Mangelbedingter
Betriebsausfall als "einfacher" Schadensersatz "neben" der Leistung;
Abgrenzung zum Verzögerungsschaden
LG Krefeld, Urteil vom
24.09.2007, Az. 1 S 21/07
Fundstelle:
noch nicht bekannt
(Eigener)
Leitsatz:
Sofern der Verkäufer
bereits die Lieferung einer mangelhaften Sache i.S.v. § 276 BGB zu vertreten
hat (Verletzung der Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB) ist der Anspruch auf
Ersatz des Nutzungsausfallschadens aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB
verzugsunabhängig zu ersetzen.
Zentrale Probleme:
Eine "klausurmäßige" Problematik: Es geht um die
in der Literatur str. Qualifikation des
mangelbedingten Betriebsausfalls, d.h. um die Frage, ob der infolge der
Lieferung einer mangelhaften Sache bzw. Erbringung einer mangelhaften
Werkleistung durch die Gebrauchsuntauglichkeit des Gegenstandes eingetretene
Verlust als Verzögerungsschaden oder als "einfacher" Schadensersatz statt
der Leistung zu qualifizieren ist. Praktisch ist dies von erheblicher
Relevanz, weil im Fall einer Qualifikation als Verspätungsschaden der
Schaden, obwohl endgültig eingetreten, erst ab dem Zeitpunkt des
Verzugseintritts, d.h. im Regelfall einer Mahnung ersetzbar ist. Die
besseren dogmatischen wie teleologischen Gründe sprechen hier für eine
Qualifikation als "einfacher" Schadensersatz neben der Leistung. Dem folgt
auch das LG (ebenso bereits
OLG Hamm v. 23.2.2006 - 28 U
164/05). Eine Restfunktion bleibt dem Verzögerungsschaden freilich auch
hier vorbehalten: Hat der Verkäufer die Lieferung der mangelhaften Sache
nicht zu vertreten, kann Betriebsausfallschaden als weitere
Anspruchsgrundlage auf die Verzögerung der nach § 439 I BGB geschuldeten
Nacherfüllung gestützt werden. Dieser Schaden ist eindeutig
Verzögerungsschaden und damit nach § 280 I, II mit § 286 BGB nur unter der
weiteren Voraussetzung des Verzugs ersatzfähig, weil er nicht auf einer
Schlechtleistung, sondern auf einem vollständigen Ausbleiben der
geschuldeten Nacherfüllung beruht. Der mangelbedingte Betriebsausfall stellt
auch bei längerem Abwarten des Käufers keinen Verzögerungsschaden dar,
jedoch verstößt dieser durch das Abwarten gegen seine
Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 II, wenn es ihm zumutbar gewesen
wäre, vom Verkäufer rechtzeitig Nacherfüllung zu verlangen (s. dazu
Köhler/Lorenz PdW SchuldR II Fall 42). Auch dies
prüft das LG hier. S. jetzt auch
BGH NJW 2009, 2674.
©sl 2007
Entscjeidungsgründe:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Nutzungsausfallentschädigung für die
Zeit, in der sich sein Fahrzeug in der Werkstatt der Beklagten befand.
Der Kläger brachte am 16.01.2006 seinen am 05.04.2005 bei der Beklagten
gekauften Pkw, einen Alfa Romeo, mit einem Motorschaden zur Beklagten. Dort
wurde festgestellt, dass der Zahnriemen entgegen der Angabe im Serviceheft
am 04.04.2005 nicht ausgewechselt worden war. Der Kläger forderte die
Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 25.01.2006 auf, sich binnen einer Frist
von einer Woche zur Haftungsverpflichtung zu erklären. Mit Schreiben vom
27.01.2006 erklärte sich die Beklagte bereit, das Fahrzeug auf ihre Kosten
zu reparieren. Die Reparaturarbeiten dauerten bis zum 09.02.2006.
Wegen der weiteren Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den
festgestellten Tatbestand des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Kempen
vom 09.01.2007 Bezug genommen.
