NJW 2000, 280
Amtl. Leitsatz:
Den Werkunternehmer trifft in der Regel auch ohne besondere Zusage eine Pflicht, sich nach Anlieferung durch Überprüfung der vom Besteller angelieferten Sachen zu vergewissern, dass diese zur Herstellung eines mangelfreien Werks geeignet sind. Diese Prüfungspflicht besteht regelmäßig unabhängig davon, ob der Unternehmer dem Besteller vor der Anlieferung einen Hinweis über die benötigte Beschaffenheit gegeben oder der Besteller es übernommen hat, sich um die nötige Beschaffenheit zu kümmern.
Die Bekl. hatte in Ungarn gefertigte, teilweise geschlossene Hohlwalzen zu schleifen, zu nitrieren (härten) und anschließend zu verchromen. Wegen der Nitrierarbeiten verhandelte sie mit der Kl. zu 1. Dabei wurde die Bekl. mündlich darauf hingewiesen, dass die Walzen im Innenraum absolut trocken, fettfrei und sauber sein müssten. Ihr wurde außerdem die Nitrierpreisliste der Kl. zu 1 ausgehändigt, in der es in Rotdruck heißt: "Geschlossene Hohlkörper müssen unbedingt innen absolut trocken, fettfrei und sauber sein.... Alle wärmezubehandelnden geschlossenen Hohlkörper müssen unbedingt innen absolut trocken, fettfrei und sauber sein." Im April 1991 erteilte die Bekl. der Kl. zu 1 den Auftrag zum Nitrieren von 25 Walzen. Die ersten in Teillieferungen angelieferten 24 Walzen wurden von der Kl. zu 1 problemlos gehärtet und wieder ausgeliefert. Die 25. Walze wurde am 31. 10. 1991 zusammen mit Werkstücken anderer Auftraggeber in den Nitrierofen der Kl. zu 1 gegeben. Während des Härtungsvorgangs kam es zu einer Explosion mit erheblichen Sachschäden. Die Kl. zu 1, die behauptet hat, Schäden, die den anderen Auftraggebern entstanden seien, ersetzt zu haben, und die Kl. zu 2, die als Versicherer der Kl. zu 1 deren Eigenschäden ersetzt hat, beanspruchen deshalb von der Bekl. Schadensersatz. Das LG hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Klage dem Grunde nach zu 2/3 des entstandenen Schadens für gerechtfertigt erklärt. Das OLG hat die Berufung der Kl. und die Berufung der Bekl. zurückgewiesen. Hiergegen haben die Bekl. Revision und die Kl. Anschlussrevision eingelegt. Die Anschlussrevision der Kl. hat der Senat nicht angenommen. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer., soweit der Rechtsstreit nicht infolge der Nichtannahme der Anschlussrevision der Kl. bereits sachlich entschieden ist.
Aus den Gründen:
1. Das BerGer. hat die entstandenen Schäden
darauf zurückgeführt, dass Wasser innerhalb der letzten zur Kl.
zu 1 angelieferten Walze vorhanden gewesen sei, weshalb es während
des Nitriervorgangs im Nitrierofen der Kl. zu 1 zur Explosion gekommen
sei. Eine andere Ursache für die Schäden der Kl. zu 1 und der
Auftraggeber, deren Sachen zusammen mit der Walze der Bekl. härten
nitriert werden sollen, komme nicht in Betracht. Einen Rechtsfehler vermag
die Revision der Bekl. insoweit nicht aufzuzeigen. Die von der StA in Auftrag
gegebene gutachterliche Stellungnahme des Dipl.-Ing. V bildet eine tragfähige
Grundlage für die tatrichterliche Überzeugung des BerGer.
2. Das BerGer. hat die Behauptung der Bekl. nicht
als erwiesen erachtet, dass die Kl. zu 1 zugesagt gehabt habe, die von
der Bekl. angelieferte Walze vor der Nitrierung daraufhin zu untersuchen,
ob sie im Innenraum absolut trocken sei. Auch diese Feststellung beanstandet
die Revision der Bekl. ohne Erfolg. Sie ist aufgrund einer Würdigung
der Aussagen vernommener Zeugen getroffen und als solche auf die Revision
hin nur eingeschränkt überprüfbar, ob die Würdigung
vollständig und rechtlich möglich ist und ob sie nicht gegen
Denk-, Naturgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st.
