Gutgläubiger einredefreier Erwerb von Grundschulden bei gesetzlichem Übergang
BGH, Urteil v. 12.12.1985  - IX ZR 15/85 (München) 
Fundstelle:

NJW 1986, 1487 f mit krit. Anm. Canaris

Vgl. auch BGH NJW 1997, 190


Amtl. Leitsatz:

Soweit ein nachrangiger Grundpfandgläubiger den die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreibenden Gläubiger befriedigt, geht dessen Grundpfandrecht kraft Gesetzes über, so daß ein gutgläubiger Erwerb frei von Einreden, die der Eigentümer dem bisherigen Gläubiger entgegensetzen konnte, ausscheidet.



Zum Sachverhalt:

Die Kl. und ihr Ehemann waren je zur Hälfte Miteigentümer eines bebauten Grundstücks. Am 9. 6. 1981 wurde eine nur auf dem Anteil des Ehemanns lastende Grundschuld über 350000 DM nebst 16 % Zinsen zugunsten der H-Bank in Abt. III Nr. 1 des Grundbuchs eingetragen. Für diese Grundschuld haftete laut Eintragung v. 28. 1. 1982 auch der Anteil der Kl. Nach deren Behauptung sagte anläßlich der Bewilligung der Pfanderstreckung am 15. 1. 1982 die H-Bank zu, daß sie sich vorrangig aus dem Anteil des Ehemanns befriedigen werde. Unter Nr. 2 wurde in Abt. III des Grundbuchs am 29. 1. 1982 eine Höchstbetragshypothek über 67000 DM auf dem Anteil des Ehemanns für die bekl. Bank auf Grund eines Arrestbeschlusses des LG v. 27. 1. 1982 eingetragen. Auf Betreiben der H-Bank als Grundschuldgläubigerin wurde am 14. 4. 1982 die Zwangsversteigerung des ganzen Grundstücks angeordnet. Der Beitritt der Bekl. zu dem Verfahren wurde wegen ihres Anspruchs gegen den Ehemann aus einem Vollstreckungsbescheid v. 16. 2. 1982 über 62400 DM am 12. 7. 1982 zugelassen. Im Termin v. 30. 11. 1982 erklärte die Bekl., die ihrer Sicherungshypothek vorgehende Grundschuld abzulösen, und übergab zu diesem Zweck den erforderlichen Betrag von 443769,22 DM. Die H-Bank bestätigte am 13. 12. 1982, wegen ihrer dinglichen Ansprüche befriedigt zu sein. Die Bekl. beantragte auch wegen der Grundschuld die Fortsetzung der Zwangsversteigerung. Im Termin v. 16. 8. 1983 wurde das Grundstück dem Meistbietenden für 550000 DM zugeschlagen. Nach dem dem Antrag der Bekl. entsprechenden, im Verteilungstermin v. 23. 9. 1983 festgestellten Plan sollte die nach Abzug der Kosten verbleibende Masse von 545083,88 DM ganz der Bekl. zufließen: Für ihre mit 490626,97 DM valutierende, durch den Zuschlag erloschene Grundschuld wurde ihr die Hälfte der verbleibenden  Masse, nämlich der Erlös von 272541,94 DM aus dem Miteigentumsanteil der Kl., aber nur ein Teilbetrag von 218085,03 DM aus dem Miteigentumsanteil des Ehemanns zugeteilt. Der von diesem Anteil verbleibende Resterlös von 54456,91 DM sollte der Bekl. für die erloschene Sicherungshypothek, eingetragen in Abt. III Nr. 2, ausgezahlt werden. Die Teilungsmasse wurde auf den Widerspruch der Kl. hinterlegt. Sie macht geltend, auch die Bekl. sei an die Zusage der Hypobank gebunden, sich zunächst aus dem Miteigentumsanteil des Ehemanns zu befriedigen. Das LG entschied antragsgemäß, daß aus dem hinterlegten Versteigerungserlös der Kl. ein Teilbetrag von 54456,91 DM zuzuteilen ist. Das OLG wies die Berufung zurück. Die Revision der Bekl. hat keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Entsprechend der Bewilligung der Kl. v. 15. 1. 1982 wurde mit der Eintragung v. 28. 1. 