Abgrenzung von Willenserklärung und geschäftsähnlicher Handlung, Anwendbarkeit von § 174 BGB auf die Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung von Ausschlußfristen


BGH, Urteil v. 17.10.2000  - X ZR 97/99 (Düsseldorf)


Fundstellen:

NJW 2001, 289
BGHZ 145, 343


Amtl. Leitsatz

Die Anmeldung von Ersatzansprüchen nach dem Reisevertragsrecht der §§ 651aff. BGB durch einen Vertreter des geschädigten Reisenden ist unwirksam, wenn der Anmeldung nicht die Originalvollmachtsurkunde beigelegt ist und der Reiseveranstalter aus diesem Grund die Anmeldung der Ansprüche unverzüglich zurückweist. Die Vorlage einer beglaubigten Kopie der Vollmachtsurkunde genügt in diesem Zusammenhang nicht.


Zentrale Probleme:

In der sehr sorgsam und lehrbuchartig begründeten Entscheidung geht es um die Abgrenzung von Rechtsgeschäft und rechtsgeschäftsähnlicher Handlung sowie um die analoge Anwendung der Regelungen über Willenserklärungen auf letztere (s. dazu die Anm. zu BAG NJW 2003, 236). Das Problem ist für die konkrete Rechtsfrage mittlerweile überholt, weil der Gesetzgeber in Form von § 651g I 2 BGB durch einen ausdrücklichen Ausschluß der Anwendbarkeit von § 174 BGB reagiert hat. Es ist aber für andere Ausschlußfristen weiter aktuell, s. dazu BAG NJW 2003, 236 sowie die dortige Anmerkung.

©sl 2003


Zum Sachverhalt:

Der Kl. nimmt die Bekl. auf Zahlung der Kosten für eine Ersatzunterkunft in der Türkei in Anspruch. Über ein Reisebüro buchte der Kl. bei der Bekl. für sich und sechs weitere Personen eine so genannte F-Reise in die Türkei. Die Reiseleistungen umfassten unter anderem die Unterbringung in einem Vier-Sterne-Hotel mit Halbpension an der Südägäis sowie den Hin- und Rückflug. Nachdem der Kl. und seine Mitreisenden zum vorgesehenen Termin in dem gebuchten Hotel T in K. eingetroffen waren, stellte sich heraus, dass dort auf Grund einer Überbuchung Zimmer nicht zur Verfügung standen. Daraufhin wurden der Kl. und seine Mitreisenden mit ihrem Einverständnis gegen Zusage der Kostenübernahme für eine Nacht in einem anderen Hotel am gleichen Ort untergebracht. Den am folgenden Tag vom örtlichen Reiseleiter verlangten Umzug in das ursprünglich vorgesehene Hotel lehnte der Kl. ab, da dieses Hotel nach seinen Informationen weiterhin überbucht war. Ob diese Information zutraf, ist zwischen den Parteien umstritten. Der Kl. blieb in der Folge mit seinen  Mitreisenden in dem Ersatzhotel; hierfür wendete er nach seiner Darstellung insgesamt 3400 DM auf, für die er von der Bekl. Ersatz verlangt. Nach seiner Rückkehr am 20. 8. 1997 machte der Kl. durch Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 17. 9. 1997 verschiedene Mängel der Reise geltend und forderte die Bekl. auf, Minderungs- und Schadensersatzansprüche dem Grunde nach anzuerkennen. Dem Schreiben lag eine beglaubigte Kopie einer Vollmacht des Kl. für die Rechtsanwälte bei. Mit Schreiben vom gleichen Tag wies die Bekl. die Ansprüche unter Hinweis auf das Fehlen einer Originalvollmacht zurück. Diese ging der Bekl. mit einem weiteren Schreiben der Rechtsanwälte des Kl. vom 23. 9. 1997 in der Folge zu.