Rspr., vgl. etwa BGH, NJW 1993, 935 [937] = LM H. 6/1993 § 857 m.
w. Nachw.). Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf. Das OLG hat der
in einem Vorprozess gemachten und erst auf Vorhalt vor dem LG bestätigten
Aussage des Zeugen W, wonach es die Kl. zu 1 übernommen habe, bei
Eingang der Walzen noch eine Kontrolle durchzüführen, vor allem
deshalb nicht geglaubt, weil dieser Zeuge und ein weiterer vernommener
Zeuge sich zuvor vor dem LG in eher entgegengesetztem Sinne geäußert
hatten. Diese Bewertung ist ohne weiteres möglich und lässt die
tatrichterliche Überzeugung vertretbar erscheinen. Auf die ergänzenden
Überlegungen des BerGer., gegen die sich die Revision der Bekl. ferner
wendet, kommt es daher nicht mehr an. 3. Das BerGer. hat gemeint, die Bekl.
sei wegen Vertragsverletzung überwiegend, nämlich zu 2/3 schadensersarzpflichtig.
Hierzu hat es ausgeführt, die Bekl. sei verpflichtet gewesen, durch
Überprüfung der letzten Walze sicherzustellen, dass der zum Nitrieren
unerlässliche Zustand vorhanden sei. Denn es habe sich nichts dafür
ergeben, dass die Kl. zu 1 die Wälze zu überprüfen gehabt
habe. Wie die Revision der Bekl. zu Recht beanstandet, hat das BerGer.
dabei übersehen, dass den Unternehmer in der Regel eine originäre
Pflicht zur Überprüfung trifft.
a) Ist eine Sache herzustellen oder zu bearbeiten,
so ist der bei einem Werkvertrag vom Unternehmer geschuldete Erfolg, das
mangelfreie Werk, zuverlässig nur zu erreichen, wenn die zur Herstellung
des Werks verwendeten Materialien eine hierzu geeignete Beschaffenheit
haben. Da der Unternehmer durch den Werkvertrag die Erreichung des Erfolgs
verspricht, gehört es auch ohne besondere Zusage als selbstverständlicher
Teil zu der übernommenen Hauptleistungspflicht des Unternehmers, dafür
zu sorgen, dass zur Herstellung des Werks nur Sachen verwendet werden,
welche die erforderliche Eignung aufweisen. In den dem gesetzlichen Leitbild
des Werkvertrags entsprechenden Fällen, in denen seitens des Bestellers
zur Verfügung gestellte Sachen verwendet werden müssen und in
denen der Unternehmer deshalb nicht schon durch die Auswahl der benötigten
Materialien auf deren Beschaffenheit Einfluss nehmen und deren Eignung
sicherstellen kann, hat dies zur Folge, dass der Unternehmer vom Besteller
gelieferte Teile, die er zu ver- oder bearbeiten hat, nicht unbesehen verwenden
darf. Den Werkunternehmer trifft vielmehr eine originäre Pflicht,
sich nach Anlieferung durch Überprüfung der vom Besteller angelieferten
Sachen zu vergewissern, dass diese zur Herstellung eines mangelfreien Werks
geeignet sind. Lässt sich die Eignung nicht hinreichend zuverlässig
feststellen, hat der Unternehmer den Besteller unverzüglich zu unterrichten
und eine Werkerstellung unter Verwendung der angelieferten Sachen vorerst
zu unterlassen. Die aus dem Wesen des Werkvertrags folgende Pflicht des
Unternehmers zur Prüfung vom Besteller gelieferter Sachen und zur
Mitteilung von Bedenken an den Besteller ist in ständiger Rechtsprechung
höchstrichterlich anerkannt (vgl. BGH, Urt. v. 24. 6. 1963 - VII ZR
10/62 m.w. Nachw.; BGH, NJW 1987, 643 LM § 633 BGB Nr.61 m.w. Nachw.;
vgl. auch die Rechtsprechungsübersicht in ZfBR 1998, 241). §
4 Nr. 3 VOB/B geht hiervon aus, indem er die Prüfungspflicht voraussetzt
(vgl. Kaiser, NJW 1974, 445) und die Mirteilungspflicht für diesem
Regelwerk unterfallende Werkverträge näher bestimmt.
