NJW 2000, 1331
LM H. 7/2000 § 223 BGB Nr. 7 m. Anm. Pfeiffer
Amtl. Leitsatz:
Vertragspartner können mit der Hinterlegung
beim Notar ein eigenständiges Recht des Gläubigers begründen,
sich aus dem hinterlegten Betrag bei Bestehen des gesicherten Anspruchs
unabhängig von dessen Verjährung zu befriedigen.
Zentrales Problem:
Gem. § 223 I BGB kann sich der Gläubiger
aus bestimmten Sicherheiten (Hypothek, Pfandrecht) auch dann befriedigen,
wenn der gesicherte Anspruch verjährt ist. Wichtig ist insbesondere,
daß diese Regelung auf die Sicherungsübereignung und - mit bestimmten
Modifikationen - auch auf den Eigentumsvorbehalt analog anzuwenden ist
(der Vorbehaltsverkäufer kann die verkaufte Sache auch nach der Verjährung
der Kaufpreisforderung analog § 223 I BGB nach § 985 BGB zur
Verwertung zurückfordern, obwohl das Besitzrecht des Käufers
nach §§ 986, 433 I BGB fortbesteht, BGHZ 70, 96 ff). Keine
Analogie kommt allerdings im Fall der Bürgschaft in Betracht (Widerspruch
zu § 768 BGB), vgl. BGH NJW 1998, 981 = BGHZ
138, 49.
In der vorliegenden Entscheidung wird eine Vereinbarung
der Parteien, eine Forderungssumme zur Sicherheit bei einem Notar zu hinterlegen,
im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 223 I BGB so ausgelegt, daß
trotz Verjährung der Forderung eine Befriedigung aus dem hinterlegten
Betrag möglich sein soll. Es geht hier nicht um eine Analogie zu §
223 I BGB, sondern um eine Auslegung der Parteivereinbarung unter Einbeziehung
des § 223 I BGB zugrundeliegenden Rechtsgedankens. Die in der Entscheidung
angesprochene Sicherheitsleistung durch Hinterlegung gem. § 232 BGB
darf nicht mit der Hinterlegung als Erfüllungssurrogat (§§
372 ff BGB) verwechselt werden.
Der Kl. verlangt von den beiden Bekl. restlichen
Werklohn für die Verlegung von Bodenbelägen. Der Kl. hatte durch
einstweilige Verfügung erreicht, dass die Vormerkung einer Bauhandwerkersicherungshypothek
ins Grundbuch eingetragen wurde. Das anschließende Streitverfahren
endete mit einem Vergleich, in dem der Kl. die Löschung der Vormerkung
bewilligt hat. Zugleich haben die Parteien erklärt, dass der von den
Bekl. auf Notaranderkonto hinterlegte Betrag von 90032,66 DM unwiderruflich
zu Gunsten des Kl. hinterlegt worden ist (Nr. 1 des Vergleichs). Ferner
soll dieser Betrag an den Kl. "erst und insoweit" ausgezahlt werden, "als
ein entsprechender Werklohnanspruch ... einvernehmlich oder streitig rechtskräftig
festgestellt ist" (Nr. 2 des Vergleichs). Da die Parteien über den
Werklohnanspruch kein Einvernehmen erzielen konnten, hat der Kl. seine
Restforderung von 101 091,48 DM eingeklagt.
Er hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg.
Das BerGer. hielt die Werklohnforderung für verjährt. Der Senat
hat das bestätigt und die Revision des Kl. nur insoweit angenommen,
als dieser hilfsweise begehrt, die Bekl. zu verurteilen, in die Auszahlung
des zur Sicherheit hinterlegten Betrags von 90032,66 DM einzuwilligen.
Die Revision war im Umfang der Annahme begründet.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat sich mit den Fragen auseinandergesetzt, ob die Werklohnforderung verjährt ist und ob es den Bekl. verwehrt ist, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Dagegen hat es nicht geprüft, ob der Kl. durch den Vergleich eine von der festgestellten Verjährung unabhängige Sicherheit erhalten hat, auf die er gegebenenfalls zurückgreifen kann (Hilfsantrag).
II. Dieses beanstandet die Revision zu Recht. Das BerGer. hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die rechtliche Bedeutung der Vereinbarung der Parteien vom 7. 9. 1994 zu ermitteln. Diese kann der Senat selbst auslegen, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind.
Dem Wortlaut und dem Zweck des Vergleichs ist zu
entnehmen, dass die Parteien eine Sicherheit zu Gunsten des Kl. vereinbart
haben, aus der er sich wegen seiner Werklohnforderung, soweit sie besteht,
unabhängig von deren Verjährung befriedigen kann.
1. Ein Gläubiger kann sich vor drohenden
Rechtsnachteilen unter anderem dadurch schützen, dass er seinen Anspruch
durch ein zusätzliches Recht sichert, welches er verwerten kann, wenn
er den zugrunde liegenden Anspruch nicht durchsetzen kann. Das gilt auch
gegenüber der Verjährung. Im Gesetz sind hierzu mehrere Fälle
geregelt. Ist für einen Anspruch eine Hypothek oder ein Pfandrecht
bestellt, so hindert die Verjährung des Anspruchs den berechtigten
Gläubiger nicht, seine Befriedigung aus dem verhafteten Gegenstand
zu suchen (§ 223 I BGB). Ist zur Sicherung des Anspruchs ein Recht
übertragen worden, so kann die Rückübertragung nicht aufgrund
der Verjährung des Anspruchs gefordert werden (§ 223 II BGB).
