Fortsetzung des "Nitrierofenfalls" BGHZ 133, 168: Sorgfaltspflichten des Werkunternehmers
BGH, Urt. u 14. 9. 99 - X ZR 89/97 (Düsseldorf)
Fundstelle:

NJW 2000, 280


Amtl. Leitsatz:

Den Werkunternehmer trifft in der Regel auch ohne besondere Zusage eine Pflicht, sich nach Anlieferung durch Überprüfung der vom Besteller angelieferten Sachen zu vergewissern, dass diese zur Herstellung eines mangelfreien Werks geeignet sind. Diese Prüfungspflicht besteht regelmäßig unabhängig davon, ob der Unternehmer dem Besteller vor der Anlieferung einen Hinweis über die benötigte Beschaffenheit gegeben oder der Besteller es übernommen hat, sich um die nötige Beschaffenheit zu kümmern. 



Zum Sachverhalt:

Die Bekl. hatte in Ungarn gefertigte, teilweise geschlossene Hohlwalzen zu schleifen, zu nitrieren (härten) und anschließend zu verchromen. Wegen der Nitrierarbeiten verhandelte sie mit der Kl. zu 1. Dabei wurde die Bekl. mündlich darauf hingewiesen, dass die Walzen im Innenraum absolut trocken, fettfrei und sauber sein müssten. Ihr wurde außerdem die Nitrierpreisliste der Kl. zu 1 ausgehändigt, in der es in Rotdruck heißt: "Geschlossene Hohlkörper müssen unbedingt innen absolut trocken, fettfrei und sauber sein.... Alle wärmezubehandelnden geschlossenen Hohlkörper müssen unbedingt innen absolut trocken, fettfrei und sauber sein." Im April 1991 erteilte die Bekl. der Kl. zu 1 den Auftrag zum Nitrieren von 25 Walzen. Die ersten in Teillieferungen angelieferten 24 Walzen wurden von der Kl. zu 1 problemlos gehärtet und wieder ausgeliefert. Die 25. Walze wurde am 31. 10. 1991 zusammen mit Werkstücken anderer Auftraggeber in den Nitrierofen der Kl. zu 1 gegeben. Während des Härtungsvorgangs kam es zu einer Explosion mit erheblichen Sachschäden. Die Kl. zu 1, die behauptet hat, Schäden, die den anderen Auftraggebern entstanden seien, ersetzt zu haben, und die Kl. zu 2, die als Versicherer der Kl. zu 1 deren Eigenschäden ersetzt hat, beanspruchen deshalb von der Bekl. Schadensersatz. Das LG hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Klage dem Grunde nach zu 2/3 des entstandenen Schadens für gerechtfertigt erklärt. Das OLG hat die Berufung der Kl. und die Berufung der Bekl. zurückgewiesen. Hiergegen haben die Bekl. Revision und die Kl. Anschlussrevision eingelegt. Die Anschlussrevision der Kl. hat der Senat nicht angenommen. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer., soweit der Rechtsstreit nicht infolge der Nichtannahme der Anschlussrevision der Kl. bereits sachlich entschieden ist.

Aus den Gründen:

1. Das BerGer. hat die entstandenen Schäden darauf zurückgeführt, dass Wasser innerhalb der letzten zur Kl. zu 1 angelieferten Walze vorhanden gewesen sei, weshalb es während des Nitriervorgangs im Nitrierofen der Kl. zu 1 zur Explosion gekommen sei. Eine andere Ursache für die Schäden der Kl. zu 1 und der Auftraggeber, deren Sachen zusammen mit der Walze der Bekl. härten nitriert werden sollen, komme nicht in Betracht. Einen Rechtsfehler vermag die Revision der Bekl. insoweit nicht aufzuzeigen. Die von der StA in Auftrag gegebene gutachterliche Stellungnahme des Dipl.-Ing. V bildet eine tragfähige Grundlage für die tatrichterliche Überzeugung des BerGer.
