Zeitpunkt der Mahnung (nicht vor Fälligkeit); Entbehrlichkeit der Mahnung bei "Selbstmahnung"; Voraussetzungen der Haftung nach § 326 BGB und § 286 II BGB; Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung nach § 326 II BGB  

BGH, Urteil v. 17.12.1996   

Fundstellen:

NJW-RR 1997, 622
LM H. 7/1997 § 284 BGB Nr. 44a



(eigene) Leitsätze:

1.) Eine Mahnung vor Fälligkeit ist wirkungslos.
2.) Zur Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 242 BGB im Falle der "Selbstmahnung"
3.) Die nach § 326 I BGB erforderliche Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung kann frühestens mit der verzugsbegründenden Mahnung erfolgen.
4.) § 326 II BGB (Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung) hat Ausnahmecharakter und ist daher eng auszulegen.
5.) Verzugsschaden nach § 286 I BGB kann auch bei synallgmatischen Verpflichtungen gefordert werden.
6.) Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 286 II BGB kann auch hinsichtlich einer synallgmatischen Pflicht geltend gemacht werden. Während Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 326 I, II BGB nicht verlangt werden kann, wenn das Interesse des Gläubigers nach Beendigung des Verzugs wegfällt, setzt § 286 II BGB lediglich voraus, daß das Interesse infolge des Verzugs weggefallen ist, selbst wenn der Verzug später nicht mehr besteht, weil der Schuldner leistet. 



Zentrale Probleme:

Die Entscheidung befaßt sich, wie aus den Leitsätzen ersichtlich - mit grundsätzlichen Fragen des Verzugs im gegenseitigen Vertrag. Sie ist in hohem Maße lehrreich. Problematisch ist allerdings, daß der BGH ohne weitere Diskussion § 286 II BGB auf synallgmatische Verpflichtungen anwendet. Nach ganz h.M. in der Literatur ist hier § 326 BGB speziell. Für einen (seltenen) Beispielsfall zu § 286 II BGB vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 480.



Zum Sachverhalt:

Die Bekl., die sich gegenüber dem amerikanischen Verteidigungsministerium vertraglich zur Lieferung von Knochenbohrern verpflichtet hatte, bestellte bei der Kl. Knochenbohrer "nach Zeichnung und Muster" aus einem vorbestimmten Material. Die erbetene Auftragsbestätigung erteilte die Kl. mit Schreiben vom 12. 10. 1990. Sie sollte erst gültig werden nach Erhalt einer Bankbürgschaft der Bekl. über 170000 DM. In der Folgezeit sah die Kl. die Bestätigung des amerikanischen Verteidigungsministeriums, daß dieses den Rechnungsbetrag unmittelbar an die Kl. bezahlen werde, als ausreichende Sicherheit an. Mit Fax vom 11. 6. 1991 teilte die Kl. der Bekl. mit, sie habe "mit dem Auftraggeber USA folgende endgültige Liefertermine vereinbart: 3000 Stück am 1. 7. 1991, 2945 Stück am 31. 7. 1991", und bat "der Dringlichkeit, Schnelligkeit und Einfachheit wegen", daß die Versendung durch sie, die Kl. vorgenommen werde. Das lehnte die Bekl. mit Fax vom 14. 6. 1991 ab, weil sie Vertragspartnerin der "U.S. Army" sei und somit die Verantwortung des Vertrages habe. Zugleich machte sie die Kl. darauf aufmerksam, "daß durch ihr Nichteinhalten Ihrer zugesagten Liefertermine uns eventuell der Vertrag ... storniert werden sollte, wir Sie für den uns entgehenden Gewinn sowie für sämtliche Kosten, die uns durch eine Stornierung entstanden sind, zu Ihren Lasten gehen". Am 20. 6. 1991 lieferte die Kl. 831 Knochenbohrer und Ende Juli 1991 weitere 5294 Bohrer an die Bekl. aus, die diese sterilisierte, verpackte und am 9. 8. 1991 einem Spediteur zur Auslieferung in die USA übergab. Der Vertragspartner der Bekl. stornierte jedoch am 20. 8. 1991 den Vertrag "unter Verzicht auf gegenseitige Ansprüche". Die Kl. begehrt mit ihrer Klage die vereinbarte Vergütung für die von ihr erbrachte Lieferung.
LG und OLG haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

