Kein Anspruch auf Nutzungsersatz bei Nacherfüllung durch Neulieferung nach §§ 439 IV, 346 I BGB


OLG Nürnberg, Urteil vom 23. 8. 2005 - 3 U 991/05 (nicht rechtskräftig, Revision beim BGH unter VIII ZR 200/05 )


Fundstelle:

NJW 2005, 3000


Amtl. Leitsatz:

§ 439 IV BGB stellt keine gesetzliche Anspruchsgrundlage für die Forderung des Verkäufers auf Erstattung gezogener Nutzungen durch den Käufer hinsichtlich der ursprünglich gelieferten, mangelbehafteten Sache dar. Anspruchsbegründenden Vereinbarungen steht § 439 IV BGB jedoch nicht entgegen.


Zentrale Probleme:

s. die Anm. zu LG Nürnberg-Fürth NJW 2005, 2558 (Vorinstanz). Die Entscheidung ist mit dieser Begründung unhaltbar. Sie überschreitet in (berechtigter) rechtspolitischer Kritik die lex lata, s. dazu auch Pressemitteilung Nr. 118/2006 vom 16.8.2006: Der BGH hat die Frage nach Art. 234 EG-Vertrag dem EuGH vorgelegt. Wenn allerdings der BGH - wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist - der (zutreffenden) Ansicht ist, daß eine richtlinienkonforme Auslegung von § 439 IV BGB gar nicht möglich ist, weil sie deren Grenzen überschreitet, ist seine Vorlage unzulässig, weil eine Entscheidung des EuGH für den Ausgang des Rechtsstreits nicht erforderlich ist.

©sl 2005


Zum Sachverhalt:

Der Kl. ist ein bundesweit tätiger Verbraucherschutzverband und in der in § 4 UKIaG genannten Liste eingetragen. Die Bekl. ist ein bekanntes Versandhandelsunternehmen. Die Parteien streiten um insgesamt drei Unterlassungsansprüche sowie einen Rückzahlungsanspruch, zu dessen Durchsetzung sich der Kl. von der Verbraucherin B, hat ermächtigen lassen. Dem Berufungsurteil liegen folgende im Tatbestand des Ersturteils festgestellte und von den Parteien nicht angegriffene Sachverhalte zu Grunde:
(1) Die Bekl. veranlasste ihre Kundendienstmitarbeiter, an Kunden, die im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs einen Mangel an einer bei der Bekl. gekauften Ware rügen, das im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (vgl. LG Nürnberg-Fürth, NJW 2005, 2558) wiedergegebene Schreiben zu verschicken.
(2) Im Sommer 2002 bestellte B bei der Bekl. ein „Herd-Set“ zum Preis von 524,90 Euro inklusive Einbau-Service. Die Ware wurde im August 2002 geliefert. Im Januar 2004 stellte B fest, dass sich die Emailleschicht im Backofen abgelöst hatte. Da eine Nachbesserung nicht möglich war, erfolgte vereinbarungsgemäß ein Austausch des Backofens noch im Januar 2004. Die Bekl. verlangte nach Austausch des Backofens von B eine Nutzungsentschädigung in Höhe von zunächst 119,97 Euro, später reduzierte die Bekl. diesen Betrag um 50 Euro. Zwischen B und der Bekl. kam es zu einer umfangreichen Korrespondenz. B zahlte schließlich den geforderten Betrag. Am 2. 6. 2004 unterzeichnete B zu Gunsten des Kl. eine „Prozessstandschaftserklärung“. Unter Vorlage dieser Erklärung forderte der Kl. von der Bekl. erfolglos die Rückzahlung des Betrags von 67,86 Euro. (Die Differenz zu eigentlich 69,97 Euro ist nicht dargelegt.)
Das LG Nürnberg-Fürth (NJW 2005, 2558) hat lediglich der Zahlungsklage stattgegeben und die Unterlassungsanträge abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, wobei die Berufung für die Bekl. vom Erstgericht ausdrücklich zugelassen worden ist. Das Rechtsmittel der Bekl. hatte keinen, dasjenige des Kl. hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen:

