Verhältnis von
deliktischer Schadensersatzpflicht (Schadensersatzrente nach § 843 BGB) und
Unterhaltspflicht; keine ("gestörte") Gesamtschuld bei Eingreifen der
Haftungsmilderung des § 1664 BGB (Bestätigung von
BGHZ 103, 338)
BGH, Urteil vom 15. Juni
2004 - VI ZR 60/03
Fundstelle:
NJW 2004, 2892
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Die von der unterhaltspflichtigen Mutter erbrachten Pflegeleistungen für ein durch einen Unfall geschädigtes Kind lassen auch dann dessen Anspruch gegen den Schädiger wegen vermehrter Bedürfnisse gemäß § 843 BGB unberührt, wenn bei dem Unfall eine Verletzung der Obhutspflicht durch die Mutter mitgewirkt hat.
Zentrale Probleme:
Der Kläger wurde vom PKW
der Bekl. zu 1 erfaßt und schwer verletzt. Zu dem Unfall kam es, weil der
Kl. vor seiner Mutter zur Straße und nach kurzem Anhalten trotz des
herannahenden PKW auf die Fahrbahn lief. Die Bekl. zu 1 hatte ihrerseits die
zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten und ein Schild mißachtet, das
auf den Kindergarten hinwies. Der Kl. ist durch den Unfall
querschnittgelähmt und wird von seiner Mutter gepflegt. Er verlangt mit
seiner Klage Schadensersatzrente zum Ausgleich seiner durch den Unfall
vermehrten Bedürfnisse. Die Bekl. machen geltend, der Anspruch sei durch die
Pflegeleistungen der Mutter des Klägers erloschen. Die Mutter habe den
Unfall durch Verletzung ihrer Obhutspflicht mitverschuldet und hafte daher
als Gesamtschuldnerin neben den Beklagten auf Schadensersatz. Indem sie den
Kläger gepflegt habe, habe sie dessen Ansprüche auf Schadensersatzrente für
die zurückliegende Zeit erfüllt. Dadurch seien auch dessen Ansprüche gegen
die Beklagten insoweit erloschen. Der BGH folgt dem nicht. Die Mutter des
Klägers habe durch ihre Pflegeleistungen auch im Falle einer eigenen
deliktsrechtlichen Haftung nicht diese Schuld gegenüber dem Kläger erfüllt,
sondern ihn allein aufgrund ihrer unterhaltsrechtlichen Verpflichtung
gepflegt. Die Erfüllungswirkung auf eine Gesamtschuld nach § 422 BGB komme
nicht in Betracht. Schadensersatzrentenanspruch und Unterhaltsanspruch
stünden weder auf derselben Stufe noch dienten sie demselben Zweck. Im
übrigen gebe der Fall keinen Anlaß von der Rechtsprechung abzuweichen,
derzufolge die Haftungsfreistellung des § 1664 Abs. 1 BGB dem
Sorgeberechtigten auch bei einer Verletzung seiner Obhutspflicht gegenüber
dem Kind zugute komme (BGHZ
103, 338). S. im übrigen die Anm.
zu BGHZ 103,
338.
Tatbestand:
Im 27. Juni 1996 wurde der
damals vier Jahre alte Kläger auf dem Rückweg vom Kindergarten beim
Überqueren einer Straße vom PKW der Beklagten zu 1, der bei der Beklagten zu
2 versichert war, erfaßt und dadurch schwer verletzt. Zu dem Unfall kam es,
weil der Kläger vorweg vor seiner Mutter zur Straße und nach kurzem Anhalten
trotz des herannahenden PKW auf die Fahrbahn lief. Die Beklagte zu 1 hatte
ihrerseits die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten und ein
Hinweisschild auf den Kindergarten mißachtet. Der Kläger ist seit dem Unfall
querschnittgelähmt und wird von seiner Mutter gepflegt. Die Haftung der
Beklagten für den Unfallschaden des Klägers steht außer Streit.
