Gutgläubiger lastenfreier Erwerb eines Grundstücks nach § 892 I BGB:
Übereignung in Erfüllung eines Vermächtnisanspruchs (§ 2174 BGB) als
"Verkehrsgeschäft"; Voraussetzungen der Eintragung eines Amtswiderspruchs (§
53 Abs. 1 GBO); analoge Anwendung von § 816 Abs. 1 S. 2 BGB im Verhältnis
Erwerber/Verlierender (BGHZ 81, 395)
OLG Naumburg v. 25.2.2003 - 11 Wx 19/02
Fundstelle:
NJW 2003, 3209
Zum Erfordernis eines Verkehrsgeschäfts s. auch
BGH v. 8.4.2015 - IV ZR 161/14.
Eigener Leitsatz:
Die Übereignung eines Grundstücks in
Erfüllung eines Vermächtnisanspruchs ist ein "Verkehrsgeschäft", auf das §
892 BGB anwendbar ist. Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb durch den
Vermächtnisnehmer ist daher möglich. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob
der verlierende Inhaber des dadurch erlöschenden Grundpfandrechts gegen den
Erwerber einen Anspruch auf Rückgewähr des Grundpfandrechts in analoger
Anwendung von § 816 Abs. 1 S. 2 BGB hat.
Gründe:
I. Am 03. Juli 2000
verstarb der im Grundbuch von A. Blatt 49 eingetragene Eigentümer G. R. . Er
wurde von seiner Ehefrau aufgrund testamentarischer Erbfolge allein beerbt.
Seine letztwillige Verfügung enthielt zugunsten der Beteiligten ein
Vermächtnis, wonach ihr u.a. die im Grundbuch von A. Blatt 49 eingetragenen
Grundstücke zukommen sollten. In Erfüllung des Vermächtnisses übertrug die
Erbin die Liegenschaften auf die Beteiligte, die am 22. Februar 2001
aufgrund der Auflassung vom 30. August 2000 im Grundbuch als Eigentümerin
eingetragen wurde. Zuvor, am 25. November 1994 hatte das Grundbuchamt
versehentlich die in Abt. III unter lfd. Nr. 12 eingetragene Grundschuld
gelöscht. Als dies bemerkt wurde, verfügte der Rechtspfleger am 10. Juni
2002 die Eintragung eines Amtswiderspruchs, die noch am gleichen Tag
erfolgte.
Gegen die Eintragung des Amtswiderspruchs wandte sich die Eigentümerin mit
der Beschwerde, weil sie das Eigentum ohne die auf ihm lastende Grundschuld
gutgläubig erworben habe. Das Landgericht hat die Beschwerde durch Beschluss
vom 25. November 2002 zurück-gewiesen. Die weitere Beschwerde der
Eigentümerin hat Erfolg.
II. 1. Gegen die Eintragung
eines Amtswiderspruchs ist die unbeschränkte Beschwerde mit dem Ziel der
Löschung zulässig (§§ 71 Abs. 2 Satz 2, 78 GBO). Geht es dabei um eine
Grundstücksbelastung, ist der eingetragene Eigentümer beschwerdebefugt.
2. Die Eintragung eines Amtswiderspruchs kommt dann in Betracht, wenn das
Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung bzw.
Löschung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist (§
53 Abs. 1 Satz 1 GBO). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
Dabei hat die Gesetzesverletzung des Grundbuchamtes festzustehen; die
Unrichtigkeit des Grundbuches muss glaubhaft sein (BayObLGZ 1983, 187, 188).
Das Landgericht ist von der Unrichtigkeit des Grundbuchs ausgegangen. Dies
hält einer rechtlichen Prüfung durch den Senat nicht stand.
a) Ist ein Grundpfandrecht zu Unrecht gelöscht worden (§ 46 GBO), besteht es
außerhalb des Grundbuchs mit dem, ihm zukommenden Rang fort. Der Berechtigte
läuft allerdings Gefahr, sein Recht durch einen redlichen Erwerber zu
verlieren, der sich auf den Grundbuchinhalt verlassen darf (§§ 892 Abs. 1
Satz 1, 891 Abs. 2 BGB; BGHZ 104, 139, 142 f.). Es kommt in diesem
Zusammenhang nicht darauf an, ob der Erwerber überhaupt den Grundbuchinhalt
zur Kenntnis genommen hat (Wacke, in: MünchKomm.-BGB, 3. Aufl., § 892 Rdn.
48). Er erwirbt sein Recht – hier das Grundstückseigentum – so, wie es sich
nach dem Inhalt des Grundbuchs zum Zeitpunkt der Eintragung darstellte
(Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 12. Aufl., Rdn. 348; Wacke, § 892 Rdn. 58),
vorausgesetzt ihm war die Unrichtigkeit der Grundbuchlage zum Zeitpunkt der
Antragstellung (§ 892 Abs. 2 BGB) nicht positiv bekannt (Schöner/Stöber, Rdn.