b) An der Prüfungspflicht des Werkunternehmers
und der Folge, dass ihre Nichterfüllung eine Vertragsverletzung durch
den Unternehmer darstellt, ändert sich regelmäßig auch
dann nichts, wenn der Unternehmer dem Besteller vor der Anlieferung, etwa
anlässlich von Vertragsverhandlungen oder während des Vertragsschlusses
einen Hinweis über die benötigte Beschaffenheit der vom Besteller
zu liefernden Sachen gegeben hat oder wenn der Besteller es übernommen
hat, sich um die nötige Beschaffenheit zu kümmern. Zu einem Hinweis
kann je nach den Umständen des Einzelfalls, etwa in Anbetracht eines
ungenügenden Wissensstands des Bestellers (vgl. Senat, NJW-RR 1996,
789; NJW-RR 1987, 664 [6651) und/ oder aus Gründen einer Verkehrssicherungspflicht,
durchaus Anlass bestehen, so dass auch ein solcher Hinweis vom Unternehmer
aufgrund des Werkvertrags geschuldet sein kann. Die Erfüllung dieser
Pflicht stellt jedoch ebenso wenig wie etwaige Zusagen des Bestellers die
Mangelfreiheit des vom Unternehmer geschuldeten eigentlichen Leistungsgegenstands
sicher. Dies kann zur Gewährleistung der Herstellung eines mangelfreien
Werks ungenügend sein, weil ungewiss bleibt, ob der Besteller tatsächlich
bereit und in der Lage gewesen ist, eine geeignete Sache zu besorgen bzw.
zur Verfügung zu stellen. Diese Ungewissheit kann in der Regel nur
eine nachträgliche Überprüfung ausräumen, weshalb der
Werkunternehmer hierzu im Rahmen der von ihm zu erbringenden Hauptleistung
verpflichtet bleibt.
Eine Ausnahme von dieser Regel kann in Betracht
zu ziehen sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die auch ohne Überprüfung
der angelieferten Sachen vergleichbare Gewähr dafür bieten, dass
sie die zur Herstellung eines mangelfreien Werks erforderliche Eignung
aufweisen. Außerdem ist eine einverständlich getroffene Vereinbarung
zwischen Besteller und Unternehmer geeignet, den Unternehmer von der Überprüfungspflicht
zu entbinden. Die Vertragsfreiheit erlaubt, auch solche Pflichten zu beseitigen
oder der anderen Partei aufzuerlegen, die nach dem gesetzlichen Leitbild
des betreffenden Vertragstyps zu der Hauptleistungspflicht einer bestimmten
Vertragspartei gehören. Als Abweichung von der gesetzlichen Pflichtenverteilung
wäre das Zustandekommen einer solchen Vereinbarung aber vom Unternehmer
darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (Rosenberg, Die Beweislast,
5. Aufl., S. 295).
c) Diesen Grundsätzen hat das BerGer. bei
seiner Entscheidung nicht Rechnung getragen. Besondere Umstände, aus
denen die Kl. zu 1 zuverlässig hätte schließen können,
dass die 25. angelieferte Hohlwalze innen trocken, fettfrei und sauber
sei, hat das BerGer. nicht festgestellt. Im Rahmen der von ihm im Hinblick
auf ein Mitverschulden der Kl. zu 1 vorgenommenen Abwägung hat es
im Gegenteil angenommen, die Kl. zu 1 habe sich nicht unbedingt darauf
verlassen dürfen, dass sich das Walzeninnere auf jeden Fall in einem
nitriergeeigneten Zustand befinde. Dem kann nur beigetreten werden. Zweifel
ergaben sich - wie auch das BerGer. angenommen hat -, weil nach dessen
Feststellungen Vertreter der Bekl. auf den Hinweis bzw. trotz des Hinweises
über die erforderliche Beschaffenheit des Inneren der zu nitrierenden
Walzen erklärt hatten, die Innenbeschaffenheit der Walzen liege nicht
im Einflussbereich der Bekl. Unter Berücksichtigung des unstreitigen
Umstands, dass die Bekl. nicht selbst die Walzen hergestellt, sondern sie
aus Ungarn erhalten harte, bot deshalb auch die Tatsache, dass die Bekl.
in ihrem Auftragsschreiben ausschließlich die Notwendigkeit des Abdeckens
angebrachter Zapfen und der Stirnseiten erwähnt und außerdem
auf einen durchgeführten Glühvorgang verwiesen hatte, keine Gewähr
für das Vorhandensein eines nitrierfähigen Zustands. Auch dem
Umstand, dass die Walzen der ersten fünf Teillieferungen problemlos
hatten nitriert werden können, hat das BerGer. zu Recht keine Bedeutung
beigemessen, weil damals anders als in dem jetzt zu beurteilenden Fall
eine Kontrolle vorgenommen und im Inneren der Walzen eventuell noch vorhandenes
Wasser vor der Nitrierung entfernt worden sein kann.