Der Kläger erhält vom Bayerischen Gemeindeunfallversicherungsverband (im
folgenden: GUVV) laufend Pflegegeld nach § 44 SGB VII (vormals § 558 RVO)
auf der Grundlage einer Pflegebedürftigkeit von 90 Prozent. Einen Antrag auf
Pflegegelderhöhung lehnte der GUVV am 20. April 2000 ab. Darüber hinaus
erhielt der Kläger eine vorläufige Verletztenrente nach §§ 580 f., 1585 Abs.
1 RVO und einen Zuschuß für Kleidermehrverschleiß nach § 564 RVO.
Mit seiner Klage begehrt er von den Beklagten Zahlung rückständiger und
künftiger Schadensersatzrente, da das Pflegegeld nicht ausreiche, um den
tatsächlichen Mehraufwand seiner Mutter für seine Betreuung auszugleichen.
Das Landgericht hat dem Kläger eine ab dem 10. Januar 2002 vierteljährlich
im voraus zu zahlende Geldrente in Höhe von 2.513,29 € zugesprochen und die
Klage im übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die
Beklagten Berufung eingelegt. Der Kläger mit dem Antrag, die Beklagten zur
Zahlung von 54.749,85 € rückständiger Schadensersatzrente für die Zeit vom
1. Oktober 1996 bis zum 31. Dezember 2001 zu verurteilen; die Beklagten mit
dem Ziel der vollständigen Klageabweisung. Das Oberlandesgericht hat den
Berufungen teilweise stattgegeben und die Beklagten als Gesamtschuldner
verurteilt, an den Kläger 50.643,16 € sowie ab dem 1. Januar 2003 eine
vierteljährlich im voraus fällige Rente von 1.871,79 € zu bezahlen; im
übrigen hat es die Klage ab- und die Berufungen der Parteien zurückgewiesen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten
die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hält den Kläger für aktivlegitimiert, seinen
unfallbedingten Mehrbedarf, soweit dieser das vom GUVV gezahlte Pflegegeld
übersteigt, gerichtlich geltend zu machen. Lediglich in Höhe des tatsächlich
gezahlten Pflegegeldes sei der Anspruch des Klägers nach § 116 Abs. 1 SGB X
auf den GUVV übergegangen. Soweit der konkrete Pflegebedarf das Pflegegeld
übersteige, stehe der Anspruch aus § 843 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 13
StVG dem Kläger zu. Die Verletztenrente sei mit dem Klageanspruch nicht
kongruent. Sie diene dem Ausgleich des Verlustes der Erwerbsfähigkeit und
nicht eines konkreten Arbeitseinkommens.
Der Kläger könne auch für die Vergangenheit den unfallbedingten
Betreuungsaufwand als eigenen Schaden verlangen und brauche sich nicht
entgegenhalten zu lassen, daß seine Mutter diese Verbindlichkeiten bereits
erfüllt habe. Die Mutter des Klägers hafte nicht neben den Beklagten für die
unfallbedingten vermehrten Bedürfnisse als Gesamtschuldnerin. Der
Schutzzweck der objektiv zu bestimmenden Aufsichtspflicht der Mutter
schließe die Haftungsmilderung gemäß § 1664 BGB nicht aus. Die Obhutspflicht
gegenüber Kindern sei keine aus dem Straßenverkehr abgeleitete und gegenüber
allen Verkehrsteilnehmern gleichermaßen bestehende Pflicht wie etwa die
Aufsichtspflicht nach § 832 BGB. Zweck der Obhutspflicht als Teil der
Personensorge sei in erster Linie der Schutz des Kindes vor Schäden, so daß
eine Einschränkung der Haftungsmilderung nur geboten sei, wo sich die
Schutzpflichten der Eltern gegenüber ihrem Kind nicht von den Pflichten
gegenüber dem Verkehr und dem Schutz Dritter trennen ließen. Jedenfalls nach
der Unfallschilderung der Beklagten fehlten jegliche Anhaltspunkte für ein
grobes Verschulden der Mutter. Mangels einer gemeinsamen Haftung fehle
deshalb ein Gesamtschuldverhältnis gemäß § 840 BGB, womit auch kein
"gestörtes Gesamtschuldverhältnis" in Frage komme.
II. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1. Entgegen den von der Revision geäußerten Bedenken ist der Kläger für die
geltend gemachten Schadensersatzforderungen wegen vermehrter Bedürfnisse
trotz der Zahlung von Pflegegeld nach § 44 SGB VII (vormals § 558 RVO) durch
den GUVV aktivlegitimiert.
a) Rechtsfehlerfrei und von der Revision als ihr günstig unbeanstandet nimmt
das Berufungsgericht an, daß das Pflegegeld nach § 44 Abs. 2 Satz 3 SGB VII
(vormals § 558 RVO) dem Anspruch des Klägers wegen vermehrter Bedürfnisse
sachlich kongruent ist. Ebenso wie das insoweit wesensgleiche Pflegegeld
nach § 44 SGB XI (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 140, 39, 44; 146, 108, 110 f.
und vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02 - VersR 2003, 267, 269) dient auch
das Pflegegeld nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung dazu, den
Schwerverletzten in die Lage zu versetzen, die für die Betreuung und Pflege
erforderlichen Kosten begleichen zu können (vgl. Senatsurteil vom 8.
November 1977 - VI ZR 117/75 - VersR 1978, 149).
b) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats vollzieht sich der
Übergang der Schadensersatzansprüche nach § 116 Abs. 1 SGB X auf den
Sozialversicherungsträger zwar zum Zeitpunkt des Unfalls, soweit der
Sozialversicherungsträger dem Geschädigten nach den Umständen des
Schadensfalls möglicherweise in Zukunft Leistungen zu erbringen hat, welche
sachlich und zeitlich mit den Erstattungsansprüchen des Geschädigten
kongruent sind (vgl. Senatsurteile, BGHZ 134, 381, 384 f.; vom 13. April
1999 - VI ZR 88/98 - VersR 1999, 1126; vom 3. Dezember 2002 - VI ZR 142/02
-aaO, m.w.N.). Doch bleibt es beim Forderungsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB
X nur, soweit der Sozialversicherungsträger dem Schaden kongruente
Sozialleistungen zu erbringen hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 140, 39, 48).
Erscheint eine Inanspruchnahme des Sozialversicherungsträgers geradezu
ausgeschlossen, wird der Geschädigte wieder Rechtsinhaber, ohne daß es einer
besonderen Rückübertragung bedarf (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2002
- VI ZR 142/02 - aaO). Der Kläger ist deshalb zur gerichtlichen
Geltendmachung des Anspruchs aktivlegitimiert, soweit das vom GUVV gezahlte
Pflegegeld den der Höhe nach unstreitigen Pflegeaufwand des Klägers nicht
deckt, nachdem der GUVV einen Antrag auf Pflegegelderhöhung abgelehnt hat.
Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, der Kläger
sei aus dem Gesichtspunkt der allgemein geltenden Schadensminderungspflicht
gehalten gewesen, den Bescheid des GUVV anzufechten oder nach Vorlage eines
sozial-medizinischen Gutachtens einen neuen Antrag auf Erhöhung des
Pflegegeldes zu stellen. Höhere Pflegegeldzahlungen hätten den Schaden des
Klägers nicht gemindert, sondern allenfalls auf den GUVV verlagert. Selbst
wenn den Beklagten - etwa infolge eines Teilungsabkommens -daraus
wirtschaftlich ein Vorteil hätte erwachsen können, oblag es dem Kläger
nicht, als Sachwalter etwaiger Interessen seines Schädigers und dessen
Haftpflichtversicherers tätig zu werden und ein Rechtsbehelfs- oder gar ein
Klageverfahren auf sich zu nehmen oder auch nur einen weiteren Antrag beim
Sozialversicherungsträger einzureichen.