I. Die Berufung der Bekl., die sich gegen die Rückzahlung der 67,86 Euro richtet, ist unbegründet. Die Zahlung erfolgte ohne Rechtsgrund und kann nach § 812 I BGB zurückgefordert werden. Aus der Verweisung des § 439 IV BGB auf § 346 I BGB kann die Bekl. keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung herleiten. Der Senat teilt die Ansicht des Erstgerichts, dass § 439 IV BGB keine Rechtsfolgenverweisung auf § 346 I Alt. 2 BGB (= Herausgabe von tatsächlich gezogenen Nutzungen) enthält.
1. Das Erstgericht hat mit diesem Verständnis des § 439 IV BGB keine Verletzung des materiellen Rechts begangen: Dies wäre nur dann der Fall - und auch nur darauf bezieht sich die von der Bekl. zitierte Entscheidung des BGH, NJW 2003, 290, wenn der Gesetzeswortlaut des § 439 IV BGB wirklich so eindeutig wäre, wie die Bekl. dies behauptet. Zutreffend weist jedoch Rott (BB 2004, 2478) darauf hin, dass § 346 BGB genau unterscheidet zwischen der Rückgabe der Sache und der Herausgabe tatsächlicher bzw. pflichtwidrig nicht gezogener Nutzungen. Dass § 439 IV BGB eindeutig und zweifelsfrei auch die Herausgabe von Nutzungen im Falle einer Ersatzlieferung anordnet, ist dem Gesetzeswortlaut gerade nicht zu entnehmen.
2. Somit haben auch die wiederholt von der Beklagtenseite zitierten Erwägungen des Gesetzgebers in der Bundestags-Drucksache keinen eindeutigen Niederschlag in der Gesetzesfassung gefunden. Abgesehen davon, dass diese Erwägungen keineswegs bindend für die Auslegung sind (s. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., Einl. Rdnr. 45), überzeugen sie nicht: Denn die Pflicht des Käufers zur Nutzungsentschädigung im Falle der Ersatzlieferung wird in der mehrfach zitierten Bundestags-Drucksache 14/6040, dort Seite 232, rechte Spalte unten, begründet wie folgt:
„Das rechtfertigt sich daraus, dass der Käufer mit der Nachlieferung eine neue Sache erhält und nicht einzusehen ist, dass er die zurückgegebene Sache in dem Zeitraum davor unentgeltlich nutzen können soll und so noch Vorteile aus der Mangelhaftigkeit ziehen können soll …“
Weiter unten heißt es dann auf Seite 233, linke Spalte, 4. Absatz:
„Auch wenn diese Ausführungen durch die Bezugnahme auf die Minderung einer ‚dem Verbraucher zu leistenden Erstattung‘ auch unmittelbar auf die Rückabwicklung des Vertrags nach dessen Auflösung bezogen sind, so zeigen sie doch, dass die Richtlinie eine derartige Verpflichtung des Verbrauchers ausdrücklich billigt. Die Interessenlage ist bei der Rückgabe einer mangelhaften Sache im Zusammenhang mit einer Nachlieferung durch den Verkäufer nicht anders.“
Bei dieser Argumentation werden jedoch Interessenlagen verglichen, die mit der hier zu klärenden Frage, nämlich in welchem Umfang Rücktrittsvorschriften im Falle einer Ersatzlieferung anzuwenden sind, nichts zu tun haben: Verglichen wird hier zum einen der Zustand einer sofortigen mangelfreien Lieferung mit dem einer mangelbehafteten, bei dem die Gewährleistungsansprüche des Käufers durch eine Ersatzlieferung befriedigt werden. Im Übrigen berücksichtigt dieser Vergleich nur die Interessenlage des Käufers, nicht aber auch die des Verkäufers.
Ausgangspunkt für eine wertende Betrachtung muss zunächst die tatsächliche Lieferung einer mangelhaften Sache sein. Dann müssen die aus dem Gewährleistungsrecht resultierenden Rechtsfolgen „Ersatzlieferung“ nach § 437 Nr. 1 BGB und „Rücktritt“ nach § 437 Nr. 2 BGB miteinander verglichen werden. Nur so kann abschließend geklärt werden, ob es gerechtfertigt ist, bei einer mangelhaften Lieferung alle aus dem Rücktritt resultierenden Rechtsfolgen auch im Falle der Ersatzlieferung anzuwenden.
