Zulässigkeitsvoraussetzungen
einer gewillkürten Prozeßstandschaft sind die Ermächtigung
des Prozeßführenden durch den Inhaber des streitgegenständlichen
materiellen Rechts sowie ein ein eigenes schutzwürdiges Interesse
des Prozeßführenden.
Fundstellen:
NJW-RR 1988, 126
WM 1987, 1406
s. auch BGH NJW 2002, 1038 sowie
BGH v. 24.8.2016 - VIII ZR 182/15
Die Parteien sind die einzigen Kinder der Eheleute
W. Diese errichteten am 1. 2. 1955 ein notariell beurkundetes gemeinschaftliches
Testament, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben und die Parteien
als Erben des Längstlebenden einsetzten. Später kam es zu einem
Zerwürfnis zwischen den Eltern der Parteien und der Kl. In einem neuen,
jetzt privatschriftlichen, gemeinschaftlichen Testament vom 22. 11. 1972
trafen die Eheleute W folgende Bestimmungen: Der zwei Grundstücke
umfassende Grundbesitz des Vaters der Parteien wurde der Bekl. zugewendet.
Die Kl. wurde enterbt. An ihrer Stelle sollten ihre Töchter S und
St jeweils einen Geldbetrag erhalten, wobei die Summe offenblieb. In die
hierfür in der Urkunde freigelassene Lücke setzte die Bekl. die
Zahl "10 000" ein. Gemäß notarieller, als "Übergabevertrag"
bezeichneter Urkunde vom 17. 1. 1973, die zugleich die Auflassung enthält,
übertrug der Vater der Parteien mit Zustimmung seiner Ehefrau seinen
Grundbesitz auf die Bekl. Die Rechtsänderung wurde in das Grundbuch
eingetragen. Am 27. 1. 1973 starb der Vater der Parteien. Die Mutter der
Parteien, die sich inzwischen mit der Kl. wieder versöhnt, aber mit
der Bekl. überworfen hat, hält den Übergabevertrag für
nichtig, weil ihr Mann wegen seines damaligen schweren Krankheitszustandes
nicht mehr geschäftsfähig gewesen, der Vertrag auch nicht ordnungsgemäß
beurkundet und die Unterschrift ihres Mannes gefälscht worden sei.
Mit Urkunde vom 22. 9. 1983 trat sie den ihr nach ihrer Ansicht danach
zustehenden Anspruch gegen die Bekl. auf Berichtigung des Grundbuchs mit
dem Ziel ihrer Eintragung an die Kl. ab. Die Kl. macht sich die Behauptungen
ihrer Mutter hinsichtlich des Übergabevertrages zu eigen und hält
sich für berechtigt, den behaupteten Grundbuchberichtigungsanspruch
im Wege gewillkürter Prozeßstandschaft geltend zu machen. Sie
hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Grundbuchberichtigung
dahin zu erteilen, daß Eigentümerin der beiden strittigen Grundstücke
die Mutter der Parteien ist.
Beide Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig
abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Zurückverweisung
der Sache an das LG.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat ausgeführt:
Die Kl. könne einen etwaigen Grundbuchberichtigungsanspruch
ihrer Mutter nicht im eigenen Namen geltend machen, da die Voraussetzungen
für eine zulässige gewillkürte Prozeßstandschaft nicht
vorlägen. Zwar sei davon auszugehen, daß die Kl. von der Mutter
der Parteien zur Geltendmachung des Anspruchs ermächtigt worden sei.
Es sei auch anerkannt, daß eine solche Ermächtigung rechtswirksam
erfolgen könne, obwohl der Grundbuchberichtigungsanspruch nicht selbständig
abtretbar sei. Hinzukommen müsse aber noch ein eigenes rechtlich schutzwürdiges
Interesse an der Geltendmachung des fremden Rechts; ein solches Interesse
sei nur anzuerkennen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits die eigene
Rechtslage des Ermächtigten günstig beeinflusse und der Prozeßgegner
durch die gewählte Art der Prozeßführung nicht unbillig
benachteiligt werde. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht
erfüllt: Zum einen sei zu berücksichtigen, daß mit der
eingeschlagenen Verfahrensweise im Kern der Zweck verfolgt werde, die Mutter
der Parteien aus einer ungünstigen Beweislage zu befreien und deren
Zeugenvernehmung zu ermöglichen. Zum andern erscheine wegen der Vermögensverhältnisse
der Kl. ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch der Bekl. gefährdet.
