IPR und Grundrechte II: Die Nichtigerklärung von Art. 15 EGBGB a.F. (Anschluß an BVerfGE 31, 58 - "Spanierbeschluß")

BVerfG, Beschluß v. 22.02.1983 - 1 BvL 17/81 (Ergangen auf Vorlagebeschl. des AG Kaufbeuren)


Fundstelle:

NJW 1983, 1986


Anmerkung:

In der Konsequenz des "Spanierbeschlusses" erklärt das BVerfG Art. 15 EGBGB a.F. (Anknüpfung der güterrechtlichen Wirkungen eine Ehe an das Heimatrecht des Ehemannes) wegen Verstoßes gegen Art. 3 II GG für nichtig. Der Großteil der Entscheidung beschäftigt sich mit der im Rahmen von Art. 100 GG bedeutsamen Frage des nachkonstitutionelles Charakters der Norm. Die eigentlichen materiell verfassungsrechtlichen Erwägungen (s. dazu hier) sind relativ knapp gehalten. Zum Übergangsrecht vgl. nunmehr BVerfG v. 18.12.2002 - 1 B BvR 108/96


Amtl. Leitsätze:

1. Zu den Voraussetzungen, unter denen der Gesetzgeber eine vorkonstitutionelle Norm in seinen Willen aufgenommen hat, insbesondere zur Bedeutung des Zeitablaufs.
2. Die Kollisionsregelung in Art. 15 I und II Halbs. 1 EGBGB, die für die Beurteilung des maßgeblichen Güterrechtsstatuts an die Staatsangehörigkeit des Mannes anknüpft, verstößt gegen Art. 3 II GG.


Zum Sachverhalt:

Gegenstand der Vorlage war die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß nach Art. 15 EGBGB für das eheliche Güterrecht die Gesetze des Staates maßgebend sind, dem der Mann zur Zeit der Eingehung der Ehe angehörte.
Die Ast. des Ausgangsverfahrens ist deutsche Staatsangehörige und begehrt die Erteilung eines Erbscheins als gesetzliche Erbin nach ihrem verstorbenen Ehemann. Dabei geht sie davon aus, daß sie neben den Kindern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzliche Erbin berufen sei, weil sie mit dem Verstorbenen in Zugewinngemeinschaft gelebt habe. Der verstorbene Ehemann besaß bei der Eheschließung die irakische, erwarb dann aber im Wege der Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit.
Das mit der Erteilung des Erbscheins befaßte AG holte ein Rechtsgutachten über den Güterstand und dessen Einfluß auf das in der Nachlaßsache anzuwendende Erbrecht ein. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, daß sich die Beerbung des Erblassers nach deutschem materiellen Erbrecht richte. Das Ehegüterrecht bestimme sich aber wegen fehlender staatsvertraglicher Regelung nach Art. 15 EGBGB. Diese Vorschrift verweise auf das irakische Recht, weil der Erblasser zur Zeit der Eheschließung noch nicht eingebürgert gewesen sei. Das irakische Eherecht kenne kein Ehegüterrecht; denn die Ehe habe nach islamischen Recht keinen Einfluß auf das Vermögen der Ehegatten. Daher sei von einem der Gütertrennung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch vergleichbaren Güterstand auszugehen.
Das Gericht wollte entsprechend dem Begehren der Ast. deutsches Güterrecht anwenden und gem. § 193 I II i. V. mit § 1371 I BGB den Ausgleich des Zugewinns durch Erhöhung ihres Erbteils von einem Viertel (§ 1931 I BGB) um ein weiteres Viertel vornehmen, sah sich daran aber durch Art. 15 EGBGB gehindert. Es setzte deshalb das Erbscheinerteilungsverfahren aus und hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob diese Kollisionsnorm mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Aus den Gründen:

... B. Die Vorlage ist zulässig. Der Normenkontrolle nach Art. 100 I GG unterliegen Gesetze dann nicht, wenn sie vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündet worden sind (vgl. BVerfGE 2, 124 (128 ff.) = NJW 1953, 497; st. vorkonstitutionellen Normen, die der Gesetzgeber nach Inkrafttreten des Grundgesetzes in seinen Willen aufgenommen hat (vgl. BVerfGE 11, 126 (131 f.) = NJW 1960, 1563; BVerfGE 32, 296, (299 f.) = NJW 1972, 571; BVerfGE 52, 1 (17) = NJW 1980, 985; BVerfGE 60, 135 (149)).
Die Aufnahme in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers ergibt sich daraus, daß dieser seinen konkreten Bestätigungswillen im Gesetz selbst zu erkennen gibt oder daß sich ein solcher Wille aus dem engen sachlichen Zusammenhang zwischen unveränderten und geänderten Normen objektiv erschließen läßt (BVerfGE 60, 135 (149) m. w. Nachw.). Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die alte Norm als Gesetz neu verkündet wird, wenn eine neue (nachkonstitutionelle) Norm auf die alte Norm verweist, wenn ein begrenztes und überschaubares Rechtsgebiet vom nachkonstitutionellen Gesetzgeber durchgreifend geändert wird und ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen veränderten und unveränderten Normen besteht (BVerfGE 32, 296 (300) = NJW 1982, 571). Eine Bestätigung kann dagegen nicht angenommen werden, wenn der an das Grundgesetz gebundene Gesetzgeber eine vorkonstitutionelle Norm nur als solche hinnimmt und ihre Aufhebung oder sachliche Änderung vorerst unterläßt, ohne sie in ihrer Geltung bestätigen zu wollen (BVerfGE 32, 296 (299) = NJW 1972, 571 m. w. Nachw.).
I. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, daß die "Hinnahme" einer vorkonstitutionellen Norm durch den Gesetzgeber einen vorläufigen Zustand beschreibt, so daß für die Entscheidung der Frage, ob eine Regelung vor- oder nachkonstitutionelles Recht darstellt, auch das Zeitmoment von Bedeutung ist. Die Durchbrechung des gem. Art. 100 I GG dem BVerfG obliegenden Prüfungsmonopols beruht darauf, daß nach Inkrafttreten des Grundgesetzes zahlreiche Vorschriften aus vorkonstitutioneller Zeit fortgalten, ohne daß sich der parlamentarische Gesetzgeber alsbald mit ihnen befassen konnte. Je länger der Gesetzgeber aber solche Regelungen in Geltung läßt, desto geringer werden die Voraussetzungen für die Annahme, er habe die Vorschriften in seinen Willen aufgenommen.
1. Diese Erwägungen sind auch für die Beantwortung der Frage von Gewicht, ob Art. 15 EGBGB als vor- oder nachkonstitutionelles Recht zu qualifizieren ist.
a) Der 1952 von der Bundesregierung eingebrachte - nicht Gesetz gewordene - Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts und über die Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts - Familienrechtsgesetz - (BT-Dr I/3802 (Entwurf I)) sah die Änderung einiger Vorschriften des Einführungsgesetzes zum BGB vor, die allerdings im späteren Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (BT-Dr II/224) nicht mehr enthalten und auch im Gesetzgebungsverfahren nicht mehr Gegenstand von Änderungsvorschlägen waren. In der Begründung zu diesem späteren Gesetzentwurf heißt es (BT-Dr II/224, S. 27):