Trotz des in diese Richtung deutenden Vortrags
der Kl., bei den Vertragsverhandlungen sei den Mitarbeitern der Bekl. verdeutlicht
worden, dass sich die Eignungsprüfung der Kl. zu 1 ausschließlich
auf die Untersuchung hinsichtlich etwaiger Beschädigungen der Oberfläche
der Werkstücke beschränken werde, während sämtliche
weiteren Überprüfungen Sache der Bekl. selbst seien, hat das
BerGer. auch eine Vereinbarung der Parteien nicht festgestellt, wonach
die Kl. zu 1 nicht untersuchungspflichtig bzw. allein die Bekl. für
den nitriergeeigneten Zustand des Inneren der Walzen verantwortlich sein
solle. Das BerGer. hat lediglich verschiedene Erklärungen der Kl.
zu 1, dass die Walzen innen unbedingt trocken und sauber sein müssten,
als gegeben erachtet. Selbst wenn hierin ein Vertragsangebot der Kl. zu
1 zu sehen sein könnte, die vom Gesetz vorgesehenen Unternehmerpflichten
zu ihren Gunsten abzuändern, fehlte es deshalb an der für eine
entsprechende Vereinbarung nötigen Feststellung einer Annahmeerklärung
der Bekl. Die stattdessen angestellten, bereits unter Nr. 2 abgehandelten
Erwägungen des BerGer., ob die Bekl. habe nachweisen können,
dass eine Kontrolle durch die Kl. zu 1 vereinbart gewesen sei, sind in
dem hier interessierenden Zusammenhang nicht entscheidungserheblich. Die
Kontrollpflicht des Unternehmers ist eine gesetzliche Folge der Übernahme
des Werkleistungsauftrags. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte war deshalb
auch im vorliegenden Fall von ihr auszugehen, ohne dass es hierzu neben
dem Abschluss des Werkvertrags einer besonderen Vereinbarung der Parteien
bedurft hätte. Ihrer Überprüfungspflicht nachzukommen, war
die Kl. zu 1 schließlich auch nicht etwa deshalb enthoben, weil -
wie die Kl. geltend gemacht haben - eine Untersuchung des Inneren der 25.
Walze zu Schäden an dem Werkstück hätte führen können.
Insoweit zu Recht weist auch das BerGer. darauf hin, dass dann der Kl.
zu 1 jedenfalls der Weg einer Anfrage bei der Bekl. möglich gewesen
wäre. Nach dem Vorgesagten hätte die Kl. zu 1 in dieser Weise
verfahren und mit der Nitrierung vorerst zuwarten müssen.
4. Revisionsrechtlich ist nach allem davon auszugehen,
dass die Kl. zu 1 aufgrund des Werkvertrags gehalten war, die angelieferte
25. Walze daraufhin zu untersuchen, ob sie innen absolut trocken sei, bzw.
diese Walze erst nach Klärung dieser Frage in den Nitrierofen zu geben.
Da die Kl. zu 1 diese vertragliche Pflicht unstreitig nicht erfüllt
hat, hat danach entgegen der Meinung des BerGer. bei der Entstehung der
streitgegenständlichen Schäden nicht nur ein Verschulden der
Kl. zu 1 gegen sich selbst mitgewirkt; die Kl. zu 1 hat vielmehr wegen
positiver Vertragsverletzung für den eingetretenen Schaden einzustehen.
Dies ist ein Gesichtspunkt, der auch im Rahmen einer nach § 254 BGB
notwendigen Abwägung Beachtung verdient und deshalb im zu entscheidenden
Fall zu einer anderen Schadensverteilung führen kann, als sie das
BerGer. bisher vorgenommen hat. Es ist mithin unerheblich, dass die Anwendung
von § 254 BGB nach wie vor in Betracht kommt, weil nach dem vom BerGer.
festgestellten Sachverhalt die Bekl. den von der Kl. zu 1 zu vertretenden
Schaden jedenfalls durch eigenes Mitverschulden mitverursacht hat, wie
auch die Revision der Bekl. letztlich nicht in Zweifel zieht. Die Feststellung
eines Mitverschuldens einer Partei und die nach § 254 BGB gebotene
Abwägung sind grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das BerGer.
wird des- halb hierüber nunmehr unter Berücksichtigung des Umstands
zu befinden haben, dass die Überprüfung des Walzeninneren nach
den getroffenen Feststellungen nicht der Bekl., sondern der Kl. zu 1 oblag.
