IZPR: Deliktische Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3
EuGVO (Brüssel I-VO) am Tatort auch für die Klage gegen den Teilnehmer
(Vorlagebeschluss an den EuGH)
BGH, Beschluss vom 28. Juni 2012 - I ZR 35/11
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur
Auslegung des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L
12 vom 16. Januar 2001, S. 1) folgende Frage zur Vorabentscheidung
vorgelegt:
Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) 44/2001 dahin auszulegen, dass das
schädigende Ereignis in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) eingetreten
ist, wenn die unerlaubte Handlung, die Gegenstand des Verfahrens ist oder
aus der Ansprüche abgeleitet werden, in einem anderen Mitgliedstaat
(Mitgliedstaat B) begangen ist und in der Teilnahme an der im erstgenannten
Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) erfolgten unerlaubten Handlung (Haupttat)
besteht?
Gründe:
1 I. Der Kläger ist Fotograf. Die
Beklagte betreibt in Nizza das „Hi Hotel".
Im Februar 2003 fertigte der Kläger im Auftrag der Beklagten 25 Dias mit
Innenansichten verschiedener Räume des Hotels. Er räumte der
Beklagten jedenfalls das Recht zur Nutzung der Fotografien in
Werbeprospekten und auf ihrer Internetseite ein. Eine schriftliche
Vereinbarung über die Einräumung von Nutzungsrechten gibt es nicht. Ende
Februar 2003 stellte der Kläger der Beklagten mit der Bemerkung „include the
rights - only for the hotel hi" 2.500 € für 25 Fotoaufnahmen in Rechnung.
Die Beklagte zahlte diesen Betrag. Sie verwendete die Lichtbilder in
Prospekten und auf ihrer Homepage.
2 Im Jahr 2008 bemerkte der Kläger in einer Buchhandlung in Köln den im
Phaidon-Verlag mit Sitz in Berlin erschienenen Fotoband „Innenarchitektur
weltweit", der Abbildungen von neun seiner Innenaufnahmen des „Hi Hotels"
enthält. Die Fotografien sind auch in anderen Bildbänden, darunter dem im
Taschen-Verlag mit Sitz in Köln erschienenen Band „Architecture in France",
veröffentlicht.
3 Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe durch die Weitergabe
der Fotografien an Dritte wie den Phaidon-Verlag seine urheberrechtlich
geschützten Rechte an den Fotografien verletzt. Er habe der
Beklagten allein das Recht eingeräumt, die Fotografien zur Werbung für ihr
Hotel in Prospekten und im Internet zu nutzen.
4 Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung, Feststellung ihrer
Schadensersatzpflicht und Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Nachdem
die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits Auskunft erteilt hat, hat der Kläger
die Auskunftsanträge für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der
Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
5 Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu
unterlassen, die von ihm überlassenen Fotografien, nämlich neun
Innenaufnahmen des „Hi Hotels" gemäß der Anlage K 1, ohne seine vorherige
Zustimmung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu vervielfältigen oder
vervielfältigen zu lassen, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen oder
auszustellen oder ausstellen zu lassen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen Schaden zu
ersetzen, der ihm aus den im Antrag zu 1 genannten Handlungen entstanden ist
und noch entstehen wird;
3. festzustellen, dass die zunächst gestellten Auskunftsanträge in der
Hauptsache erledigt sind.
6 Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, der
Phaidon-Verlag habe auch einen Sitz in Paris. Ihrem Hoteldirektor sei es
nicht verwehrt gewesen, die Bilder einem französischen Verlag zur Verfügung
zu stellen. Es entziehe sich ihrer Kenntnis, ob dieser Verlag die Bilder an
seine deutsche Schwestergesellschaft weitergegeben habe.
7 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist ohne Erfolg
geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren
Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf
Klageabweisung weiter.
8 II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 der
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit
und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG Nr. L 12 vom 16. Januar 2001,
S. 1 - nachfolgend
Brüssel-I-VO) ab. Vor der Entscheidung über das
Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1
Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der
Europäischen Union einzuholen.
