 297/95, NJW 1997, 1435, 1436; vom 21. April 2005, aaO), waren mögliche Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG aF in Betracht zu ziehen. Gleiches galt, wenn beide vertraglichen Abreden wirksam waren, aber die spätere Vereinbarung nach ihrem Inhalt etwaige Ersatzpflichten des Klägers abänderte.

18 (2) Die Gerichte des Vorprozesses konnten derartige Ansprüche entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht wegen eines offensichtlich unzutreffenden Klagevorbringens zu Options- und Termingeschäften außer Acht lassen. Die Gerichte haben die Parteien gemäß § 139 Abs. 1 ZPO auf bislang nicht beachtete Anspruchsgrundlagen hinzuweisen, die in ihrem Sachvortrag wenigstens andeutungsweise enthalten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2003 - V ZB 22/03, BGHZ 156, 269, 272; Urteil vom 9. Oktober 2003 - I ZR 17/01, NJW-RR 2004, 495, 496). Darum hätten die Gerichte des Vorprozesses D. auf rechtliche Gesichtspunkte, die jedoch den geltend gemachten vertraglichen Ansprüchen entgegenstanden, neben ihnen oder an ihrer Stelle gesetzliche Ansprüche nahelegten, hinweisen müssen (vgl. MünchKomm-ZPO/Wag-ner, 3. Aufl., § 139 Rn. 33; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 139 Rn. 18). Falls ein Verstoß gegen Vorschriften des Kreditwesens wie § 32 KWG aF die Wirksamkeit des Vertrages unberührt ließ, konnte aus einem solchen Verstoß iVm § 823 Abs. 2 BGB ein Schadensersatzanspruch folgen, der wirtschaftlich zum selben Ergebnis wie die Vertragsnichtigkeit führt (vgl. OLG Schleswig, VuR 2002, 445, 447). Auch auf diesen Zusammenhang hätten die Gerichte die Parteien hinweisen müssen. Bei dieser Sachlage waren die Gerichte des Vorprozesses ungeachtet eines Parteivorbringens von Amts wegen gehalten, etwaige aus Verstößen gegen Vorschriften über das Kreditwesen sich ergebende Rechtsfolgen in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen.
19 b) Abgesehen von der Amtspflicht zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG aF hatte D. in dem Vorprozess nachträglich von sich aus mehrfach ausdrücklich auf einer Fehlberatung über Risiken der Anlage beruhende Ansprüche in das Verfahren eingeführt. Die Ansprüche aus dem dadurch im Wege der Klagehäufung eingeführten weiteren Streitgegenstand (§ 260 ZPO) einer Vertragsverletzung waren in dem Vorprozess infolge einer fingierten Einwilligung (§§ 263, 267 ZPO) durch den Kläger als damaligen Prozessgegner ebenfalls zu untersuchen.

20 aa) In dem Vorprozess hatte sich - wie die Revision zutreffend rügt -D. , nachdem bereits der Erstrichter bank- und börsenrechtliche Aspekte erörtert hatte, neben vertraglichen Ansprüchen namentlich auch auf etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Kläger berufen. Insoweit hatte D. vor allem bemängelt, von dem Kläger über die Risiken der Anlage nicht hinreichend aufgeklärt worden zu sein. Diesen Vortrag hat er nach Abweisung seiner Klage in der Berufungsbegründung im einzelnen wiederholt.

21 bb) Zum Klagegrund können nicht alle Tatsachen gerechnet werden, die das konkrete Rechtsschutzbegehren objektiv zu stützen geeignet, im Vortrag des Klägers aber nicht einmal im Ansatz angedeutet sind und von seinem Standpunkt aus auch nicht vorgetragen werden mussten (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 6).

22 (1) Kommen Ansprüche aus Vertrag oder einer Vertragsverletzung in Betracht, bleibt dem Kläger vorbehalten, ob er beide Ansprüche oder nur einen von ihnen verfolgt. In einer solchen Konstellation sind unterschiedliche Lebenssachverhalte berührt. Folglich handelt es sich um selbständige Streitgegenstände, wenn neben einem vertraglichen Anspruch ein auf eine schuldhafte Vertragsverletzung gestützter Anspruch geltend gemacht wird (BGH, Urteil vom 15. Januar 2001 - II ZR 48/99, NJW 2001, 1210, 1211).