Aus den Gründen:

1. Das OLG hat ausgeführt, die Kl. habe sich der Bekl. gegenüber vertraglich verpflichtet, die Ware so fertigzustellen, daß nach Sterilisation, Verpackung und Absendung durch die Bekl. die Knochenbohrer noch rechtzeitig für die im Schreiben vom 11. 6. 1991 genannten und im Schreiben vom 14. 6. 1991 wiederholten Termine zu dem amerikanischen Abnehmer der Bekl. hätten gelangen können. Da die Kl. die selbst gesetzten Fristen nicht eingehalten habe, sei sie in Verzug gewesen. Gegen diese Bewertung des BerGer. wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
a) Die Revision zeigt weder für die tatrichterliche Auslegung der Schreiben der Kl. vom 11. und 14. 6. 1991, 3000 Stück Knochenbohrer würden bis zum 1. 7. 1991 und weitere 2945 Stück würden bis zum 31. 7. 1991 nach den USA geliefert sein, noch für die ebenfalls auf tatrichterlichem Gebiet liegende Auslegung, die Bekl. habe den von der Kl. mitgeteilten Fristen entnehmen dürfen, daß die Lieferung an sie, die Bekl., entsprechend früher erfolgen werde, Umstände auf, die darauf schließen lassen, gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze könnten verletzt sein oder die Auslegung könnte auf Verfahrensfehlern beruhen (vgl. zu diesen Voraussetzungen eines Rechtsfehlers bei tatrichterlicher Auslegung BGHZ 65, 107 (110) = NJW 1976, 43 = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 79a; Senat, NJW 1994, 2613). Die vorgenommene Auslegung des BerGer. bedeutet vielmehr eine vertretbare Bewertung der vorgelegten Schriftstücke der Kl.
Diese fällige Leistung hat die Kl. nicht rechtzeitig erbracht, weil sie ihrer Pflicht erst am 30./31. 7. 1991 nachgekommen ist, so daß die Bekl. den dem Abnehmer in den USA zugesagten letzten Liefertermin nicht einhalten konnte. Durch die Nichtleistung bei Fälligkeit trat zugleich Verzug ein.