9 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die vom Kläger geltend gemachten
Ansprüche auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht seien
nach § 97 UrhG begründet; dem Kläger hätten auch die zunächst erhobenen
Ansprüche auf Auskunftserteilung zugestanden. Dazu hat es ausgeführt:
10 Da der Kläger für die Fotografien urheberrechtlichen Schutz in
Deutschland beanspruche, sei nach dem Schutzlandprinzip für das Bestehen und
den Umfang der Rechte sowie den Tatbestand der Rechtsverletzung deutsches
Recht zugrunde zu legen. Die Fotografien seien jedenfalls als Lichtbilder
gemäß § 72 Abs. 1 UrhG urheberrechtlich geschützt. Der Kläger habe die
Bilder selbst angefertigt und sei daher deren Urheber. Die Beklagte sei
hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche passivlegitimiert, weil sie die
Bilder weitergegeben habe. Die Frage, ob sie auch ohne ausdrückliche
Gestattung des Klägers befugt gewesen sei, Dritten das Recht zur eigenen
Nutzung der Lichtbilder einzuräumen, sei nach deutschem Urheberrecht zu
beurteilen. Gemäß Art. 28 EGBGB aF sei zwar grundsätzlich französisches
Recht anzuwenden, weil der Vertrag mit Frankreich engere Verbindungen als
mit Deutschland aufweise. Gleichwohl sei die Übertragungszweckregel des § 31
Abs. 5 UrhG anwendbar, da sie den Sachverhalt im Sinne des Art. 34 EGBGB aF
unabhängig vom auf den Vertrag anzuwendenden Recht zwingend regele. Bei
Anwendung der Übertragungszweckregel könne kein Zweifel bestehen, dass der
Kläger der Beklagten nicht das Recht eingeräumt habe, die Bilder in
Bildbänden zu verwenden, die nicht der Bewerbung des Hotels dienten, oder
sie Dritten für eine solche Verwendung zu überlassen. Die Ansprüche auf
Unterlassung und Schadensersatz seien nicht verjährt. Das für den
Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden der Beklagten liege vor.
11 2. Die deutschen Gerichte können über die vom Kläger geltend
gemachten Ansprüche nur dann sachlich entscheiden, wenn sie dafür
international zuständig sind. Die internationale Zuständigkeit deutscher
Gerichte kann sich im Streitfall allein aus Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO
ergeben.
12 a) Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 1
Buchst. a Brüssel-I-VO besteht nicht. Nach dieser Regelung kann eine Person,
die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, wenn ein
Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens
bilden, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt
werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
Der Kläger nimmt die Beklagte nicht wegen Vertragsverletzung,
sondern wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch. Zudem liegt der
Erfüllungsort nicht in Deutschland, sondern in Frankreich.
13 b) Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art.
24 Brüssel-I-VO scheidet gleichfalls aus. Nach dieser Bestimmung
wird ein Gericht zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren
einlässt, ohne den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen. Die Beklagte
hat die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts bereits mit dem ersten
Verteidigungsvorbringen ausdrücklich gerügt.
14 3. Nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor
dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten
ist oder einzutreten droht, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung,
eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder Ansprüche
aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden.
15 a) Die beklagte Gesellschaft hat ihren Wohnsitz im Sinne der Verordnung
in Frankreich. Gesellschaften haben gemäß Art. 60 Abs. 1 Buchst. a
Brüssel-IVO für die Anwendung der Verordnung ihren Wohnsitz am Ort ihres
satzungsmäßigen Sitzes. Der satzungsmäßige Sitz der Beklagten ist Nizza.
16 b) Zu den unerlaubten Handlungen im Sinne von Art. 5 Nr. 3
Brüssel-IVO zählen auch Urheberrechtsverletzungen. Gegenstand des
Verfahrens sind Ansprüche auf Unterlassung, Feststellung der
Schadensersatzpflicht und Auskunftserteilung wegen Verletzung
urheberrechtlich geschützter Rechte des Klägers.
17 c) Für die internationale Zuständigkeit der nationalen Gerichte
kommt es grundsätzlich nur darauf an, ob der Kläger schlüssig vorgetragen
hat, dass im Inland ein im Sinne des Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO schädigendes
Ereignis eingetreten ist. Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis
eingetreten ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom
zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist
(vgl. EuGH, Urteil vom 19. April 2012 - C-523/10, GRUR 2012, 654
Rn. 26 - Wintersteiger/Products 4U; BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - XI ZR
57/08, ZIP 2010, 2004 Rn. 19; zum gleichlautenden Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ BGH,
Urteil vom 15. Februar 2007 - I ZR 114/04, BGHZ 171, 151 Rn. 17 -
Wagenfeld-Leuchte, mwN).