23 (2) In dieser Weise verhielt es sich in dem Vorprozess. Dort hatte D. zunächst einen Anspruch aus Vertrag und nachträglich unter Berufung auf eine Fehlberatung vertragliche Schadensersatzansprüche zur Prüfung gestellt, so dass der Vorprozess zwei Streitgegenstände umfasste. Die in der Geltendmachung auch des vertraglichen Schadensersatzanspruchs liegende objektive Klagehäufung (§ 260 ZPO) bildete eine Änderung des Streitgegenstandes, die im Falle der Einwilligung durch den Gegner oder ihrer Sachdienlichkeit zulässig ist (§ 263 ZPO). Die Einwilligung des Gegners kann gemäß § 267 ZPO stillschweigend erteilt werden, indem er sich rügelos auf die geänderte Klage einlässt. Da der Kläger in dem Vorprozess nach Erweiterung des Klagebegehrens durch D. ohne vorherige schriftsätzliche Beanstandung in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Abweisung der Klage gestellt hatte, war seine Einwilligung unwiderleglich zu vermuten.

24 cc) Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Klage war es ohne Bedeutung, ob der maßgebende Lebenssachverhalt im Blick auf Schadensersatzansprüche vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig oder sub-stanziiert dargelegt wurde. Vielmehr war es ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar war (BGH, Urteil vom 18. Juli 2000 - X ZR 62/98, NJW 2000, 3492, 3493; Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639, 640; Urteil vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 127/03, NJW-RR 2005, 216; Beschluss vom 7. April 2009 - KZR 42/08, GRUR-RR 2009, 319). Dieser Voraussetzung war genügt, weil D. in dem Vorprozess eine ordnungsgemäße Aufklärung über die Risiken der ihm empfohlenen Anlage beanstandet hatte. Sofern der Sachvortrag im Blick auf die geltend gemachten Schadensersatzansprüche inhaltlich unzureichend war, hätten die Gerichte des Vorprozesses einen prozessleitenden Hinweis (§ 139 Abs. 1 ZPO) erteilen müssen, um die gebotene Substanziierung zu ermöglichen. Sie durften entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein als rechtlich unzutreffend gewertetes tatsächliches Vorbringen nicht ohne Unterrichtung der Partei einfach beiseitelassen. Überdies hat das Berufungsgericht, welches Vorbringen zu Options- und Terminsgeschäften als offensichtlich unzutreffend eingestuft hat, nicht bedacht, dass sich D. tatsächlich insbesondere auf Aufklärungsmängel berufen hatte.

25 2. Der das allgemeine Schadensrecht (§ 249 Abs. 1 BGB) beherrschende normative Schadensbegriff schließt einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus, wenn er in dem Vorprozess seinem Gegner D. zwar nicht - wie das mit dem Verfahren befasste Gericht angenommen hatte - aus Vertrag, sondern aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG aF oder wegen einer vertraglichen Aufklärungspflichtverletzung zur Zahlung verpflichtet war.

26 a) Um die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts für den geltend gemachten Schaden festzustellen, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten. Ist im Haftpflichtprozess die Frage, ob dem Mandanten durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Rechtsanwalts ein Schaden entstanden ist, vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängig, muss das Regressgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre (
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, WM 2009, 324 Rn. 16).

27 b) Dabei ist von dem normativen Schadensbegriff auszugehen.

28 aa) Ein Geschädigter soll grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil. Durch eine fiktive Entscheidung, die gerade mit diesem Inhalt nicht hätte ergehen dürfen, wird kein schutzwürdiger Besitzstand begründet (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 34/04, WM 2008, 41 Rn. 21). Bei wertender Betrachtung kann nämlich der Verlust eines Rechtsstreits nicht als Schaden im Rechtssinne angesehen werden, wenn sich im Anwaltshaftungsprozess herausstellt, dass die unterlegene Partei den Vorprozess materiell-rechtlich zu Recht verloren hat, dieser also nach Auffassung des mit dem Anwaltshaftungsprozess befassten Gerichts im Ergebnis richtig entschieden worden ist. Der Umstand, dass die Partei bei sachgerechter Vertretung durch ihren Anwalt den Vorprozess gewonnen hätte, rechtfertigt es nicht, der Partei im Regressprozess gegen ihren Prozessbevollmächtigten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf den sie nach materiellem Recht keinen Anspruch hatte. Auf diesen Fall trifft die Regel nicht zu, dass ein Schaden bereits dann bejaht werden kann, wenn die Partei einen Prozess verloren hat, den sie bei sachgemäßer Vertretung gewonnen hätte (BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 - IX ZR 94/86, ZIP 1987, 1393, 1395 f).

