Vorrang des Einzelstatuts (Art. 3 III EGBGB) und kollisionsrechtliche Nachlaßspaltung (deutsch-deutsches Erbrecht); verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Folgen der Nachlaßspaltung (Erbscheinserteilung); Willensmängel: (keine) Anfechtung einer Erbschaftsausschlagung wegen "Irrtums" über den (zukünftigen) Wert des Nachlasses

BayObLG, Beschluß vom 5. 7. 2002 - 1Z BR 45/01


Fundstellen:

NJW 2003, 216 ff
für BayObLGZ vorgesehen
s. dazu die Anm. von Ivo NJW 2003, 185 ff


Zentrale Probleme:

Obwohl in eine etwas komplizierte Konstellation eines deutsch-deutschen Erbfalls eingekleidet behandelt der Fall grundsätzliche Fragen des internationalen Erbrechts, nämlich die materiellrechtlichen- und verfahrensrechtlichen Folgen einer aufgrund Art. 3 III EGBGB eingetretenen Nachlaßspaltung (s. dazu die Anm. zu BayObLG NJW-RR 1990, 1033). Durch die Aufspaltung in zwei selbständige Teilnachlässe sind die Fragen der Annahme der Erbschaft, der Ausschlagung und der Anfechtung jeweils getrennt zu beurteilen, während die Frage der Geschäftsfähigkeit des Ausschlagenden gesondert nach Art. 7 EGBGB anzuknüpfen ist.
Materiellrechtlich steht im Mittelpunkt der Entscheidung die Frage, inwieweit eine Anfechtung der Erbausschlagungserklärung nach § 1992 II BGB in Betracht kommt. Hierzu ist noch zu ergänzen, daß - sofern die Fehlvorstellung die zukünftige Wertsteigerung des Grundstücks betraf - schon begrifflich gar kein Irrtum vorliegt, weil ein solcher eine Fehlvorstellung über vergangene und gegenwärtige, nicht aber zukünftige Umstände erfaßt.


Amtl. Leitsätze:

1. Zur Wirksamkeit der Ausschlagung der Erbschaft und der Anfechtung der Ausschlagungserklärung nach BGB und ZGB-DDR in einem Fall der Nachlaßspaltung (DDR-Grundstück), wenn die Ausschlagung und deren Anfechtung erst nach dem 3.10.1990 erklärt wurden.   
2. Zur Frage, ob ein Gutachter, der anstelle des im Beweisbeschluß bestellten Gutachters das Gutachten gefertigt hat, noch nachträglich zum gerichtlichen Gutachter bestellt werden kann.  
3. Zur Frage, ob infolge einer Alkoholkrankheit (chronischer Alkoholmißbrauch) Geschäftsunfähigkeit gegeben sein kann. 


Zum Sachverhalt:

Der am 17. 7. 1990 im Alter von 81 Jahren verstorbene Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Er hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Nach ihm ist die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Der Nachlaß besteht aus Bankguthaben von rund 3000 DM sowie einem Grundstück in Leipzig. Der Erblasser war mit Beschluß vom 7. 11. 1951 wegen Geisteskrankheit entmündigt worden. Während des letzten Jahrzehnts seines Lebens war er in einem Alten- und Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt untergebracht; die nicht gedeckten Unterbringungskosten waren von der Sozialverwaltung getragen worden. Diese kündigte an, den Nettosozialhilfeaufwand für den Zeitraum von zehn Jahren vor dem Erbfall in Höhe von über 200000 DM nach § 92c BSHG gegen die Erben geltend zu machen. Die im Zeitpunkt des Erbfalls noch lebenden Erben der zweiten Ordnung - eine Schwester sowie deren Tochter (Bet. zu 1) - schlugen die Erbschaft mit notariell beurkundeten, dem NachlaßG übersandten Erklärungen vom 12. 11. 1990 aus.
Das AG - NachlaßG - hat am 10. 7. 1995 den gesetzlichen Erben der dritten Ordnung einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt. Die Bet. zu 1 hat beantragt, den Erbschein vom 10. 7. 1995 einzuziehen und ihr einen Erbschein zu erteilen, wonach der Erblasser von ihr allein beerbt wurde. Mit notariell beglaubigter, dem NachlaßG übersandter Erklärung vom 23. 4. 1999 hat sie ferner die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung vom 12. 11. 1990 erklärt, weil sie bei deren Abgabe irrtümlich von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Mit Schriftsatz vom 15. 10. 1999 machte die Bet. zu 1 außerdem geltend, daß sie bei Unterzeichnung der Ausschlagungserklärung am 12. 11. 1990 infolge ihrer extremen Alkoholabhängigkeit geschäftsunfähig gewesen sei. Das NachlaßG hat die Anträge der Bet. zu 1 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Bet. zu 1 hat das LG die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens darüber angeordnet, ob die Bet. zu 1 sich im Zeitpunkt der Ausschlagung der Erbschaft wegen einer Alkoholerkrankung in einem die freie Willensbestimmung völlig ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Mit der Erstellung des Gutachtens wurde die Chefärztin einer psychiatrischen Klinik beauftragt. Das psychiatrische Gutachten vom 20. 10. 2000 ist von einer Ärztin in Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie erstellt und von dem Oberarzt - in Vertretung der Chefärztin - mitunterzeichnet. Es kommt zu dem Ergebnis, daß vieles für die Geschäftsfähigkeit und nur sehr weniges für eine Geschäftsunfähigkeit der Bet. zu 1 zum fraglichen Zeitpunkt spreche. Das LG hat seinen Beweisbeschluß dahin gehend abgeändert, daß A mit der dort angeordneten Erstattung des Gutachtens beauftragt wird, und die Beschwerde der Bet. zu 1 zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde der Bet. zu 1 gegen die Abweisung ihres Erbscheinsantrags wurde zurückgewiesen; ihre weitere Beschwerde gegen die Ablehnung der Einziehung des Erbscheins vom 10. 7. 1995 wurde verworfen.

