NJW 1979, 598 f
vgl. auch BGH NJW 1991,
2340
Amtl. Leitsatz:
Zur Geschäftsführung ohne Auftrag eines Ehemanns, der Kosten für Besuche nächster Angehöriger bei seiner unfallverletzten Ehefrau getragen hat.
Die Ehefrau des Kl. ist durch eine Gasexplosion
schwer verletzt worden. Das bekl. Land hat seine gesetzliche Schadensersatzpflicht
dem Grunde nach anerkannt. Die Verletzte wurde längere Zeit in einem
Rehabilitationszentrum in Z. behandelt. Für die Dauer dieser Behandlung
ist der Kl. mit der gemeinsamen Tochter und seiner Schwiegermutter von
B. nach Z. umgezogen. Zuvor hatte die Ehefrau des Kl. das bekl. Land aufgefordert,
verbindlich zu erklären, daß es für sämtliche Unkosten
der Übersiedlung aufkomme. Das bekl. Land hat das abgelehnt. Mit der
Klage begehrt der Kl. die Erstattung der Umzugs- und Aufenthaltskosten
für sich, seine Tochter und seine Schwiegermutter. Er macht geltend,
aus medizinischer Sicht wären tägliche Besuche der nächsten
Angehörigen bei seiner verletzten Ehefrau unerläßlich gewesen.
Das LG hat der damals auf Feststellung gerichteten
Klage dahin stattgegeben, daß das bekl. Land verpflichtet sei, die
Kosten des Kl., seiner Tochter und seiner Schwiegermutter für monatlich
zweimalige, jeweils zweitägige Besuche zu ersetzen. Die weitergehende
Klage hat das LG abgewiesen. Im zweiten Rechtszug ist der Kl. zur Leistungsklage
übergegangen. Das KG hat die Klage abgewiesen, mit Ausnahme der eigenen
Besuchskosten des KL., die das LG diesem rechtskräfitg zugesprochen
hat. Auf die - angenommene - Revision des Kl. wurde das Urteil des KG aufgehoben
und der Zahlungsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Aus den Gründen:
Das BerGer geht davon aus, daß der Kl. aus
eigenem Recht die Kosten der Besuche bei seiner Ehefrau nur aus Geschäftsführung
ohne Auftrag oder aus ungerechtfertigter Bereicherung ersetzt verlangen
könnte. Die Voraussetzungen für solche Ansprüche seien aber
nicht gegeben. Aufwendungsersatz gem. § 683 S. 1 BGB könne der
Kl. schon deshlab nicht verlangen, weil das bekl. Land von Anfang an die
Übernahme der Geschäftsführung durch den Kl. nicht dem Willen
des bekl. Lnades entsprochen. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Aufwendungen, die durch den Besuch der nächsten
Angehörigen eines Unfallverletzten entstehen, gehören, sofern
sie überhaupt erstattungsfähig sind, zu den vom Schädiger
dem Verletzten zu ersetzenden Heilungskosten. die Angehörigen selbst
sind von dem Unfall nur mittelbar betroffen und haben deshalb keinen eigenen
Anspruch gegen den Schädiger aus unerlaubter Handlung (BGH, VersR
1961, 272; 1964, 532 (533)). Gem. § 843 IV BGB, der sich auf alle
Heilungkosten bezieht, bleibt der Ersatzanspruch des Verletzten davon unberührt,
inwieweit die Angehörigen solche Aufwendungen selbst getragen haben,
gleichviel ob sie zum Unterhalt verpflichtet sind oder nicht (RGZ 132,
223 (224) m.w. Nachw.; 138, 1 (3); vgl. auch BGHZ 22, 72 (77)=NJW 1957,
138). Den Angehörigen kann aber ein Anspruch auf Ersatz der von ihnen
getragenen Kosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag zustehen
(h. M., vgl. BGH, VersR 1961, 272; RGZ 138, 1 (2); RG, LZ 1919, 695 m.
w. Nachw.; a. A. z. B. Soergel-Zeuner, BGB 10. Aufl., § 843 Rdnr.
24).
2. Entgegen der Ansicht des BerGer. sind die Voraussetzungen
für einen solchen Anspruch des Kl. gem. § 683 S. 1 BGB hier gegeben.
a) der Kl. hat ein objektiv fremdes Geschäft
mitbesorgt. Ungeachtet seiner Unterhaltspflicht war es Sache des bekl.
Landes als des Schädigers, für die Wiederherstellung der Gesundheit
der verletzten Ehefrau des Kl. zu sorgen und die notwendigen Heilungskosten
zu tragen, zu denen auch die Besuchskosten naher Angehöriger zählen.