Sicherheit kann auch durch die förmliche Hinterlegung von Geld (§
232 BGB) geleistet werden; deren Rechtsfolge ist ein Pfandrecht an dem
hinterlegten Geld (§ 233 BGB), aus dem wiederum unabhängig von
der Verjährung des gesicherten Anspruchs Befriedigung gesucht werden
kann (§ 223 I BGB).
Diese gesetzlichen Regelungen bestimmen im Kern,
dass der Gläubiger unabhängig von der Verjährung des gesicherten
Anspruchs die Realsicherheit, die er bereits hat, verwerten kann. Dem liegt
zugrunde, dass die Verjährung nicht den verjährten Anspruch beseitigt;
sie gibt lediglich dem Schuldner ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht
(§ 222 I BGB).
Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass Vertragspartner
nicht auch eine andere, ihren Interessen am besten entsprechende Sicherheit
vereinbaren können. Eine Hinterlegung beispielsweise muss nicht immer
die förmliche Hinterlegung i. S. des § 223 BGB sein. Ebensogut
kann die Hinterlegung beim Notar gewählt werden. Dieser verbreiteten
Sicherungsart fehlt zwar die Rechtsfolge des § 233 BGB. Die Vertragspartner
können aber mit der Hinterlegung beim Notar ein eigenständiges
Recht des Gläubigers begründen, sich aus dem hinterlegten Betrag
bei Bestehen des gesicherten Anspruchs unabhängig von dessen Verjährung
zu befriedigen. So liegt der Fall hier.
2. Nach der Vereinbarung der Parteien haben die
Bekl. dem Kl. ein in diesem Sinne zusätzliches, von der Verjährung
des Werklohnanspruchs unabhängiges Recht
als Sicherheit eingeräumt. Sie haben den Betrag von 90032,66 DM aus
ihrer Verfügungsgewalt entlassen und ihn unwiderruflich beim Notar
hinterlegt. Zugleich haben sie dem Kl. das Recht eingeräumt, unter
bestimmten Voraussetzungen die Auszahlung dieses Betrags an sich zu verlangen.
Dieses Recht ist ein eigenständiges Recht, das neben dem gesicherten
Werklohnanspruch besteht. Es wird von dessen Verjährung nicht berührt.
Als Voraussetzung ist zunächst genannt, dass der gesicherte Anspruch
wirklich besteht, was für die Verwertung von Sicherheiten ohnehin
stets erforderlich ist. Ferner soll die Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens des Werklohnanspruchs entweder "einvernehmlich" oder aber
"streitig rechtskräftig" vorgenommen werden.
a) Dass die Frage der Verjährung für
die Verwertung der Sicherheit unbeachtlich sein soll, liegt bei "einvernehmlicher"
Feststellung des Anspruchs auf der Hand; es gilt aber auch für den
Fall der "streitig rechtskräftigen" Feststellung. Denn ein Streit
uni die Verjährung des Werklohnanspruchs könnte nicht mit der
Feststellung des Bestehens oder Nicht-bestehens dieses Anspruchs enden.
Wenn Verjährung eingetreten ist, bleibt als Ergebnis eines Rechtsstreits
nur die Feststellung, dass der Schuldner zur Leistungsverweigerung berechtigt
ist. Die Frage, ob der gesicherte Anspruch besteht, bleibt dann offen.
Soll dagegen, wie es die Parteien vereinbart haben, der Bestand des Werklohnanspruchs
festgestellt werden, können die Bekl. dieses nicht dadurch verhindern,
dass sie die Klärung in der Sache unter Berufung auf die Verjährung
verweigern. Das ist durch den Vergleich ausgeschlossen.
b) Die Bekl. haben den Vergleich geschlossen,
um eine Belastung ihres Grundstücks zu vermeiden, das sie weiter verwerten
wollten. Der Kl. ist dem entgegengekommen und hat seinerseits auf eine
dingliche Sicherung seines Werklohnanspruchs durch das Grundstück
verzichtet. Er hatte bis zum Vergleichsschluss zwar erst eine Vormerkung
im Grundbuch erreicht, die ihn nicht gegen die Verjährung seines Werklohnanspruchs
hätte schützen können (§ 886 BGB). Mit dem Vergleich
hat er sich aber zu Gunsten der Bekl. der weiteren Möglichkeit begeben,
im Range der Vormerkung (§ 883 III BGB) die Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek
zu betreiben, die ihn gem. § 223 I BGB vor den Folgen der Verjährung
seines Werklohnanspruchs geschützt hätte.
III. Das Berufüngsurteil kann danach im Umfang
der Annahme keinen Bestand haben. Nach Aufhebung insoweit und Zurückverweisung
wird das BerGer. zu klären haben, ob dem Kl. bis zur Höhe des
hinterlegten Betrags der geltend gemachte Werklohnanspruch zusteht. Soweit
dies der Fall ist, werden die Bekl. unabhängig von der Verjährung
des Werklohnanspruchs in die Verwertung des zur Sicherheit hinterlegten
Betrags durch dessen Auszahlung an den Kl. einzuwilligen haben.