Es ist der Bekl. zwar zuzugestehen, dass der Käufer im Falle der Ersatzlieferung an Stelle der mangelhaften Sache nun eine neue, ungebrauchte Sache mit einer (so jedenfalls die Kommentierung bei Palandt/Heinrichs, BGB, § 212 Rdnr. 4) neuen Gewährleistungsfrist erhält und grundsätzlich mit einer längeren Lebensdauer rechnen kann.
Auf Seiten des Verkäufers bleibt als Nachteil zwar eine de facto unverkäufliche, weil mangelbehaftete Sache, allerdings behält er den vollen Kaufpreis und damit den eigentlichen Gewinn. Hier muss jedoch zu Lasten des Verkäufers berücksichtigt werden, dass er nun einmal eine mangelbehaftete Sache geliefert und somit den Kaufvertrag nicht vollständig erfüllt hat, für den Käufer seinerseits die Durchsetzung seiner Gewährleistungsansprüche vielfach mit Unannehmlichkeiten verbunden ist. Auch können wirkliche Extremfälle („kleiner“ Mangel wird kurz vor Ende der Verjährung gerügt) über § 439 III BGB korrigiert werden.
Im Falle des Rücktritts stellt sich die Situation für den Verkäufer allerdings deutlich ungünstiger dar: Er bleibt nicht nur auf der mangelhaften Ware „sitzen“, sondern muss zusätzlich noch den im Kaufpreis enthaltenen Gewinn herausgeben, während der Käufer den vollen Kaufpreis zurückerhält und sich von seinem Vertragspartner, der sich als unzuverlässig erwiesen hat, lösen kann. In diesem Falle ist es durchaus interessengerecht, wenn - wie auch im Erwägungsgrund 15 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ausgeführt - eine „Minderung der zu leistenden Erstattung“ infolge einer vom Käufer zu leistenden Nutzungsentschädigung erfolgt. Es fällt auf, dass der Gesetzgeber, wie aus Blatt 233 der Bundestags-Drucksache ersichtlich, selbst feststellt, dass seine Erwägungen für eine Nutzungsentschädigung im Fall einer Ersatzlieferung eigentlich erst bei einer „Rückabwicklung des Vertrags“, die hier gerade nicht vorliegt, Berücksichtigung finden sollen. Eine überzeugende Begründung für die Verpflichtung zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung bei einer Ersatzlieferung ist damit gerade nicht verbunden. Vielmehr führt eine hier erlaubte generalisierende Betrachtungsweise dazu, dass den Vorteilen des Käufers bei einer Ersatzlieferung ein deutlicher Vorteil des Verkäufers, der den Gewinn behalten darf, gegenübersteht.
3. Der Senat ist sich bewusst, dass er sich mit dieser Ansicht gegen die von der Bekl. wiederholt zitierte herrschende Meinung in der Kommentarliteratur stellt. Allerdings wird diese - wenn sie überhaupt begründet wird - stets mit dem Hinweis auf die mehrfach zitierte Bundestags-Drucksache begründet. Damit hat sich der Senat eingehend auseinander gesetzt und aufgezeigt, dass dieses Argument nicht überzeugt. Der Senat schließt sich vielmehr der - zugegebenermaßen von der herrschenden Meinung abweichenden - Auffassung von Rott (BB 2004, 2478), Gsell (NJW 2003, 1969), und Woitkewitsch (VuR 2005, 1) an. Auch sie sind wie der Senat der Ansicht, dass kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung besteht.
Auch das vom Beklagtenvertreter zitierte „Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts“ von Wolff/Eckert/Ball (9. Aufl. [dort Ball, Rdnrn. 1813ff.]), geht ohne Begründung von einem Nutzungsersatzanspruch auf Grund der Verweisung aus. Aber Ball sieht im Gegensatz zu den sonstigen Stimmen, dass die Neulieferung für den Käufer (hier: Leasinggeber) keineswegs die ins Felde geführten Vorteile mit sich bringt, da die Neuwertigkeit des Ersatzfahrzeugs sich nicht immer in einem Mehrerlös am Ende des Leasingvertrags niederschlagen wird. Noch differenzierter ist die Betrachtungsweise bei Schwab (JuS 2002, 630). Er tritt deshalb für eine sehr zurückhaltende Handhabung ein, die aber in der Praxis wohl nur mit Schwierigkeiten zu verwirklichen ist.