b) Allerdings rügt die Revision zu Recht, daß das BerGer. das Schreiben der Bekl. vom 14. 6. 1991 als Mahnung "gem. § 284 I BGB" bezeichnet hat. Nach § 284 I BGB bewirkt nur eine Mahnung, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, daß der nicht leistende Schuldner in Verzug gerät. Die Rechtsprechung hat dies dahin gewertet, daß eine wirksame Mahnung frühestens bei Fälligkeit, etwa mit der die Fälligkeit begründenden Handlung vorgenommen werden kann (BGH, WM 1970, 1141). Eine vorher ausgesprochene Mahnung ist wirkungslos (BGHZ 77, 60 (64) = NJW 1980, 1955 = LM § 13 (C) VOB/B 1973 Nr. 18; BGHZ 103, 62 (66) = NJW 1988, 1137 = LM § 242 (Cc) BGB Nr. 44).
Am 14. 6. 1991 war selbst die für den 1. 7. 1991 vorgesehene Teillieferung von 3000 Stück Knochenbohrern auch nach der im Schreiben vom 14. 6. 1991 zum Ausdruck gekommenen eigenen Meinung der Bekl. jedoch noch nicht fällig. Das Schreiben der Bekl. vom 14. 6. 1991 kam damit zu früh und war keine Mahnung i.S. des § 284 I BGB.
c) Wie § 284 II BGB zu entnehmen ist, kann ein Schuldner aber auch ohne Mahnung durch den Gläubiger in Verzug kommen. Die Mahnung soll den Schuldner in die Lage versetzen zu erkennen, daß das Ausbleiben seiner Leistung Folgen haben werde, und ihn zur sofortigen Leistung veranlassen (vgl. v. Staudinger/Löwisch, BGB, 1995, § 284 Rdnr. 23). Eine besondere Mahnung durch den Gläubiger kann deshalb überflüssig sein, wenn der mit der Mahnung verfolgte Zweck bereits durch den Vertragsabschluß selbst erreicht ist (vgl. BGH, NJW 1963, 1823 (1824) = LM § 636 BGB Nr. 1; Staudinger/Löwisch, § 284 Rdnr. 66). Muß sich der Schuldner bereits aufgrund der Vertragserklärungen darüber klar sein, daß er die Folgen auf sich nehmen muß, wenn er die Zeit nicht einhält, innerhalb der die Erfüllung vereinbart worden ist, ist eine Mahnung durch den Gläubiger nach Treu und Glauben entbehrlich, weil sie reine Förmelei wäre.
Die Bekl. hat dem Vorschlag der Kl. im Schreiben vom 11. 6. 1991 hinsichtlich der Lieferzeitpunkte mit ihrem Schreiben vom 14. 6. 1991 nicht widersprochen; sie hat vielmehr darauf hingewiesen, daß ein Rücktritt seitens des amerikanischen Verteidigungsministeriums drohe, wenn auch diese Termine nicht eingehalten würden. In Kenntnis dieser Gefahr hat die Kl. in ihrem Schreiben vom 14. 6. 1991 ihre Terminszusage wiederholt. Damit hatte die Kl. sich gleichsam selbst gemahnt, und hatten die Parteien sich darauf geeinigt, die Lieferung werde so zeitig an die Bekl. erfolgen, daß diese rechtzeitig zum 1. 7. bzw. 31. 7. 1991 in die USA geliefert haben könne. Unter diesen besonderen Umständen des zu entscheidenden Falls ist dem BerGer. zuzustimmen, daß die Kl. durch ihre Nichtleistung in Verzug kam.
2. Das BerGer. hält die Bekl. für berechtigt, die Zahlung der vereinbarten Vergütung dauerhaft zu verweigern, weil der Bekl. infolge Verzuges das Recht zustehe, gem. § 326 II BGB von dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Liefervertrag über Knochenbohrer zurückzutreten, ohne daß es einer Nachfristsetzung bedurft hätte. Die hiergegen erhobene Rüge der Revision ist berechtigt, weil die Bekl. weder vor noch bei Anlieferung der Knochenbohrer bis Ende Juli 1991 einen Rücktritt vom Liefervertrag erklärt hat.
a) Zwar entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung - wie das BerGer. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung richtig bemerkt hat - nicht erst, sobald der Gläubiger wegen Verzuges des Schuldners mit der Leistung einen Rücktritt ausspricht. Wenn der Gläubiger zum Rücktritt berechtigt ist, kann er vielmehr wegen des ihm gem. § 326 BGB zur Wahl stehenden Rechts schon vor der Rücktrittserklärung die Erfüllung der eigenen Leistungspflicht verweigern. In Ansehung des Rücktrittsrechts kann dieses Recht jedoch nur so lange bestehen, als das Rücktrittsrecht selbst noch besteht.