Fortgefallen sind insbesondere auch die Vorschriften des Entwurfs I, in denen Änderungen des internationalen Privatrechts vorgeschlagen waren. Die Prüfung der geltenden Bestimmungen unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung von Mann und Frau hat ergeben, daß es nicht erforderlich ist, die für das Familienrecht maßgebenden Kollisionsnormen zu ändern. Die Untersuchung, ob das geltende Recht mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung im Einklang steht, hat sich auf die Rechtslage bei Anwendung deutschen Rechts zu beschränken. Dölle ("Die Gleichberechtigung von Mann und Frau im FamilienR", in: Festgabe f. Erich Kaufmann, S. 40) weist mit Recht darauf hin, daß der deutsche Gesetzgeber sich damit zufriedengeben müsse, wenn bei Anwendung deutschen Sachrechts die Gleichberechtigung verwirklicht werde, daß es aber nicht sein Streben sein dürfe, familienrechtliche Sachverhalte mit Auslandsberührung, an denen Mann und Frau beteiligt seien, sowohl dem Heimatrecht des Mannes wie dem der Frau nur deshalb zu unterwerfen, weil der eine Ehegatte nicht gegenüber dem anderen "bevorzugt" werden dürfe; denn damit würde ein inlandsrechtliches Prinzip in einen Bereich übertragen, für den andere Grundsätze die Vorherrschaft haben müßten.
b) Im Jahre 1955 legte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften vor, der in Art. 2 im wesentlichen redaktionelle und verweisungsbedingte Änderungen einiger Bestimmungen des EGBGB enthielt (vgl. BR-Dr 39/55). Der Gesetzentwurf konnte in der zweiten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht mehr verabschiedet werden.
In der folgenden Wahlperiode brachte die Bundesregierung einen weitgehend der Regierungsvorlage der zweiten Wahlperiode entsprechenden Gesetzentwurf ein (vgl. BT-Dr III/530), dessen Art. 2 mit dem früheren Entwurf identisch war.
Demgegenüber schloß sich der Rechtsausschuß des Bundestages einem Vorschlag des von ihm gebildeten Unterausschusses "Familienrechtsänderungsgesetz" (Prot. Nr. 112 des Rechtsausschusses vom 29. 6. 1960, S. 5) an, Art. 2 des Gesetzentwurfs gänzlich entfallen zu lassen (vgl. Anlage zum Prot. Nr. 9 des Unterausschusses "Familienrechtsänderungsgesetz" vom 2. 3. 1961, S. 10; Prot. Nr. 147 des Rechtsausschusses vom 26. 4. 1961, S. 40 f.). Der Rechtsausschuß führte in seinem schriftlichen Bericht zu dem Gesetzentwurf zur Begründung seiner Entwurfsfassung insoweit aus (vgl. zu BT-Dr III/2812, S. 8 f.):
"Der Ausschuß hat die im Regierungsentwurf enthaltenen Bestimmungen über die Änderungen einiger kollisionsrechtlicher Vorschriften des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB), die das Familienrecht betreffen, gestrichen. Maßgebend für diesen Beschluß war - soweit eine Änderung des Art. 22 I EGBGB vorgeschlagen war - die Erwägung, daß sich der Deutsche Rat für internationales Privatrecht zur Zeit mit der Frage einer Neuordnung des gesamten internationalen Familienrechts befaßt. Es erschien zweckmäßig, die Ergebnisse seiner Arbeiten abzuwarten. Die Anpassung der Art. 13 und 16 EGBGB an das geltende Recht kann nicht als so vordringlich bezeichnet werden, daß sie in diesem Gesetz vorgenommen werden müßte, zumal die Rechtsprechung die überholten Verweisungen in den genannten Artikeln bereits von sich aus dem geltenden Recht angeglichen hat ..."
Im Bundestag kam Art. 2 des Regierungsentwurfs in der zweiten und dritten Beratung nicht mehr zu Sprache (vgl. Verh. d. BT, 3. Wahlp., 164. Sitzung, StenBer. S. 9459 ff.).
c) Im Gesetzgebungsverfahren des Güterrechtsgesetzes wurde erneut auf die Reform des internationalen Privatrechts eingegangen. Der Entwurf eines Gesetzes über das auf den ehelichen Güterstand anzuwendende Recht beschränkte sich auf eine Sonderregelung für die Fälle, in denen beide Ehegatten als Deutsche ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik haben (BR-Dr 319/68, S. 4):