Im Ergebnis sehen somit auch die Vertreter der „herrschenden Meinung“, dass die Argumentation „zu viele Vorteile“ für den Käufer nur sehr beschränkt zutrifft.
4. a) Auf einen Vergleich als Rechtsgrund für die Zahlung der 69,86 Euro kann sich die Bekl. nicht berufen, da die Parteien insoweit einen solchen wirksam auch nicht konkludent abgeschlossen haben. Aus der von der Bekl. zur Begründung herangezogenen vorprozessualen Korrespondenz ergibt sich gerade das Gegenteil: Die Bekl. erweckte bei B durch ihre Schreiben, insbesondere das vom 18. 2. 2004 (= K 9), den Eindruck, B sei auf jeden Fall rechtlich zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verpflichtet. Nur auf Grund dieses Irrtums beglich B die Forderung der Bekl. Damit ist der Vergleich jedoch unwirksam, da zu dem in § 779 BGB genannten Sachverhalt auch ein reiner Rechtsirrtum in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zu rechnen ist (s. Palandt/Sprau, § 779 Rdnr. 14).
b) Auf § 814 BGB kann sich die Bekl. nicht berufen. Nach dieser Vorschrift scheidet eine Rückforderung der ohne Rechtsgrund erfolgten Leistung nur aus, wenn der Entreicherte positiv wusste, zur Leistung nicht verpflichtet zu sein (Palandt/Sprau, § 814 Rdnr. 3). Dieses positive Wissen hatte B nicht. Auf die vorstehenden zu § 779 BGB erfolgten Ausführungen wird verwiesen.
II. Die Berufung des Kl. ist nur teilweise begründet, nämlich soweit der Hilfsantrag 1.1 abgewiesen worden ist.
1. Der Hauptantrag I. 1 erweist sich auch in der Berufungsinstanz als unbegründet. Zutreffend geht das Erstgericht davon aus, dass die von dem Kl. mit seinem Unterlassungsantrag beanstandete Passage keine für eine „Vielzahl von Verträgen vorformulierte“ Vertragsbedingung ist. Auch in seiner Berufungsbegründung kann der Kl. keine von der Bekl. beabsichtigte Vertragsgestaltung nennen, in die diese Passage - unabhängig von der Frage, ob diese überhaupt einen „regelnden“ Charakter hat - einbezogen werden sollte. Als Regelung innerhalb eines noch abzuschließenden Reparaturvertrags ist sie nicht gedacht. Soweit der Kl. darauf hinweist, dass AGB auch im Rahmen der Abwicklung eines Vertrags eine Rolle spielen können, ist dies durchaus zutreffend. Aus den vom Kl. zitierten Urteilen ist jedoch ersichtlich, dass dort bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in den verwendeten AGB eine Regelung über die Abwicklung des Vertrags getroffen war, was vorliegend gerade nicht der Fall ist.
2. Begründet ist allerdings der hilfsweise zu 1.1 gestellte Unterlassungsantrag, mit dem der Kl. die Versendung des im Tenor aufgeführten Schreibens insgesamt verbieten will. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts liegt ein Verstoß gegen verbraucherschützende Vorschriften, hier § 475 i.V. mit § 476 BGB, vor.
Der Senat teilt zwar weitgehend die Ausführungen des Erstgerichts zum Hilfsantrag des Klageantrags I.1 und nimmt ausdrücklich darauf Bezug, um Wiederholungen zu vermeiden. Denn auch der Kl. selbst führt in der Berufungsbegründung im Wesentlichen nur den nachfolgend abgehandelten Gesichtspunkt an, ansonsten beschränkt er sich auf die Wiederholung der vom Erstgericht ausführlich abgehandelten Punkte, ohne neue Argumente vorzutragen.