2. Im Ergebnis zutreffend lehnt das Berufungsgericht die von den Beklagten
vertretene Rechtsansicht ab, der Anspruch des Klägers aus § 843 Abs. 1 BGB,
§ 13 StVG - gegenüber der Beklagten zu 2 in Verbindung mit § 3 Nr. 1
- 7 -
PflVG - auf Zahlung rückständiger Schadensrente sei nach § 362 Abs. 1 BGB
erloschen. Die Beklagten meinen, die Mutter des Klägers hafte deliktisch
wegen Verletzung der Obhutspflicht gegenüber dem Kind, weil ihr die
Haftungsfreistellung nach § 1664 BGB nicht zugute komme. Diesen Anspruch
habe sie durch die Pflegeleistungen erfüllt. Da die Mutter und die Beklagten
Gesamtschuldner seien, wirke diese Erfüllung auch zugunsten der Beklagten.
Dieser Auffassung vermag der Senat nicht beizutreten. Entgegen der
Auffassung der Revision hat die Mutter des Klägers durch ihre
Pflegeleistungen auch bei einer Verletzung der Obhutspflicht (etwaigen
eigenen deliktischen Mithaftung) nicht eine hieraus etwa erwachsene
deliktische Verpflichtung (ihre Schuld) gegenüber dem Kläger erfüllt.
Vielmehr erbringt sie die Leistungen zur Pflege ihres Kindes allein aufgrund
ihrer unterhaltsrechtlichen Verpflichtung. Die Erfüllungswirkung bei
Leistung auf eine Gesamtschuld nach § 422 Abs.1 BGB kommt deshalb nicht in
Betracht.
a) Im Verhältnis zwischen dem Schadensersatzanspruch wegen vermehrter
Bedürfnisse und dem Unterhaltsanspruch fehlt schon die für ein
Gesamtschuldverhältnis erforderliche inhaltliche Gleichheit der geschuldeten
Leistungen (vgl. Großer Senat in Zivilsachen BGHZ 43, 227, 232 ff.). Der
Anspruch des Geschädigten aus § 843 Abs. 1 BGB wegen vermehrter Bedürfnisse
geht auf Zahlung einer Geldrente und nicht auf Naturalleistung. Demgegenüber
kann der Unterhaltsanspruch statt auf eine Geldrente auch auf die Gewährung
von Betreuung oder Naturalunterhalt (vgl. §§ 1612 f., 1606 Abs. 3 Satz 2
BGB) gerichtet sein.
b) Zwischen den Ansprüchen besteht auch keine Gleichstufigkeit (vgl. zu
diesem Erfordernis BGHZ 106, 313, 319; 137, 76, 82 m.w.N.). Gegenüber dem
Anspruch auf Ausgleich vermehrter Bedürfnisse nach § 843 Abs. 1 BGB ist der
Unterhaltsanspruch aus den §§ 1601 ff. BGB subsidiär (vgl. Senatsurteil BGHZ
- 8 -
54, 269, 273 f.; BGHZ 22, 72, 77 ff. jeweils m.w.N.). Die Regelung in § 843
Abs. 4 BGB, wonach der Ersatzanspruch des Geschädigten erhalten bleibt, auch
soweit durch Leistungen des Unterhaltspflichtigen oder einer anderen Person
bereits Abhilfe geschaffen worden ist, soll verhindern, daß
Unterhaltsleistungen dem Schädiger zugute kommen (vgl. Senatsurteile BGHZ
54, 269, 274 und 146, 108, 113 f.; s.a. BGHZ 22, 72, 77 f.; Staudinger/Vieweg,
BGB, 13. Bearb. 2002, § 843 Rdn. 43 f. m.w.N.). Auch besteht ein
Unterhaltsanspruch nur bei Bedürftigkeit (§ 1602 Abs. 1 BGB).
c) Schadensersatz- und Unterhaltsanspruch dienen zudem nicht demselben
Zweck. Während der Unterhalt den laufenden Lebensbedarf des
Unterhaltsgläubigers decken soll, deckt die Schadensrente schadensbedingte
Mehraufwendungen.
d) Auch die Bemessung der Höhe der Ansprüche erfolgt nach unterschiedlichen
Kriterien. So ist der Unterhalt nach dem Bedarf des Unterhaltsgläubigers
nach dessen Lebensstellung zu bestimmen (§ 1610 Abs. 1 BGB). Der Anspruch
kann mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners
entfallen (§ 1603 Abs. 1 BGB). Hingegen richtet sich die Schadensrente nach
§ 843 Abs. 1 BGB nach der Höhe der erforderlichen Mehraufwendungen und ist
von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schädigers unabhängig.