Nachdem die Bekl. an der Ablehnung der von dem Kl. geltend gemachten Ansprüche festhielt, hat dieser die vorliegende Klage erhoben. In diesem Verfahren hat sich die Bekl. damit verteidigt, dass die Ausschlussfrist des § 651g I BGB versäumt sei. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg (NJW-RR 2000, 583 = RRa 1999, 206). Mit seiner zugelassenen Revision verfolgte der Kl. seinen Zahlungsanspruch weiter.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. lässt dahinstehen, ob die von dem Kl. und seinen Mitreisenden gebuchten Zimmer zur Verfügung standen und weiter, ob, falls das nicht der Fall war, der Kl. wegen der für die Ersatzunterkünfte aufgewendeten Kosten insgesamt, also auch soweit es seine Mitreisenden betrifft, Ersatzansprüche geltend machen kann. Unbegründet sei die Klage bereits deshalb, weil derartige  Ansprüche an der Nichteinhaltung der Monatsfrist des § 651g I BGB scheiterten. Innerhalb dieser Frist liege eine wirksame Anmeldung der Ansprüche nicht vor. Von ihrer Anmeldung bereits während des Urlaubs gegenüber der örtlichen Reiseleitung oder dem vermittelnden Reisebüro könne nach der eigenen unzulänglichen und mit der Berufung nicht ausdrücklich aufrechterhaltenen Sachdarstellung des Kl. nicht ausgegangen werden.

Das Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 17. 9. 1997 habe die Frist des § 651g I BGB nicht wahren können, da ihm eine Originalvollmacht nicht beigelegen habe und die Forderung deswegen durch die Bekl. zurückgewiesen worden sei. Das führe nach dem Rechtsgedanken des § 174 BGB zur Unwirksamkeit dieser Anmeldung. Der damit bestehende Mangel sei durch das weitere Schreiben vom 23. 9. 1997, mit dem die Originalvollmacht überreicht worden sei, nicht mehr rechtzeitig geheilt worden; dieses Schreiben sei der Bekl. schon nach seinem Absendedatum erst nach Ablauf der Monatsfrist zugegangen.

Die Regelung des § 174 BGB sei auf die vorliegenden Erklärungen entsprechend anzuwenden. Zwar stelle die Anmeldung von Ersatzansprüchen im Reisevertragsrecht keine Willenserklärung dar, da sie nicht auf die Herbeiführung einer insbesondere vom Willen abhängigen Rechtsfolge gerichtet sei. Die Wahrung der Gewährleistungsansprüche trete vielmehr unabhängig vom Willen des Anmelders kraft Gesetzes ein. Das schließe die Annahme einer Willenserklärung im eigentlichen Sinne aus; vielmehr liege nur eine dieser  vergleichbare geschäftsähnliche Handlung vor. Bei dieser bestehe jedoch eine der Willenserklärung vergleichbare Interessenlage, die zur entsprechenden Anwendung des § 174 BGB führen müsse. Die Regelung in § 651g I BGB diene dem Schutz des Reiseveranstalters, der möglichst schnell nach Beendigung der Reise darüber Klarheit haben solle, ob aus Reisemängeln Gewährleistungsansprüche abgeleitet und geltend gemacht werden und er sich unter Umständen auf eine gerichtliche Auseinandersetzung einstellen müsse. Zur Wahrung seiner eigenen Interessen solle er möglichst frühzeitig in die Lage versetzt werden, den Sachverhalt vor Ort durch Rückfragen bei der Reiseleitung bzw. den Leistungsträgern zu klären und etwaige Beweise für Regressansprüche gegen die Leistungsträger zu sichern. Da die dazu erforderlichen Ermittlungen, Rückfragen, Sicherungsmaßnahmen und Anmeldungen von Regress mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sein könnten, insbesondere wenn die Reise wie hier ferne Länder betroffen habe, bestehe ein schützenswertes und erhebliches Interesse des Reiseveranstalters daran, diese Tätigkeit nicht unnötig in Gang zu setzen. Das begründe ein ebenso schützenswertes Interesse daran, innerhalb der Frist des § 651g I BGB abschließend Klarheit darüber zu gewinnen, ob derartige Ansprüche geltend gemacht würden oder nicht. Trete insoweit ein Vertreter auf, bedürfe es einer endgültigen Kenntnis von dessen Befugnis zur Geltendmachung der angemeldeten  Ansprüche. Dem trage der Rechtsgedanke des § 174 BGB dadurch Rechnung, dass er dem Erklärungsempfänger die Zurückweisung der Willenserklärung ermögliche, wenn dieser die Originalvollmacht nicht beigefügt sei. Angesichts der im Wesentlichen übereinstimmenden Interessenlage müsse das Gleiche auch für die hier vorliegende geschäftsähnliche Handlung gelten.