Schließlich sei nicht zu erkennen, inwiefern die von der Kl. erstrebte
Entscheidung deren eigene Rechtslage günstig beeinflussen könnte.
Pflichtteilsansprüche der Kl. nach ihrem Vater seien zweifelsfrei
gem. § 2332 I BGB verjährt; Pflichtteilsergänzungsansprüche
(§§ 2325, 2329 BGB) aber würden mit der von der Kl. geltend
gemachten Nichtigkeit des Übertragungsvertrages entfallen. Auch aus
der erbrechtlichen Stellung der Kl. nach ihrer Mutter folge - zu Lebzeiten
der Mutter - kein schutzwürdiges Interesse. Das Erb- oder Pflichtteilsrecht
als solches stehe hier nicht in Rede; ein Rechtsstreit um den sachlichen
Gehalt einer Verfügung von Todes wegen aber sei zu Lebzeiten des Erblassers
ausgeschlossen. Etwas anderes könne dem Schlußerben oder Pflichtteilsberechtigten
auch nicht mit der Überlegung zugebilligt werden, daß seine
Stellung durch Rechtsgeschäfte zu Lebzeiten des Erblassers "ausgehöhlt"
werden könnte. Der Erbe oder Pflichtteilsberechtigte habe weder einen
Anspruch darauf, daß der Erblasser ihm im Ergebnis etwas hinterlasse,
noch darauf, daß der Erblasser zu Lebzeiten einen Grundbuchberichtigungsanspruch
geltend mache. Auch der Hinweis der Kl. auf einen Schadensersatzanspruch
wegen Betruges sei nicht tragfähig.
II. Diese Ausführungen halten nicht in allen
Punkten der Überprüfung stand. Der Senat hat hierbei, da es um
die Frage der Prozeßführungsbefugnis der Kl. und somit um eine
Prozeßvoraussetzung geht, von Amts wegen den Sachverhalt in tatsächlicher
und rechtlicher Hinsicht ohne Bindung an die Feststellungen des BerGer.
zu prüfen und zu würdigen (BGHZ 31, 279 = NJW 1960, 523 = LM
§ 561 ZPO Nr. 26; Senat, LM § 50 ZPO Nr. 28 und Senat, NJW-RR
1986, 158 = WM 1985, 1324). Die Prüfung führt zu dem Ergebnis,
daß die Kl. befugt ist, in sogenannter gewillkürter Prozeßstandschaft
den behaupteten Grundbuchberichtigungsanspruch der Mutter der Parteien
im eigenen Namen geltend zu machen.
Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des
BerGer., daß eine gewillkürte Prozeßstandschaft dann zulässig
ist, wenn der Prozeßführende vom Rechtsinhaber zu dieser Art
der Prozeßführung ermächtigt worden ist und er ein eigenes
schutzwürdiges Interesse an ihr hat (st. Rspr., s. etwa BGHZ 38, 281
(283) = NJW 1963, 297 = LM § 1984 BGB Nr. 1; BGHZ 92, 347 (349) =
NJW 1985, 809 = LM § 727 ZPO Nr. 6; BGHZ 96, 151 (152) = NJW 1986,
850). Zu Unrecht meint jedoch das BerGer., diese Voraussetzungen seien
hier nicht vollständig erfüllt.