"Es wäre zwar wünschenswert, das Problem im Rahmen einer allgemeinen Reform des internationalen Privatrechts zu lösen, bei der ohnehin die Frage zu entscheiden wäre, inwieweit die Beibehaltung des Grundsatzes der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatus unter den veränderten Verhältnissen der Jetztzeit noch berechtigt erscheint. Da aber eine Gesamtreform unseres internationalen Privatrechts noch weiterer Vorarbeiten bedarf, kann die dringlich erscheinende Lösung des hier behandelten Teilproblems nicht bis dahin aufgeschoben werden ...
Eine Durchbrechung des Unwandelbarkeitsgrundsatzes in dem vorstehend umrissenen beschränkten Umfang erscheint auch deshalb unbedenklich, da das Prinzip der Unwandelbarkeit insoweit nach den Vorschlägen der Eherechtskommission des Deutschen Rates für internationales Privatrecht überhaupt beseitigt werden sollte (vgl. Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Eherechts, 1962, S. 22; ferner S. 2 f., 18 ff.) und damit zu rechnen ist, daß die hier vorweggenommene Teilregelung ohne Schwierigkeiten mit einer künftigen Gesamtreform in Übereinstimmung zu bringen sein wird."
II. Nach Ablauf von mehr als dreißig Jahren seit Inkrafttreten des Grundgesetzes, während derer der Gesetzgeber wiederholt Anlaß hatte, sich mit einer Neuregelung zu befassen, kann nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe die vorkonstitutionelle Regelung lediglich hingenommen. Nach Meinung des vorlegenden Gerichts ergibt sich der Wille des Gesetzgebers, Art. 15 EGBGB als nachkonstitutionelles Recht zu bestätigen, hinreichend aus dem Gesetz über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.
1. Die Bundesregierung sah sich zur Vorlage dieses Gesetzes veranlaßt, weil sich die im Schrifttum vertretene Auffassung, bei Massenfluchtbewegungen - insbesondere in den interzonalen Rechtsbeziehungen - gelte der Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts nicht und für Vertriebene und Flüchtlinge müsse nach Begründung ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik das Güterrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendung finden, in der Rechtsprechung nicht durchgesetzt hatte (vgl. BT-Dr 319/68, S. 3). Aufgrund der Entscheidung des BGH (BGHZ 40, 32 = NJW 1963, 1975) war die bestehende Rechtslage endgültig als dahin geklärt anzusehen, daß der aus Art. 15 EGBGB abgeleitete Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts auch bei Vertriebenen und Flüchtlingen anzuwenden sei. Dieses Ergebnis wurde für unbefriedigend gehalten. Das mitunter zugunsten des Unwandelbarkeitsgrundsatzes angeführte Argument, daß die Ehegatten sich hinsichtlich ihrer güterrechtlichen Beziehungen durch ein stillschweigendes Übereinkommen dem zur Zeit der Eheschließung für sie maßgebenden Recht unterstellt hätten, könne jedenfalls für diese Personengruppe nicht als stichhaltig angesehen werden (BR-Dr 319/68, S. 3 f.). Vertriebene und Flüchtlinge müßten daher deutschem Güterrecht unterstellt werden. Allerdings sollte die für diese Lösung notwendige Durchbrechung des Unwandelbarkeitsgrundsatzes nicht weiter gehen als unbedingt erforderlich, um nicht der zukünftigen Gesamtreform des internationalen Privatrechts vorzugreifen (BR-Dr 319/68, S. 4):