Der mit der Nichteinhaltung der gesetzlichen Frist verbundenen Rechtsfolge könne der Kl. auch nicht mit dem Hinweis auf ein mangelndes Verschulden begegnen. Seine anwaltlichen Vertreter hätten erkennen können und müssen, dass die Frage, ob es der Vorlage der Originalvollmacht bedurfte, zumindest in Rechtsprechung und Lehre umstritten war und sich deshalb für den für den Kl. sichersten Weg entscheiden müssen. Dass sie dies nicht getan hätten, gereiche ihnen zum Verschulden; dieses Verschulden müsse sich der Kl. nach § 278 BGB zurechnen lassen.

 II. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

1. a) Eine - mündliche - Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber der örtlichen Reiseleitung oder dem vermittelnden Reisebüro schon vor dem Schreiben der anwaltlichen Vertreter des Kl. vom 17. 9. 1997 hat das BerGer. zu Recht als nicht hinreichend dargelegt angesehen. Unbeschadet der Frage, ob der Kl. sein entsprechendes erstinstanzliches Vorbringen überhaupt in der Berufungsinstanz aufrechterhalten hat, genügte dies auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen nicht. Voraussetzung einer wirksamen Anmeldung der Ansprüche i.S. des § 651g BGB ist, dass der Reisende  eindeutig und vorbehaltlos mitteilt, dass er nach Rückkehr von der Reise Ansprüche aus bestimmten Mängeln gegen den Reiseveranstalter einklagen werde (BGHZ 102, 80 [84, 86] = NJW 1988, 488 = LM § 651g BGB Nr. 4; vgl. auch Tonner, Der Reisevertrag, 3. Aufl., § 651g Rdnr. 9).

Behauptet hatte der Kl. lediglich, telefonisch beim Reisebüro die mangelhafte Reise geltend gemacht zu haben. Dem ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, dass er bei dieser Gelegenheit bereits Ansprüche angemeldet hat; sein Vorbringen kann ohne weiteres auch dahin verstanden werden, dass er lediglich eine - den gesetzlichen Anforderungen der Geltendmachung von Ansprüchen nicht genügende - Rüge von Mängeln mit dem Ziel erhoben hat, deren Beseitigung oder eine andere Abhilfe zu erreichen (vgl. §§ 651c II, 651d II BGB).

b) Dem BerGer. ist weiter darin beizupflichten, dass der Anmeldung von Ersatzansprüchen im Schreiben der anwaltlichen Vertreter des Kl. vom 17. 9. 1997 nach dessen Zurückweisung durch die Bekl. die Wirksamkeit fehlt, weil ihm das Original der vom dem Kl. erteilten Vollmacht nicht beigelegen und die Bekl. unverzüglich diesen Mangel gerügt und das Verlangen der Vertreter des Kl. aus diesem Grunde zurückgewiesen hat (§ 174 S. 1 BGB).

aa) Allerdings ist, was das BerGer. nicht verkannt hat, die Vorschrift des § 174 BGB auf die hier vorliegende Aufforderung zur Leistung von Ersatz nicht unmittelbar anzuwenden. Nach Wortlaut und systematischer  Stellung betrifft sie allein rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, zu denen das hier in Rede stehende Verlangen nicht gehört.

