NJW 1990, 1658
LM § 459 BGB Nr. 98
MDR 1990, 105
JZ 1991, 257
BB 1990, 1021
DB 1990, 1911
WM 1990, 1344
Siehe auch die Anmerkung zu BGH
NJW 1999,1404
1. Der in einem Jahr bei nur eingeschränkter
Öffnungszeit erzielte Bierumsatz einer Gaststätte ist keine Eigenschaft
des Grundstücks.
2. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen falscher
Angaben bei Vertragsschluß über Umstände, die für
den Abschluß von Bedeutung waren, aber nicht zur Beschaffenheit der
Sache zählen (hier: Bierumsatz), verjährt in 30 Jahren.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 2. 5. 1984
verkauften die Bekl. an die Kl. ein - inzwischen versteigertes - Grundstück
mit Gaststätte und Pension unter Ausschluß jeder Gewährleistung.
Die Kl. hat behauptet, der bekl. Ehemann habe den von ihnen im letzten
Jahr trotz eingeschränkter Öffnungszeiten der Gaststätte
erzielten monatlichen Bierumsatz wider besseres Wissen mit 25 hl angegeben.
Außerdem hätten die Bekl. vorhandene Feuchtigkeit im Haus arglistig
verschwiegen. Die Kl. hat zuletzt beantragt, die Bekl. zu verurteilen,
den gezahlten Kaufpreisanteil von 388700 DM nebst Zinsen zurückzuerstatten,
die Zwangsvollstreckung aus der Kaufvertragsurkunde für unzulässig
zu erklären und festzustellen, daß die Bekl. sich mit der Annahme
des Angebots zur Rückübereignung des Grundstücks in Verzug
befunden haben, hilfsweise, festzustellen, daß die Bekl. als Gesamtschuldner
verpflichtet sind, der Kl. den Schaden zu ersetzen, der dieser entstanden
ist, weil die Bekl. sich mit ihrer Rückzahlungsverpflichtung in Verzug
befinden.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Die Revision der Kl. führte zur Zurückverweisung der Sache an
das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. unterstellt, der Bekl. habe - wahrheitswidrig
- erklärt, er habe in der Vergangenheit monatlich 25 hl Bier umgesetzt.
Es vertritt die Auffassung, ein hieraus hergeleiteter Schadensersatzanspruch
wegen Verschuldens bei Vertragsschluß sei gem. § 477 BGB verjährt.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II. Zutreffend geht das BerGer. allerdings davon
aus, daß ein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß wegen
falscher Angabe des von den Bekl. im letzten Jahr erzielten Bierumsatzes
nicht durch die Gewährleistungsvorschriften der §§ 459 ff.
BGB ausgeschlossen ist. Denn die behauptete falsche Erklärung bezieht
sich nicht auf eine Eigenschaft des verkauften Grundstücks, sondern
auf einen anderen Umstand, der für den Kaufentschluß der Kl.
von Bedeutung war. Die Bestimmungen der §§ 459 ff. BGB stellen
nur insoweit eine abschließende Sonderregelung dar, als der Verkäufer
über die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes im Hinblick auf Fehler
i. S. des § 459 I BGB oder Eigenschaften i. S. des § 459 II BGB
fahrlässig falsche Angaben macht (Senat, NJW-RR 1988, 10; Hagen, Die
neuere Rechtsprechung des BGH zum Grundstückskauf, WM Sonderbeil.
