Voraussetzungen der gewillkürten
Prozessstandschaft bei Abtretung einer Forderung vor Rechtshängigkeit;
Vertragsschluss mit "Abbruchjäger" bei ebay
BGH, Urteil vom 24. August 2016 -
VIII ZR 182/15 - LG Görlitz
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Ein rechtsschutzwürdiges
Eigeninteresse des Zedenten einer unentgeltlich abgetretenen Forderung,
diese im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft gerichtlich geltend zu
machen, wird durch sein bloßes Interesse an einer technischen Erleichterung
der Prozessführung nicht begründet.
Zentrale Probleme:
Über die Entscheidung wurde in der Tagespresse
berichtet, weil es um den Fall eines Vertragsschlusses bei ebay mit einem
sog. "Abbruchjäger" ging. Tatsächlich sagt sie über diese Problematik (ein
Bieter erkennt ein irrtümliches Verkaufsangebot, bietet darauf einen
geringen Betrag, weil er damit rechnet, der Verkäufer werde die "Auktion"
möglicherweise unberechtigt abbrechen (s. dazu bereits
BGH v. 12.11.2014 -
VIII ZR 42/14 sowie
BGH v. 23.9.2015 - VIII ZR 284/14) wenig.
Der Senat sagt nur kurz, dass die diesbezügliche Wertung des
Berufungsgerichts (Verstoß gegen § 242 BGB) rechtsfehlerfrei war.
Im Mittelpunkt steht allein eine Abtretungsproblematik: Der Anspruchsinhaber
hatte den Anspruch vor Rechtshängigkeit abgetreten, aber dennoch selbst
geklagt. Das kann er nur, wenn er prozessführungsbefugt ist. Diese
Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage ergibt sich aus der (behaupteten)
Aktivlegitimation (d.h. der behaupteten Anspruchsinhaberschaft). Wenn
Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation auseinanderfallen (dh jemand
ein - behauptetes - fremdes Recht einklagt), spricht man von
Prozessstandschaft. Eine solche ist zB gesetzlich vorgesehen bei einer
Abtretung nach Rechtshängigkeit (§ 265 ZPO): Der Zedent ist weiter
prozessführungsbefugt, die materielle Rechtskraft wirkt aber auch gegenüber
dem am Prozess nicht beteiligten Zessionar (§ 325 ZPO). Der Kläger muss dann
seine Klage umstellen auf Leistung an den Zessionar (Klageänderung nach §
264 Nr. 2 ZPO), sofern ihm nicht der Zessionar eine Einzugsermächtigung
erteilt hat. Wichtige weitere Fälle gesetzlicher Prozessstandschaft sind
etwa diejenige des Insolvenzverwalters (§ 80 I InsO), des
Testamentsvollstreckers (§ 2197 BGB), die jeweils sog. "Partei kraft Amtes"
sind, oder die Geltendmachung von Kindesunterhalt bei getrenntlebenden
Ehegatten (§ 1629 III BGB).
Bei einer Abtretung vor Rechtshängigkeit kann der frühere Gläubiger nur
klagen, wenn die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft
vorliegen. Genau um diese (Ermächtigung durch den Rechtsinhaber und
schutzwürdiges Interesse an der eigenen Rechtsverfolgung) geht es in der
vorliegenden Entscheidung (s. dazu auch
BGH
NJW-RR 1988, 126; BGH NJW 1990, 1117
ff;
BGH
NJW 1999, 2110;
BGH
NJW 2002, 1038). Da der Senat deren Vorliegen verneint, ist die Klage
bereits unzulässig, so dass sich der Senat gar nicht zur Problematik des
"Abbruchjägers" äußern musste.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Die Klägerin ist eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts, die dem Sohn ihres Verwalters, dem Zeugen H. ,
gestattete, unter der aus ihrem Gesellschaftsnamen abgeleiteten Bezeichnung
"l. " ein Benutzerkonto auf der Internetplattform eBay einzurichten.