Die Willenserklärung im Sinne der Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB ist die Äußerung eines Willens, der unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtet ist; sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck, das heißt einen Willen, der auf die Begründung, inhaltliche Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses abzielt (vgl. statt aller Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., Vorb. § 116 Rdnr. 1; s. auch Medicus, AT d. BGB, 7. Aufl., Rdnrn. 195, 175 jew.m.w. Nachw.). Diesen Anforderungen genügt die Anmeldung schon deshalb nicht, da sie, worauf das BerGer. zutreffend hingewiesen hat, nicht darauf gerichtet ist, beim Empfänger deshalb Rechtsfolgen auszulösen, weil diese vom Erklärenden gewollt sind. Die Anmeldung der Ansprüche nach § 651g I BGB zielt nicht in dem Sinne final auf einen Rechtserfolg, dass die Erhaltung der Gewährleistungsansprüche des Reisenden als Ergebnis der Willenserklärung des Erklärenden eintritt. Er behält diese Rechte vielmehr auch dann, wenn er die Rechtsfolgen seiner Erklärung nicht in Betracht zieht, sondern sein Wille lediglich darauf gerichtet ist, dem Reiseveranstalter anzuzeigen, dass er wegen der Mängel der Reise gegen ihn vorzugehen gedenkt. Der Erhalt dieser Ansprüche ist daher lediglich das Ergebnis der Erklärungen des Reisenden; nicht aber notwendig das gewollte finale Ergebnis seines Handelns. Das schließt ihre Einordnung als Willenserklärung im Sinne des Allgemeinen  Teils des BGB aus (so auch Isermann, MDR 1995, 224 [225], mit eingehender Darstellung des Meinungsstands).

bb) Wie das BerGer. weiter zutreffend entschieden hat, stellt die Anmeldung der Ansprüche jedoch eine geschäftsähnliche Handlung dar, auf die § 174 BGB entsprechend anzuwenden ist. Geschäftsähnliche Handlungen, die nach ihrer rechtlichen Struktur im Wesentlichen den gleichen Regeln wie Willenserklärungen unterliegen, sind in erster Linie Aufforderungen und Mitteilungen, die auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen und vielfach im Bewusstsein der dadurch ausgelösten Rechtsfolgen ausgesprochen werden, jedoch nicht unmittelbar auf den Eintritt dieser Rechtsfolgen gerichtet sind oder gerichtet sein müssen (vgl. Larenz, AT d. dt. Bürgerl. Rechts, 7. Aufl., § 26 S. 512; s. auch Medicus, Rdnr. 197). Eine solche Natur hat auch die Anmeldung der Ansprüche i.S. des § 651g BGB. Mit dieser erhält sich der Reisende bei rechtzeitiger Abgabe der entsprechenden Erklärung seine Gewährleistungsansprüche; unterbleibt die Erklärung innerhalb der Frist, wird er mit seinen Ansprüchen ausgeschlossen. Daraus, dass die Gewährleistungsansprüche nicht erst durch die Geltendmachung der Mängel, sondern bereits mit deren Vorliegen entstehen (vgl. dazu OLG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 54; Führich, ReiseR, 3. Aufl., § 12 Rdnr. 370), folgt nicht, dass die Anmeldung keinerlei Rechtsfolge auslöst und sie schon deshalb als geschäftsähnliche  Handlung ausscheidet (so aber OLG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 54). Zu entnehmen ist dem vielmehr nur, dass die Anmeldung der Ansprüche selbst keine unmittelbar rechtsbegründende Wirkung entfaltet; Zweck und Wirkung beschränken sich darauf, dem Reisenden die anderweitig begründeten Gewährleistungsrechte zu erhalten (vgl. LG Kleve, NJW-RR 1995, 316 [317]).

