Aufrechnungsausschluß nach § 393 BGB bei beiderseitiger vorsätzlicher unerlaubter Handlung


OLG Celle, Urteil v. 09.06.1980 - 9 U 149/79


Fundstelle:

NJW 1981, 766


Amtl. Leitsatz:

Gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist die Aufrechnung mit einer Forderung aus einer ebenfalls vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung unzulässig. 


Zentrale Probleme:

S. die Anm. zu BGH NJW 2009, 3508 sowie Deutsch NJW 1981, 735.

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Aus den Gründen:

Der Kl. verlangt vom Bekl. Schadensersatz und Schmerzensgeld für Verletzungen, die ihm der Bekl. bei einer Schlägerei vorsätzlich zugefügt hat. Der Bekl. rechnet demgegenüber hilfsweise mit einem Schmerzensgeldanspruch auf, weil der Kl. ihn bei der Schlägerei ebenfalls vorsätzlich verletzt hat. Die Aufrechnung war nicht zulässig.
 ... Soweit der Bekl. demgegenüber hilfsweise mit einem eigenen Schmerzensgeldanspruch wegen der von ihm erlittenen Verletzung aufrechnen will, ist dies nicht zulässig. Nach § 393 BGB ist gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung die Aufrechnung nicht zulässig. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung gilt dies uneingeschränkt. Deshalb hat bereits das RG eine Aufrechnung auch mit einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung für ausgeschlossen erachtet (RGZ 123, 7). Dieser (herrschenden) Meinung folgen u. a. auch die Kommentierungen von Staudinger-Kaduk (BGB, 10./11. Aufl. (1978), § 393 Rdnr. 35), Soergel-Schmidt (BGB, 10. Aufl. (1967), § 393 Rdnr. 4), v. Feldmann (in: MünchKomm, § 393 Rdnr. 1 m. zahlr. Nachw.) und im Ergebnis auch Haase (JR 1972, 137 f.). Nach anderer Auffassung ist eine Aufrechnung mit einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung entweder grundsätzlich zulässig oder jedenfalls dann, wenn es sich um eine einheitliche Prügelei handelt (so Weber, in: RGRK, 12. Aufl. (1976), § 393 Rdnr. 7; Erman-Westermann, BGB, 6. Aufl. (1979), § 393 Rdnr. 2; LG Stade, MDR 1958, 99). Der BGH hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen (vgl. BGH, RzW 1974, 139 f.). Der Senat folgt der herrschenden Meinung und legt den § 393 BGB nicht einengend aus. Der Sinn der Vorschrift, die erreichen will, daß der aus einer unerlaubten Handlung Geschädigte auch tatsächlich entschädigt wird, gebietet nicht eine andere Beurteilung. Vielmehr erfüllt das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB auch dann seinen Sinn, wenn sich Ansprüche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen gegenüberstehen. So weist Haase (JR 1972, 137 f.) zu Recht darauf hin, daß jemand, der durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung eines anderen geschädigt worden ist, leicht in Versuchung kommen könnte, sich zu rächen, wenn er die Verwirklichung seines Anspruchs aus dem Delikt des anderen gefährdet oder schwinden sieht. Er braucht dann nur dem anderen vorsätzlich einen gleich hohen Schaden zuzufügen und die Aufrechnung zu erklären, ohne finanzielle Nachteile befürchten zu müssen. Es sind des weiteren im vorliegenden Fall auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß Treu und Glauben es erfordern würden, eine Aufrechnung zuzulassen, zumal es dem Bekl. offen stand, seine Ansprüche im Wege der Widerklage geltend zu machen.