2. Das BerGer. hat die Behauptung der Bekl. nicht als erwiesen erachtet, dass die Kl. zu 1 zugesagt gehabt habe, die von der Bekl. angelieferte Walze vor der Nitrierung daraufhin zu untersuchen, ob sie im Innenraum absolut trocken sei. Auch diese Feststellung beanstandet die Revision der Bekl. ohne Erfolg. Sie ist aufgrund einer Würdigung der Aussagen vernommener Zeugen getroffen und als solche auf die Revision hin nur eingeschränkt überprüfbar, ob die Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist und ob sie nicht gegen Denk-, Naturgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. etwa BGH, NJW 1993, 935 [937] = LM H. 6/1993 § 857 m. w. Nachw.). Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf. Das OLG hat der in einem Vorprozess gemachten und erst auf Vorhalt vor dem LG bestätigten Aussage des Zeugen W, wonach es die Kl. zu 1 übernommen habe, bei Eingang der Walzen noch eine Kontrolle durchzüführen, vor allem deshalb nicht geglaubt, weil dieser Zeuge und ein weiterer vernommener Zeuge sich zuvor vor dem LG in eher entgegengesetztem Sinne geäußert hatten. Diese Bewertung ist ohne weiteres möglich und lässt die tatrichterliche Überzeugung vertretbar erscheinen. Auf die ergänzenden Überlegungen des BerGer., gegen die sich die Revision der Bekl. ferner wendet, kommt es daher nicht mehr an. 3. Das BerGer. hat gemeint, die Bekl. sei wegen Vertragsverletzung überwiegend, nämlich zu 2/3 schadensersarzpflichtig. Hierzu hat es ausgeführt, die Bekl. sei verpflichtet gewesen, durch Überprüfung der letzten Walze sicherzustellen, dass der zum Nitrieren unerlässliche Zustand vorhanden sei. Denn es habe sich nichts dafür ergeben, dass die Kl. zu 1 die Wälze zu überprüfen gehabt habe. Wie die Revision der Bekl. zu Recht beanstandet, hat das BerGer. dabei übersehen, dass den Unternehmer in der Regel eine originäre Pflicht zur Überprüfung trifft.
a) Ist eine Sache herzustellen oder zu bearbeiten, so ist der bei einem Werkvertrag vom Unternehmer geschuldete Erfolg, das mangelfreie Werk, zuverlässig nur zu erreichen, wenn die zur Herstellung des Werks verwendeten Materialien eine hierzu geeignete Beschaffenheit haben. Da der Unternehmer durch den Werkvertrag die Erreichung des Erfolgs verspricht, gehört es auch ohne besondere Zusage als selbstverständlicher Teil zu der übernommenen Hauptleistungspflicht des Unternehmers, dafür zu sorgen, dass zur Herstellung des Werks nur Sachen verwendet werden, welche die erforderliche Eignung aufweisen. In den dem gesetzlichen Leitbild des Werkvertrags entsprechenden Fällen, in denen seitens des Bestellers zur Verfügung gestellte Sachen verwendet werden müssen und in denen der Unternehmer deshalb nicht schon durch die Auswahl der benötigten Materialien auf deren Beschaffenheit Einfluss nehmen und deren Eignung sicherstellen kann, hat dies zur Folge, dass der Unternehmer vom Besteller gelieferte Teile, die er zu ver- oder bearbeiten hat, nicht unbesehen verwenden darf. Den Werkunternehmer trifft vielmehr eine originäre Pflicht, sich nach Anlieferung durch Überprüfung der vom Besteller angelieferten Sachen zu vergewissern, dass diese zur Herstellung eines mangelfreien Werks geeignet sind. Lässt sich die Eignung nicht hinreichend zuverlässig feststellen, hat der Unternehmer den Besteller unverzüglich zu unterrichten und eine Werkerstellung unter Verwendung der angelieferten Sachen vorerst zu unterlassen. Die aus dem Wesen des Werkvertrags folgende Pflicht des Unternehmers zur Prüfung vom Besteller gelieferter Sachen und zur Mitteilung von Bedenken an den Besteller ist in ständiger Rechtsprechung höchstrichterlich anerkannt (vgl. BGH, Urt. v. 24. 6. 1963 - VII ZR 10/62 m.w. Nachw.; BGH, NJW 1987, 643 LM § 633 BGB Nr.61 m.w. Nachw.; vgl. auch die Rechtsprechungsübersicht in ZfBR 1998, 241). § 4 Nr. 3 VOB/B geht hiervon aus, indem er die Prüfungspflicht voraussetzt (vgl. Kaiser, NJW 1974, 445) und die Mirteilungspflicht für diesem Regelwerk unterfallende Werkverträge näher bestimmt.