1. Eine der Kl. von seiten ihrer Mutter erteilte Ermächtigung zur Prozeßführung im eigenen Namen hat zutreffenderweise auch das BerGer. bejaht. Es entspricht anerkannter Rechtsauffassung, daß eine solche Ermächtigung wirksam erteilt werden kann, obwohl der Grundbuchberechtigungsanspruch des § 894 BGB nicht selbständig abtretbar ist (Senat, WM 1966, 1224; Senat, WM 1972, 384; Augustin, in: RGRK, 12. Aufl., § 894 Rdnr. 26; Erman-Hagen, BGB, 7. Aufl., § 894 Rdnr. 13). Die Ermächtigung braucht auch nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sondern kann sich aus schlüssigem Verhalten des Rechtsinhabers ergeben (BGHZ 25, 250 (260) = NJW 1957, 1838 = LM § 662 HGB Nr. 4; BGHZ 94, 117 (122) = NJW 1985, 1826 = LM § 209 BGB Nr. 54). Im allgemeinen wird in einer "Abtretung" des Berichtigungsanspruchs, wie sie hier am 22. 9. 1983 erklärt worden ist, eine Ermächtigung zur Geltendmachung des Anspruchs zu sehen sein (vgl. Augustin, in: RGRK, § 894 Rdnr. 26). Gegen das Weiterbestehen dieser Ermächtigung könnten im vorliegenden Fall allerdings deshalb Bedenken bestehen, weil die Mutter der Parteien 1984 im Rahmen eines Prozeßkostenhilfeantrages den Berichtigungsanspruch dann wieder selbst geltend gemacht hat. Der im Berufungsurteil festgestellte Umstand, daß die Mutter der Parteien auf Veranlassung der Kl. in der Berufungsverhandlung des vorliegenden Rechtsstreits anwesend war, gestattet aber den Schluß, daß sie jetzt wieder die Prozeßführung der Kl. billigt. Hierin ist jedenfalls eine neue Ermächtigung der Kl. zu dieser Prozeßführung zu erblicken; es genügt, daß die Ermächtigung bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erklärt ist (BGHZ 31, 279 (283) = NJW 1960, 523 = LM § 561 ZPO Nr. 26).
2. a) Was das erforderliche eigene Interesse des Ermächtigten an der Geltendmachung des fremden Rechts betrifft, so ist entgegen der Ansicht des BerGer. ein solches Interesse der Kl. jedenfalls hinsichtlich ihres Pflichtteilsanspruchs nach ihrem Vater (§§ 2303, 1924 I, 1931 BGB) zu bejahen. Wäre, wie die Kl. behauptet, der Übergabevertrag vom 17. 1. 1973 einschließlich der darin erklärten Auflassung nichtig, so wäre das Eigentum an den beiden Grundstücken in den Nachlaß des Vaters gefallen (und auf die Mutter der Parteien als Alleinerbin ihres Ehemannes übergegangen); gem. § 2311 BGB wäre es daher bei der Berechnung des Pflichtteils der Kl. heranzuziehen. Zu Recht bekämpft die Revision die Ansicht des BerGer., hierauf komme es deshalb nicht an, weil Pflichtteilsansprüche der Kl. nach ihrem Vater zweifelsfrei gem. § 2332 I BGB verjährt seien. Das BerGer. verkennt dabei, daß der Ablauf der Verjährungsfrist allein den Pflichtteilsanspruch der Kl. noch nicht hinfällig macht; weitere Voraussetzung hierfür wäre vielmehr, daß der Verpflichtete - hier also die Mutter der Parteien als testamentarische Alleinerbin - die Verjährungseinrede erheben würde (§ 222 I BGB). Es mag auf sich beruhen, ob bei Berücksichtigung der Umstände des Falles auszuschließen ist, daß die Mutter der Parteien diese Einrede erheben wird. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, daß dies bisher geschehen wäre; im Hinblick auf das einverständliche Vorgehen der Kl. und ihrer Mutter erscheint dies auch nicht naheliegend.
b) Schutzwürdig ist dieses Interesse der Kl.
allerdings nur dann, wenn die Bekl. durch die gewählte Art der Prozeßführung
nicht unbillig benachteiligt wird (BGHZ 96, 151 (155 f.) = NJW 1986, 850).
Auch das ist hier aber nicht der Fall.