Deshalb sieht der Entwurf von einer Änderung der in Art. 15 EGBGB getroffenen Regelung ab und beschränkt sich auf eine Sonderregelung für die Fälle, in denen beide Ehegatten als Deutsche ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik haben. Haben die Ehegatten nicht dieselbe Staatsangehörigkeit oder haben sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in demselben Rechtsgebiet, so treten schwierige Fragen auf, die in den allgemeinen Problemkreis der Ehewirkungen gehören und deren Regelung in diesem Zusammenhang einer späteren Gesamtreform vorbehalten bleiben muß.
a) Wenn auch der durch das Gesetz betroffene Personenkreis möglichst eng begrenzt sein sollte, so ging der Gesetzentwurf dennoch davon aus, daß unter die Regelung auch Ehegatten fallen sollten, die nicht deutsche Volkszugehörige seien und die die deutsche Staatsangehörigkeit nach der Eheschließung durch Einbürgerung erworben hätten (BR-Dr 319/68, S. 5):
Mag auch der große Kreis der Vertriebenen und Flüchtlinge den Anlaß für die Vorlage dieses Gesetzentwurfs bilden, so besteht doch kein Grund, die Regelung auf diesen Personenkreis zu beschränken. Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) läßt es vielmehr angezeigt erscheinen, die Regelung ohne Rücksicht auf Heimat und Volkszugehörigkeit auf alle Ehegatten zu erstrecken, die als Deutsche in der Bundesrepublik leben. Dabei soll es auch nicht darauf ankommen, ob der Wechsel der Staatsangehörigkeit zeitlich vor oder nach Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik eingetreten ist ...
b) Im Rechtsausschuß des Bundestages wurden Bedenken dagegen geäußert, neben Flüchtlingen und Vertriebenen auch Ausländer, die ihre Einbürgerung in der Bundesrepublik Deutschland betreiben, unterschiedslos automatisch in den deutschen Güterstand der Zugewinngemeinschaft überzuleiten (vgl. Kurzprot. Nr. 99 des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 14. 11. 1968, S. 16):
Der Rechtsausschuß will eine Regelung nur für die Masse der Flüchtlinge und Vertriebenen einschließlich der noch später aus der DDR kommenden Deutschen treffen und diejenigen nicht erfassen, die, ohne Flüchtlinge zu sein, sich freiwillig einbürgern lassen wollen.
Dieser Empfehlung entsprach der Bundestag, indem er § 1 I des Güterrechtsgesetzes in der vom Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge vorgeschlagenen und vom Rechtsausschuß übernommenen Fassung beschloß (Deutscher Bundestag, 241. Sitzung v. 19. 6. 1969, StenBer. S. 13451 f.).
2. Aus dieser Entstehungsgeschichte des § 1 I des Gesetzes über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen ergibt sich der objektivierte Wille des Gesetzgebers, Art. 15 EGBGB als nachkonstitutionelles Recht zu bestätigen.
Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß sich ohne eine Neuregelung das Güterrecht von Flüchtlingen und Vertriebenen nach Art. 15 EGBGB bestimme und damit bei diesem Personenkreis die Anwendung des § 1363 BGB (gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft) ausgeschlossen sei. Indem er für Flüchtlinge und Vertriebene, für die ein anderes als das in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Güterrecht galt, das Güterrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs für maßgeblich erklärte, hat er den Kreis der von Art. 15 EGBGB erfaßten Normadressaten geändert und damit den sachlichen Zusammenhang zwischen der neuen gesetzlichen Regelung und der Kollisionsnorm hergestellt. Durch die Beschränkung des Anwendungsbereichs des Güterrechtsgesetzes auf bestimmte Personengruppen ergibt sich zwangsläufig, daß Art. 15 EGBGB im übrigen weiter bestehen bleiben sollte.

