Ratenlieferungsverträge (Zeitschriftenabonnement) im Internet:
Bagatellgeschäfte und Schriftformerfordernis nach § 505 II BGB n.F.
BGH, Urt. v. 5. Februar
2004 - I ZR 90/01
Fundstelle:
NJW-RR 2004, 841
Amtl. Leitsatz:
Ratenlieferungsverträge nach § 505 BGB (hier: Zeitschriftenabonnements), bei
denen die bis zum frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt zu entrichtenden
Teilzahlungen 200 € nicht übersteigen, unterliegen nach § 505 Abs. 1 Satz 2
i.V. mit § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht dem Schriftformerfordernis des § 505
Abs. 2 Satz 1 BGB.
Zentrale Probleme:
Nach § 505 I S. 2 BGB
besteht bei Ratenlieferungsverträgen i.S.v. § 505 Nr. 1 - 3 BGB kein
Widerrufsrecht, wenn diese Verträge unterhalb der Bagatellgrenze von
insgesamt 200.- € liegen. Der BGH stellt hier klar, daß dieser Ausschluß
nicht nur für das Widerrufsrecht, sondern auch für das
Schriftformerfordernis des § 505 II S. 1 BGB gilt.
©sl 2004
Tatbestand:
Die Beklagte verlegt und vertreibt Zeitschriften. Im November 1999 warb sie
im Internet für den Abschluß von Abonnementverträgen über die von ihr
verlegte Zeitschrift "B. " und bot ein Probeabonnement für zwölf Wochen zum
"Kennenlern-Preis" von 36 DM an. Für den Fall, daß der Kunde keine
entgegenstehende Mitteilung machte, schloß sich daran ein reguläres
Abonnement über ein Jahr zu einem Preis von 68 DM für jeweils vier Monate
an, das nach Ablauf der Jahresfrist jederzeit kündbar war. Zudem sah die
Beklagte auf der Homepage für die Kunden die Möglichkeit vor, die
Zeitschrift mit einer formularisierten E-Mail zu abonnieren. Machte ein
Kunde von dieser Möglichkeit Gebrauch, sandte ihm die Beklagte ein
Bestätigungsschreiben zu, in dem sie den Beginn der Lieferung der
Zeitschrift ankündigte und ihn über die Laufzeit des Abonnements
informierte.
Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände
hat die Ansicht vertreten, ein solcher Vertrag über ein
Zeitschriftenabonnement sei wegen der fehlenden Einhaltung der nach den
Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes erforderlichen Schriftform
nichtig. Durch das Bestätigungsschreiben täusche die Beklagte den Abschluß
eines wirksamen Vertrages vor. Sie nutze die Rechtsunkenntnis der
Verbraucher aus und verstoße gegen § 1 UWG.
Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung -
beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs privaten Endverbrauchern gegenüber den
Abschluß eines Vertrages über die regelmäßige Lieferung der Zeitschrift "B.
" (52 Ausgaben im Jahr) für die Dauer eines Jahres nach Ablauf eines
Probeabonnements von zwölf Zeitschriften zu bestätigen, wenn die Bestellung
des Kunden ausschließlich durch Interneterklärung erfolgt.
Die Beklagte ist der Ansicht des Klägers zur Unwirksamkeit von
Zeitschriftenabonnementverträgen, die über das Internet abgeschlossen worden
sind, entgegengetreten. Sie hat zudem geltend gemacht, ein Verstoß gegen die
guten Sitten im Wettbewerb liege nicht vor, da eine Bestellung per E-Mail
zeitgemäß und nach allgemeiner Anschauung wirksam sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG München I ZUM 2000, 775). Die
Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (OLG
München NJW 2001, 2263).