29 bb) Nach diesen Maßstäben musste das Berufungsgericht in eine umfassende Prüfung eintreten, ob der Kläger in dem Vorprozess aus von den angerufenen Gerichten nicht erörterten rechtlichen Gründen unterlegen wäre.

30 (1) Der normative Schadensbegriff, der eine rechtliche Endergebnisbetrachtung verlangt, gebietet, den in dem Vorprozess unterbreiteten Sachverhalt einer umfassenden rechtlichen Prüfung nach allen denkbaren Richtungen zu unterziehen. Erhebt der in einem Vorprozess verurteilte Beklagte gegen seinen Anwalt Ersatzansprüche, hat das Regressgericht zu untersuchen, ob die in dem Vorprozess aus einem bei zutreffender rechtlicher Würdigung nicht durchgreifenden rechtlichen Gesichtspunkt zugesprochene Klageforderung gleichwohl aus einem anderen Rechtsgrund begründet war. Wurde zu Unrecht ein vertraglicher Anspruch zuerkannt, muss das Regressgericht also prüfen, ob im Falle der Unwirksamkeit des Vertrages etwa insbesondere Ansprüche aus Delikt oder ungerechtfertigter Bereicherung das Klagebegehren trugen. Macht demgegenüber der in dem Vorprozess unterlegene Kläger unter Berufung auf eine fehlerhafte Prozessführung Ersatzansprüche gegen seinen Anwalt geltend, ist zu untersuchen, ob die Klage trotz der Pflichtwidrigkeit des Anwalts ohnehin unbegründet war. Diese Prüfung kann ergeben, dass ein zu Unrecht mangels Nachweis einer Einigung versagter Vertragsanspruch tatsächlich an einem Formmangel oder der Ausübung eines Gestaltungsrechts scheiterte oder einer rechtsirrig bereits dem Grunde nach abgelehnten Schadensersatzforderung ein Haftungsausschluss oder ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Klägers (§ 254 Abs. 1 BGB) entgegenstand.

31 (2) Die in dem Vorprozess obsiegende Partei hatte wegen der ihr günstigen Rechtsauffassung des entscheidenden Gerichts regelmäßig keinen Anlass, ihrerseits je nach ihrer Prozessrolle zu etwaigen weiteren Anspruchsgrundlagen oder Gegenrechten vorzutragen. Auf der Grundlage des § 287 ZPO, der für die Beurteilung gilt, wie der Vorprozess richtigerweise entschieden worden wäre (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 - IX ZR 27/04, BGHZ 163, 223, 227), ist davon auszugehen, dass der Gegner des Vorprozesses nach Unterrichtung über einen nicht durchgreifenden ihm günstigen rechtlichen Gesichtspunkt nach ordnungsgemäßer Beratung durch seinen Bevollmächtigten sämtliche weiteren ihm eröffneten rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Rechtsposition genutzt hätte. Deshalb kann sich der Anwalt, der in dem Regressverfahren an die Stelle des Prozessgegners seiner Partei rückt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 232/03, Rn. 7), zur Vermeidung seiner Haftung auch auf rechtliche Gesichtspunkte stützen, die in dem Vorprozess überhaupt nicht angesprochen wurden. Gleiches folgt aus der Erwägung, dass ein Schaden im Rechtssinne selbst dann ausscheidet, wenn der Regresskläger bei zutreffender Beratung den Vorprozess gewonnen hätte, sich aber nachträglich herausstellt, dass er den Prozess materiell-rechtlich zu Recht verloren hat (BGH, Urteil vom 2. Juli 1987, aaO). Darum kann dem in Rückgriff genommenen Rechtsanwalt aus Gründen materieller Gerechtigkeit nicht verwehrt werden, sich darauf zu berufen, dass das geltend gemachte, von ihm anwaltlich vertretene Klagebegehren wegen einer etwa erst nachträglich entdeckten Täuschung unbegründet war. Bei dieser Sachlage besteht im Streitfall kein Hinderungsgrund, in eine Prüfung einzutreten, ob der Kläger in dem Vorprozess nach Maßgabe von § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG aF oder eines Aufklärungsmangels ohnehin unterlegen wäre.

III.
32 Auf die begründete Revision des Beklagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nach ergänzendem Vortrag der Parteien darüber zu befinden haben, ob D. als Kläger des Vorprozesses auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG aF (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. April 2005 - III ZR 238/03, WM 2005, 1217) oder einer vertraglichen Aufklärungspflichtverletzung Schadensersatzansprüche gegen den Kläger des hiesigen Verfahrens zustanden.