351). Die Unkenntnis wird vom Gesetz unterstellt (BayObLG Rpfleger 1994,
162, 163; Wacke a.a.O.). Das Gegenteil muss derjenige darlegen und beweisen,
der den lastenfreien Eigentumserwerb in Frage stellt (Schöner/Stöber a.a.O.;
Wacke, § 892 Rdn. 49).
b) Das Landgericht hat ausgeführt, ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb der
Beteiligten komme nicht in Betracht, weil es sich bei der
Eigentumsübertragung in Erfüllung eines Vermächtnisses um kein
Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts handele. Die Erwerberin sei
keine unbeteiligte Dritte, da sie ohne das Vermächtnis die Stellung eines
gesetzlichen Erben erlangt hätte.
c) Dies ist nicht frei von Rechtsirrtum.
aa) Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Kammer, wonach § 892 BGB den
rechtsgeschäftli-chen Eigentumserwerb voraus setzt. Zu der Verfügung muss
die Mitwirkung des Erwerbers erforderlich sein (Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10.
Aufl., § 892 Rdn. 15). Auf das Grundgeschäft kommt es nicht an, sodass § 892
Abs. 1 Satz 1 BGB gerade auch bei der Erfüllung einer Vermächtnisschuld
Anwendung findet (Erman/Hagen/Lorenz, § 892 Rdn. 16; Staudinger/Gursky, BGB,
13. Bearb., § 892 Rdn. 64 m.w.N.). Das Vermächtnis gibt dem Begünstig-ten
nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben (§ 2147 BGB) auf
Erfüllung (§ 2174 BGB). Geht es dabei um das Eigentum an Grundstücken, hat
die Erfüllung über §§ 873 Abs. 1, 925 BGB durch dingliche Einigung und
Eintragung zu erfolgen, was genau der Situation entspricht, die den Erwerber
dem Schutz des § 892 BGB unterstellt (vgl. Wacke, § 892 Rdn. 31).
bb) Die Übereignung zugunsten der Beteiligten stellt sich zudem als
Verkehrsgeschäft dar. Mit dem Begriff des Verkehrsgeschäfts wird auf den
Schutzbereich des § 892 BGB aufmerksam gemacht. Schutzwürdig ist nur
derjenige, der nicht mit dem Verfügenden personengleich oder wirtschaftlich
identisch ist (Erman/Hagen/Lorenz, § 892 Rdn. 18). Dazu gehört
beispielsweise nicht der Miterbe, der in Erfüllung eines Vermächtnisses
einen Nachlassgegenstand von der Erbengemeinschaft übertragen erhält (Erman/Hagen/Lorenz,
§ 892 Rdn. 19). Dem entspricht die vorliegende Sachlage allerdings nicht.
Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Erblasser durch seine
Ehefrau allein beerbt. Die Alleinerbin hat sodann über die Liegenschaften
verfügt. Die Erwerberin ist mit der Erbin weder personengleich noch sonst
wirtschaftlich verflochten. Der Hinweis des Landgerichts, dass die
Beteiligte als gesetzliche Erbin in Betracht gekommen sei, ist in diesem
Zusammenhang bedeutungslos, weil gerade keine gesetzliche, sondern
testamentarische Erbfolge eingetreten ist. Nur hierauf kommt es an. Alles
andere würde die Beteiligte dem Schutzbereich des § 892 BGB allein aufgrund
spekulativer Erwägungen entziehen.
d) Die Kammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beteiligten
die Unrichtigkeit des Grundbuchs bekannt war. Nach den angefochtenen
Entscheidungen des Grundbuchamtes und des Landgerichts sind hierfür
Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Die Ermittlung entgegenstehender Tatsachen
erscheint ausgeschlossen, sodass der Senat abschließend in der Sache
entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO analog).
Die Beteiligte hat das Grundstückseigentum frei von der zunächst unter lfd.
Nr. 12 in Abt. III des Grundbuchs eingetragenen Grundschuld erworben (§§ 892
Abs. 1 Satz 1, 891 Abs. 2 BGB), womit es an der Unrichtigkeit des Grundbuchs
und damit an den Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs
fehlt. Auf den möglicherweise gegebenen Rückgewähranspruch aus § 816 Abs. 1
Satz 2 ZPO (vgl. BGHZ 81, 395, 396 f.) kommt es insoweit nicht an.
III. Für eine Auslagenentscheidung nach § 13a Abs. 1 FGG ist kein Raum.
Der Beschwerdewert ist nach §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO festgesetzt.
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