b) Der Wortlaut des § 326 I BGB besagt, daß das Rücktrittsrecht an das Bestehen des Verzuges geknüpft ist. Bei Beendigung des Verzuges entfällt mithin ein Rücktrittsrecht des Gläubigers (BGH, NJW 1991, 1292 (1294) m.w.Nachw. = LM § 346 (Ed) HGB Nr. 9; BGHZ 34, 191 (197) = NJW 1961, 1011 = LM § 455 BGB Nr. 11). Im zu entscheidenden Fall hatte die Bekl. deshalb seit August 1991 kein Recht auf Rücktritt wegen Verzuges und durfte die Bekl. die Zahlung der vereinbarten Vergütung nicht mehr wegen eines solchen Rechts verweigern. Denn ein Verzug der Kl. mit der Lieferungspflicht war Ende Juli 1991 ausgeräumt, weil sie zu dieser Zeit die bestellten Knochenbohrer an die Bekl. in vollständiger Stückzahl ausgeliefert hatte. Ein Verzug endet nämlich mit der Vornahme der geschuldeten Leistungshandlung (BGH, NJW 1991, 1292 (1294) m.w.Nachw. = LM § 346 (Ed) HGB Nr. 9; NJW 1969, 1875 = LM § 284 BGB Nr. 17) bzw. mit dem Angebot der Leistung durch den Schuldner (BGH, NJW 1995, 1152 = LM H. 7/1995 § 607 BGB Nr. 152 = BGHRBGBB § 284 I - Zurückbehaltungsrecht).
3. Wegen der von ihr behaupteten Verspätung der Leistungshandlung der Kl. kann die Bekl. sich auch nicht aus einem anderen Grund (als Schuldnerverzug) auf ein Rücktrittsrecht berufen.
a) Mangels entsprechender tatrichterlicher Feststellungen ergab sich ein Rücktrittsrecht der Bekl. nicht aus § 361 BGB. Das BerGer. hat vielmehr dahinstehen lassen, ob im Verhältnis der Prozeßparteien ein Fixgeschäft vereinbart gewesen sei. Daß mit der Einhaltung bestimmter Termine der Vertrag stehen und fallen könnte, hat das BerGer. nur hinsichtlich des Vertrages der Bekl. mit dem amerikanischen Verteidigungsministerium erwogen. Folgerungen hieraus für ein Fixgeschäft zwischen den Parteien hat das BerGer. nicht gezogen.
b) Ein Rücktrittsrecht gewährten auch nicht die §§ 636 I 1 Halbs. 2, 327 BGB. Wie die Verweisung auf § 634 I-III BGB regelt, entsteht ein Rücktrittsrecht wegen verspäteter Herstellung eines Werks regelmäßig erst, nachdem dem Unternehmer eine Frist mit der Erklärung gesetzt worden ist, daß nach deren Ablauf die Leistung abgelehnt werde, und nachdem der Unternehmer auch die - angemessene - Frist ohne vollständige Herstellung des Werks hat verstreichen lassen. Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung durch die Bekl. hat das BerGer. jedoch nicht festgestellt. Nach den von ihm getroffenen Feststellungen hat die Bekl. die verspäteten Lieferungen vielmehr angenommen und in die USA versandt. Auch die in § 634 II BGB geregelten Ausnahmen von der Pflicht zur Bestimmung einer Frist waren unter diesen Umständen nicht gegeben.
4. Wie seine Wortwahl "u.a." auf BU 11 vermuten läßt, hat das BerGer. neben einem Rücktrittsrecht der Bekl. auch einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung erwogen. Bei Verzug des Schuldners kann der Gläubiger auch wegen eines Schadensersatzanspruchs nach § 326 BGB zu der Gegenleistung nicht mehr verpflichtet sein (vgl. Emmerich, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 326 Rdnr. 12). Da § 326 BGB auch den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung allein im Falle des Verzuges des Schuldners gewährt, entsteht ein solcher Anspruch jedoch wiederum nur, wenn seine gesetzlichen Voraussetzungen bereits vor Beendigung des Verzuges eingetreten sind (vgl. beispielsweise für die Nachfristsetzung BGHZ 113, 233 (236) = NJW 1991, 1048 = LM § 284 BGB Nr. 41). Nach den vom BerGer. getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann dies für den zu entscheidenden Fall aber nicht bejaht werden.