Aus den Gründen:

II. 2. … a) Da zum Nachlaß ein in der ehemaligen DDR gelegenes Grundstück gehört, hat es das LG zu Recht für erforderlich gehalten, zuerst das anzuwendende Recht zu ermitteln (vgl. BayObLGZ 1991, 103 [104f.]; BayObLG, Rpfleger 1994, 299). Es kam ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis, daß ein Fall der Nachlaßspaltung vorliegt, weil das Grundstück in der ehemaligen DDR nach dem Recht, das dort gegolten hat, vererbt wird, der übrige Nachlaß nach dem BGB.
aa) Gemäß Art. 235 § 1 I EGBGB bleibt für die erbrechtlichen Verhältnisse das bisherige Recht maßgebend, wenn der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts (3. 10. 1990) verstorben ist, wie hier. Welches Sachrecht danach anzuwenden ist, bestimmt sich nach dem damals in der Bundesrepublik geltenden interlokalen Kollisionsrecht (BGHZ 124, 270 [272f.] = NJW 1994, 582; BGHZ 131, 22 [26] = NJW 1996, 932 L; BGH, JR 2002, 106 [107]; BayObLG, FamRZ 2001, 1181 [1182]). Im Erbrecht galt die Regel, daß sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach einem deutschen Erblasser nach den Bestimmungen derjenigen Teilrechtsordnung richtet, in deren Geltungsbereich der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (BGHZ 124, 270 [273] = NJW 1994, 582; BGHZ 131, 22 [26] = NJW 1996, 932 L; BGH, JR 2002, 106 [107]; BayObLG, FamRZ 2001, 1181 [1182]). Im Erbrecht galt die Regel, daß sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach einem deutschen Erblasser nach den Bestimmungen derjenigen Teilrechtsordnung richtet, in deren Geltungsbereich der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (BGHZ 124, 270 [273] = NJW 1994, 582; BayObLG, FamRZ 2001, 1181 [1183]). Der am 17. 7. 1990 verstorbene Erblasser hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern. Die Erbfolge richtete sich daher entsprechend Art. 25 I EGBGB grundsätzlich nach den Vorschriften des BGB. Gegenüber diesem Gesamtstatut kam jedoch dem Belegenheitsstatut Vorrang zu, soweit dieses für die in seinem Gebiet befindlichen Vermögenswerte besondere Vorschriften aufstellte (vgl. Art. 3 III EGBGB). Danach war für Erbfälle seit In-Kraft-Treten des DDR-ZGB und des DDR-RAG am 1. 1. 1976 § 25 II DDR-RAG zu beachten, wonach sich die erbrechtlichen Verhältnisse in Bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden, die sich in der DDR befinden, nach dem DDR-ZGB richten (vgl. BGHZ 131, 22 [26f.] = NJW 1996, 932 L; BGH, JR 2002, 106 [107]). An einer auf diese Weise eingetretenen Nachlaßspaltung hat sich durch die Vereinigung Deutschlands nichts geändert (BGHZ 131, 22 [26f.] = NJW 1996, 932 L; BGH, FamRZ 1995, 481; BayObLG, FamRZ 1997, 391; FamRZ 1999, 1470 [1471]; FamRZ 2001, 1181 [1182]).
bb) Die Nachlaßspaltung hat zur Folge, daß das in der ehemaligen DDR gelegene, unter § 25 II DDR-RAG fallende Grundstück einen selbstständigen Nachlaß bildet, bei dem sich die Erbfolge im Grundsatz nach den Regeln des DDR-ZGB richtet, während der übrige Nachlaß den Regeln des BGB unterliegt. Die Erbfolge ist hinsichtlich der verschiedenen Nachlaßteile je für sich zu beurteilen (BayObLG, FamRZ 1999, 1470 [1471]; FamRZ 2001, 1181 [1182]; OLG Hamm, FamRZ 1998, 121 [122]; KG, FamRZ 1998, 124 [125]; Lorenz, DStR 1994, 584 [585]; Märker, ZEV 1999, 245 [246]).