18 aa) Nach dem Vorbringen des Klägers ist sein urheberrechtlich geschütztes
Recht an den Lichtbildern dadurch in Deutschland verletzt worden, dass der
in Berlin ansässige Phaidon-Verlag diese Lichtbilder in seinem Fotoband
„Innenarchitektur weltweit" über eine Buchhandlung in Köln verbreitet hat (§
17 Abs. 1 UrhG). Zu weiteren Verletzungen seines Rechts im Inland hat der
Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Insbesondere lässt sich seinem
Vorbringen nicht entnehmen, durch welche konkreten Handlungen sein Recht zur
Vervielfältigung (§ 16 Abs. 1 UrhG) oder Ausstellung (§ 18 UrhG) der
Fotografien im Inland verletzt sein könnte oder andere Verlage in sein Recht
zur Verbreitung der Fotografien in Deutschland eingegriffen haben könnten.
19 Der Kläger hat im Blick auf die Veröffentlichung seiner Fotografien im
Fotoband des in Berlin ansässigen Phaidon-Verlages behauptet, die Beklagte
habe die Fotografien an den Phaidon-Verlag weitergegeben. Die Beklagte hat
daraufhin vorgetragen, der Phaidon-Verlag habe auch einen Sitz in Paris.
Ihrem Hoteldirektor sei es nicht verwehrt gewesen, die Bilder einem
französischen Verlag zur Verfügung zu stellen. Es entziehe sich ihrer
Kenntnis, ob dieser Verlag die Bilder an seine deutsche
Schwestergesellschaft weitergegeben habe. Der Kläger ist dem nicht
entgegengetreten und hat insbesondere nicht dargelegt, dass die Beklagte die
Fotografien nicht dem Phaidon-Verlag in Paris, sondern dem Phaidon-Verlag in
Berlin ausgehändigt hat. Für die rechtliche Nachprüfung in der
Revisionsinstanz ist daher davon auszugehen, dass er sich das Vorbringen der
Beklagten, sie habe dem in Paris ansässigen Phaidon-Verlag die Lichtbilder
übergeben, zu eigen gemacht hat und behauptet, dieser Verlag habe die Bilder
an seine deutsche Schwestergesellschaft weitergegeben.
20 Folglich ist der Prüfung der internationalen Zuständigkeit deutscher
Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO der Vortrag des Klägers zugrunde zu
legen, dass der in Berlin ansässige Phaidon-Verlag die in Rede stehenden
Lichtbilder unbefugt im Inland verbreitet und die Beklagte dazu
durch Übergabe der Lichtbilder an den in Paris ansässigen Phaidon-Verlag
Hilfe geleistet hat.
21 bb) Nicht als geklärt angesehen werden kann, ob ein schädigendes Ereignis
im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat
A) eingetreten ist, wenn die unerlaubte Handlung, die Gegenstand des
Verfahrens ist oder aus der Ansprüche hergeleitet werden, in einem anderen
Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) begangen worden ist (vorliegend die Übergabe
der Lichtbilder in Frankreich an den in Paris ansässigen Phaidon-Verlag
durch die Beklagte) und in der Teilnahme an der im erstgenannten
Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) erfolgten unerlaubten Handlung des
Haupttäters (hier die Verbreitung der Lichtbilder in Deutschland durch den
in Berlin ansässigen Phaidon-Verlag) besteht.
22 (1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union zu Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO bezeichnet der Ort, an dem das
schädigende Ereignis eingetreten ist, sowohl den Ort des für den Schaden
ursächlichen Geschehens als auch den Ort der Verwirklichung des
Schadenserfolgs (vgl. EuGH, Urteil vom 7. März 1995 - C-68/93, Slg.
1995, I-415 = GRUR Int. 1998, 298 Rn. 20 f. - Shevill;
EuGH, GRUR 2012, 300 Rn.
41 - eDate Advertising/X und Martinez/MGN).