b) An der Prüfungspflicht des Werkunternehmers und der Folge, dass ihre Nichterfüllung eine Vertragsverletzung durch den Unternehmer darstellt, ändert sich regelmäßig auch dann nichts, wenn der Unternehmer dem Besteller vor der Anlieferung, etwa anlässlich von Vertragsverhandlungen oder während des Vertragsschlusses einen Hinweis über die benötigte Beschaffenheit der vom Besteller zu liefernden Sachen gegeben hat oder wenn der Besteller es übernommen hat, sich um die nötige Beschaffenheit zu kümmern. Zu einem Hinweis kann je nach den Umständen des Einzelfalls, etwa in Anbetracht eines ungenügenden Wissensstands des Bestellers (vgl. Senat, NJW-RR 1996, 789; NJW-RR 1987, 664 [6651) und/ oder aus Gründen einer Verkehrssicherungspflicht, durchaus Anlass bestehen, so dass auch ein solcher Hinweis vom Unternehmer aufgrund des Werkvertrags geschuldet sein kann. Die Erfüllung dieser Pflicht stellt jedoch ebenso wenig wie etwaige Zusagen des Bestellers die Mangelfreiheit des vom Unternehmer geschuldeten eigentlichen Leistungsgegenstands sicher. Dies kann zur Gewährleistung der Herstellung eines mangelfreien Werks ungenügend sein, weil ungewiss bleibt, ob der Besteller tatsächlich bereit und in der Lage gewesen ist, eine geeignete Sache zu besorgen bzw. zur Verfügung zu stellen. Diese Ungewissheit kann in der Regel nur eine nachträgliche Überprüfung ausräumen, weshalb der Werkunternehmer hierzu im Rahmen der von ihm zu erbringenden Hauptleistung verpflichtet bleibt.
Eine Ausnahme von dieser Regel kann in Betracht zu ziehen sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die auch ohne Überprüfung der angelieferten Sachen vergleichbare Gewähr dafür bieten, dass sie die zur Herstellung eines mangelfreien Werks erforderliche Eignung aufweisen. Außerdem ist eine einverständlich getroffene Vereinbarung zwischen Besteller und Unternehmer geeignet, den Unternehmer von der Überprüfungspflicht zu entbinden. Die Vertragsfreiheit erlaubt, auch solche Pflichten zu beseitigen oder der anderen Partei aufzuerlegen, die nach dem gesetzlichen Leitbild des betreffenden Vertragstyps zu der Hauptleistungspflicht einer bestimmten Vertragspartei gehören. Als Abweichung von der gesetzlichen Pflichtenverteilung wäre das Zustandekommen einer solchen Vereinbarung aber vom Unternehmer darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 295).
c) Diesen Grundsätzen hat das BerGer. bei seiner Entscheidung nicht Rechnung getragen. Besondere Umstände, aus denen die Kl. zu 1 zuverlässig hätte schließen können, dass die 25. angelieferte Hohlwalze innen trocken, fettfrei und sauber sei, hat das BerGer. nicht festgestellt. Im Rahmen der von ihm im Hinblick auf ein Mitverschulden der Kl. zu 1 vorgenommenen Abwägung hat es im Gegenteil angenommen, die Kl. zu 1 habe sich nicht unbedingt darauf verlassen dürfen, dass sich das Walzeninnere auf jeden Fall in einem nitriergeeigneten Zustand befinde. Dem kann nur beigetreten werden. Zweifel ergaben sich - wie auch das BerGer. angenommen hat -, weil nach dessen Feststellungen Vertreter der Bekl. auf den Hinweis bzw. trotz des Hinweises über die erforderliche Beschaffenheit des Inneren der zu nitrierenden Walzen erklärt hatten, die Innenbeschaffenheit der Walzen liege nicht im Einflussbereich der Bekl. Unter Berücksichtigung des unstreitigen Umstands, dass die Bekl. nicht selbst die Walzen hergestellt, sondern sie aus Ungarn erhalten harte, bot deshalb auch die Tatsache, dass die Bekl. in ihrem Auftragsschreiben ausschließlich die Notwendigkeit des Abdeckens angebrachter Zapfen und der Stirnseiten erwähnt und außerdem auf einen durchgeführten Glühvorgang verwiesen hatte, keine Gewähr für das Vorhandensein eines nitrierfähigen Zustands. Auch dem Umstand, dass die Walzen der ersten fünf Teillieferungen problemlos hatten nitriert werden können, hat das BerGer. zu Recht keine Bedeutung beigemessen, weil damals anders als in dem jetzt zu beurteilenden Fall eine Kontrolle vorgenommen und im Inneren der Walzen eventuell noch vorhandenes Wasser vor der Nitrierung entfernt worden sein kann.
