Abtretung von Forderungen:
Voraussetzungen des Abtretungsausschlusses nach § 399 Alt. 1 BGB, (kein)
Abtretungsausschluß nach § 399 BGB bei Mietforderungen
BGH, Urt. v. 2.7.2003 - XII ZR 34/02
Fundstelle:
NJW 2003, 2987
zur (auch hier offengelassenen Frage) der Übertragbarkeit von
Gestaltungsrechten s. BGH NJW 1998, 896.
Amtl. Leitsatz
Der isolierten Abtretung von
Mietzinsansprüchen ohne gleichzeitige Übernahme der Pflichten aus einem
Mietvertrag steht weder der Schutzzweck des § 571 BGB a.F. [Anm.: entspr.
§ 566 BGB n.F.], noch die enge Verknüpfung von Rechten und Pflichten aus
dem Mietvertrag entgegen.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht restlichen Mietzins.
Am 1. Juli 1997 schloss die "M. Limited" (im folgenden: M. ltd.) mit der
H. gesellschaft mbH M. (im folgenden: H. GmbH) einen notariellen
Kaufvertrag über das zu deren Gunsten an dem Grundstück F. 5 in ... M.
bestellte Erbbaurecht. Mit Vertrag vom gleichen Tag vermietete die M. ltd.
an die Beklagte Gewerberäume auf dem Grundstück zum Betrieb eines
Eiscafés.
Im Vorgriff auf ihre erwartete Eintragung im Erbbaugrundbuch verkaufte die
M. ltd. an die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 16. Januar 1998 einen
Miterbbaurechtsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an den der
Beklagten vermieteten Räumen. Gemäß § 7 des Vertrages sollten die Rechte
aus dem Mietvertrag mit der Beklagten am Tag der Besitzübergabe, dem 1.
Februar 1998, auf die Klägerin übergehen.
Die Kaufverträge über das Erbbaurecht wurden nicht vollzogen, weil die
Eigentümerin des Grundstücks ihre Zustimmung schon zu dem Vertrag zwischen
der H. GmbH und der M. ltd. versagte.
Die Beklagte hat an die Klägerin von Juni bis September 1998 wegen
behaupteter Mängel eine geminderte Miete bezahlt. Weitere Mietzahlungen an
die Klägerin hat sie nicht erbracht.
Das Landgericht hat der auf rückständigen Mietzins gerichteten Klage
teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das
Oberlandesgericht die Klage abgewiesen; die Anschlussberufung der Klägerin
hat es zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
ihren Klagantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht verneint die Aktivlegitimation der Klägerin und
führt hierzu im wesentlichen aus: Die Klägerin sei nicht gemäß § 571 BGB
a.F. (§ 566 BGB n.F.) in den Mietvertrag zwischen der M. ltd. und der
Beklagten eingetreten, weil sie mangels Eintragung im Grundbuch nicht
Erbbauberechtigte geworden sei. Die Beklagte habe auch einem Eintritt der
Klägerin in den Mietvertrag nicht dadurch konkludent zugestimmt, dass sie
in der Zeit von Juni bis September 1998 einen Teil der Miete an die
Klägerin bezahlt habe. Denn die Beklagte habe unstreitig bereits im
Oktober 1998 die Zahlungen mit der Begründung eingestellt, die Klägerin
sei nicht wirksam in die Rechte und Pflichten der M. ltd. aus dem
Mietvertrag eingetreten.