b) Der Umstand, daß es sich um zwei nach verschiedenen Rechtsordnungen vererbte Nachlässe handelt, muß auch bei der Erbscheinserteilung beachtet werden. Daher kann in dem gegebenen Fall der Nachlaßspaltung nur entweder ein Erbschein in Anwendung des BGB, der sich nicht auf den in der ehemaligen DDR belegenen unbeweglichen Nachlaß i.S. des § 25 II DDR-RAG erstreckt, oder ein Erbschein in Anwendung des DDR-ZGB, der sich lediglich auf den in der ehemaligen DDR belegenen unbeweglichen Nachlaß i.S. des § 25 II DDR-RAG bezieht, oder ein so genannter Doppelerbschein erteilt werden, der diese beiden Erbscheine vereinigt (vgl. BayObLG, FamRZ 2001, 1181 [1182]; KG, Rpfleger 1992, 158 [159]; Staudinger/Schilken, BGB, §§ 2353ff. Rdnr. 48; Promberger, in: MünchKomm, § 2353 Rdnrn. 25f.; Palandt/Edenhofer, BGB, 61. Aufl., § 2353 Rdnrn. 7f.; Bestelmeyer, Rpfleger 1992, 229 [231]).
c) Die Bet. zu 1 hat, ohne eine Differenzierung vorzunehmen, einen ihr Alleinerbrecht bezeugenden Erbschein beantragt. Dies deutet darauf hin, daß sie ein Zeugnis über die Erbschaft insgesamt, also hinsichtlich beider Nachlaßteile, haben will. Sowohl in dem Schriftsatz vom 23. 3. 1999 als auch in der notariellen Urkunde vom 14. 4. 1999 wird ausdrücklich auf das Grundstück in Leipzig als Nachlaßbestandteil hingewiesen. Daraus ergibt sich, daß die Bet. zu 1 ein Zeugnis über ihr Erbrecht hinsichtlich des nach dem DDR-ZGB vererbten Grundstücks wünscht, zumal dieses - mit einem heutigen Verkehrswert von ca. 750000 DM - den wesentlichen Nachlaßwert darstellt. Der Antrag ist aber nicht auf das in der DDR belegene Grundvermögen beschränkt, und die Bet. zu 1 hat ausdrücklich auch die Einziehung des Erbscheins vom 10. 7. 1995 beantragt, der sich, wie das LG richtig gesehen hat, den Umständen nach nur auf die dem BGB unterliegende Erbfolge beziehen kann; denn wenn bei einem Erbschein ein anderes als das Erbrecht des BGB zu Grunde gelegt ist, muß dies angegeben werden; ansonsten wird als Regelfall unterstellt, daß er (allein) auf dem materiellen Erbrecht des BGB beruht (BayObLG, FamRZ 2001, 1181 [1183]; Promberger, in: MünchKomm, § 2353 Rdnr. 11). Daraus ist zu schließen, daß der beantragte Erbschein sich auch auf den den Vorschriften des BGB unterliegenden Nachlaßteil beziehen soll. Der Antrag ist also auf einen so genannten Doppelerbschein gerichtet, der die Erbfolge sowohl nach den Vorschriften des BGB als auch nach den Vorschriften des DDR-ZGB bezeugt. Die Erbfolge muß daher nach beiden Rechtsordnungen geprüft und bestimmt werden.
3. Die Bet. zu 1 ist nach § 1925 BGB bzw. § 367 DDR-ZGB gesetzliche Erbin der zweiten Ordnung geworden, wenn die Ausschlagung der Erbschaft durch ihre Mutter wirksam und die Ausschlagung der Erbschaft durch sie selbst unwirksam war. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, so ist sie nicht Erbin geworden und ihr Erbscheinsantrag zu Recht zurückgewiesen worden. Das LG hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, daß die Ausschlagung der Erbschaft durch die Bet. zu 1 hinsichtlich beider Nachlaßteile wirksam war. Da es mithin schon an der Voraussetzung der Unwirksamkeit der eigenen Ausschlagungserklärung der Bet. zu 1 fehlt, kommt es darauf, ob die weitere Voraussetzung - Wirksamkeit der Ausschlagungserklärung der Mutter - gegeben ist, nicht mehr an. (Obwohl die Bet. zu 1 ihre Mutter allein beerbt hat, wäre im Fall der Unwirksamkeit der Ausschlagungserklärung der Mutter diese, nicht die Bet. zu 1, Erbin des Erblassers geworden.)
a) Auch die Frage der Wirksamkeit der Ausschlagung muß nach beiden Rechtsordnungen geprüft werden, Das Erbstatut ist auch für die mit dem Erwerb der Erbschaft zusammenhängenden Fragen maßgebend, insbesondere für die Annahme und Ausschlagung. Soweit sich also die Ausschlagungserklärung der Bet. zu 1 auch auf den in der ehemaligen DDR belegenen Nachlaß bezog, muß die Frage ihrer Wirksamkeit nach dem DDR-ZGB beurteilt werden (BayObLGZ 1991, 103 [105]; BayObLGZ 1994, 40 [47]).