2 Der Beklagte stellte Ende Januar 2012 ein gebrauchtes, mit
Fünfganggetriebe und Kickstarter ausgestattetes Motorrad Yamaha für zehn
Tage zur Internetauktion bei eBay mit einem Startpreis von 1 € ein. Als
Artikelmerkmale trug er fälschlich "Dreiganggetriebe" und "Elektrostarter"
ein. Am 26. Januar 2012 - neun Tage vor dem Ende der Auktion - nahm der
Zeuge H. das Angebot unter dem Benutzernamen "l. " an, wobei er ein
Maximalgebot von 1.234,57 € abgab. Wenige Minuten später brach der Beklagte
die Auktion ab und strich das Angebot der Klägerin, die die einzige Bieterin
war. Der Beklagte korrigierte die Artikelmerkmale und stellte das Motorrad
nach wenigen Stunden erneut bei eBay ein.
3 Mit Anwaltsschreiben vom 5. Juli 2012 verlangte die Klägerin vergeblich
die Übereignung des Motorrades, das der Beklagte zwischenzeitlich
anderweitig veräußert hatte.
4 Mit der Behauptung, das Motorrad sei 4.900 € wert gewesen, nimmt die
Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 4.899 € nebst Zinsen
und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch. Am 15.
August 2012 - vor der am 31. August 2012 erfolgten Zustellung der Klage -
trat die Klägerin dem Zeugen H. ihre Ansprüche aus den von ihm vorgenommenen
eBay-Geschäften unentgeltlich ab.
5 Das Amtsgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben. Auf die Berufung des
Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen; die Berufung
der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen
ausgeführt:
8 Der Klägerin, die unbeschadet der vor Eintritt der Rechtshängigkeit
erfolgten Abtretung der erhobenen Forderung an den Zeugen H. in gewillkürter
Prozessstandschaft berechtigt sei, die abgetretene Forderung weiter zu
verfolgen, stehe kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu.
9 Das Schadensersatzverlangen sei, wie sich aus den Gesamtumständen
des hier vorliegenden Ausnahmefalles ergebe, rechtsmissbräuchlich. Der Zeuge
H. sei als sogenannter "Abbruchjäger" tätig geworden; ihm sei es vor allem
darum gegangen, dass der Beklagte sein Angebot frühzeitig abbreche, um
Schadensersatzforderungen gegen diesen geltend machen zu können. Dies sei
der Klägerin analog § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen.
10 Der Zeuge H. , der sich in der Vergangenheit noch nicht hinter der von
seinem Vater verwalteten Klägerin "versteckt" habe, habe nach den
Feststellungen des Landgerichts Passau in seinem Urteil vom 6. Oktober 2014
(4 O 933/13; nicht veröffentlicht) im Sommer 2011 bei eBay Gebote in Höhe
von 215.000 € abgegeben und vier Gerichtsverfahren eingeleitet, in denen er
Prozesskostenhilfe beantragt habe. Zwar sei das Urteil des Landgerichts
Passau in zweiter Instanz abgeändert worden (OLG München, Urteil vom 9.
April 2015 - 8 U 3969/14; nicht veröffentlicht); hinsichtlich der
Tatsachenfeststellungen habe das Oberlandesgericht jedoch auf das
erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
11 Zwar begründe die einem "Abbruchjäger" eigene Absicht allein noch keinen
Rechtsmissbrauch. Im gegebenen Fall komme jedoch hinzu, dass die Klägerin
die Möglichkeit gehabt hätte, ihr Gebot zu wiederholen, nachdem der Beklagte
das Motorrad zum zweiten Mal zum Verkauf bei eBay eingestellt habe. Der
Zeuge H. habe bestätigt, davon Kenntnis erlangt zu haben. Durch einen
Neuerwerb hätte die Klägerin der - naheliegenden - Wahrscheinlichkeit
entgegengewirkt, dass der Beklagte das Motorrad einem Dritten übereigne.
12 Der Annahme eines Rechtsmissbrauchs stehe nicht entgegen, dass die
Klägerin zunächst Herausgabe des Motorrades und erst anschließend
Schadensersatz verlangt habe. Vielmehr habe sie - in der Annahme, der
Beklagte werde das Motorrad zwischenzeitlich anderweitig veräußern - bis zur
gerichtlichen Inanspruchnahme mehr als ein halbes Jahr gewartet.
II.
13 Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es auf die Ausführungen des
Berufungsgerichts zum aufgrund einer Häufung aussagekräftiger Indizien ohne
erkennbaren Rechtsfehler bejahten Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) nicht an.