5. Dabei wird das BerGer. auch zu erwägen
haben, ob der Bekl. ebenfalls ein - wenn auch anderes als im angefochtenen
Urteil angenommenes - Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, das eine Verletzung
des abgeschlossenen Werkvertrags darstellt. Wie § 642 BGB zeigt, kann
ein Werkvertrag für den Besteller im Einzelfall mehr Pflichten als
Zahlung der Vergütung und Abnahme des mangelfreien Werks begründen.
Insbesondere wenn der Besteller - wie hier - die Sache, die der Unternehmer
bearbeiten soll, zur Verfügung zu stellen hat, können weitere
vertragliche Pflichten entstehen. Dies gilt entgegen der Meinung der Revision
auch dann, wenn solche Pflichten nicht ausdrücklich schriftlich oder
mündlich zum Vertragsinhalt gemacht worden sind. Auch ein Werkvertrag
ist so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte
es erfordern (§§ 133, 157 BGB). Als Folge des Grundsatzes von
Treu und Glauben können sich in Anbetracht der in diesem Rahmen zu
berücksichtigenden beiderseitigen Interessen vor allem für jede
Partei Auskunfts-, Aufklärungs- oder Obhutspflichten ergeben. Da das
Gelingen des Werks vertragsgemäßes Ziel beider Parteien eines
Werkvertrags ist, können hieraus solche Pflichten für beide Parteien
eines Werkvertrags ohne besondere vertragliche Regelung insbesondere dann
folgen, wenn Gefahren für das Gelingen des Werks bestehen (Senat,
NJW-RR 1987, 664 [665] m. w. Nachw.). Diesen Gefahren muss - soweit möglich
- begegnet werden. Dem hat jede Vertragspartei nach eigenem Erkenntnisstand
und eigener Erkenntnismöglichkeit Rechnung zu tragen. Auch der Besteller
hat deshalb jedenfalls dann, wenn er um Gefahren weiß, aus Gründen
der vertraglichen Fürsorge die Pflicht, durch Handlungen, die geeignet
und unschwer (vgl. BGH, GRUR 1990, 54) möglich sind, dazu beizutragen,
dass die Gefahr sich nicht realisiert. Auch die Bekl. kann eine solche
Fürsorgepflicht im vorliegenden Fall getroffen haben. Durch die mehrfachen
Mitteilungen der Kl. zu 1 wusste die Bekl. nämlich, dass die anzuliefernden
Walzen innen trocken, fettfrei und sauber sein mussten. Die Bedeutung dieser
Notwendigkeit war außerdem durch Rotdruck auf der ihr ausgehändigten
Nitrierpreisliste hervorgehoben. Da die Bekl. gleichwohl aus Stabilitätsgründen
eine während des Transports mit Wasser gefüllte Walze anlieferte
bzw. anliefern ließ, musste sie annehmen, dass dieses Wasser bei
bzw. nach der Anlieferung abgelassen werden musste. Der eigene Vortrag
der Bekl. spricht ferner dafür, dass dieses Ablassen den im Auftrag
der Bekl. handelnden, zur Anlieferung eingesetzten Personen ohne weiteres
möglich gewesen wäre. Denn die Revision selbst stellt darauf
ab, es seien nur angebrachte Bohrungen durch Wegnahme vorhandener Stopfen
zu öffnen gewesen. Jedenfalls aber hätte die Bekl. durch das
die Anlieferung bewerkstelligende Personal die Kl. zu 1 unschwer darauf
hinweisen lassen können, dass die angelieferte 25. Walze noch Wasser
enthalte und deshalb vor dem Nitrieren noch entleert werden müsse,
was durch Lösen der Stopfen geschehen könne. Zu diesem Hinweis
könnte die Bekl. deshalb verpflichtet gewesen sein. Ein durch' Unterlassen
eines solchen Hinweises erfolgter Schadensbeitrag der Bekl. würde
schließlich besonderes Gewicht erlangen, wenn - wofür bislang
allerdings tatrichterliche Feststellungen fehlen - die Bekl. um das wahre
Ausmaß der Gefahr im Falle des Nitrierens innen nicht absolut trockener
Walzen, also um die Explosionsgefahr, gewusst hätte, die sich dann
am 31. 10. 1991 auch realisiert hat.
<- Zurück mit dem "Back"-Button Ihres Browsers!