Es kann unterstellt werden, daß mit der
eingeschlagenen Verfahrensweise der Zweck verfolgt wird, die Mutter der
Parteien aus einer ungünstigen Beweislage zu befreien und ihre Zeugenvernehmung
zu ermöglichen. Dieser Zweck wird dadurch, daß nicht die Rechtsinhaberin
als Kl. auftritt, sondern in gewillkürter Prozeßstandschaft
eine andere Person, auch erreicht (BGH, LM § 50 ZPO Nr. 26 = NJW 1972,
1580; BGHZ 94, 117 (123 f.) = NJW 1985, 1826 = LM § 209 BGB Nr. 54;
a. M. Rüssmann, AcP 172, 520 (542 ff.)). Das Bestreben, eine bestimmte
Person als Zeugen zur Verfügung zu haben, bestimmt indes auch sonst
häufig die Art und Weise der Prozeßführung und das Handeln
der interessierten Personen, ohne daß dies allein deswegen als mißbräuchlich
oder für die Gegenpartei unzumutbar zu beanstanden wäre. Anlaß
zur Prüfung dieser Frage boten hauptsächlich Fälle der Abtretung
eines Anspruchs, um dem Zedenten im Prozeß um diesen Anspruch die
Stellung als Zeugen zu verschaffen (BGH, WM 1976, 424; BGH, LM § 398
BGB Nr. 39 = NJW 1980, 991, BGH, WM 1985, 613 (615) m. w. Nachw.). Für
die gewillkürte Prozeßstandschaft kann insoweit nichts anderes
gelten. Das auf der Hand liegende eigene Interesse des ermächtigenden
Rechtsinhabers am Ausgang des Rechtsstreits kann im Rahmen der Beweiswürdigung
angemessen berücksichtigt werden.
Ebensowenig kann hier eine unbillige Benachteiligung
der Bekl. daraus hergeleitet werden, daß die Durchsetzung entstehender
Kostenerstattungsansprüche wegen der Mittellosigkeit der Kl. gefährdet
sei. Soweit Kostenerstattungsansprüche der Bekl. (bedingt) bereits
entstanden sind, steht dem schon der unwidersprochen gebliebene Vortrag
der Kl. entgegen, daß diese Kosten inzwischen (unter Vorbehalt) beglichen
seien. Was künftig etwa entstehende Kostenerstattungsansprüche
betrifft, so ist es zwar grundsätzlich als eine unzumutbare Beeinträchtigung
der berechtigten Belange der Gegenseite anzusehen, wenn eine unvermögende
Partei zur gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen vorgeschoben
wird (vgl. etwa BGHZ 35, 180 (183) = NJW 1961, 1528 = LM § 6 KO Nr.
7; BGHZ 38, 281 (287) = NJW 1963, 297 = LM § 1984 BGB Nr. 1; BGHZ
96, 151 (153, 155 f.) = NJW 1986, 850). Eine solche Situation ist aber
nicht gegeben und eine unbillige Benachteiligung der Gegenseite durch die
gewillkürte Prozeßstandschaft nicht zu erkennen, wenn bei einer
Prozeßführung durch den Rechtsträger selbst etwaige Kostenerstattungsansprüche
der Gegenseite in gleicher oder ähnlicher Weise gefährdet wären,
der Rechtsträger also auch keinen wesentlich besseren finanziellen
Rückhalt hat als der Ermächtigte. So liegt der Fall hier, wie
sich schon aus den Prozeßkostenhilfeunterlagen ergibt.
Gegen die Gefahr, womöglich nicht nur von
der Kl., sondern auch von der Mutter der Parteien mit einem Prozeß
überzogen zu werden, ist die Bekl. schließlich dadurch geschützt,
daß sie dann die Einrede der Rechtshängigkeit (§ 261 III
Nr. 1 ZPO) oder - nach rechtskräftigem Abschluß eines Prozesses
- die Einrede der Rechtskraft erheben könnte (BGHZ 78, 1 (7) = NJW
1980, 2461 = LM § 50 ZPO Nr. 33; Senat, NJW-RR 1986, 158 = WM 1985,
1324 (1325)).
III. Nach alledem ist die Kl. befugt, den behaupteten Grundbuchberichtigungsanspruch ihrer Mutter nach § 894 BGB im Wege gewillkürter Prozeßstandschaft geltend zu machen. Es kann daher offenbleiben, ob sie ihr Klageziel auch auf der Grundlage des § 812 BGB - sei es insoweit aus abgetretenem Recht oder ebenfalls im Wege gewillkürter Prozeßstandschaft - erreichen könnte (vgl. dazu Senat, LM § 812 BGB Nr. 100 = NJW 1973, 613 (614); Augustin, in: RGRK, § 894 Rdnr. 28). Desgleichen kann auf sich beruhen, ob ein den Klageantrag rechtfertigender Anspruch aus § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB schlüssig vorgetragen ist.