23 Im vorliegenden Revisionsverfahren ist nach dem Vortrag des Klägers davon
auszugehen, dass der in Berlin ansässige Phaidon-Verlag die in Rede
stehenden Lichtbilder unbefugt in Deutschland verbreitet hat und
Handlungsund Erfolgsort insoweit in Deutschland liegen.
24 Kommt es für die Anwendung des Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO auf den
Handlungs- und Erfolgsort an, ist zu erwägen, ob am Handlungs- oder
Erfolgsort der Haupttat zugleich auch ein Handlungs- oder Erfolgsort der
Verletzungshandlung eines Teilnehmers begründet ist (vgl. österr.
OGH, Beschluss vom 8. Juli 2003 - 4 Ob 122/03z, ZfRV 2003, 226; OLG
Frankfurt, ZIP 2006, 2385, 2386 f.; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., Art. 5
EuGVVO Rn. 22; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl.,
Art. 5 EuGVVO Rn. 236; Kropholler/ v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht,
9. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 83b; Stein/ Jonas/Wagner, ZPO, 22. Aufl., Art. 5
EuGVVO Rn. 153; Simotta in Fasching/ Konecny, Kommentar zu den
Zivilprozessgesetzen, Wien 2008, Art. 5 EuGVVO Rn. 297; Heinze,
Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Immaterialgüterrecht, 2007, S.
226; aA Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 20a;
Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 2011, Art.
5 Brüssel-I-VO Rn. 88f; Weller, IPRax 2000, 202, 205; vgl. auch
Vorabentscheidungsersuchen LG Düsseldorf, Beschluss vom 29. April 2011 - 15
O 601/09, RIW 2011, 810, anhängig beim EuGH unter C-228/11). Da
einem Teilnehmer die Verletzungshandlungen des Haupttäters zuzurechnen sind,
könnte für die Frage, wo die Verletzungshandlung des Teilnehmers begangen
ist, auch der Handlungsort der Haupttat maßgeblich sein.
Dementsprechend hat der österreichische Oberste Gerichtshof die
internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für eine Klage
gegen ein italienisches Unternehmen bejaht, das durch den Verkauf
markenrechtsverletzender Waren in Italien an österreichische Händler eine
Beihilfe zu einem Markenrechtseingriff der Händler in Österreich geleistet
hat (OGH, ZfRV 2003, 226).
25 Im vorliegenden Fall ist das Urheberrecht nach dem Vortrag des Klägers
durch den in Berlin ansässigen Phaidon-Verlag in Deutschland verletzt
worden. Handlungs- und Erfolgsort liegen insoweit im Inland. Ist der
Beklagten als Teilnehmerin diese Verletzungshandlung auch im Rahmen des Art.
5 Nr. 3 Brüssel-I-VO zuzurechnen, wäre die internationale Zuständigkeit
deutscher Gerichte vorliegend begründet.
26 Kommt es für die Anwendung des Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO auch auf
den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs an (Erfolgsort), kommt in
Betracht, den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs durch den
Haupttäter zugleich als den Ort anzusehen, an dem der Schadenserfolg der
Teilnahmehandlung eingetreten ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 15.
November 2011 - XI ZR 54/09, BKR 2012, 78 Rn. 31 ff.). Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union liegt Art. 5 Nr. 3
EuGVÜ - Gleiches gilt für Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO - das Ziel der
Verwirklichung einer geordneten Rechtspflege zugrunde. Danach ist das
Gericht jedes Mitgliedstaates, in dem die Verletzungshandlung erfolgt ist,
örtlich am besten geeignet, um die in diesem Staat erfolgte Handlung zu
beurteilen und den Umfang des entsprechenden Schadens zu bestimmen (vgl.
EuGH, NJW 1995, 1881 Rn. 31 - Shevill). Dieser Gedanke ist nach
Ansicht des Senats auch auf die Zuständigkeit der nationalen Gerichte nach
Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO wegen Verletzung eines Urheberrechts übertragbar.
Vor diesem Hintergrund besteht aus Sicht des Senats ein
beachtenswertes Interesse, die Zuständigkeit des nationalen Gerichts nach
Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO nicht auf Ansprüche gegen den Haupttäter zu
beschränken, sondern auch die Handlungen eines Gehilfen zu erfassen, dessen
Tatbeitrag zur Verwirklichung des Schadenserfolgs im Inland beigetragen hat.