b) Im Hinblick auf die Nachlaßspaltung war zunächst die Reichweite der Ausschlagungserklärung der Bet. zu 1 zu bestimmen, also die Frage zu beantworten, ob sie sich auf einen der beiden Nachlaßteile oder auf beide bezog. Das LG ist ohne nähere Ausführungen hierzu davon ausgegangen, daß sie sich auf beide Nachlaßteile bezog. Dies trifft zu, wie der Senat ohne weitere Ermittlungen selbst feststellen kann.
aa) Auf Grund der eingetretenen Nachlaßspaltung konnten der in der ehemaligen DDR belegene Nachlaß und der übrige Nachlaß jeweils für sich angenommen oder ausgeschlagen werden nach den jeweils für den betreffenden Nachlaßteil geltenden Rechtsvorschriften (BayObLGZ 1991, 103 [105]; LG Bonn, Rpfleger 1991, 507 [508]). Soll sich die Ausschlagung auf die gesamte Erbschaft beziehen, müssen aber nicht notwendig zwei Ausschlagungserklärungen - für jeden dieser Nachlässe - abgegeben werden. Eine - in einer Erklärung zusammengefasste - Ausschlagungserklärung kann sich auch auf beide Nachlässe beziehen. Ob dies der Fall ist, muß durch Auslegung ermittelt werden (KG, Rpfleger 1996, 456 [457]; vgl. auch BayObLGZ 1994, 40 [52]; BayObLG, NJW-RR 1998, 798 [800]).
Die Auslegung obliegt zwar grundsätzlich dem Gericht der Tatsacheninstanz. Hat sich das LG jedoch mit einer Auslegungsfrage überhaupt nicht auseinander gesetzt, kann das Gericht der weiteren Beschwerde eine eigene Auslegung vornehmen und in der Sache selbst entscheiden, wenn der Sachverhalt keiner weiteren Klärung bedarf, wie hier (OLG Brandenburg, FamRZ 1997, 1023 [1024]; Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 27 Rdnr. 48).
bb) Da es sich rechtlich gesehen um zwei Nachlässe handelt, die verschiedenen Rechtsordnungen unterliegen, muß die Auslegung hinsichtlich beider Nachlässe nach den jeweils für sie geltenden Rechtsvorschriften vorgenommen werden. Das DDR-ZGB enthielt keine dem § 133 BGB vergleichbare Regelung für die Auslegung von Willenserklärungen. Lediglich das DDR-Gesetz über Wirtschaftsverträge (DDR-GW) vom 5. 2. 1976 enthielt in § 6 eine Vorschrift über die „Auslegung von Erklärungen und Verträgen“. Nach § 6 I DDR-GW ist bei der Auslegung von Erklärungen der erkennbare Wille des Erklärenden maßgeblich. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift können für die Auslegung einer dem DDR-ZGB unterliegenden Ausschlagungserklärung die zu § 1945 BGB entwickelten Grundsätze entsprechend herangezogen werden (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 1997, 1023 [1024]).
cc) Bei der Erklärung einer Erbausschlagung handelt es sich um eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung, für deren Auslegung es auf den den Nachlaßbeteiligten erkennbaren Sinn der Erklärung ankommt (BayObLG, DtZ 1992, 284 [285]; KG, Rpfleger 1996, 456 [457]). Den Nachlaßbeteiligten ist in der Regel nur der Inhalt der Ausschlagungserklärung als solcher zugänglich. Umstände, die nicht aus der Urkunde ersichtlich und nicht allgemein bekannt sind, dürfen daher bei der Auslegung nicht herangezogen werden (BayObLG, DtZ 1992, 284 [285]).
dd) Die Erklärung „Ich schlage die Erbschaft nach meinem Onkel aus allen Berufungsgründen und ohne jede Bedingung aus.“ bezieht sich auf die gesamte Erbschaft ohne Einschränkung. Die weitere Erklärung „Der Nachlaß ist überschuldet.“ läßt darauf schließen, daß der Bet. zu 1 die Zusammensetzung des Nachlasses - insbesondere auch das Vorhandensein eines zum Nachlaß gehörenden Grundstücks in Leipzig - bekannt war. Das LG konnte daher im Ergebnis zutreffend davon ausgehen, daß die Ausschlagung beide - nur rechtlich getrennte - Teilnachlässe erfaßte.
c) Das LG hat ohne Rechtsfehler die Frist- und Formerfordernisse beider Rechtsordnungen als erfüllt angesehen.
aa) Nach §§ 1944 , 1945 BGB mußte die Ausschlagung binnen sechs Wochen bzw. sechs Monaten (§ 1944 III BGB) ab dem Zeitpunkt, in welchem die Bet. zu 1 von dem Erbfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erhielt, durch Erklärung gegenüber dem NachlaßG erfolgen; die Erklärung war zur Niederschrift des NachlaßG oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.