Nr. 7/1989, s. 14). Der von dem Bekl. im letzten Jahr vor Vertragsabschluß
erzielte Bierumsatz ist keine Eigenschaft des Kaufobjekts. Eigenschaften
im Sinne des § 459 II BGB sind - neben der physischen Beschaffenheit
- alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, welche die
Beziehung der Sache zur Umwelt betreffen und wegen ihrer Art und Dauer
die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen (BGHZ 79,
183 (185) = NJW 1981, 864 = LM § 459 BGB Nr. 57; Senat, NJW-RR 1988,
348 = LM § 463 BGB Nr. 50 = WM 1988, 48 (51)). Umsatz- und Ertragsangaben
stellen grundsätzlich keine zusicherungsfähigen Eigenschaften
eines Unternehmens dar, wenn sie sich nicht über einen längeren,
mehrjährigen Zeitraum erstrecken und deshalb keinen verläßlichen
Anhalt für die Bewertung der Ertragsfähigkeit und damit für
die Ermittlung des Wertes des Unternehmens geben (BGH, NJW-RR 1989,
306 = WM 1988, 1700 (1702); a. A. H. P. Westermann, in: MünchKomm,
2. Aufl., § 459 Rdnr. 50).
Dasselbe muß für den Bierumsatz einer
Gaststätte gelten. Hat der Verkäufer die Gaststätte - wie
hier - nur ein Jahr und auch nur in eingeschränktem Umfang betrieben,
ist der in dieser Zeit erzielte monatliche Bierumsatz nicht geeignet, einen
verläßlichen Anhalt für die Bewertung der Ertragsfähigkeit
der Gaststätte und damit des Grundstücks zu geben. Er stellt
keine zusicherungsfähige Eigenschaft des Grundstücks i. S. des
§ 459 II BGB dar. Da er für den Kaufentschluß der Kl. gleichwohl
von Bedeutung war, mußte die hierüber abgegebene Erklärung
richtig sein (Senat, NJW-RR 1988, 458 = WM 1988, 95 (96)). War dies nicht
der Fall, so ist ein hierauf gestützter Anspruch aus culpa in contrahendo
(BGH, NJW 1970, 653 (655) = LM § 276 (Fb) BGB Nr. 5) nicht verjährt.
Ein solcher Anspruch verjährt gem. § 195 BGB erst nach 30 Jahren
(Staudinger-Honsell, BGB, 12. Aufl., § 477 Rdnr. 13). § 477 BGB
findet entgegen der Ansicht des BerGer. keine Anwendung. Zwar wird die
Vorschrift in der Rechtsprechung und im Schrifttum teilweise auch für
Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluß herangezogen
(RGZ 129, 280 (282); BGHZ 79, 183 (187) = NJW 1981, 864 = LM § 459
BGB Nr. 57; Erman-Weitnauer, BGB, 8. Aufl., § 477 Rdnr. 3; Palandt-Putzo,
BGB, 48. Aufl., § 477 Anm. 1d dd). Dies geschieht aber nur insoweit,
als sich das Verschulden auf unrichtige Angaben über die Beschaffenheit
der Kaufsache bezieht. Dann ist indessen bei fahrlässigen Falschangaben
die Verschuldenshaftung aus Konkurrenzgründen ohnehin ausgeschlossen,
und Fälle der Arglist nimmt § 477 BGB von der kurzen Verjährung
aus. Betrifft das Verschulden dagegen Umstände, die nicht zur Beschaffenheit
der Sache zählen, gleichwohl aber für den Kaufentschluß
von Bedeutung waren, besteht zur vertraglichen Gewährleistungshaftung
von vornherein kein sachlicher Zusammenhang. Damit ist auch für die
Anwendung von § 477 BGB kein Raum. Die vom BerGer. angeführte
Entscheidung BGHZ 88, 130 = NJW 1983, 2697 = LM § 477 BGB Nr. 39 steht
dem nicht entgegen. Sie betrifft nicht einen Anspruch wegen Verschuldens
bei Vertragsschluß, sondern einen solchen wegen schuldhafter Verletzung
einer selbständigen Nebenverpflichtung aus dem Kaufvertrag, und zwar
zur Aufklärung über eine Eigenschaft der Kaufsache.
Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben
und die Sache zwecks weiterer Feststellungen zu der behaupteten Erklärung
über den monatlichen Bierumsatz an das BerGer. zurückzuverweisen,
wobei der Senat von der Möglichkeit nach § 565 I S. 1 ZPO Gebrauch
macht. Soweit das LG hierzu bereits Beweis erhoben hat, wird das BerGer.
zu berücksichtigen haben, daß der Makler nach dem unter Beweis
gestellten Vorbringen der Kl. an dem fraglichen Gespräch nicht teilgenommen
haben soll.