Das Amtsgericht Kempen hat der Klage am 09.01.2007 zum Teil stattgegeben und
die Beklagte verurteilt, an den Kläger € 750,00 als Nutzungsausfall für die
Zeit vom 26.01.2006 bis zum 09.02.2006 zu zahlen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Antrag auf
Klageabweisung weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Berufung
zurückzuweisen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der
Beklagten hat keinen Erfolg.
Das Amtsgericht Kempen hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht zur Zahlung
einer Nutzungsentschädigung verurteilt, die in der Höhe mit der Berufung
auch nicht angegriffen wird.
Dem Kläger steht der Anspruch auf Nutzungsausfall allerdings nicht aus
den §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 2, 286 BGB zu, denn insoweit fehlt es an einem
zur Begründung des Verspätungsschadens erforderlichen Verzugseintritt. Die
Beklagte befand sich mit der Nacherfüllung, d.h. mit der Reparatur des
Fahrzeugs, nicht bereits ab dem 26.01.2006 in Verzug. Der Kläger hat die
Beklagte weder zur Leistung aufgefordert noch war eine Mahnung gemäß § 286
Abs. 2 BGB hier entbehrlich. Eine den Verzugseintritt begründende Mahnung
ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auch nicht in dem Schreiben vom
25.01.2006 zu sehen. Denn darin wurde die Beklagte nicht zur Leistung, d.h.
zur Reparatur des Fahrzeugs aufgefordert, sondern von ihr wurde nur eine
Erklärung über deren “Haftungsverpflichtung” verlangt, mit der der Kläger
die Frage der Kostenübernahme für die Reparatur geklärt wissen wollte. Die
bloße Aufforderung, sich zur Leistungsbereitschaft zu erklären, stellt
jedoch keine Mahnung i.S.d. § 286 Abs. 1 BGB dar, die unmittelbar auf die
Aufforderung zur Leistung selbst gerichtet sein muss (vgl. Palandt/
Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 286 Rn. 17 m.w.N.). Eine Mahnung war auch nicht
gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich, da die Beklagte weder die Leistung
i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verweigert hat noch die übrigen Alternativen
des § 286 Abs. 2 BGB einschlägig sind.
Allerdings steht dem Kläger der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung
unabhängig von den Voraussetzungen des Verzugs hier aus §§ 437 Nr. 3, 280
Abs. 1 BGB zu. Zwar kann allein die bloße Lieferung einer mangelhaften Sache
einen Anspruch auf Nutzungsausfall nicht begründen. Etwas anderes muss
jedoch gelten, wenn der Verkäufer – was der Ausnahmefall sein dürfte
(vgl. Reinking/Eggert, Autokauf, 9. Aufl., 2005, Rn. 353) – die
Verletzung seiner Pflicht zur mangelfreien Lieferung gemäß § 276 BGB zu
vertreten hat (vgl. LG Aachen, Urteil v. 11.04.2003, 5 S 40/03, DAR
2003, 273; Lorenz, NJW 2002, 2503; Schubel, JuS 2002, 319; vgl. dagegen
OLG Hamm, Urteil v. 23.02.2006, 28 U 164/05
zum Anspruch auf Ersatz des bis zur Nachbesserung entstandenen
Nutzungsausfalls aufgrund einer Verzögerung). Dann haftet der Verkäufer
grundsätzlich nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB auch für einen
Nutzungsausfall, d.h. für den Schaden, der nicht gemäß den §§ 437 Nr. 3, 280
Abs. 3, 281 BGB auf die Beseitigung des Mangels und damit auf den
Schadensersatz statt der Leistung gerichtet ist (vgl. Palandt/
Heinrichs, BGB, 66. Aufl., Vor § 249 Rn. 21, § 280 Rn. 18; Palandt/
Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 437 Rn. 35; Reinking/Eggert, Autokauf, 9.
Aufl., 2005, Rn. 353).