1982 die zugunsten der H-Bank auf dem Miteigentumsanteil des Ehemanns bestellte, in Abt. III Nr. 1 eingetragene Grundschuld auf den Miteigentumsanteil der Kl. erstreckt (vgl. Staudinger-Scherübl, BGB, 12. Aufl., § 1132 Rdnr. 11; Eickmann, in: MünchKomm § 1132 Rdnr. 15). Dadurch ist eine Gesamtgrundschuld begründet worden (§§ 1114, 1192, 1132 BGB; BGHZ 40, 115 (120) = NJW 1963, 2320 = LM § 2113 BGB Nr. 6/7; BGH, LM § 1132 BGB Nr. 1 = NJW 1961, 1352; allg. M.: Eickmann, in: MünchKomm, § 1114 Rdnr. 3 m. w. Nachw.). Gem. §§ 1132 I, 1192 BGB hätte die H-Bank Befriedigung nach ihrem Belieben aus jedem der Miteigentumsanteile ganz oder zum Teil suchen können (§ 1147 BGB).
2. Das BerGer. stellt jedoch unter Bezugnahme auf das Urteil des LG fest: Die Kl. hat vor dem Antrag auf Versteigerung mit der H-Bank vereinbart, daß diese sich in erster Linie aus dem Miteigentumsanteil des Ehemanns und nur wegen des Restes aus dem Anteil der Kl. befriedigen werde. Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision vergebens.
a) Aufgrund der an die Vertreter der Kl. gerichteten Schreiben der H-Bank v. 13. 5. 1982, 7. 1. 1983 und 18. 6. 1984 konnte der Tatrichter zu der Überzeugung gelangen, daß eine solche Vereinbarung getroffen worden ist.
b) Diese Abrede hat entgegen den Angriffen der Revision einen eindeutigen Inhalt: Die Grundschuldgläubigerin hat sich gegenüber der Miteigentümerin des belasteten Grundstücks verpflichtet, sich aus deren Anteil nur insoweit zu befriedigen, als aus dem Anteil des Miteigentümers eine volle Befriedigung nicht erlangt werden kann. Dieses Entgegenkommen der H-Bank hatte seinen Grund darin, daß die Kl. unstreitig weder für die persönlichen Schulden ihres Ehemannes einzustehen hatte noch ihm oder der H-Bank gegenüber verpflichtet war, die Pfanderstreckung auf ihren Miteigentumsanteil zu bewilligen. Es ist daher entgegen der Meinung der Revision nicht rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter auch darauf abstellt, daß die Kl. der H-Bank schuldrechtlich nicht verpflichtet war.
3. Gem. §§ 1192, 1157 S. 1 BGB kann eine Einrede, die dem Eigentümer aufgrund eines zwischen ihm und dem bisherigen Gläubiger bestehenden Rechtsverhältnisses gegen die Grundschuld zusteht, auch dem neuen Gläubiger entgegengesetzt werden. Die Vereinbarung der Kl. als Miteigentümerin mit der Grundschuldgläubigerin, daß diese aus dem Anteil der Kl. nur Befriedigung suchen dürfe, soweit sie nicht aus dem anderen Miteigentumsanteil Befriedigung finde, hat eine solche Einrede i. S. des § 1157 BGB begründet. Denn der vereinbarte schuldrechtliche Anspruch der Miteigentümerin begrenzte das dingliche Recht der Gesamtgrundschuldgläubigerin, sich nach Belieben aus ihrem Miteigentumsanteil zu befriedigen.
a) Auch für diese Einrede gelten gem. §§ 1192, 1157 S. 2 BGB die Vorschriften der §§ 892, 894 bis 899, 1140 BGB, nicht aber § 893 BGB. Der neue Gläubiger kann danach die Gesamtgrundschuld ohne Beschränkung durch die aus dem Grundbuch oder dem Brief nicht ersichtlichen Einreden erwerben, wenn er sie nicht kennt. Ein gutgläubiger Erwerb setzt aber voraus, daß der neue Gläubiger das Grundpfandrecht durch Rechtsgeschäft vom bisherigen Gläubiger erworben hat. Das war hier jedoch nicht der Fall, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben.