Insoweit ähnelt sie der handelsrechtlichen Mängelrüge nach § 377 HGB, durch die ebenfalls keine neuen Rechte geschaffen werden, sich der Käufer aber die Rechte wegen der mangelhaften Lieferung wahren kann. Damit geht sie über die bloße Mitteilung von Tatsachen, der ein Teil des Schrifttums den geschäftsähnlichen Charakter abspricht (vgl. Soergel/Eckert, BGB, 12. Aufl., § 651g Rdnr. 7; Führich, § 12 Rdnr. 370), hinaus. Ähnlich wie die Mängelrüge beschränkt sie sich nicht auf die Mitteilung des Vorhandenseins von Mängeln, sondern bildet auch aus der Sicht des Erklärenden eine Voraussetzung für die Durchsetzung auf diesen Mängeln beruhender weitergehender Ansprüche und ist als solche notwendig, um die dem Betroffenen vom Gesetz zugebilligten Ansprüche zu erhalten. Diese rechtserhaltende Wirkung der fristgerechten Anmeldung ist eine kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge, die charakteristisch für das Vorliegen einer geschäftsähnlichen Handlung ist.

cc) Ob der Reiseveranstalter die in einem Schreiben eines Vertreters des Reisenden enthaltene  Anmeldung von Ansprüchen nach § 651g I BGB entsprechend § 174 S. 1 BGB zurückweisen darf, wenn dem Schreiben eine Originalvollmacht nicht beigefügt wurde, ist allerdings umstritten. Teilweise wird in Literatur und Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift für die Anmeldung von Ansprüchen gem. § 651g BGB nicht gilt (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 54; LG Hamburg, NJW-RR 1997, 502; Schramm, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 174 Rdnr. 2a; Tonner, in: MünchKomm, § 651g Rdnr. 6; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., § 174 Rdnr. 7; Soergel/Eckert, § 651g BGB Rdnr. 7; Führich, § 12 Rdnr. 370; Seyderhelm, ReiseR, § 651g Rdnr. 30; Isermann, MDR 1995, 224; Tempel, RRa 1998, 19 [29]; Teichmann, JZ 1993, 990 [991]). Nach der Gegenmeinung ist § 174 S. 1 BGB direkt oder doch zumindest  analog auf die Anmeldung von Ansprüchen wegen Reisemängeln nach § 651g I BGB anzuwenden (LG Kleve, RRa 1999, 162 [163]; NJW-RR 1995, 316 [317]; LG Düsseldorf, NJW-RR 1992, 443; Palandt/Heinrichs, § 174 Rdnr. 1; Palandt/Sprau, § 651g Rdnr. 2; Staudinger/Schilken, BGB, 13. Bearb., § 174 BGB Rdnr. 2; Bidinger/Müller, ReisevertragsR, 2. Aufl., § 651g Anm. 8).

Der zuletzt genannten Ansicht ist zu folgen. Bei der Frage, in welchem Umfang die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften auf geschäftsähnliche Handlungen anzuwenden sind, ist jeweils den spezifischen Eigenarten und der Interessenlage bei der in Frage stehenden Handlung Rechnung zu tragen (vgl. Palandt/Heinrichs, Vorb. § 104 Rdnr. 7; Medicus, Rdnr. 198). Geschäftsähnliche Handlungen in Form von Willensäußerungen, zu denen auch die Anmeldung von Ansprüchen nach § 651g I BGB gehört, stehen den Willenserklärungen insofern nahe, als auch sie gewöhnlich im Bewusstsein der eintretenden Rechtsfolgen und oft sogar in der Absicht, sie hervorzurufen, vorgenommen werden. Wegen dieser Ähnlichkeit gelten die allgemeinen Vorschriften über Willenserklärungen für sie grundsätzlich  zumindest in entsprechender Anwendung (vgl. dazu BGHZ 7, 346 [357] = NJW 1953, 61 = LM § 242 [Bb] BGB Nr. 11; BGH, NJW 1983, 1542 = LM § 288 BGB Nr. 14; BGHZ 106, 163  [166] = NJW 1989, 1792 = LM § 366 BGB Nr. 19). Für die Anmeldung von Ansprüchen nach § 651g I BGB gilt insoweit nichts anderes.