Im vorliegenden Fall trifft die Beklagte ein solches Verschulden gemäß den
§§ 280 Abs. 1, 276 BGB. Denn der zwischen den Parteien geschlossene
Kaufvertrag bezog sich auch auf die Angaben im Serviceheft, welches dem
Kläger nach den Feststellungen des Amtsgerichts bei dem Kauf des Fahrzeugs
ausgehändigt worden ist. Darin war angegeben, dass der Zahnriemen einen Tag
vor Kauf des Fahrzeugs ausgewechselt worden war. Entgegen dieser Angabe war
der Zahnriemen jedoch unstreitig von der Beklagten nicht am 04.04.2005
erneuert worden, so dass dem Pkw insoweit die vereinbarte Beschaffenheit
fehlte. Für diesen Mangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Beklagte auch
gemäß § 276 BGB verantwortlich, da sie die Erneuerung des Zahnriemens –
anders als im Serviceheft vermerkt ist – unterlassen hat. Die Beklagte hat
insoweit auch keine sie gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB entlastenden Umstände
vorgetragen.
Da der Zahnriemen nicht von der Beklagten ausgetauscht worden ist, ist der
Schaden am Motor eingetreten. Dies ist von der Beklagten in erster Instanz
nicht bestritten worden. Ungeachtet der Frage, ob sich die Beklagte nunmehr
in der Berufungsinstanz substantiiert dagegen wendet, ist ihr Bestreiten
jedenfalls gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet und damit unbeachtlich.
Aufgrund des durch den Zahnriemen verursachten Motorschadens stand der Pkw
in der Zeit vom 16.01.2006 bis zum 09.02.2006 in der Werkstatt der
Beklagten, so dass ihn der Kläger in dieser Zeit nicht nutzen konnte.
Insoweit hält die Kammer einen Nutzungswillen des Klägers für den Zeitraum,
in welchem sich das Fahrzeug bei der Beklagten befunden hat, auch für
gegeben, insbesondere hat der Kläger hinreichend zu der Beeinträchtigung
durch die entfallene Nutzungsmöglichkeit und den erforderlichen
Nutzungswillen vorgetragen. Der Kläger hat nach Hinweis der Kammer
substantiiert dargetan, dass er das Fahrzeug im streitgegenständlichen
Zeitraum nicht nur für Einkaufsfahrten, sondern darüber hinaus insbesondere
für die Fahrten zu seiner Arbeitsstätte bei der Deutschen Bahn AG in Krefeld
hätte nutzen wollen. Zudem hat er durch eine Bescheinung seines Arbeitgebers
belegt, dass er im Januar bzw. Februar 2006 keinen Urlaub hatte. Diesem
Vortrag ist der Beklagte, der lediglich pauschal – ohne hinreichenden Bezug
zum Kläger – den Nutzungswillen des Klägers unter Hinweis auf etwaige
Ausschlussgründe (z.B. Zweitwagen) in Abrede stellt, nicht substantiiert
entgegengetreten.
Entgegen der Ansicht der Beklagten trifft den Kläger hier ersichtlich
auch kein Mitverschulden. Ein Mitverschulden kann insbesondere nicht darin
gesehen werden, dass der Kläger der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung
gesetzt hat. Denn bereits aus dem Umstand, dass der Kläger sein Fahrzeug in
die Werkstatt der Beklagten verbrachte, zeigt sich, dass dieser damit
ermöglicht werden sollte, ihrer Pflicht zur Nacherfüllung nachzukommen. Dass
die Beklagte zunächst weitere Erklärungen des Klägers abgewartet hat, bevor
sie mit der Reparatur des Fahrzeugs begann, geht allein zu ihren Lasten.
Nach alledem steht dem Kläger die vom Amtsgericht zugesprochene
Nutzungsentschädigung aus §§ 437 Nr. 3, 280 BGB zu. Die Berufung der
Beklagten hat demnach keinen Erfolg.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr.
10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Revision war deshalb
nicht zuzulassen. |