Da zur Kenntnis der den Anfall begründenden Tatsachen auch die Ausschlagung der Erbschaft durch die - zunächst berufene - Mutter gehörte, ist auch die kürzere Sechs-Wochen-Frist erfüllt, so daß es darauf, ob auch die (ehemalige) DDR, unabhängig von der staatsrechtlichen Lage, i.S. des § 1944 III BGB als Ausland anzusehen war (vgl. dazu Staudinger/Otte, § 1944 Rdnr. 3), nicht ankommt. Die notariell beurkundete Ausschlagungserklärung erfüllt die Formvorschrift des § 1945 I BGB (§ 129 II BGB).
bb) Die Erbfolge nach dem DDR-ZGB war ebenso wie im BGB durch den Vonselbsterwerb (Anfallprinzip, §§ 363 I, 399 I 1, 402 DDR-ZGB) und die Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession, § 363 I 2 ZGB) gekennzeichnet, sofern der Erbe eine natürliche Person war (Leipold, in: MünchKomm, Einl. §§ 1922 ff. Rdnrn. 240, 276; Lorenz, DStR 1994, 584 [586]). Das Vermögen des Erblassers ging also - wie nach den §§ 1922 , 1942 I BGB - mit dem Erbfall ex lege auf den bzw. die Erben über; diese konnten die Erbschaft jedoch ausschlagen. Annahme und Ausschlagung waren ähnlich wie im BGB geregelt. Die Ausschlagungsfrist betrug jedoch für Erben mit Wohnsitz in der DDR (wie im Fall der Bet. zu 1) zwei Monate (§ 402 I 1 DDR-ZGB) ab Kenntnis vom Erbfall (§ 403 I DDR-ZGB). An ihre Stelle traten nach Art. 231 § 6 III i.V. mit Abs. 1 und 2 EGBGB die Fristen des § 1944 BGB (Leipold, in: MünchKomm, Art. 235 § 1 Rdnr. 24), die, wie schon festgestellt, in jedem Fall eingehalten sind. Die Ausschlagung war gegenüber jedem beliebigen staatlichen Notariat zu erklären und notariell zu beglaubigen (§ 403 II DDR-ZGB; Leipold, in: MünchKomm, Einl. §§ 1922ff. Rdnrn. 278, 280). Die nach dem Recht der DDR bestehende Zuständigkeit der staatlichen Notariate für Verrichtungen in Nachlaßsachen hat aber gem. Art. 8 EinigungsV mit dem Beitritt geendet; sie ist auf die nach bundesdeutschem Recht gem. §§ 72 , 73 I FGG für Verrichtungen in Nachlaßsachen sachlich und örtlich zuständigen Amtsgerichte übergegangen. Dieser Übergang der Zuständigkeit für Verrichtungen in Nachlaßsachen umfaßt auch den Empfang einer noch nach dem Beitritt gem. § 403 DDR-ZGB abzugebenden Erklärung über die Ausschlagung einer Erbschaft (BayObLG, FamRZ 1994, 723 [726]; KG, Rpfleger 1996, 456 [457]; Staudinger/Rauscher, Art. 235 § 1 EGBGB Rdnr. 193). Auch nach dem Recht der ehemaligen DDR ersetzte die Beurkundung der Ausschlagungserklärung die notarielle Beglaubigung (§ 48 II i.V. mit § 67 I 4 DDR-ZGB).