Die rechtzeitige Anmeldung von Gewährleistungsansprüchen bezweckt, dem Reiseveranstalter Schwierigkeiten bei der Überprüfung der Ordnungsgemäßheit seiner Leistung und bei der Durchsetzung von Regressansprüchen gegen Leistungsträger soweit wie möglich zu ersparen. Insoweit schränkt sie die an sich im Interesse des Verbrauchers geschaffenen und damit dem Verbraucherschutz dienenden Regelungen der §§ 651aff. BGB zu Gunsten des Reiseveranstalters ein. Dieser soll so früh wie möglich von Beanstandungen der Reisenden in Kenntnis gesetzt werden, damit er die Berechtigung der gerügten Mängel überprüfen und Regressansprüche absichern kann (BGHZ 102, 80  [86] = NJW 1988, 488 = LM § 651 BGB Nr. 4). Damit trägt das Gesetz auch dem Gedanken Rechnung, dass - worauf beide Parteien zu Recht  hingewiesen haben - die Veranstaltung von Reisen für den Veranstalter ein Massengeschäft bildet, bei dessen Abwicklung sich auch deshalb, weil die eigentliche Leistung in der Regel von Dritten erbracht wird, schnell Veränderungen ergeben können, die eine nachträgliche Aufklärung des Sachverhalts durch den Veranstalter erschweren können. Ob und in welchem Umfang Beanstandungen eines Reisenden berechtigt sind, wird sich häufig nur innerhalb einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne überprüfen lassen. Andererseits ist, auch und gerade weil es sich hier um ein Massengeschäft handelt, die Überprüfung solcher Beanstandungen des einzelnen Reisenden mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden, der einen beträchtlichen sich auf die Preise auswirkenden Kostenfaktor darstellen kann. Deshalb besteht auf der Seite des Reiseveranstalters ein anzuerkennendes und schützenswertes Interesse daran, diese Tätigkeiten nicht vergeblich in Gang zu setzen. Auch das gebietet es, dass zu einem möglichst frühen Zeitpunkt endgültig feststeht, ob und in welchem Umfang wirksam Ansprüche gegen den Veranstalter geltend gemacht werden.

Auch mit Blick auf diese Interessenlage ist die Geltendmachung von Ansprüchen in § 651g BGB grundsätzlich an eine kurze Frist gebunden, nach deren Ablauf sie nur noch dann in Betracht kommt, wenn der Reisende ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Anmeldung seiner Ansprüche gehindert war. Die hinter dieser Regelung stehende Zielsetzung schließt es aus, den Veranstalter über einen längeren Zeitraum darüber im Ungewissen zu lassen, ob eine wirksame Anmeldung von Ansprüchen vorliegt oder nicht. Das verlangt nicht nur eine kurzfristige abschließende Klärung über die Anmeldung der Ansprüche als solche; zu diesem  Zeitpunkt muss vielmehr auch endgültig und gesichert feststehen, ob die Anmeldung dieser Ansprüche mit Wirkung für und gegen den Reisenden stattgefunden hat. Das setzt eine abschließende Klärung der Vollmachtslage voraus, deren Sicherung die Regelung in § 174 BGB dient.

Ebenso wie im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift wird dem mit dieser Vorschrift bezweckten Schutz des Erklärungsgegners auch im Zusammenhang der §§ 651aff. BGB nur genügt, wenn die Vollmachtsurkunde in Urschrift vorgelegt wird. Einer beglaubigten Abschrift ist allenfalls zu entnehmen, dass die Vollmacht einmal erteilt war, hingegen nicht, dass sie bei Geltendmachung der Ansprüche noch bestanden hat und nicht etwa durch Zurückforderung der Vollmachtsurkunde entzogen wurde. Diese Ungewissheit entfällt nur, wenn die Urschrift der Vollmachtsurkunde vorgelegt wird (vgl. BGH, NJW 1981, 1210 = LM § 174 BGB Nr. 1; s. auch Soergel/Leptien, § 174 Rdnr. 2; Schramm, in: MünchKomm, § 174 BGB Rdnr. 3). Das gilt in besonderem Maße zunächst dann, wenn die Ansprüche von einem Mitreisenden oder einem Familienmitglied angemeldet werden. Hier kann der Reiseveranstalter ohne Vorlage der Originalvollmacht nicht mit der gebotenen Sicherheit bestimmen, ob diese tatsächlich erteilt wurde und ob die Vertretungsbefugnis etwa infolge einer Rückforderung der Urkunde erloschen ist. Eine unbillige Belastung des Ersatzansprüche anmeldenden Reisenden oder seines Vertreters liegt darin nicht; die Übersendung der Originalvollmacht stellt keine größere Belastung dar als die einer  beglaubigten Abschrift der Vollmachtsurkunde. Für die einem anwaltlichen Vertreter erteilte Vollmacht gilt insoweit nichts anderes. Im Hinblick auf § 174 BGB unterscheidet das Gesetz nicht danach, wem die Vollmacht jeweils erteilt wurde.