14 Die Klage ist bereits als unzulässig abzuweisen, weil die nach §
51 Abs. 1 ZPO erforderliche Prozessführungsbefugnis der Klägerin nicht
gegeben ist. Dem steht das Verschlechterungsverbot nicht entgegen
(BGH, Urteile vom 12. Oktober 2000 - III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 331; vom
22. Januar 1997 - VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713 unter II 3; vom 25. Mai 2005
- VIII ZR 301/03, NJW-RR 2006, 138 unter II; vom 10. Dezember 2013 - XI ZR
508/12, NJW-RR 2014, 653 Rn. 29).
15 1. Da die Abtretung der Ansprüche vor der Zustellung der Klage
erfolgt ist, greift die gesetzliche Prozessführungsbefugnis des § 265 ZPO
nicht ein.
16 2. Die Klägerin ist - anders als das Berufungsgericht angenommen hat -
auch nicht kraft gewillkürter Prozessstandschaft befugt, die an den
Zeugen H. abgetretenen Ansprüche gerichtlich geltend zu machen.
17 a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine gewillkürte
Prozessstandschaft eine wirksame Ermächtigung des
Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des
Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten
an dieser Rechtsverfolgung voraus. Ein solches ist gegeben, wenn die
Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage hat, und kann auch
wirtschaftlicher Natur sein (vgl. BGH, Urteile vom 23. September
1992 - I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 242; vom 24. Februar 1994 - VII ZR 34/93,
BGHZ 125, 196, 199; vom 10. November 1999 - VIII ZR 78/98, NJW 2000, 738
unter II 1; vom 13. November 2001 - X ZR 134/00, BGHZ 145, 165, 167 f.; vom
13. Februar 2008 - VIII ZR 105/07, NJW 2008, 1218 Rn. 13; vom 27. November
2014 - I ZR 124/11, GRUR 2015, 672 Rn. 87; vom 11. Mai 2016 - XII ZR 147/14,
WM 2016, 1302 Rn. 16).
18 b) Diese Sachurteilsvoraussetzungen, die in jeder Lage des Verfahrens,
auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen sind (BGH, Urteile
vom 10. November 1999 - VIII ZR 78/98, aaO; vom 25. Mai 2005 - VIII ZR
301/03, aaO unter II 1; vom 21. September 2011 - VIII ZR 118/10, NZG 2011,
1305 Rn. 13; vom 11. Mai 2016 - XII ZR 147/14, aaO Rn. 16 mwN), sind im
Streitfall nicht erfüllt. Auch wenn der Zeuge H. , der mit der
Prozessführung durch die Klägerin ersichtlich einverstanden ist, diese durch
konkludentes Handeln dazu ermächtigt haben mag, fehlt es an einem
rechtsschutzwürdigen Eigeninteresse der Klägerin an der Prozessführung. Zwar
kann auch der Verkäufer einer Forderung ein eigenes berechtigtes Interesse
daran haben, die abgetretene Forderung gerichtlich geltend zu machen
(vgl. BGH, Urteile vom 3. November 1978 - I ZR 150/76, NJW 1979,
924 unter II 2; vom 23. September 1993 - III ZR 54/92, NVwZ 1994, 405 unter
I; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., Vor § 50 Rn. 49). Die Klägerin
hat dem Zeugen H. ihre Rechte aus vorgenommenen eBay-Geschäften jedoch nicht
verkauft, sondern unentgeltlich übertragen.
19 Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Prozessführung ergibt sich
auch nicht, wie das Berufungsgericht möglicherweise gemeint hat, aus der von
ihr in erster Instanz erklärten Bereitschaft zu einem Klägerwechsel, sofern
der Beklagte dem zustimme. Auch wenn es nicht zu einem von der Klägerin
unter Umständen beabsichtigten Parteiwechsel auf Klägerseite gekommen ist,
begründet eine bloße technische Erleichterung ihrer weiteren Prozessführung
noch kein rechtsschutzwürdiges Eigeninteresse (vgl. BGH, Urteil vom 5.
Februar 2009 - III ZR 164/08, NJW 2009, 1213 Rn. 21, insoweit in BGHZ 179,
329 nicht abgedruckt).
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