Trotz des in diese Richtung deutenden Vortrags der Kl., bei den Vertragsverhandlungen sei den Mitarbeitern der Bekl. verdeutlicht worden, dass sich die Eignungsprüfung der Kl. zu 1 ausschließlich auf die Untersuchung hinsichtlich etwaiger Beschädigungen der Oberfläche der Werkstücke beschränken werde, während sämtliche weiteren Überprüfungen Sache der Bekl. selbst seien, hat das BerGer. auch eine Vereinbarung der Parteien nicht festgestellt, wonach die Kl. zu 1 nicht untersuchungspflichtig bzw. allein die Bekl. für den nitriergeeigneten Zustand des Inneren der Walzen verantwortlich sein solle. Das BerGer. hat lediglich verschiedene Erklärungen der Kl. zu 1, dass die Walzen innen unbedingt trocken und sauber sein müssten, als gegeben erachtet. Selbst wenn hierin ein Vertragsangebot der Kl. zu 1 zu sehen sein könnte, die vom Gesetz vorgesehenen Unternehmerpflichten zu ihren Gunsten abzuändern, fehlte es deshalb an der für eine entsprechende Vereinbarung nötigen Feststellung einer Annahmeerklärung der Bekl. Die stattdessen angestellten, bereits unter Nr. 2 abgehandelten Erwägungen des BerGer., ob die Bekl. habe nachweisen können, dass eine Kontrolle durch die Kl. zu 1 vereinbart gewesen sei, sind in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht entscheidungserheblich. Die Kontrollpflicht des Unternehmers ist eine gesetzliche Folge der Übernahme des Werkleistungsauftrags. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte war deshalb auch im vorliegenden Fall von ihr auszugehen, ohne dass es hierzu neben dem Abschluss des Werkvertrags einer besonderen Vereinbarung der Parteien bedurft hätte. Ihrer Überprüfungspflicht nachzukommen, war die Kl. zu 1 schließlich auch nicht etwa deshalb enthoben, weil - wie die Kl. geltend gemacht haben - eine Untersuchung des Inneren der 25. Walze zu Schäden an dem Werkstück hätte führen können. Insoweit zu Recht weist auch das BerGer. darauf hin, dass dann der Kl. zu 1 jedenfalls der Weg einer Anfrage bei der Bekl. möglich gewesen wäre. Nach dem Vorgesagten hätte die Kl. zu 1 in dieser Weise verfahren und mit der Nitrierung vorerst zuwarten müssen.
4. Revisionsrechtlich ist nach allem davon auszugehen, dass die Kl. zu 1 aufgrund des Werkvertrags gehalten war, die angelieferte 25. Walze daraufhin zu untersuchen, ob sie innen absolut trocken sei, bzw. diese Walze erst nach Klärung dieser Frage in den Nitrierofen zu geben. Da die Kl. zu 1 diese vertragliche Pflicht unstreitig nicht erfüllt hat, hat danach entgegen der Meinung des BerGer. bei der Entstehung der streitgegenständlichen Schäden nicht nur ein Verschulden der Kl. zu 1 gegen sich selbst mitgewirkt; die Kl. zu 1 hat vielmehr wegen positiver Vertragsverletzung für den eingetretenen Schaden einzustehen. Dies ist ein Gesichtspunkt, der auch im Rahmen einer nach § 254 BGB notwendigen Abwägung Beachtung verdient und deshalb im zu entscheidenden Fall zu einer anderen Schadensverteilung führen kann, als sie das BerGer. bisher vorgenommen hat. Es ist mithin unerheblich, dass die Anwendung von § 254 BGB nach wie vor in Betracht kommt, weil nach dem vom BerGer. festgestellten Sachverhalt die Bekl. den von der Kl. zu 1 zu vertretenden Schaden jedenfalls durch eigenes Mitverschulden mitverursacht hat, wie auch die Revision der Bekl. letztlich nicht in Zweifel zieht. Die Feststellung eines Mitverschuldens einer Partei und die nach § 254 BGB gebotene Abwägung sind grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das BerGer. wird des- halb hierüber nunmehr unter Berücksichtigung des Umstands zu befinden haben, dass die Überprüfung des Walzeninneren nach den getroffenen Feststellungen nicht der Bekl., sondern der Kl. zu 1 oblag.