Der Senat folgt jedoch nicht dem Erstgericht, nämlich dass es § 476 BGB nicht verbiete, in unzutreffender Weise auf den Beginn der dort genannten Sechs-Monats-Frist hinzuweisen. Der Kl. stellt sich hier in der Berufungsbegründung nochmals ausdrücklich auf den Standpunkt, dass der Gebrauch des Worts „Kauf“ und „Erhalt“ an Stelle des Worts „Gefahrübergang“ irreführend sei und einzelne Verbraucher von der Durchsetzung ihrer Rechte abhalten könne.
a) Der Senat teilt die Meinung des Kl., dass die Formulierung des Schreibens bei einem Verbraucher Fehlvorstellungen hervorrufen kann, wie lange die für ihn günstige Beweislage des § 476 BGB überhaupt besteht. Das Gesetz knüpft den Beginn der in § 476 BGB genannten sechsmonatigen Frist eindeutig an den Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Es ist dem Erstgericht zuzugestehen, dass auch dieser reine Rechtsbegriff für viele Verbraucher ohnehin nicht verständlich ist. Allerdings übersieht diese Argumentation, dass die Unverständlichkeit eines Rechtsbegriffs der Bekl. dennoch nicht erlaubt, diesen Begriff dann in einer für den Verbraucher irreführenden Weise zu interpretieren. Denn weder der zweimal verwendete Begriff „Kauf“ noch das Wort „Erhalt“ füllen den Rechtsbegriff „Gefahrübergang“ mit einer zutreffenden Erklärung aus. Beim „normalen“ Kaufvertrag tritt der Gefahrübergang nach § 446 BGB mit der „Übergabe“ ein. Insoweit verwendet die Bekl. mit dem Wort „Kauf“ keinesfalls einen zutreffenden Begriff. Auch das Wort „Erhalt“ vermag den Begriff „Übergabe“ nicht zutreffend zu interpretieren, wie die Kommentierung bei Palandt/Putzo, § 446 Rdnrn. 1-15, zeigt. Selbst wenn die Bekl. ihren beim Versandhandel gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichten nach § 1 Nr. 4 BGBInfVO (die Bekl. spricht irrtümlich in ihrem Schriftsatz v. 20. 7. 2005 von einer „Nr. 3“) nachkommt, und dem Verbraucher mitteilt, wie der Kaufvertrag zu Stande kommt, erklärt sie damit dennoch nicht den im Rahmen des Versandhandels besonders schwierigen Begriff des Gefahrübergangs (s. Palandt/Putzo, § 454 Rdnr. 11) zutreffend. Im Übrigen wäre diese Information für den Verbraucher auch nur dann überhaupt hilfreich, wenn er die von der Bekl. inhaltlich ohnehin nicht näher beschriebene Information tatsächlich beim Erhalt des Schreibens neben diesem liegen hätte.
c) Der Senat sieht in diesem Schreiben einen Verstoß gegen die durch § 475 BGB als zwingend ausgestaltete Vorschrift des § 476 BGB. § 475 BGB verbietet nicht nur Vereinbarungen, sondern über Absatz 1 Satz 2 BGB auch „anderweitige Gestaltungen“, die zum Nachteil des Verbrauchers unter anderem von § 476 BGB abweichen. Solche anderweitigen Gestaltungen sind entsprechend § 312f BGB auch geschäftsähnliche Handlungen und tatsächliche Vorgänge, es genügen bereits Handlungen, die dem Verbraucher die Durchsetzung seiner Rechte erschweren (s. Palandt/Putzo, § 475 BGB Rdnr. 7, sowie Palandt/Heinrichs, BGB, § 312f Rdnrn. 2 u. 3). Genau dies ist bei dem beanstandeten Schreiben der Fall: Der Verbraucher kann dadurch veranlasst werden, den für ihn günstigen Zeitraum des § 476 BGB falsch zu berechnen und von der Durchsetzung seiner ihm zustehenden Gewährleistungsansprüche abzusehen.
Auch wenn dieses Schreiben von der Bekl. erst nach der „Mitteilung eines Mangels“ (so § 475 I BGB) hinaus gegeben wird, sind selbst nach diesem Zeitpunkt Abweichungen von der zwingenden Vorschrift des § 476 BGB nur dann erlaubt, wenn sie auf einer „Vereinbarung“ beruhen. Denn nur der Verbraucher, der sich auf eine solche eingelassen hat, ist nicht mehr schutzwürdig. Eine Vereinbarung über § 476 BGB haben die angeschriebenen Kunden und die Bekl. unstreitig nicht getroffen.
