Rechtsmängelhaftung im Werkvertrag nach altem und nach neuem Schuldrecht – Schadensersatz statt der Leistung und Schadensersatz neben der Leistung


BGH, Urteil vom 13. Mai 2003 - X ZR 200/01


Fundstelle:

NJW-RR 2003, 1285


Amtl. Leitsatz:

Der Werkunternehmer hat auch ohne Nachfristsetzung für einen Vermögensschaden einzustehen, der dem Besteller eines unter Verletzung von Urheberrechten Dritter hergestellten Werbefilms zu dem Zeitpunkt, zu dem der Besteller den Unternehmer zur Beseitigung des Mangels hätte auffordern können, durch die Verbreitung des Werbefilms und die deshalb von dem Dritten geltend gemachten Ansprüche bereits entstanden ist.


Zentrale Probleme:

An dem noch nach „altem“ Werkvertragsrecht entschiedenen Fall lassen sich sehr gut einige grundlegende Änderungen des Werkvertragsrechts durch die Schuldrechtsreform sowie der Unterschied zwischen Schadensersatz „statt der Leistung“ und Schadensersatz „neben der Leistung“ aufzeigen. Der Beklagte war damit beauftragt, für den Kl. einen Werbespot zu produzieren. Dazu verwendete er Filmmusik unter Verletzung der Urheberrechte des Komponisten. Der Kl. wurde daher nach Ausstrahlung des Spots vom Komponisten erfolgreich gerichtlich auf Lizenzgebühren in Anspruch genommen, die er im vorliegenden Rechtsstreit im Wege des Schadensersatzes ersetzt verlangt. Der BGH löst den Fall nach altem Recht unter analoger Heranziehung der kaufrechtlichen Rechtsmängelvorschriften (§§ 440, 326 BGB a.F.) und setzt sich damit auseinander, ob es zur Geltendmachung des Schadensersatzes („wegen Nichterfüllung“) einer Fristsetzung bedurfte (s. auch die Anm. zu BGH NJW 2002, 816).
Nach neuem Recht ergibt sich der Anspruch des Klägers direkt aus Werkvertragsrecht. Dieses verfügt nunmehr nämlich auch über eine Regelung der Rechtsmängel, so daß sich eine analoge Heranziehung von Kaufrecht erübrigt. Gem. § 633 I BGB hat der Unternehmer nämlich das Werk frei von Rechtsmängeln zu verschaffen, was ein Rechtsmangel ist, definiert § 633 III BGB. Danach lag hier zweifellos ein solcher Rechtsmangel vor. Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich dann aus § 280 I BGB (Verletzung der Pflicht aus § 633 I Alt. 2 BGB). Eine Fristsetzung wäre nur erforderlich, wenn es sich bei dem geltend gemachten Schaden um Schadensersatz „statt der Leistung“ i.S.v. § 280 III BGB handeln würde. Schadensersatz statt der Leistung ist jeder Schaden, der durch die Pflichtverletzung noch nicht endgültig eingetreten ist, sondern durch die Nachholung der Leistung entfiele. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs. Ist der Schaden nur deshalb entstanden bzw. höher ausgefallen, weil der Gl. den Schuldner nicht aufgefordert hat, den Schaden zu beheben, so ist das im Rahmen von § 254 BGB (Mitverschulden) zu berücksichtigen. Nach diesen Maßstäben stellen die Prozeßkosten des Kl. aus dem Verfahren gegen den Komponisten sicher keinen Schadensersatz „statt der Leistung“, sondern einen solchen "neben" der Leistung dar (früher hätte man von "Mangelfolgeschäden" gesprochen, s. dazu die Anm. zu
BGH NJW 2002, 816). Bei den Lizenzgebühren käme es wohl auf eine genaue Sachverhaltsermittlung an. Geht man davon aus, daß diese mit der Ausstrahlung des Werbespots fällig geworden sind, handelt es sich ebenfalls um Schadensersatz „neben“ der Leistung, der unmittelbar aus § 280 I BGB unabhängig von einer Fristsetzung zu erstatten ist.

©sl 2004


Tatbestand:

Über eine Werbeagentur wurde die Klägerin von einer Verlagsgruppe "M. " mit der Herstellung von Fernsehwerbespots (sog. Trailern) zur Bewerbung der Programmzeitschrift "..." beauftragt. Die Klägerin beauftragte wiederum den Beklagten, einen Regisseur für Werbefilme, der daraufhin zwei als "Antennenmann" und "Kamera" bezeichnete Filme herstellte, denen Musik aus dem Titel "The experience of " des Komponisten und Interpreten A. R. unterlegt war. Die vom Beklagten produzierten Werbespots wurden von verschiedenen Sendern ausgestrahlt.