5. Dabei wird das BerGer. auch zu erwägen haben, ob der Bekl. ebenfalls ein - wenn auch anderes als im angefochtenen Urteil angenommenes - Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, das eine Verletzung des abgeschlossenen Werkvertrags darstellt. Wie § 642 BGB zeigt, kann ein Werkvertrag für den Besteller im Einzelfall mehr Pflichten als Zahlung der Vergütung und Abnahme des mangelfreien Werks begründen. Insbesondere wenn der Besteller - wie hier - die Sache, die der Unternehmer bearbeiten soll, zur Verfügung zu stellen hat, können weitere vertragliche Pflichten entstehen. Dies gilt entgegen der Meinung der Revision auch dann, wenn solche Pflichten nicht ausdrücklich schriftlich oder mündlich zum Vertragsinhalt gemacht worden sind. Auch ein Werkvertrag ist so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§§ 133, 157 BGB). Als Folge des Grundsatzes von Treu und Glauben können sich in Anbetracht der in diesem Rahmen zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessen vor allem für jede Partei Auskunfts-, Aufklärungs- oder Obhutspflichten ergeben. Da das Gelingen des Werks vertragsgemäßes Ziel beider Parteien eines Werkvertrags ist, können hieraus solche Pflichten für beide Parteien eines Werkvertrags ohne besondere vertragliche Regelung insbesondere dann folgen, wenn Gefahren für das Gelingen des Werks bestehen (Senat, NJW-RR 1987, 664 [665] m. w. Nachw.). Diesen Gefahren muss - soweit möglich - begegnet werden. Dem hat jede Vertragspartei nach eigenem Erkenntnisstand und eigener Erkenntnismöglichkeit Rechnung zu tragen. Auch der Besteller hat deshalb jedenfalls dann, wenn er um Gefahren weiß, aus Gründen der vertraglichen Fürsorge die Pflicht, durch Handlungen, die geeignet und unschwer (vgl. BGH, GRUR 1990, 54) möglich sind, dazu beizutragen, dass die Gefahr sich nicht realisiert. Auch die Bekl. kann eine solche Fürsorgepflicht im vorliegenden Fall getroffen haben. Durch die mehrfachen Mitteilungen der Kl. zu 1 wusste die Bekl. nämlich, dass die anzuliefernden Walzen innen trocken, fettfrei und sauber sein mussten. Die Bedeutung dieser Notwendigkeit war außerdem durch Rotdruck auf der ihr ausgehändigten Nitrierpreisliste hervorgehoben. Da die Bekl. gleichwohl aus Stabilitätsgründen eine während des Transports mit Wasser gefüllte Walze anlieferte bzw. anliefern ließ, musste sie annehmen, dass dieses Wasser bei bzw. nach der Anlieferung abgelassen werden musste. Der eigene Vortrag der Bekl. spricht ferner dafür, dass dieses Ablassen den im Auftrag der Bekl. handelnden, zur Anlieferung eingesetzten Personen ohne weiteres möglich gewesen wäre. Denn die Revision selbst stellt darauf ab, es seien nur angebrachte Bohrungen durch Wegnahme vorhandener Stopfen zu öffnen gewesen. Jedenfalls aber hätte die Bekl. durch das die Anlieferung bewerkstelligende Personal die Kl. zu 1 unschwer darauf hinweisen lassen können, dass die angelieferte 25. Walze noch Wasser enthalte und deshalb vor dem Nitrieren noch entleert werden müsse, was durch Lösen der Stopfen geschehen könne. Zu diesem Hinweis könnte die Bekl. deshalb verpflichtet gewesen sein. Ein durch' Unterlassen eines solchen Hinweises erfolgter Schadensbeitrag der Bekl. würde schließlich besonderes Gewicht erlangen, wenn - wofür bislang allerdings tatrichterliche Feststellungen fehlen - die Bekl. um das wahre Ausmaß der Gefahr im Falle des Nitrierens innen nicht absolut trockener Walzen, also um die Explosionsgefahr, gewusst hätte, die sich dann am 31. 10. 1991 auch realisiert hat. 


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