a) Das BerGer. hat die Voraussetzungen des zu Rücktritt oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung berechtigenden § 326 II BGB für gegeben erachtet, weil der amerikanische Auftraggeber der Bekl. den mit ihr geschlossenen Vertrag wegen der verzögerten Lieferung annulliert habe. Daß die Stornierung zu Unrecht erfolgt sei und die Bekl. das amerikanische Verteidigungsministerium auf Abnahme und Zahlung mit Erfolg habe in Anspruch nehmen können, habe die Kl. nicht behauptet. Vielmehr sei davon auszugehen, daß der Auftraggeber der Bekl. wegen Überschreitung der mit konkludenter Genehmigung der Bekl. als endgültig vereinbarten Liefertermine gem. § 361 BGB zu der Stornierung bzw. zum Rücktritt berechtigt gewesen sei.
Die Revision rügt demgegenüber, ein Wegfall des Interesses an der Lieferung habe sich auf seiten der Bekl. nicht ohne Rücksicht auf das tatsächliche Verhalten des amerikanischen Auftraggebers ergeben können. Das amerikanische Verteidigungsministerium habe den Vertrag mit der Bekl. jedoch erst am 20. 8. 1991 für beendet erklärt. Diese Rüge hat Erfolg.
b) Ist bei einem gegenseitigen Vertrag der eine Teil mit der ihm obliegenden Leistung in Verzug, so läßt § 326 I BGB die Liquidation des Vertragsverhältnisses regelmäßig erst zu, nachdem dem Schuldner seitens des Gläubigers zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmt worden ist, daß die Annahme der Leistung nach Ablauf der Frist abgelehnt werde. Da anders als bei Unmöglichkeit der Leistung diese im Falle des Verzuges noch erbracht werden kann, ist es nach dem gesetzlichen Leitbild interessegerecht, wenn die einschneidende Wirkung der Vertragsliquidation grundsätzlich erst eintreten kann, nachdem der Schuldner auch eine angemessene Nachfrist hat verstreichen lassen. § 326 II BGB trägt demgegenüber nur einem Ausnahmetatbestand Rechnung. Der Vorrang der Interessen des Gläubigers, den diese Vorschrift fordert, ist demgemäß an strenge Voraussetzungen zu knüpfen (vgl. RG, JW 1905, 492). Die bloße Möglichkeit, daß der bestimmungsgemäße Empfänger der bestellten Ware diese wegen des Verzuges des Lieferanten nicht mehr abnehme und von dem mit dem Gläubiger des Lieferanten abgeschlossenen Liefervertrag zurücktrete, ist deshalb nicht geeignet, die Feststellung zu rechtfertigen, die Erfüllung des Vertrages habe infolge des Verzuges für den anderen Teil kein Interesse. Denn es bleibt dann ebenso möglich, daß sich das mit dem Vertrag mit dem Dritten verfolgte Interesse des Gläubiges verwirklichen läßt. Der Dritte kann trotz des Verzuges des Schuldners  weiterhin an der Durchführung des Geschäfts interessiert sein und gegebenenfalls nur einen etwaigen Verzögerungsschaden reklamieren. Auch die Bekl. hat im zu entscheidenden Fall zunächst nur die Möglichkeit eines Rücktritts ihres amerikanischen Vertragspartners als gegeben angesehen. Dies wird nicht nur aus ihrem Schreiben vom 14. 6. 1991 deutlich; insbesondere, daß sie die verspätete Leistung der Kl. entgegennahm und die Knochenbohrer in die USA weiterleitete, zeigt, daß die Bekl. weiterhin Interesse an der Durchführung des Vertragsverhältnisses hatte.
Hieran kann sich erst etwas geändert haben, als feststand, daß das amerikanische Verteidigungsministerium zur Abnahme und Bezahlung der Ware nicht mehr bereit sei. Das war jedoch erst im August 1991 der Fall, weil das amerikanische Verteidigungsministerium erst am 20. 8. 1991 den Vertrag für beendet erklärt hat. Zu diesem Zeitpunkt war der Verzug der Kl. aber bereits beendet; der eine Nachfristsetzung entbehrlich machende Wegfall des Interesses kann deshalb nicht zu einer Zeit eingetreten sein, zu der sich die Kl. in Leistungsverzug befand, so daß auch ein Schadensersatzanspruch gem. § 326 II BGB nicht entstehen konnte (BGHZ 104, 6 (11) = NJW 1988, 1778 = LM § 209 BGB Nr. 61).