Die Mietzinsforderungen seien von der M. ltd. auch nicht wirksam an die
Klägerin abgetreten worden. Die Vereinbarung in § 6 des Kaufvertrages vom
16. Januar 1998 zwischen der M. ltd. und der Klägerin, nach der Besitz,
Nutzen und Lasten am Kaufgegenstand am 1. Februar 1998 auf die Klägerin
übergehen sollten, enthalte keine Abtretung von Rechten aus dem
Mietvertrag. Sie regele nur das Verhältnis zwischen Veräußerer und
Erwerber hinsichtlich des übertragenen Erbbaurechtsanteils. § 7 des
Kaufvertrages, nach dem die Rechte aus dem Mietvertrag mit dem Übergabetag
auf die Klägerin übergehen sollten, enthalte zwar eine "gewollte
Abtretung", diese sei aber unwirksam, weil Rechte aus einem Mietvertrag
nur zusammen mit den hieraus bestehenden Pflichten übertragen werden
könnten. Dies folge zum einen aus der engen Verknüpfung von Rechten und
Pflichten der Mietvertragsparteien. Zum anderen gebiete dies der
Schutzzweck des § 571 BGB a.F. (§ 566 BGB n.F.), wonach nicht nur für den
Erwerber der Mietsache, sondern insbesondere auch für den Mieter
Rechtsklarheit darüber bestehen müsse, wem gegenüber er Pflichten zu
erbringen habe und Rechte einfordern könne. Der Mieter solle bis zur
Grundbucheintragung nicht mit Zweifeln und Unsicherheiten über die Person
seines Vertragspartners belastet werden.
2. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung in einem wesentlichen Punkt
nicht stand.
a) Allerdings geht das Berufungsgericht zu Recht und von der Revision
unbeanstandet davon aus, dass die Klägerin nicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1
ErbbauVO i.V. mit § 571 BGB a.F. (§ 566 BGB n.F.) in den Mietvertrag mit
der Beklagten eingetreten ist, weil sie nicht Erbbauberechtigte geworden
ist.
b) Auch rügt die Revision ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe zu
Unrecht in der viermonatigen Zahlung eines Teils der Miete an die Klägerin
keine konkludente Zustimmung der Beklagten zu einem Eintritt der Klägerin
in den Mietvertrag gesehen. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
c) Die Annahme des Berufungsgerichts, § 6 des Kaufvertrages vom 16. Januar
1998 zwischen der Klägerin und der M. ltd. enthalte keine Abtretung von
Mietzinsansprüchen, ist ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden
und wird von der Revision auch nicht angegriffen. Diese Bestimmung regelt
lediglich im Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber, wem nach
Übergabe des Kaufgegenstandes die Nutzungen im Sinne von § 446 Abs. 1 Satz
2 BGB zustehen (OLG Düsseldorf MDR 1994, 1009; OLG Düsseldorf DWW 1993,
175; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und
Leasingrechts 8. Aufl. Rdn. 1398; Heile in: Bub/Treier Handbuch der
Geschäftsund Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. II Rdn. 865; Staudinger/Emmerich
BGB 13. Aufl. § 571 Rdn. 57; a.A. Sternel Mietrecht 3. Aufl. I Rdn. 59).
3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch einen Übergang der
Mietzinsansprüche auf die Klägerin verneint. Die Klägerin ist aufgrund der
Vereinbarung in § 7 des mit der M. ltd. abgeschlossenen Kaufvertrages vom
16. Januar 1998 Inhaberin der geltend gemachten Mietzinsforderungen gegen
die Beklagte geworden.
Das Berufungsgericht hat in § 7 des Kaufvertrages, wonach mit der Übergabe
alle Rechte aus dem Mietvertrag auf die Klägerin übergehen, die
Vereinbarung einer Abtretung der Rechte der M. ltd. aus dem Mietvertrag an
die Klägerin gesehen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu
Unrecht geht das Berufungsgericht aber davon aus, dass dieser
Abtretungsvertrag unwirksam ist, weil die Parteien des Abtretungsvertrages
nicht gleichzeitig auch eine Vereinbarung über den Übergang der Pflichten
aus dem Mietvertrag auf die Klägerin getroffen haben.