Wie sich aus § 843 IV BGB ergibt, geht die Verpflichtung des Schädigers
der eines Unterhaltspflichtigen sogar vor. Er ist also für alleSchadensleistungen
aus unerlaubter Handlung der in erster Linie Verpflichtete (RG, JW 1910,
389 (390)). Hat der Kl. somit ein objektiv fremdes Geschäft mitbesorgt,
so wird sein Fremdgeschäftsführungswille vermutet (vgl. BGHZ
65, 354 (357) = NJW 1976, 619 m. w. Nachw.; neuerdings BGHZ 70, 389 (396)
= NJW 1978, 1375; BGH, NJW 1978, 1258). Der Kl. hat aber auch von Anfang
an zum Ausdruck gebracht, daß er mit der vorläufigen Übernahme
der Umzugs- und Aufenthaltskosten für sich, seine Tochter und seine
Schwiegermutter zumindest auch für das bekl. Land tätig werden
wolle, das er für diese Aufwendungen ebenso als ersatzpflichtig hielt
wie für alle anderen Heilungskosten..
b) Zu Unrecht meint das BerGer., die Übernahme
der Geschäftsführung durch den Kl. habe nicht dem Willen des
bekl. Landes entsprochen, wie es § 683 S. 1 BGB erfordert. Dabei ist
nicht ausschlaggebend, daß sich das bekl. Land im vorprozessualen
Schriftwechsel gegen eine Übernahme der Umzugs- und Aufenthaltskosten
gewehrt hat. Das hat er nur getan, weil es die ständige Anwesenheit
der Angehörigen bei der Verletzten nicht für notwendig, sondern
Besuche von Zeit zu Zeit sogar für zuträglicher hielt. Gegen
den Ersatz solcher Besuchskosten, soweit sie zu den Heilungskosten zu rechnen
sind, hat sich das bekl. Land, das seine Schadensersatzpflicht dem
Grunde nach ausdrücklich anerkannt hat, nie gesträubt.
Im zweiten Rechtszug war denn auch zwischen den
Parteien nicht mehr streitig, daß die Übernahme der Besuchskosten
durch den Kl. dem Willen des bekl. Landes entsprochen habe, soweit diese
Kosten der Ehefrau des Klägers hätten erstattet werden müssen.
In diesem Umfang hat das bekl. Land in der Berufungserwiderung dem Kl.
einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag sogar ausdrücklich
zugestanden. Es hat das landgerichliche Urteil, soweit es den Ersatz von
Kosten derartiger Besuche des Kl. selbst betrifft, auch nicht angefochten.
Das bekl.Land hat es, wie das in ähnlichen
Fällen auch sonst üblich ist, dem Kl. überlassen, das zur
Heilung seiner Ehefrau Erforderliche zu veranlassen. Soweit er notwendige
Heilungskosten verauslagte, geschah das deshalb im Einklang mit dem “wirklichen
Willen” des bekl. Landes. Ebenso ist es mit den Besuchskosten nächster
Angehöriger, soweit sie zu den Heilungskosten zählen. Auch insofern
hat es das bekl. Land dem Kl. überlassen, das Erforderliche zu tun,
d.h. der Art und dem Umfang nach für die Besuche zu sorgen, die zur
Wiederherstellung der Gesundheit seienr Ehefrau notwendig und angemessen
sind. Damit, daß der Kl. Kosten für solche Besuche verauslagte.
war das bekl. Land, das insoweit der Verletzten erstattungspflichtig ist,
einverstanden.
c) der Streit der Parteien geht demnach in Wahrheit
nicht darum, ob die Geschäftsführung des Kl. dem Willen des bekl.
Landes entsprochen hat, sondern darum, inwieweit die Aufwendungen, deren
Ersatz der Kl. begehrt, als Heilungskostene erstattungsfähig sind.
Nur in diesem Umfang durfte der Kl. sie gem. § 683 i. V. mit §
670 BGB den Umständen nach für erforderlich halten. Das hängt
davon ab, ob und in welchem Ausmaß die Anwesenheit des Kl., seiner
Tochter und seiner Schweigermutter in der Nähe der Verletzten aus
ärztlicher Sicht notwendig und angemessen war, insbesondere, ob der
Umzug der genannten Personen nach Z. un dihr langfristiger Aufenthalt dort
zur Förderung der Heilung geboten war. das wird das BerGer. nunmehr
aufzuklären haben.
3. Da die Voraussetzugen für einen Anspruch aus Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag erfüllt sind, kommt es nicht darauf an, ob die Klage auch aus ungerechtfertigter Bereicherung begründet sein könnte. Ein bereicherungsanspruch würdenämlich nicht weiter reichen als der Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag-
4. Das Berufungsurteil ist nach alledem aufzuheben. Bevor nicht über den nunmehr in erster Linie gestellten Leistungsantrag des Kl. endgültig entschieden ist, kommen seine nur hilfsweise gestellten Feststellungsanträge nicht zum Zuge. Mit ihnen braucht sich deshalb das RevGer. im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht zu befassen. Von der Aufhebung erfaßt wird auch die mit der Anschlußberufung des bekl. Landes aufgegriffene Feststellung des LG über die beschränkte Erstattungsfähigkeit der Besuchskosten für die Tochter und die Schwiegermutter des Kl. Das der Kl. in seinen bezifferten Leistungsantrag sämtliche bisher entstandenen Umzugs- und Aufenthaltskosten für alle Angehörigen einbezogen hat, fällt sein Feststellungsbegehren, soweit darüber nicht rechtskräftig entschieden worden ist, unter den nur noch hilfsweise verfolgten Teil der Klage.