27 (2) Gegen die Annahme einer internationalen Zuständigkeit deutscher
Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO spricht nicht das Rechtsinstitut der
Konsumtion. Es kann nicht angenommen werden, die Haftung der Beklagten als
Täterin einer etwaigen Urheberrechtsverletzung in Frankreich schließe ihre
Haftung als Teilnehmerin einer Urheberrechtsverletzung des Phaidon-Verlages
in Deutschland aus, weil die leichtere Begehungsform der Beihilfe durch die
schwerere der Haupttat konsumiert werde.
28 Das Rechtsinstitut der Konsumtion entstammt dem Strafrecht und stellt
einen Unterfall der Gesetzeseinheit dar. Der Konsumtion unterfallen mit
abgegoltene Begleit-, Vor- oder Nachtaten, deren Unrechts- und Schuldgehalt
durch die Bestrafung der Haupttat ausgeglichen ist, etwa weil die
Tatbestandsverwirklichung der Begleittat regelmäßige Folge der Haupttat ist
(vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1955 - 2 StR 146/55, BGHSt 8, 54; Beschluss
vom 23. April 2002 - 1 StR 95/02, NStZ-RR 2002, 235; Stree/Sternberg-Lieben
in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 104 und 124
ff.).
29 Das für den Schuldausspruch und die Strafzumessung bedeutsame
Rechtsinstitut der Konsumtion ist auf die Frage des Ortes der
Verletzungshandlung im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO nicht sinngemäß
übertragbar. Die Konsumtion beruht auf Erwägungen zum Unrechts- und
Schuldgehalt verschiedener Straftatbestände. Diesen liegt kein
verallgemeinerungsfähiges Prinzip des zivilrechtlichen Deliktsrechts
zugrunde.
30 Dagegen, dass die Teilnahme der Beklagten an einer
Urheberrechtsverletzung in Deutschland hinter einer Urheberrechtsverletzung
in Frankreich zurücktritt, sprechen auch die unterschiedlichen Rechtsfolgen,
die sich aus einer Urheberrechtsverletzung in Frankreich und der Teilnahme
an einer Urheberrechtsverletzung in Deutschland ergeben. Beteiligt sich die
Beklagte an einer Urheberrechtsverletzung in Deutschland, ist sie für den
aus dieser Urheberrechtsverletzung entstandenen Schaden mitverantwortlich.
Dieser wird häufig nicht deckungsgleich sein mit dem durch die
Urheberrechtsverletzung in Frankreich verursachten Schaden.
31 (3) Einer Anwendung des Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO auf denjenigen, der
Beihilfe zu einer im Inland begangenen Urheberrechtsverletzung geleistet
hat, steht aus Sicht des Senats nicht die Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und Art. 5 Nr. 3
Brüssel-I-VO entgegen, wonach die Gerichte jedes Mitgliedstaats regelmäßig
nur für die Entscheidung über diejenigen Schäden zuständig sind, die in
diesem Staat entstanden sind (vgl. EuGH, NJW 1995, 1881 Rn. 30 -
Shevill; GRUR
2012, 300 Rn. 51 -eDate Advertising/X und Martinez/MGN).
Daraus lässt sich nach Ansicht des Senats nicht der Schluss ziehen, dass
eine internationale Zuständigkeit eines nationalen Gerichts nach Art. 5 Nr.
3 Brüssel-I-VO nicht für die in einem anderen Mitgliedstaat begangene
Unterstützungshandlung eines Gehilfen an einer im Staat des Sitzes des
Gerichts durch den Haupttäter begangenen Urheberrechtsverletzung besteht.
Dagegen spricht zum einen, dass dem Gehilfen nach § 830 BGB der Tatbeitrag
des Täters zuzurechnen ist und daher auch der Gehilfe für den gesamten im
Inland entstandenen Schaden verantwortlich ist. Zum anderen steht dem die
Überlegung entgegen, dass der Gehilfe mit seinem Tatbeitrag die
Verwirklichung des Schadenserfolgs im Inland gefördert hat.
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