d) Das LG hat festgestellt, daß die Bet. zu 1 bei Abgabe der Ausschlagungserklärung nicht geschäftsunfähig war, ihre Erklärung also nicht nach §§ 104 Nr. 2, 105 BGB nichtig ist. Dies hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
aa) Zutreffend hat das LG insoweit (allein) auf die „Geschäftsfähigkeit“, also die §§ 104 , 105 BGB abgestellt, nicht auch auf die „Handlungsfähigkeit“, wie die entsprechende Bezeichnung im DDR-ZGB lautete (vgl. §§ 49, 52 DDR-ZGB; Birk, in: MünchKomm, Art. 7 EGBGB Rdnr. 21). Nur für die „erbrechtlichen Verhältnisse“ bleibt das bisherige Recht maßgebend, wenn der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts gestorben ist (Art. 235 § 1 I EGBGB). „Erbrechtliche Verhältnisse“ in diesem Sinn sind alle Tatbestände, die mit dem Erbfall oder dem Erwerb einer Erbschaft in Zusammenhang stehen (KG, DtZ 1996, 151; Staudinger/Rauscher, Art. 235 § 1 EGBGB Rdnr. 31; Leipold, in: MünchKomm, Art. 235 § 1 EGBGB Rdnr. 23). Der Begriff ist in Anlehnung an den Begriff der „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ in Art. 25 EGBGB auszulegen, so daß als „erbrechtliche Verhältnisse“ i.S. von Art. 235 § 1 I EGBGB alle Tatbestände zu behandeln sind, die in kollisionsrechtlicher Sicht (Art. 25 EGBGB) als erbrechtlich zu qualifizieren sind (Staudinger/Rauscher, Art. 235 § 1 EGBGB Rdnr. 33). Die Frage, ob der Erklärende die zur Abgabe einer Annahme oder Ausschlagungserklärung erforderliche Geschäftsfähigkeit besitzt, richtet sich jedoch nicht nach dem für die Beerbung maßgebenden Recht, sondern nach dem Persönlichkeitsstatut (Art. 7 EGBGB; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rdnr. 114; Birk, in: MünchKomm, Art. 25 EGBGB Rdnr. 235). Für diese Frage verweist daher Art. 235 § 1 EGBGB nicht auf das bisherige Recht; vielmehr ist das zur Zeit der Ausschlagungserklärung geltende Recht maßgebend (Art. 230 EGBGB; Staudinger/Dörner, Art. 236 EGBGB Rdnrn. 48, 31), und zwar das Recht des Staates, dem der Ausschlagende angehört (Art. 7 I EGBGB; vgl. Staudinger/Hausmann, Art. 7 EGBGB Rdnrn. 3, 12), also das BGB. Lediglich die Vorfrage, ob für die Vornahme eines Rechtsgeschäfts überhaupt Geschäftsfähigkeit erforderlich ist und zu welchem Zeitpunkt sie vorliegen muss, bestimmt sich nach dem jeweiligen Wirkungsstatut (Staudinger/Hausmann, Art. 7 EGBGB Rdnr. 41). Insoweit unterschied sich das Recht des DDR-ZGB nicht von dem des BGB; es setzte „Handlungsfähigkeit“ zum Zeitpunkt der Erklärung voraus (vgl. §§ 49, 52 III DDR-ZGB).
bb) Das LG hat sich für seine Beurteilung - und Verneinung - der Frage, ob die Bet. zu 1 bei Abgabe der Ausschlagungserklärung am 12. 11. 1990 geschäftsfähig war, im Wesentlichen auf das Gutachten vom 20. 10. 2000 gestützt ... (wird ausgeführt)
e) Das LG hat angenommen, daß auch die Anfechtung der Ausschlagungserklärung nicht zur Nichtigkeit der Ausschlagung - und zur Annahme der Erbschaft (§ 1957 BGB) - geführt habe; es hat hierfür auf den Beschluß des NachlaßG vom 10. 4. 2000 Bezug genommen, der seinerseits auf die Verfügung des Nachlaßrichters vom 1. 6. 1999 verweist. In dieser wird die Anfechtung allein nach den Vorschriften des BGB beurteilt. Dies ist insoweit rechtsfehlerhaft, als die Anfechtung der Ausschlagungserklärung, da sie sich ebenso wie die Ausschlagung auf beide Nachlaßteile bezieht, nach beiden Rechtsordnungen geprüft und gewürdigt werden musste. Im Ergebnis trifft es aber zu, daß die Anfechtung die Ausschlagung nicht beseitigt hat.
aa) Nicht nur die Ausschlagung einer Erbschaft, sondern auch die Anfechtung der Ausschlagung beurteilt sich nach dem jeweiligen Erbstatut. Dies gilt insbesondere auch im Fall der Nachlaßspaltung nach Art. 3 III EGBGB i.V. mit § 25 II DDR-RAG, Art. 235 § 1 EGBGB (vgl. BayObLGZ 1994, 40 [53f.]; KG, OLGZ 1993, 278 [281]; OLGZ 1993, 405 [406]; Staudinger/Rauscher, Art. 235 § 1 EGBGB Rdnr. 175; Lorenz, DStR 1994, 584 [585]; Bestelmeyer, Rpfleger 1993, 381 [384f.]).
bb) Die Anfechtungserklärung der Bet. zu 1 vom 23. 4. 1999 bezieht sich, wie der Senat selbst feststellen kann, ohne Einschränkung auf die „Erbschaftsausschlagung vom 12. 11. 1990“ und damit, wie diese, auf beide Nachlaßteile.
cc) Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen angenommen, daß der - nach der für die Anfechtung gegebenen Begründung allein in Betracht kommende - Anfechtungsgrund eines Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften der Erbschaft (§ 119 II BGB) nicht vorliegt.
(1) Auszugehen ist von den Anfechtungsgründen, auf die sich die Bet. zu 1 berufen hat (BayObLG, NJW-RR 1999, 590 [591]). Die Bet. zu 1 macht einen Irrtum hinsichtlich der Überschuldung des Nachlasses geltend, von der sie bei der Ausschlagung ausgegangen sei. Es habe sich herausgestellt, daß der Nachlaß werthaltig sei und insbesondere aus einem Grundstück in Leipzig im Schätzwert von 750000 DM bestehe. Ferner sei ihr bei der Abgabe der Ausschlagungserklärung eine Mitteilung der Sozialhilfeverwaltung zur Kenntnis gebracht worden, wonach Kostenersatzforderungen nach dem Bundessozialhilfegesetz gegen die Erben geltend gemacht würden. Diese Annahme habe sich nunmehr als unrichtig erwiesen.