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der
Kläger seinen Unterlassungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat den vom Kläger geltend gemachten
Unterlassungsanspruch nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im
Berufungsverfahren durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere
Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro
vom 27. Juni 2000 (BGBl. I S. 897) geänderten Rechtslage verneint. Zur
Begründung hat es ausgeführt:
Die Klage habe weder mit dem allgemeinen Unterlassungsantrag noch mit dem
darin als Minus enthaltenen, gegen die Bestätigung eines Vertragsschlusses
durch die Beklagte auf der Grundlage der konkreten Internetseite gerichteten
Antrag Erfolg. Zwar bedürften Zeitschriftenabonnementverträge nach § 2 Nr. 2
oder Nr. 3 VerbrKrG in der seit dem 1. Oktober 2000 geltenden Fassung
(VerbrKrG n.F., BGBl. I S. 940) i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG
grundsätzlich der Schriftform. Da § 2 VerbrKrG n.F. aber auch die
entsprechende Anwendung des § 8 VerbrKrG n.F. anordne, gelte die in dieser
Vorschrift geregelte Ausnahme vom Schriftformzwang unter den dort bestimmten
Voraussetzungen auch für Zeitschriftenabonnementverträge. Diese
Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Homepage der Beklagten
genüge den Anforderungen nach § 8 Abs. 1 VerbrKrG n.F. i.V. mit § 4 Abs. 1
Satz 4 Nr. 2 lit. a bis e VerbrKrG an die dem Verbraucher zu erteilenden
Informationen. Diese Informationen seien dem Verbraucher gemäß § 8 Abs. 1
VerbrKrG n.F. auch so rechtzeitig auf einem dauerhaften Datenträger zur
Verfügung gestellt worden, daß er sie vor dem Abschluß des Vertrages
eingehend habe zur Kenntnis nehmen können.
Nach § 361 a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. seien die Informationen dem Verbraucher
auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt, wenn sie ihm in
einer Urkunde oder in einer anderen lesbaren Form zugegangen seien, die ihm
für eine den Erfordernissen des Rechtsgeschäfts entsprechende Zeit die
inhaltlich unbeschränkte Wiedergabe erlaube. Die Anforderungen an einen
dauerhaften Datenträger seien nach dem Sinn der jeweiligen Bestimmung
auszulegen, in der dieser Begriff verwendet werde. Danach sei es für § 8
Abs. 1 VerbrKrG n.F. ausreichend, daß dem Verbraucher die dort genannten
Informationen lediglich in lesbarer Form so zur Verfügung stünden, daß er
die Angaben vor Abgabe eines auf den Abschluß des Vertrages gerichteten
Angebots eingehend zur Kenntnis nehmen könne; ihre Verfügbarkeit über den
Zeitpunkt der Abgabe des Angebots hinaus sei nicht erforderlich. Vielmehr
genüge die Darstellung der Informationen auf dem Bildschirm des
Verbrauchers, der die Homepage der Beklagten vor Abgabe seines
Vertragsangebotes aufrufe.
II. Die Revision hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht ein
Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG nicht zu.
1. Der Kläger ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG für den geltend gemachten
Anspruch aus § 1 UWG klagebefugt, da er in die Liste qualifizierter
Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.2003 -
I ZR 290/00, GRUR 2003, 622 = WRP 2003, 891 - Abonnementvertrag).
2. Bei der Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs
des Klägers ist zu berücksichtigen, daß sich die Rechtslage im Laufe des
Revisionsverfahrens infolge der Aufhebung des Verbraucherkreditgesetzes und
des Fernabsatzgesetzes durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts
vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) geändert hat (vgl. zur Änderung der
Rechtslage während des Verfahrens: BGH, Urt. v. 10.4.2003 - I ZR 291/00,
GRUR 2003, 890, 891 = WRP 2003, 1217 - Buchclub-Kopplungsangebot; Urt. v.
22.5.2003 - I ZR 8/01, GRUR 2003, 1057 = WRP 2003, 1428 -
Einkaufsgutschein).
Die beanstandete Werbung ist nicht unlauter i.S. von § 1 UWG, weil nach den
seit dem 1. Januar 2002 maßgeblichen Vorschriften des BGB, die an die Stelle
des Verbraucherkreditgesetzes und des Fernabsatzgesetzes getreten sind, die
von der Beklagten beworbenen Verträge für Zeitschriftenabonnements wegen der
sog. Bagatellklausel (§ 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB) nicht der Schriftform
bedürfen.
a) Zu den Ratenlieferungsverträgen zwischen einem Unternehmer und einem
Verbraucher gemäß § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB gehören auch
Zeitschriftenabonnementverträge (vgl. BGH, Urt. v. 11.4.2002 - I ZR
306/99, GRUR 2002, 720 f. = WRP 2002, 832 - Postfachanschrift). Nach §
505 Abs. 2 Satz 1 BGB bedürfen Ratenlieferungsverträge grundsätzlich der
schriftlichen Form, die - anders als bei Verbraucherdarlehensverträgen (vgl.