c) Ein Anspruch der Bekl. auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gem. § 326 BGB setzte daher nach Abs. 1 dieser Vorschrift eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung voraus. Die hierzu nötige Erklärung des Gläubigers kann wirksam frühestens mit der den Verzug begründenden Mahnung (st. Rspr. BGH, NJW-RR 1990, 442 (444) m.w.Nachw. = LM § 138 (Ca) BGB Nr. 20) und muß ansonsten - wie erörtert - während des Verzuges des Schuldner erfolgen. Das BerGer. hat jedoch nicht festgestellt, daß die Bekl. während dieser Zeit, also vor Ende Juli 1991, der Kl. eine Nachfrist unter Ablehnungsandrohung gesetzt hätte. Das behauptet auch die Bekl. nicht. Selbst ihr Schreiben vom 14. 6. 1991 enthielt weder eine Nachfristsetzung noch eine eindeutige Ablehnungsandrohung, wie sie erforderlich ist, um die Warnfunktion (vgl. hierzu Senat, NJW-RR 1995, 939 (940)) zu erfüllen, welche diese Voraussetzung des § 326 I BGB bezweckt.
5. Das Berufungsurteil ist mithin aufzuheben, weil es zu Unrecht ein der als solcher unstreitigen Vergütungsforderung der Kl. entgegenstehendes Recht der Bekl. aus § 326 BGB bejaht. Die Sache ist auch zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen, weil noch tatrichterliche Feststellungen nötig sind.
a) Da der Bekl. das von dem BerGer. bejahte Gegenrecht aus § 326 BGB nicht zusteht, kann nicht offenbleiben, ob die Parteien mit dem amerikanischen Auftraggeber der Bekl. eine diese befreiende Schuldübernahme vereinbart haben. Ob der als solcher unstreitige Vergütungsanspruch der Kl. gerade gegenüber der Bekl. besteht, ist vielmehr unter Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen der Beteiligten zu prüfen und zu entscheiden.
b) Sollte das BerGer. aus den von ihm bereits erörterten Gründen eine Schuldnerschaft der Bekl. annehmen, wird es außerdem einen Schadensersatzanspruch der Bekl. nach § 286 BGB zu erwägen haben. Es kommt sowohl ein Anspruch gem. Abs. 1 auf Ersatz eines Verzögerungsschadens als auch ein Anspruch gem. Abs. 2 auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Betracht.
§ 286 I BGB ist in Erwägung zu ziehen, weil der Bekl. der mit dem amerikanischen Verteidigungsministerium vereinbarte Vergütungsanspruch einschließlich des erwarteten Gewinns infolge des Verzuges und der verspäteten Lieferung der Knochenbohrer entgangen sein kann. Der Umstand, daß der Verzug der Kl. eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistung betrifft und § 326 BGB Rechtsfolgen des Verzuges mit solchen Leistungspflichten regelt, schließt das Bestehen eines Anspruchs gem. § 286 I BGB nicht aus (st. Rspr., BGH, NJW 1975, 1740 (1741) m.w.Nachw.). Der Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens tritt neben den Leistungsanspruch und bleibt deshalb auch unabhängig davon bestehen, ob das Vertragsverhältnis wegen Verzuges gem. § 326 BGB liquidiert wird, so daß sich die Leistungspflichten in Abwicklungspflichten umwandeln, oder ob trotz des Verzuges am Vertrag festgehalten wird und die Leistungsansprüche fortbestehen.
Da die Bekl. bereits im Schreiben vom 14. 6. 1991 ohne Beschränkung auf bestimmte Rechtsbehelfe der Kl. mitgeteilt hatte, diese für entgehenden Gewinn und entstehende Kosten haftbar zu machen, ist davon auszugehen, daß die Bekl. der Klageforderung gegebenenfalls auch einen Anspruch gem. § 286 I BGB entgegenhalten will. Dies ist ausreichend. Auch soweit ein Anspruch auf Ersatz eines Verzögerungsschadens ebenso wie der klageweise geltend gemachte Vergütungsanspruch auf Geld gerichtet ist, bedarf es zu seiner Geltendmachung nicht der förmlichen Aufrechnung. Wie jede Gegenforderung kann grundsätzlich auch eine gleichartige Gegenforderung einredeweise geltend gemacht werden (vgl. BGH, NJW 1974, 367 (368) = LM GebOA Nr. 14). Die Möglichkeit hierzu bietet im zu entscheidenden Fall entweder § 273 BGB oder § 242 BGB. Es wäre jedenfalls treuwidrig, wenn die Kl. einen einschränkungslosen Titel über einen Geldbetrag erlangte, von dem festgestellt werden kann, daß sie ihn der Bekl. ihrerseits als Schadensersatz schuldet.