C. Art. 15 I, II Halbs. 1 EGBGB ist mit Art. 3 II GG unvereinbar und nichtig.

I. Das in Art. 3 II GG ausgesprochene Gebot der Gleichberechtigung von Männern und Frauen konkretisiert den allgemeinen Gleichheitssatz und verbietet, daß der Geschlechtsunterschied einen beachtlichen Grund für Differenzierungen im Recht abgeben kann. Das schließt allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG Regelungen nicht aus, die im Hinblick auf die objektiven biologischen und funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses zwischen Männern und Frauen differenzieren (BVerfGE 52, 369 (374) = NJW 1980, 823 m. w. Nachw.). Auf solche Merkmale läßt sich die in Art. 15 I und II erster Halbsatz EGBGB erfolgte Anknüpfung an die Staatsangehörigeit des Mannes nicht zurückführen.
1. Das BVerfG hat bereits in BVerfGE 31, 58 (73) = NJW 1971, 1509 entschieden, daß die Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts in vollem Umfang an den Grundrechten zu messen sind; denn der deutsche Gesetzgeber, der diese Kollisionsvorschriften erläßt oder in seinen Willen aufnimmt, ist hier ebenso wie bei seiner sonstigen Gesetzgebung an die Grundrechte gebunden (Art. 1 III GG). Die Kollisionsregelung des Art. 15 I, II Halbs. 1 EGBGB knüpft stets an die Staatsangehörigkeit des Mannes an. Das ist mit Art. 3 II GG unvereinbar. Dieser Verstoß gegen das Gleichberechtigungsgebot läßt sich auch nicht mit der Erwägung ausräumen, die Anwendung des Heimatrechts des Mannes könne für die Frau günstiger sein und habe daher nicht ohne weiteres ihre Benachteiligung zur Folge (so noch BGHZ 42, 7 (8) = NJW 1964, 2013 und BGHZ 47, 324 (326) = NJW 1967, 2109). In seiner neueren Rechtsprechung hat der BGH zutreffend ausgeführt (NJW 1983, 1259), die kollisionsrechtliche Zurücksetzung der Frau reiche für die Annahme einer Verletzung des Art. 3 II GG bereits aus und führe unabhängig vom Inhalt des danach anzuwendenden materiellen Rechts zu ihrer Benachteiligung.
2. Die Weitergeltung der gegen Art. 3 II GG verstoßenden Anknüpfungsregelung in Art. 15 EGBGB ist auch nicht im Interesse einer klaren kollisionsrechtlichen Abgrenzung aus rechtsstaatlichen Gründen bis zu einer Reform des internationalen Privatrechts durch den Gesetzgeber geboten. In diesem Zusammenhang wird zwar die Ansicht vertreten, wegen eines zu erwartenden "Anknüpfungschaos" erscheine die vorläufige Beibehaltung der verfassungswidrigen Anknüpfung "als das kleinere Übel" (Henrich, FamRZ 1974, 107). Unabhängig davon, ob diese Befürchtung den Fortbestand einer gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßenden Regelung rechtfertigen könnte, bestätigt aber die Entscheidung des BGH, NJW 1983, 1259, daß sich auf dem Boden des geltenden Rechts anderweitige Anknüpfungsgesichtspunkte gewinnen lassen, die eine Ungleichbehandlung von Mann und Frau vermeiden und gleichzeitig dem Prinzip der Rechtssicherheit Rechnung tragen.
II. Im Ausgangsverfahren hatte der verstorbene Ehemann der Ast. zur Zeit der Eheschließung die irakische Staatsangehörigkeit, so daß es für die Entscheidung im Erbscheinerteilungsverfahren nicht auf die Vorschrift des Art. 15 I EGBGB ankommt, nach der das eheliche Güterrecht nach deutschen Gesetzen beurteilt wird, wenn der Ehemann zur Zeit der Eheschließung ein Deutscher war. Da aber dieselben Gründe, die zur Nichtigkeit des Art. 15 II Halbs. 1 EGBGB führen, auch für die verfassungsrechtliche Beurteilung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung in Art. 15 I EGBGB gelten, hat das BVerfG in Anwendung des § 78 S. 2 BVerfGG auch dessen Nichtigkeit ausgesprochen (vgl. BVerfGE 29, 1 (10 f.) = NJW 1970, 1679). Soweit des Mannes unzulässig sein würden, kommt der Vorschrift eine selbständige Bedeutung zu, so daß sie nicht von der Nichtigkeit des Art. 15 II Halbs. 1 EGBGB erfaßt wird (vgl. BVerfGE 53, 1 (23 f.) = NJW 1980, 929).