b) Nachdem die H-Bank wegen ihrer erstrangigen Gesamtgrundschuld die Zwangsversteigerung der beiden Miteigentumsanteile betrieben hatte und keines der Grundpfandrechte ins geringste Gebot aufgenommen worden war, lief die Bekl. Gefahr, mit ihrer aufgrund des Arrestes v. 27. 1. 1982 auf dem Miteigentumsanteil des Ehemanns an zweiter Rangstelle lastenden Sicherungshypothek (§ 932 ZPO mit §§ 1184, 1185, 1190 BGB) auszufallen. Für eine Sicherungshypothek ist in § 1185 II BGB die Anwendung des § 1150 BGB nicht ausgeschlossen. Die Bekl. war daher berechtigt, gem. §§ 1150, 268 I 1, 1192 BGB die H-Bank wegen ihrer Gesamtgrundschuld zu befriedigen. Weder die Zustimmung der Eigentümer noch ein Vertrag mit dem Inhaber der Grundschuld waren dazu erforderlich. Durch die Zahlung des zur Deckung von Kapital, Zinsen und Kosten erforderlichen Betrags von 443769,22 DM hat die Bekl. die dinglichen Ansprüche der H-Bank laut deren Quittung v. 13. 12. 1982 befriedigt. Die dinglichen Rechte der H-Bank aus der Gesamtgrundschuld sind damit gem. §§ 1192, 1150, 268 III 1 BGB auf die Bekl. übergegangen. Dieser Übergang ist mithin kraft Gesetzes eingetreten, so daß ein gutgläubiger Erwerb der einredefreien Grundschuld ausscheidet (ebenso  Eickmann, in: MünchKomm, § 1157 Rdnr. 18; wohl auch Staudinger-Scherübl, BGB, 12. Aufl., § 1157 Rdnr. 10 im Gegensatz zur 11. Aufl. § 1157 Rdnr. 7).
4. Mit dem rechtskräftigen Zuschlag v. 16. 8. 1983 sind das Eigentum der Kl. und ihres Ehemanns an dem Grundstück, aber auch die auf die Bekl. übergegangene einredebehaftete Grundschuld und die Sicherungshypothek gem. § 91 I ZVG erloschen mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Grundstücks als Surrogat der Versteigerungserlös getreten ist. An diesem setzen sich die erloschenen Rechte und die früheren Rechtsbeziehungen fort, soweit dem nicht der Umstand entgegensteht, daß nicht mehr ein Grundstück den Gegenstand dieser Rechte und Rechtsbeziehungen bildet. An die Stelle des Eigentums tritt für die früheren Eigentümer der Anspruch auf den Versteigerungserlös mit den sich aus dem ZVG ergebenden Verfügungsbeschränkungen. An die Stelle der Grundschuld trat das Recht der Bekl., sich in Höhe des Grundschuldbetrags aus dem Erlös zu befriedigen (st. Rspr., Senat, NJW 1985, 388 = LM § 91 ZVG Nr. 14 = ZIP 1984, 1536 (1539)). Der BGH hat weiter entschieden, daß der vertragliche Anspruch des früheren Eigentümers auf Rückgewähr des bei Beendigung des Sicherungsvertrags nicht valutierten Teils einer Grundschuld sich in einen Anspruch auf den entsprechenden Teil des Versteigerungserlöses umwandelt (BGH, LM § 91 ZVG Nr. 1 und BGH, NJW 1985, 388 = LM § 91 ZVG Nr. 14 = ZIP 1984, 1536). In entsprechender  Weise muß hier die Einrede der Kl. gegen die Befriedigung der Bekl. aus dem auf den Miteigentumsanteil der Kl. entfallenden Erlös beachtet werden. Denn die bis zum Zuschlag bestehenden Rechtsbeziehungen setzen sich mit der Maßgabe fort, daß an die Stelle des Grundstücks der Versteigerungserlös getreten ist. Das bedeutet, daß die Bekl. sich wegen der ihr bisher zustehenden Gesamtgrundschuld zunächst aus dem auf den Miteigentumsanteil des Ehemanns entfallenden Teil des Erlöses befriedigen muß und nur wegen ihres dann noch nicht befriedigten Teils der Gesamtgrundschuld in Höhe von 218085,03 DM den auf den Miteigentumsanteil der Kl. entfallenden Erlös in Anspruch nehmen kann. Danach gebühren der Kl. aus dem Erlös für ihren Miteigentumsanteil die restlichen (272541,94 DM - 218085,03 DM =) 54456,91 DM. Das LG hat daher zu Recht nach § 115 ZVG, § 880 ZPO entschieden, daß der Kl. aus dem hinterlegten Versteigerungserlös ein Teilbetrag von 54456,91 DM zuzuteilen ist.


<- Zurück mit dem "Back"-Button Ihres Browsers!