Die bislang fehlende Bezifferung und Substantiierung des Schadens einschließlich der Möglichkeit der Verwertung der noch in den USA befindlichen Knochenbohrer wird nachzuholen sein.
Außer § 286 I BGB wird das BerGer. auch einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gem. § 286 II BGB zu erwägen haben, weil die Bekl. behauptet hat, sie habe die Lieferungen nur unter dem ausdrücklich erklärten Vorbehalt einer etwaigen Stornierung des Vertrages durch ihren amerikanischen Auftraggeber angenommen. Das BerGer. wird zu prüfen haben, ob der Vortrag der Bekl. hierzu die schlüssige Behauptung einer Ablehnung der Leistung der Kl. beinhaltet etwa in der Weise, daß die Bekl. sich nur bereit erklärt habe, zur Geringhaltung des Schadens eine Erfüllung der dem amerikanischen Verteidigungsministerium gegenüber eingangenen Lieferpflicht zu versuchen. Bejahendenfalls wird das BerGer. die Richtigkeit dieses Vortrages aufklären müssen. Bei der weiteren Prüfung, ob es zu einem Wegfall des Interesses der Bekl. gekommen ist, der anders als bei § 326 II BGB nach dem eindeutigen Wortlaut des § 286 II BGB nicht während des Verzuges, sondern lediglich infolge des Verzuges der Kl. eingetreten sein muß, wird das BerGer. außerdem nicht wiederum annehmen dürfen, mangels entgegenstehenden Vortrages der Kl. sei davon auszugehen, das amerikanische Verteidigungsministerium sei von dem Liefervertrag mit der Bekl. wirksam zurückgetreten. Die Revision rügt insoweit zu Recht, daß das BerGer. hierbei die allgemeinen Grundsätze über die Vortragslast verkannt habe.
Nach diesen Grundsätzen hat der Leistungsgläubiger den Wegfall seines Interesses an der Leistung infolge des Verzuges darzulegen und im Streitfall zu beweisen (vgl. Baumgärtel/Strieder, Hdb. der Beweislast im Zivilprozeß I, 2. Aufl., § 326 BGB Rdnr. 5; Staudinger/Peters, § 326 Rdnr. 115). Es wäre deshalb Sache der Bekl. gewesen, im einzelnen und nachvollziehbar vorzutragen, daß ihr amerikanischer Vertragspartner die Abnahme und Bezahlung der Lieferung zu verweigern berechtigt war. Dazu genügte der Vortrag der Bekl. nicht. Die Bekl. hat lediglich das später erfolgte Storno vorgetragen, und nicht einmal Einzelheiten des mit dem amerikanischen Vertragspartner vereinbarten Vertragsstatuts dargelegt. Dazu, was der Vertrag mit dem amerikanischen Abnehmer für den Fall der Nichteinhaltung zugesagter Lieferfristen vorsah, konnte die Kl. schon mangels Einblicks in diese Vertragsbeziehungen keine Angaben machen.
Sowohl hinsichtlich eines Anspruchs der Bekl. gem. § 286 I BGB als auch hinsichtlich eines Anspruchs nach § 286 II BGB ist die Frage, ob das amerikanische Verteidigungsministerium wirksam vom Liefervertrag zurücktreten konnte und zurückgetreten ist, überdies von Bedeutung für die - ebenfalls von der Bekl. als Anspruchstellerin zu fordernde - Darlegung, daß ihr ein Schaden und welcher Schaden ihr infolge des Verzuges entstanden sei.
6. Da derzeit noch nicht abzusehen ist, ob und inwieweit die Kl. mit ihrer Klage obsiegt oder unterliegt, ist auch eine Entscheidung über die Kosten der Revision nicht möglich. Auch diese wird deshalb vom BerGer. zu treffen sein.



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