(2) Der Nachlaßrichter hat in seiner Verfügung vom 1. 6. 1999, auf die der angefochtene Beschluß letztlich Bezug nimmt, die Auffassung vertreten, daß die Anfechtung der Ausschlagung nicht durchgreife, weil der Bet. zu 1 zum Zeitpunkt der Ausschlagung der Erbschaft bekannt gewesen sei, daß zum Nachlaß auch ein Grundstück in Leipzig gehörte. Aus den Akten gehe hervor, daß ihrer Mutter ein Kaufangebot in Höhe von 160000 DM vorgelegen habe. Inzwischen habe sich der Wert des Grundstücks offenbar kräftig erhöht. Der Irrtum über die Wertentwicklung des Grundstücks sei kein Eigenschaftsirrtum i.S. des § 119 II BGB. Auch der Umstand, daß nach der jetzigen Wertentwicklung des Grundstücks nicht mehr von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen werden könne, begründe nicht einen beachtlichen Eigenschaftsirrtum.
(3) Damit gehen die Vorinstanzen zutreffend davon aus, daß auch eine Sachgesamtheit wie der Nachlaß unter den Begriff der „Sache“ i.S. von § 119 II BGB fällt (RGZ 149, 235 [238]; RGZ 158, 50; KG, OLGZ 1993, 1 [4]; Staudinger/Otte, § 1954 Rdnr. 7) und die Überschuldung des Nachlasses eine verkehrswesentliche Eigenschaft i.S. des § 119 II BGB sein kann, so daß der Irrtum hierüber zur Anfechtung einer Annahme- oder Ausschlagungserklärung nach dieser Vorschrift berechtigen kann (BGH, NJW 1989, 2885; BayObLGZ 1980, 23 [27]; BayObLGZ 1983, 9 [11]; BayObLG, FamRZ 1997, 1174 [1175]; NJW-RR 1999, 590 [591]). Ein Anfechtungsgrund ist aber nur dann gegeben, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung des Nachlasses auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, hinsichtlich des Bestands an Aktiva oder Passiva beruht (vgl. BayObLG, MittRhNotK 1979, 159 [161]; NJW-RR 1999, 590 [592]); dagegen können eventuelle Fehlvorstellungen über den Wert der zum Nachlaß gehörenden Gegenstände die Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung nicht begründen, weil der Wert der Nachlaßgegenstände oder des Nachlasses als solcher keine verkehrswesentliche Eigenschaft i.S. von § 119 II BGB darstellt (BGH, LM § 779 BGB Nr. 2; BayObLGZ 1995, 120 [126]; BayObLG, NJW-RR 1999, 590 [592]; Staudinger/Otte, § 1954 Rdnrn. 7f.).
(4) Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war der Bet. zu 1 bekannt, daß Hauptbestandteil des Nachlasses ein ca. 800 m² großes Grundstück in Leipzig war, für das der Mutter der Bet. zu 1 zur Zeit des Erbfalls 160000 DM geboten worden waren.
(5) Diesem Aktivum stand eine Nachlaßverbindlichkeit im Betrag von ca. 200000 DM gegenüber, nämlich die Ersatzpflicht des Erben nach § 92c BSHG.
(5.1) Die Ersatzpflicht des Erben nach § 92c BSHG ist eine - mit dem Erbfall entstehende - Nachlaßverbindlichkeit (Erbfallschuld; § 92c II 1 BSHG; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 92c Rdnr. 15; Staudinger/Marotzke, § 1922 Rdnr. 364, § 1967 Rdnr. 31). Nach § 92c IV 1 BSHG erlischt der Anspruch auf Kostenersatz in drei Jahren nach dem Tod des Hilfeempfängers.
(5.2) Darüber, was der Bet. zu 1 über diese Ersatzforderung der Sozialverwaltung im Betrag von ca. 200000 DM bekannt war, haben die Vorinstanzen zwar keine ausdrückliche Feststellung getroffen. Sie sind aber stillschweigend davon ausgegangen, daß der Bet. zu 1 auch diese - in ihrer ungefähren Höhe - bekannt war. Daß die Annahme zutrifft, kann der Senat, da weitere Ermittlungen hierzu nicht erforderlich sind, selbst feststellen. Ohne die Kenntnis dieser auf den oder die Erben zukommenden, den angenommenen Wert des Grundstücks von 160000 DM erheblich übersteigenden Verpflichtung wäre nämlich nicht erklärlich, daß die Mutter der Bet. zu 1 und die Bet. zu 1 die Erbschaft mit der Begründung ausschlugen, der Nachlaß sei überschuldet. Außerdem ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Bet. zu 1, daß sie - über ihre Mutter - Kenntnis von der Forderung der Sozialverwaltung hatte (oben unter 1 und Schriftsatz v. 15. 10. 1999).