a) Forderungen sind grundsätzlich übertragbar (§ 398 BGB). Nur in
Ausnahmefällen ist die Übertragbarkeit ausgeschlossen. Eine solche
Ausnahme enthält u.a. § 399 Halbs. 1 BGB. Danach kann eine Forderung nicht
abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den
ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erbracht
werden kann. Eine solche Inhaltsänderung wird nicht nur bei
höchstpersönlichen oder unselbständigen akzessorischen Ansprüchen, sondern
auch dann angenommen, wenn ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich
vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer
bestimmten Gläubigerperson aber besonders schutzwürdig ist (BGHZ 96,
146, 149; MünchKomm-Roth 4. Aufl. § 399 BGB Rdn. 1, 8 ff.;
Staudinger/Busche aaO § 399 BGB Rdn. 8, 11 ff.). Ein solches
schutzwürdiges Interesse wird bei Ansprüchen angenommen, bei denen es für
den Schuldner entscheidend darauf ankommt, wer die Leistung erbringt. So
ist z.B. für den Vermieter von besonderer Bedeutung, wem er den Gebrauch
der Mietsache überlassen muss (Staudinger aaO § 399 Rdn. 8);
gleiches gilt für den Empfänger [Anm.: gemeint ist wohl der "den
Schuldner"] einer bestimmten Dienstleistung für die Person des
Dienstleistungsberechtigten. Es genügt jedoch nicht allein der enge
Zusammenhang, in dem Forderungen aus gegenseitigen Verträgen stehen. Dies
gilt auch für komplexe Rechtsverhältnisse, weil andernfalls die Bedeutung
des § 398 BGB weitgehend ausgehöhlt würde (MünchKomm aaO § 398 Rdn.
91). Die enge Verknüpfung von Rechten und Pflichten in einem
gewerblichen Mietvertrag rechtfertigt deshalb kein Abtretungsverbot für
die Rechte aus dem Mietvertrag, wenn nicht gleichzeitig auch die Pflichten
übertragen werden. Das gebietet auch nicht der Schutzzweck des § 571 BGB
a.F. (§ 566 BGB n.F.), der den Mieter vor einer vorzeitigen "Austreibung"
durch Veräußerung des vermieteten Grundstücks bewahren soll (Staudinger
aaO § 571 Rdn. 4).
Die Zulassung der Abtretung ist auch sachgerecht. Der Mieter erleidet
durch sie keine besonderen Nachteile. Ihm verbleiben gemäß § 404 BGB
sämtliche Gegenrechte auch gegenüber dem neuen Gläubiger. Auch besteht für
ihn bezüglich der Person des Vertragspartners keine Unklarheit. Denn der
Vermieter bleibt nach der Abtretung Vertragspartner
b) Mit der Abtretung sämtlicher Rechte aus dem Mietvertrag an die Klägerin
hat die M. ltd. daher auch die ihr zustehenden Mietzinsansprüche gegen die
Beklagte an die Klägerin abgetreten (vgl. BGHZ 95, 250, 255).
Mietzinsansprüche können nach einhelliger Auffassung schon vor dem
Eigentumserwerb von dem alten Eigentümer an den Käufer abgetreten werden
(Wolf/Eckert/Ball aaO; Heile in: Bub/Treier aaO). Auf die
umstrittene Frage, ob Gestaltungsrechte, wie das Recht zur Kündigung,
übertragbar sind und von der Abtretung umfasst werden, kommt es hier nicht
an (zum Streitstand: Senatsurteil vom 10. Dezember 1997 - XII ZR
119/96 - NJW 1998, 896, 897; Scholz ZMR 1988, 285, 286; Mayer ZMR 1990,
121, 123). Eine Unwirksamkeit der Abtretung des Kündigungsrechts hätte
jedenfalls keine Nichtigkeit des gesamten Abtretungsvertrages nach § 139
BGB zur Folge. Denn es ist davon auszugehen, dass die Vertragspartner
die übrigen Rechte aus dem Mietvertrag auch ohne das Kündigungsrecht
übertragen hätten.
4. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt. Das
Berufungsgericht hat nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig keine
Entscheidung darüber getroffen, ob das von der Beklagten ausgeübte Recht
zur Mietminderung und die Einrede des nichterfüllten Vertrages sowohl dem
Grunde wie der Höhe nach durchgreifen. Da die Klägerin bestritten hat,
dass die von der Beklagten behaupteten Mängel vorliegen, ist die Sache an
das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen
Feststellungen treffen kann.
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