Die Klägerin begehrt Ersatz für Lizenzgebühren in Höhe von 79.937,50 DM sowie Gerichtskosten in Höhe von 3.576,20 DM, die sie zur Abgeltung von durch die Ausstrahlung der Werbespots verletzten Urheberrechten und zur Beilegung eines hierüber geführten Rechtsstreits gezahlt habe.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen ist.

Das Berufungsgericht hat in dem Vertrag der Parteien nicht wie das Landgericht einen Werklieferungsvertrag, sondern einen Werkvertrag gesehen. Die Haftung für Rechtsmängel eines Werks richte sich nach §§ 633 ff. BGB (in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung). Daher stünden dem Besteller sowohl Aufwendungsersatz- als auch Schadensersatzansprüche nur dann zu, wenn er zuvor zumindest den Unternehmer aufgefordert habe, den Rechtsmangel zu beseitigen. Die Klägerin habe es jedoch unterlassen, dem Beklagten Gelegenheit zu geben, nachträglich Lizenzverträge für die - vom Berufungsgericht unterstellte - urheberrechtswidrige Verwendung des Musikstücks zu schließen und so den Mangel zu beseitigen.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Unabhängig von der Qualifikation des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages richten sich die Rechte der Klägerin wegen eines Rechtsmangels der geschuldeten Werbefilme nicht nach §§ 633 BGB a.F., denn diese Vorschriften betreffen nur die Sachmängelhaftung (Erman/Seiler, BGB, 10. Aufl., § 633 Rdn. 5; RGRK/Glanzmann, BGB, 12. Aufl., § 633 Rdn. 15; Staudinger/Peters, BGB, Neubearb. 2000, § 633 Rdn. 48). Auch bei einem Werkvertrag sind vielmehr die Vorschriften des Kaufrechts über die Gewährleistung wegen Rechtsmängeln (§§ 434 ff. BGB a.F.) entsprechend anzuwenden (Staudinger/Peters, aaO, § 633 Rdn. 172; Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., Vor § 633 Rdn. 1).

Auch hiernach ist es zwar, wie der Senat für den Fall einer Patentverletzung bereits entschieden hat und gleichermaßen für eine Urheberrechtsverletzung gilt, grundsätzlich interessengerecht, dem Verkäufer oder Unternehmer zunächst gemäß §§ 440 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB Gelegenheit zu geben, den Rechtsmangel zu beseitigen, bevor dem Käufer oder Besteller das Recht zugebilligt wird, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten (Sen.Urt. v. 24.10.2000 - X ZR 15/98, NJW-RR 2001, 268 = GRUR 2001, 407 - Bauschuttsortieranlage). Das betrifft jedoch nur die Beseitigung des Rechtsmangels und damit die nachträgliche vollständige Vertragserfüllung.

Darum geht es im Streitfall nicht. Die Klägerin begehrt vielmehr Ersatz für einen Vermögensschaden, der zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin den Beklagten zur Beseitigung des Mangels hätte auffordern können, durch die Verbreitung der Werbefilme, die hierin liegende Urheberrechtsverletzung und die daraus den Berechtigten erwachsenen Ansprüche bereits entstanden war und jedenfalls einen Freistellungsanspruch begründete. Für einen solchen Schaden hat der Unternehmer - wie bei einem bis zum Ablauf der Nachfrist entstandenen Verspätungsschaden (vgl. BGHZ 88, 46, 49; Sen.Urt. v. 17.12.1996 - X ZR 74/95, NJW-RR 1997, 622, 624) oder bei der werkvertraglichen Sachmängelgewährleistung einem der Nachbesserung nicht zugänglichen Schaden (vgl. Sen., BGHZ 92, 308, 310; BGH, Urt. v. 16.3.2000 - VII ZR 461/98, NJW 2000, 2020) - auch ohne Nachfristsetzung einzustehen.

Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich, da das Berufungsgericht zu der geltend gemachten Urheberrechtsverletzung und zur Höhe eines der Klägerin etwa hierdurch entstandenen Schadens keine Feststellungen getroffen hat. Hierzu ist der Rechtsstreit daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.