e) Darüber hinaus zeigt der Inhalt beider Pflichten deren unterschiedliche
Zweckbestimmung. Das Unterhaltsrecht gibt dem Unterhaltspflichtigen in
Grenzen namentlich gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern die
Befugnis, den Unterhalt auch gegen den Willen des Berechtigten in Natur zu
erbringen (vgl. §§ 1612 f. BGB). Dieses Unterhaltsbestimmungsrecht entfällt
nicht schon dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete dem Kind deliktisch
haftet. Andererseits kann das geschädigte Kind für seinen Anspruch auf
vermehrte Bedürfnisse nicht wegen der deliktischen Haftung des
Unterhaltsschuldners in die Naturalrestitution gezwungen werden. Der
Anspruch auf Geldrente nach § 843 BGB, der dem in § 249 BGB enthaltenen
schadensrechtlichen Grundsatz entspricht, daß sich der Geschädigte nicht auf
Naturalleistungen des Schädigers verweisen lassen muß, schützt auch das Kind
davor, sich mit einer Naturallei-stung des Haftpflichtigen abfinden zu
müssen. Außerdem ließe sich praktisch nicht ermitteln, in welchem Umfang der
Unterhaltsverpflichtete dem Geschädigten im Falle einer Rentenzahlung
weitere Zuwendungen hätte zugute kommen lassen, ohne dafür Ersatz zu
verlangen, und ob nicht solche Zuwendungen unterblieben sind, weil seine
Mittel durch den zu leistenden Unterhalt geschmälert wurden. Es entspricht
Sinn und Zweck des § 843 Abs. 4 BGB, derartige Zweifelsfragen von
vorneherein abzuschneiden (Senatsurteile BGHZ 22, 72, 77 f.; 54, 269, 274;
jeweils m.w.N.). Dem Anspruch des klagenden Kindes kann deshalb auch dann
nicht entgegengehalten werden, der Schaden sei bereits durch die Gewährung
von Unterhalt ausgeglichen worden, wenn der Unterhaltsschuldner zugleich
deliktisch haftet.
3. Der Fall zwingt nicht zur Beantwortung der Frage, ob trotz der
Pflegeleistungen der Mutter ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung einer
Geldrente nach § 843 BGB, gegen sie bestünde. Jedenfalls wäre unter den
Umständen des Streitfalls ein solcher Anspruch gegen die Mutter nicht
durchsetzbar. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann es wegen der
familienrechtlichen Verbundenheit treuwidrig sein, gegen den
familienangehörigen Schädiger den deliktischen Anspruch durchzusetzen
(Senatsurteile BGHZ 103, 338, 349 und vom 2. November 1982 - VI ZR 32/81 -
VersR 1983, 134, 136; BGHZ 53, 352, 357; BGH, Urteil vom 13. Januar 1988 -
IVb ZR 110/86 - VersR 1988, 628, 629). Auch der Gesetzgeber hat dem Schutz
der Familie vor schadensrechtlicher Inanspruchnahme mit dem
Angehörigenprivileg in § 67 Abs. 2 VVG und in § 116 Abs. 6 SGB X Rechnung
getragen. Leben Familienangehörige in häuslicher Gemeinschaft zusammen, so
entspricht es deren ideeller und wirtschaftlicher Verbundenheit, daß der für
eine fahrlässige Körperverletzung verantwortliche Familienangehörige in dem
Umfang nicht in Anspruch genommen wird, in dem öffentliche Versicherungs-
und Versorgungsleistungen den Schaden auffangen (vgl. Senatsurteil BGHZ 146,
108, 111 ff.; Rischar, VersR 1998, 27 ff.). Im vorliegenden Fall
widerspräche es dem allgemeinen Rechtsempfinden, sähe sich die Mutter trotz
ihrer Pflegeleistungen gleichwohl einem Klageanspruch auf Zahlung einer
Geldrente ausgesetzt.