(6) Ausgehend von den Werten, von denen im Zeitpunkt des Erbfalls für das Grundstück einerseits (160000 DM), die Ersatzforderung der Sozialverwaltung andererseits (200000 DM) auszugehen war, traf die Annahme, der Nachlaß sei überschuldet, zu.
(7) Der „Irrtum“ der Bet. zu 1 muß also, wie der Nachlaßrichter feststellte, den Wert des Grundstücks betroffen haben und ist damit nach den oben dargestellten Rechtsgrundsätzen unbeachtlich, gleichviel, ob das Kaufangebot über 160000 DM, das der Mutter der Bet. zu 1 gemacht worden war, schon dem Wert des Grundstücks im Zeitpunkt des Erbfalls nicht entsprach, oder ob der jetzige Schätzwert von 750000 DM auf einer zwischenzeitlichen Wertsteigerung beruht, wie der Nachlaßrichter annahm.
(8) Andererseits bestand der „Irrtum“ der Bet. zu 1 darin, daß sie mit der rechtzeitigen Geltendmachung der Ersatzforderung der Sozialverwaltung nach § 92c BSHG - und nicht mit deren Untergang infolge Verstreichens der Frist des § 92c IV 1 BSHG - gerechnet hatte. Die Erwartung, daß eine Nachlaßverbindlichkeit vom Gläubiger rechtzeitig - vor einer drohenden Verjährung oder vor dem Ablauf einer Erlöschensfrist - in den Ablauf der Frist unterbrechenderweise geltend gemacht wird, betrifft aber keine „Eigenschaft der Sache“ i.S. von § 119 II BGB; es handelt sich um eine - nicht erfüllte - Erwartung, die im Motivbereich der Ausschlagung liegt und die Anfechtung nicht begründen kann (LG Bonn, NJW 1975, 2104; Pohl, AcP 177, 52 [79]).
dd) Auch nach dem DDR-ZGB greift die Anfechtung der Ausschlagung nicht durch.
(1) Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, daß nach § 405 II 2 ZGB vier Jahre nach der Ausschlagung die Anfechtung stets ausgeschlossen war; denn an die Stelle dieser am 3. 10. 1990 noch nicht abgelaufenen Frist trat nach Art. 231 § 6 III i.V. mit I 1 EGBGB die 30-Jahres-Frist des § 1954 IV BGB (Staudinger/Rauscher, Art. 235 § 1 EGBGB Rdnr. 197).
(2) Die Anfechtung der Ausschlagung war nach § 405 I i.V. mit § 70 I DDR-ZGB bei Irrtum über den Inhalt der Erklärung, fehlerhafter Übermittlung, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung möglich. Der Irrtum über wesentliche Eigenschaften ist in § 70 I DDR-ZGB nicht ausdrücklich erwähnt. Ein Teil des Schrifttums nimmt gleichwohl an, daß auch diese Irrtumsform einen relevanten Anfechtungsgrund darstellte (Leipold, in: MünchKomm, § 1954 Rdnr. 23; Staudinger/Otte, § 1954 Rdnr. 22; vgl. dagegen Staudinger/Rauscher, Art. 235 § 1 EGBGB Rdnr. 185). Ein Motivirrtum berechtigte auch nach dem DDR-ZGB nicht zur Anfechtung der Ausschlagung (Staudinger/Otte, § 1954 Rdnr. 21).
Es gelten mithin im Wesentlichen dieselben Regeln wie für die Rechtslage bei der Anwendbarkeit des BGB. Die Anfechtung kann begründet sein, wenn der Ausschlagende über die Zusammensetzung des Nachlasses irrte, nicht dagegen auf Grund der Unkenntnis einer Wertsteigerung (Leipold, in: MünchKomm, § 1954 Rdnr. 23).
(3) Im vorliegenden Fall ergeben sich aus dieser Rechtslage keine Abweichungen gegenüber der Beurteilung nach dem BGB.
f) Mithin hat die Bet. zu 1 nach beiden Rechtsordnungen die Erbschaft wirksam ausgeschlagen und ist daher nicht Erbin geworden; der Anfall an sie gilt als nicht erfolgt (§ 1953 I BGB, § 404 S. 1 DDR-ZGB).
4. Für den weiteren Verfahrensgegenstand, die Beschwerde gegen die Nichteinziehung des Erbscheins vom 10. 7. 1995, steht damit bereits fest, daß die Bet. zu 1 die beanspruchte Stellung einer Erbin nicht innehat und daß sie daher durch die Nichteinziehung des Erbscheins vom 10. 7. 1995 nicht in ihrem Recht beeinträchtigt sein kann. Für diesen Verfahrensgegenstand besteht daher keine Beschwerdeberechtigung (§ 20 I FGG; vgl. BayObLGZ 1956, 377 [379]; KG, JR 1953, 422 [423]; FGPrax 2001, 24 [25]; FamRZ 1995, 837 [838f.]).