§ 492 Abs. 1 Satz 2 BGB) - gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische
Form (§ 126a BGB) ersetzt werden kann. Diese Formvorschrift gilt jedoch, wie
sich aus dem Verweis in § 505 Abs. 2 Satz 1 BGB auf § 505 Abs. 1 Satz 2 und
Satz 3 BGB und die dort in Bezug genommene Vorschrift des § 491 Abs. 2 Nr. 1
BGB ergibt, nicht, wenn die Summe aller vom Verbraucher bis zum
frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt zu entrichtenden Teilzahlungen 200 €
nicht übersteigt (Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl., § 505 Rdn. 10; Jauernig/Berger,
BGB, 10. Aufl., §§ 505, 506 Rdn. 3; vgl. zur Belehrung über das
Widerrufsrecht im Fall des § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB: BGH, Urt. v.
3.7.2003 - I ZR 270/01, GRUR 2003, 903, 904 = WRP 2003, 1138 - ABC der
Naturheilkunde). Für ein ansonsten strengeres Formerfordernis bei
Ratenlieferungsverträgen i.S. von § 505 BGB gegenüber
Verbraucherdarlehensverträgen nach §§ 491 ff. BGB fehlt jeder Anhalt im
Gesetz (vgl. auch: Stellungnahme des Bundesrates vom 13. Juli 2001 zum
Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks.
14/6857, Anlage 2, S. 35 Nr. 120 und Gegenäußerung der Bundesregierung vom
31. August 2001, Anlage 3, S. 66 Nr. 120).
Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vertretenen
Ansicht steht der Anwendung der Bagatellklausel des § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB
auf Ratenlieferungsverträge nach § 505 Abs. 1 BGB eine richtlinienkonforme
Auslegung aufgrund europarechtlicher Vorschriften nicht entgegen. Die
Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den
Verbraucherkredit (ABl. Nr. L 42 v. 12.2.1987, S. 48) findet nach ihrem Art.
2 Abs. 1 lit. f auf Kreditverträge über weniger als 200 € keine Anwendung
und sieht daher selbst eine dem § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB entsprechende
Bagatellgrenze vor.
Einer Anwendung der Vorschrift des § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf
Ratenlieferungsverträge steht die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei
Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. Nr. L 144 v. 4.6.1997, S. 19) nicht
entgegen.
Diese sieht ein Schriftformerfordernis für den Vertragsschluß nicht vor,
sondern regelt in Art. 5 nur die Bestätigung von Informationen gemäß Art. 4
Abs. 1 lit. a-f der Richtlinie in Schriftform oder auf einem dauerhaften
Datenträger. Einen Verstoß gegen die Unterrichtungspflichten gegenüber dem
Verbraucher bei Fernabsatzverträgen (Art. 5 Fernabsatzrichtlinie, § 312c BGB
i.V. mit der BGB-Informationspflichten-Verordnung) hat der Kläger im
Streitfall aber nicht geltend gemacht. Auch aus der Richtlinie 2000/31/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte
rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere
des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. Nr. L 178 v.
17.7.2000, S. 1) ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nichts für
eine Unanwendbarkeit der Bagatellgrenze des § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf
Ratenlieferungsverträge.
b) Nach dem zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalt betrug der Preis
für das nach Ablauf eines Jahres kündbare Abonnement für jeweils vier Monate
68 DM einschließlich Zustellungskosten. Dies macht für das gesamte
Jahresabonnement 204 DM (104,30 €) aus. Selbst wenn hierzu noch der Preis
von 36 DM (18,41 €) für das zwölfwöchige Probeabonnement hinzugerechnet
wird, wird wegen des dem Verbraucher nach Ablauf des Jahresabonnements
eingeräumten jederzeitigen Kündigungsrechts das Verpflichtungsvolumen von
200 € bis zum frühesten Kündigungszeitpunkt nicht überschritten.
III. Danach war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1
ZPO zurückzuweisen.
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