3. Der Streitfall zwingt auch nicht zur Beantwortung der Frage, ob die
Mutter des Klägers deshalb nicht deliktisch neben den Beklagten für den
Klageanspruch gesamtschuldnerisch haftet, weil Verletzung der vom
Berufungsgericht zutreffend angenommenen Obhutspflicht außerdem die
Haftungsfreistellung nach § 1664 Abs. 1 BGB in Betracht käme (vgl.
Senatsurteile BGHZ 73, 190, 194; 103, 338, 345 f. und vom 17. Oktober 1995 -
VI ZR 358/94 - VersR 1996, 81 m.w.N.). Lägen die Voraussetzungen für das
Eingreifen dieser Vorschrift vor, fehlte schon die Mithaftung im Sinne des §
840 Abs. 1 BGB und damit die erforderliche Grundlage für ein
Gesamtschuldverhältnis, das "gestört" werden könnte (Senatsurteil
BGHZ 103, 338, 346 f. m.w.N.; s.a. Christensen,
MDR 1989, 948; Hager, NJW 1989, 1640; Muscheler, JR 1994, 441; Kirchhoff,
NZV 2001, 361, 365). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht der
erkennende Senat auch unter Berücksichtigung der hiergegen in der Literatur
erhobenen Bedenken (vgl. Sundermann, JZ 1989, 927; Jahnke, NZV 1995, 377,
381; Luckey, VersR 2002, 1213, 1216 f.; s.a. Fuchs, NZV 1998, 7, 11) aus den
bereits in dem genannten Senatsurteil (BGHZ 103, 338 ff.) ausgeführten
Gründen keinen Anlaß.
4. Gleichfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die
Schadensschätzung des Berufungsgerichts, welche in der Berechnung der
rückständigen Schadensrente ihren Niederschlag findet. Die nach § 287 ZPO
dem Tatrichter obliegende Schätzung des unfallbedingten Mehrbedarfs des
Klägers durch das Berufungsgericht nimmt die Revision hin. Die
Schadensermittlung beruht ersichtlich weder auf grundsätzlich falschen oder
unsachlichen Erwägungen, noch sind vom Berufungsgericht wesentliche die
Entscheidung tragende Gesichtspunkte außer acht gelassen worden (vgl.
Senatsurteil vom 4. November 2003 - VI ZR 346/02 - VersR 2004, 75, 77 m.w.N.).
Nicht durchzudringen vermag die Revision mit der Ansicht, auf die
Schadensersatzrente aus § 843 Abs. 1 BGB wegen vermehrter Bedürfnisse sei
die vom GUVV erbrachte Verletztenrente (§§ 580, 581 RVO, 56 SGB VII)
anzurechnen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, von der
abzuweichen der Streitfall keinen Anlaß gibt, erschöpft sich die
Zweckbestimmung der Verletztenrente im Ausgleich des (abstrakt berechneten)
Erwerbsschadens, wohingegen die Aufwendungen, die dem Verletzten wegen
gesteigerter Bedürfnisse infolge des Unfalls erwachsen, durch diese Rente
nicht abgedeckt werden sollen. Für diese Zweckbestimmung spielt es keine
Rolle, daß der Kläger angesichts seines Alters im fraglichen Zeitraum ohne
den Unfall voraussichtlich kein Arbeitseinkommen erzielt hätte (vgl.
ausführlich Senatsurteile BGHZ 153, 113, 119 ff. und vom 9. März 1982 - VI
ZR 317/80 - VersR 1982, 552 f. jeweils m.w.N.).
5. Gegen die Schätzung des Berufungsgerichts zur Höhe der zukünftigen
Schadensersatzrente des Klägers äußert die Revision keine Bedenken. Das
Berufungsgericht hat auch insoweit ohne ersichtlichen Rechtsfehler zunächst
die zukünftigen Kosten des unfallbedingten Pflegebedarfs des Klägers
geschätzt und sodann von diesem Betrag die dem künftigen Pflegebedarf
sachlich und zeitlich kongruenten Sozialleistungen des GUVV in der
derzeitigen Höhe abgezogen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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