Mit Blick auf den Zweck der Ausschlussregelung, dem Veranstalter frühzeitig abschließende Klarheit über die geltend gemachten Ansprüche zu verschaffen, kann der Revision auch nicht darin gefolgt werden, dass es im Rahmen des § 651g I BGB ausreichen müsse, wenn der Reiseveranstalter mit hoher Gewissheit davon ausgehen könne, dass der den Anspruch geltend machende Rechtsanwalt von dem Reisenden tatsächlich bevollmächtigt sei, während im originären Anwendungsbereich des § 174 BGB eine absolute Sicherheit erforderlich sei. Für eine solche Differenzierung bietet das Gesetz keine Grundlage.

Der Anwendung des § 174 BGB im Geltungsbereich des § 651g BGB kann die Revision nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass damit ein vollständiger Verlust des materiellen Rechts verbunden sein könne, während die Vorschrift in ihrem unmittelbaren Geltungsbereich nur von der Unwirksamkeit einer Erklärung ausgehe und deren Wiederholung nicht ausschließe. Auch dann ist ein vollständiger Rechtsverlust nicht ausgeschlossen, wenn die Erklärung der Wahrung einer Ausschlussfrist dient und vor deren  Ablauf eine Wiederholung nicht möglich ist. Zudem ist die Anwendbarkeit des § 174 BGB für den vergleichbaren Fall der Mängelrüge nach den §§ 377ff. BGB anerkannt. Auch insoweit handelt es sich um eine geschäftsähnliche Handlung und die Unwirksamkeit einer Mängelrüge hat regelmäßig einen Verlust der Gewährleistungsansprüche zur Folge, wenn sie - was wegen der Kürze der Frist nur in Ausnahmefällen möglich sein wird - nicht mehr wirksam nachgeholt werden kann. Ebenso wenig steht schließlich der verbraucherschützende Charakter der Regelungen des Reisevertragsrechts der Anwendung des § 174 BGB entgegen. Dieser ist mit der Regelung des § 651g BGB im Interesse des Reiseveranstalters zu dessen Gunsten durchbrochen worden; in diesem Bereich lässt sich daher aus dem Grundgedanken des Gesetzes zu Gunsten eines den Verbraucher begünstigenden Verständnisses der Regelung ein durchschlagender Gesichtspunkt nicht herleiten.

c) Soweit das BerGer. ein mangelndes Verschulden (§ 651g I 2 BGB) für nicht hinreichend dargelegt hält, wird dies von der Revision nicht angegriffen. Rechtsfehler treten insoweit auch nicht hervor.

d) Das BerGer. ist demgemäß zu Recht davon ausgegangen, dass die Anmeldung der Ansprüche wegen der behaupteten Mängel der Reise im Schreiben vom 17. 9. 1997 nach der Zurückweisung  dieses Schreibens durch die Bekl. entsprechend § 174 S. 1 BGB unwirksam ist. Die Bekl. hat dieses Schreiben am gleichen Tage und damit unverzüglich im Sinne des Gesetzes zurückgewiesen. Die erneute Anmeldung dieser Ansprüche im Schreiben vom 23. 9. 1997, dem eine Originalvollmacht beilag, ist nicht mehr rechtzeitig  innerhalb der Monatsfrist des § 651g I 1 BGB erfolgt; da die Reise am 20. 8. 1997 abgeschlossen war, war die Frist vor diesem Tage abgelaufen.