d) Der Senat teilt die von der Bekl. auf Grund § 8a UklaG geäußerten Bedenken gegen den Inhalt des gestellten Hilfsantrags nicht. Dieser ist ein Antrag nach § 2 UKIaG, auf den sich § 8a UKIaG gerade nicht bezieht. Der Hilfsantrag ist inhaltlich konkret formuliert und einer zweifelsfreien Vollstreckung zugänglich.
e) Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich aus dem im Ersturteil festgestellten Sachverhalt. Die tatsächliche Versendung ist eine tatsächliche Verletzungshandlung und indiziert damit die Wiederholungsgefahr.
Die vom Kl. begehrte Unterlassung ist auszusprechen.
3. Unbegründet ist die Berufung des Kl. jedoch, soweit sie sich auf den Unterlassungsantrag I. 2 bezieht.
a) Auch wenn der Senat - wie oben dargelegt - der Meinung ist, dass der Bekl. kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zusteht, kann der Kl. dennoch nicht nach § 2 UKIaG von der Bekl. verlangen, dass diese generell keine solchen Ansprüche mehr geltend macht. Denn durch ihr - wenn auch unberechtigtes - Verlangen verstößt die Bekl. nicht gegen eine Vorschrift, die dem Schutz des Verbrauchers dient.
b) Zutreffend geht das Erstgericht davon aus, dass die Erwähnung von § 439 BGB in § 475 BGB Ersteren nicht generell zu einer verbraucherschützenden Vorschrift werden lässt. Dies hieße, den Regelungsbereich weit über den Wortlaut des § 475 BGB hinaus auszudehnen. Denn in § 475 BGB wird als spezielle Verbrauchsgüterkaufsregelung nur die grundsätzliche Unabdingbarkeit des § 439 BGB festgeschrieben, allein dies ist Ergebnis des § 475 BGB und entspricht auch inhaltlich den Vorgaben des Art. 7 der Verbrauchsgüterkauf-RL. Die sonstigen Vorgaben der genannten Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber ohnehin bereits bei der Ausgestaltung des nationalen Kaufrechts verwirklicht. Dass damit auch ein Schutz des Verbrauchers verbunden ist, ist eine Nebenwirkung, aber nicht Hauptanliegen des modernisierten Schuldrechts. Auch der zitierten Richtlinie ging es primär um eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften im Falle des Verbrauchsgüterkaufrechts. Als zwingende Vorgabe ist deshalb in der Richtlinie allein die in Art. 7 vorgeschriebene Unabdingbarkeit, so wie sie in §§ 475ff. BGB (s.o.) ihren Niederschlag gefunden hat, festgeschrieben.
c) Das vom Kl. geforderte Verständnis, dass auch die Bestimmungen des §§ 433ff. BGB, soweit sie die Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umsetzen, dem § 2 II Nr. 1 UKIaG unterfallen, hätte die nicht beabsichtigte Folge, dass aus jedem Rechtsstreit, in dem ein Unternehmer bei einem Verbrauchsgüterkauf unterliegt, ein genereller, vom Kl. durchzusetzender Unterlassungsanspruch resultiert.
Im Übrigen ist dem § 439 BGB ein Verbot, eine Nutzungsentschädigung verlangen zu dürfen, ohnehin nicht zu entnehmen. Denn auch § 439 II BGB spricht nur von den zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen „Aufwendungen“. Gemeint sind damit nach der gesetzlichen Erläuterung selbst die Aufwendungen des Verkäufers, aber nicht der Ausgleich für Nutzungsvorteile des Käufers.
Festzuhalten bleibt, dass § 439 IV BGB keine Anspruchsgrundlage bietet, aber auch kein Verbot enthält, eine Nutzungsentschädigung zu verlangen, wenn dies - was hier jedoch gerade nicht der Fall war - vertraglich vereinbart ist.