Haftung für fahrlässige Falschangaben über den Umsatz eines verkauften Unternehmens, Konkurrenz §§ 459 ff BGB und c.i.c.; Erfordernis des substantiierten Bestreitens zur Vermeidung der Geständnisfiktion des § 138 III ZPO


BGH, Urt. v. 3. 2. 1999 - VIII ZR 14/98 

Fundstelle:

BGH NJW 1999, 1404 ff
vgl. auch BGH NJW 1990, 3151
sowie BGH NJW 1999, 3192



Amtl. Leitsatz:

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die nicht darlegungs- und beweisbelastete Prozeßpartei Tatsachenbehauptungen der Gegenpartei substantiiert bestreiten muß.



Zentrale Probleme des Falles:

Es geht in der sehr lehrreichen Entscheidung im wesentlichen um zwei Problemkreise, in welchen der BGH jeweils seine bisherige Rechtsprechung bestätigt:
1.) Die Klägerin macht geltend, beim Kauf einer Anwaltskanzlei durch falsche Angaben zum Umsatz getäuscht worden zu sein. Sie macht neben der Anfechtung nach § 123 BGB einen Schadensersatzanspruch aus c.i.c. geltend. Hierbei stellt sich die - insbesondere beim Unternehmenskauf relevante - Frage, ob es ich bei dem Umsatz um eine fehlerbegründende Eigenschaft handelt. Ist dies der Fall, sind die §§ 459 ff BGB gegenüber einer nur fahrlässigen c.i.c. speziell. Der BGH verneint allerdings in st. Rspr., daß der bloße Umsatz (anders die Ertragsfähigkeit als solche) eine fehlerbegründende Eigenschaft i.S.v. § 459 BGB ist (Arg.: Hat nicht auf Dauer in der Sache selbst ihren Grund) und macht damit die "Bahn frei" für SE-Ansprüche aus c.i.c.
2.) Damit stellte sich das Problem der Beweislast: Die Klägerin hatte behauptet, die Umsatzangaben seien falsch gewesen, der Bekl. hatte dies nur bestritten, ohne konkrete Gegenbehauptungen anzustellen. Da die Kl. die Beweislast hat, genügt dies "eigentlich". Allerdings verlangt § 138 ZPO u.U. ein substantiiertes Bestreiten, wenn nämlich der Kl. keine konkrete Angaben machen kann. Das kann de facto sehr nahe an eine Beweislastumkehr herankommen: Wenn nämlich der Bekl. nicht substantiiert bestreitet (also konkrete Gegen"beweise" bringt), gilt dann die Behauptung der Kl. als zugestanden (§ 138 III ZPO). Allerdings kommt eine solche Pflicht zum substantiierten Bestreiten (man spricht auch von einer "sekundären Behauptungslast") nur in Ausnahmefällen in Betracht, weil das sonst zu einer prozessualen Aufklärungspflicht unabhängig von der (im materiellen Recht geregelten) Beweislast führen würde, vgl. hierzu insbesondere BGH NJW 1990, 3151. Die vorliegende Entscheidung zählt diese Ausnahmen auf und verneint eine Pflicht für den konkreten Fall.



Zum Sachverhalt:

Mit Vertrag vom 5./10. 3. 1996 veräußerte der Bekl. seine Anwaltskanzlei zum Kaufpreis von 180 000 DM an die Kl. Im Zuge der dem Vertragsschluß vorausgegangenen Verhandlungen hatte er der Kl. mit Schreiben vom 8. 1. 1996 Jahreseinnahmen der Kanzlei für die Jahre 1992 bis 1994 mit 333 600 DM, 293 800 DM und 350 000 DM angegeben. Einnahmen in dieser Höhe für die betreffenden Jahre hatte Rechtsanwalt K, der frühere Sozius des Bekl., der in der Kanzlei die Bücher führte, ermittelt und im Februar 1995 den Steuerberatern der Kanzlei mitgeteilt. Diese bestätigten mit Schreiben vom 10. 1. 1996, das der Bekl. der Kl. zuleitete, die Richtigkeit dieser Zahlen. Die Kl. bezahlte den Kaufpreis und übernahm die Kanzlei zum 1. 4. 1996. Mit einem an den Bekl. gerichteten Schreiben vom 12. 6. 1996 focht sie den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Zur Begründung machte sie geltend, die ihr mitgeteilten Jahresumsätze seien unrichtig, weil in den genannten Beträgen Fremdgelder enthalten seien, die Rechtsanwalt K fälschlich als Einnahmen gebucht habe. Unter Herausrechnung der Fremdgelder ergäben sich Jahresumsätze für das Jahr 1992 von 295 255,48 DM, für das Jahr 1993 von 211705,61DM und für das Jahr 1994 von 114 338,17 DM. Zum Beleg hierfür hat die Kl. Gewinn- und Verlustrechnungen und Gewinnermittlungen für die betreffenden Jahre vorgelegt. Sie hat sich ferner auf ein Schreiben vom 29. 3. 1996 berufen, in welchem Rechtsanwalt K dem Steuerberater U der Kanzlei "auf der Grundlage der von (dem Bekl.) überlassenen Mandatskontenlisten 1991 bis 1994 . . . die Beträge (mitteilte), die in den Jahressteuererklärungen fälschlich als Betriebseinnahmen/Gewinn gebucht und behandelt (worden) bzw. als durchlaufende Gelder aufzunehmen (seien)". Diese Beträge sind für das Jahr 1991 mit 31203,45 DM, für das Jahr 1992 mit 25994,95 DM, für das Jahr 1993 mit 97198,40 DM und für das Jahr 1994 mit 99438,48 DM angegeben. Mit der Klage begehrt die Kl. Erstattung des Kaufpreises und Ersatz der ihr im Zusammenhang mit der Kanzleiübernahme entstandenen Aufwendungen, die sie auf insgesamt 43501,57 DM beziffert, abzüglich erzielter Einnahmen in Höhe von 13398,97 DM. Der Bekl. hat behauptet, seine Angaben zu den Kanzleiumsätzen der Jahre 1992 bis 1994 seien richtig. Fremdgelder seien in den genannten Beträgen nicht enthalten. Die von Rechtsanwalt K in dessen Schreiben vom 29. 3. 1996 genannten Zahlen seien unrichtig, die von der Kl. vorgelegten, nachträglich erstellten Gewinn- und Verlustrechnungen für ihn nicht nachvollziehbar.
Das LG hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und den Bekl. zur Zahlung von 210 102,59 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Kanzleiinventars und der der Kl. überlassenen Akten verurteilt. Das OLG hat die Berufung des Bekl. zurückgewiesen und auf die in zweiter Instanz erweiterte Klage festgestellt, daß der Bekl. sich mit der Rücknahme des Kanzleiinventars in Annahmeverzug befinde. Die Revision des Bekl. war erfolgreich und führte zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung an das BerGer.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat ausgeführt:

Der Bekl. sei der Kl. wegen Verschuldens bei Vertragsschluß zum Schadensersatz verpflichtet. Ein hierauf gegründeter Schadensersatzanspruch der Kl. sei weder durch die erklärte Anfechtung noch - mangels vertraglicher Zusicherung - durch die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften ausgeschlossen. Der Bekl. habe - unter anderem - in seinem Schreiben vom 8. 1. 1996, das zur Bildung des Kaufpreises herangezogen worden sei, unrichtige Angaben zu den Kanzleieinnahmen gemacht. Die Kl. habe mittels der Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 1992 bis 1994 im einzelnen dargelegt, daß und wie bei den einzelnen Mandanten Fremdgelder, Auslagen und Gebühren nicht von den sonstigen Einnahmen getrennt worden seien. Gegenüber einem "so nachvollziehbaren Rechenwerk" und der nach dem Sachvortrag der Kl. zutreffenden Vergleichsberechnung anhand der Gewinnermittlungen nach § 4 III EStG für die genannten Jahre reiche ein einfaches Bestreiten nicht aus. Von dem Bekl. sei insoweit vielmehr ein substantiiertes Bestreiten zu verlangen gewesen. Nähere Angaben dazu, wie denn die (korrekte) Verbuchung geschehen sei, wären dem Bekl. auch zumutbar gewesen. Daß er die notwendigen Informationen für eine Gegenrechnung gehabt hätte, gehe aus seinem Schreiben vom 11. 1. 1996 hervor, mit welchem er Rechtsanwalt K die Mandantenkontenlisten zur Verfügung gestellt habe, die zur Zusammenstellung der durchlaufenden Gelder durch Rechtsanwalt K vom 29. 3. 1996 geführt hätten. In Anbetracht des bloßen Bestreitens der Endbeträge der in den Jahresumsatzzahlen enthaltenen Fremdgelder habe es das LG mangels substantiierten Sachvortrags zu Recht als unstreitig angesehen, daß die in dem Schreiben des Bekl. vom 8. 1. 1996 genannten Jahreseinnahmesummen unzutreffend seien. Aufgrund des Schriftverkehrs stehe ferner fest, daß der Bekl. dies bei den Vertragsverhandlungen wenigstens billigend in Kauf genommen habe. In einem Schreiben vom 16. 5. 1995 an die Rechtsanwaltskammer habe er nämlich selbst ausgeführt, Rechtsanwalt K habe Eingangsbuchungen in Gesamtbeträgen ohne Aufschlüsselung nach Fremdgeld, Auslagen und Gebühren vorgenommen. Daß Rechtsanwalt K eine unkorrekte Buchungspraxis gegenüber der Rechtsanwaltskammer verständlicherweise bestritten habe, ändere daran nichts. Die falschen Einnahmezahlen seien unstreitig in den verhandelten Kaufpreis eingegangen. Dem Vorbringen der Kl., sie hätte bei Angabe richtiger Zahlen vom Vertragsschluß Abstand genommen, sei der Bekl. nicht mit dem ihm obliegenden Beweisantritt entgegengetreten. Auch der Höhe nach begegne die Verurteilung des Bekl. keinen Bedenken. Für den der Kl. zustehenden Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens sei es unerheblich, ob die Kanzlei den vereinbarten Kaufpreis wert gewesen sei. Auch die darüber hinaus geltend gemachten Aufwendungen habe der Bekl. der Kl. als Vertrauensschaden zu ersetzen. Daß die Kl. höhere als die von ihr angegebenen Einnahmen erzielt habe, habe der Bekl. nicht substantiiert dargetan. Da der Bekl. sich mit der Rücknahme des Kanzleiinventars in Annahmeverzug befinde, sei auch der in zweiter Instanz erhobene Feststellungsantrag begründet.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Zutreffend geht das BerGer. allerdings davon aus, daß sich eine Schadensersatzpflicht des Bekl. wegen unrichtiger Angaben zu den Kanzleieinnahmen der Jahre 1992 bis 1994 aus Verschulden bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo) ergeben kann. Der Vorrang der kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften steht einem solchen Anspruch schon deswegen nicht entgegen, weil Angaben des Verkäufers über Umsätze und Erträge des verkauften Unternehmens regelmäßig weder einen Sachmangel begründen noch eine zusicherungsfähige Eigenschaft des Unternehmens darstellen (Senat, NJW-RR 1989, 306 = WM 1988, 1700 [unter 112]; Senat, NJW 1995, 1547 = LM H. 8/1995 § 459 BGB Nr. 125 = WM 1995, 767 [unter 12 c]; Senat, NJW-RR 1996,429 [unter II 1]). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie sich - wie hier (vgl. Senat, NJW-RR 1989, 306 = WM 1988, 1700 [unter II 2]) - nicht über einen längeren, mehrjährigen Zeitraum erstrecken und deshalb keinen verläßlichen Anhalt für die Bewertung der Ertragsfähigkeit und damit des Wertes des Unternehmens geben (Senat, NJW-RR 1989, 306 = WM 1988, 1700 [unter II 2], und Senat, NJW 1995, 1547 = LM H. 8/1995 § 459 BGB Nr. 125 = WM 1995, 767 [unter 12 c] m. w. Nachw.). Diese zur Veräußerung eines kaufmännischen Unternehmens entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für den damit vergleichbaren Verkauf einer Rechtsanwaltskanzlei (vgl. Senat, NJW-RR 1989, 306, für den Verkauf einer Rechtsbeistandspraxis).
Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluß werden zudem durch die Vorschriften über die kaufrechtliche Sachmängelgewährleistung dann nicht verdrängt, wenn der Verkäufer vorsätzlich unrichtige Angaben gemacht hat (st. Rspr., z.B. BGH, NJW 1995,45 = LM H. 3/1995 § 133 [A] BGB Nr. 24 = WM 1995, 263, und BGH, NJW 1995, 2159 = LM H. 10/ 1995 § 166 BGB Nr. 34 = WM 1995, 1145 [unter II 1], jew. m. w. Nachw.), was das BerGer. im Streitfall annimmt. An der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsschluß ist die Kl. schließlich auch nicht durch die von ihr erklärte Täuschungsanfechtung - deren Wirksamkeit unterstellt - gehindert. Der auf die Anfechtung zurückgehende Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung und der durch die Täuschung begründete Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlichen Verschuldens beim Vertragsschluß stehen dem getäuschten Käufer nebeneinander zu (BGH, NJW 1995, 45 = LM H. 3/1995 § 133 [A] BGB Nr. 24 = WM 1995, 263). Der Käufer kann danach ohne Beschränkung auf das Erfüllungsinteresse verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn es zu dem Kauf nicht gekommen wäre (BGH, NJW 1992, 2564 = LM H. 2/1993 § 276 [Fa] BGB Nr. 127 = WM 1992, 1997 [unter II 3 a], und BGH, NJW 1995, 2159 = LM H. 10/1995 § 166 BGB Nr. 34 = WM 1995, 1145).
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Annahme des BerGer., der Bekl. habe die Behauptung der Kl. nicht wirksam bestritten, in den von ihm genannten und der Kl. schriftlich mitgeteilten Umsatzzahlen seien Fremdgelder enthalten gewesen.
a) Daß der Bekl. diesen Sachvortrag der Kl. jedenfalls durch einfaches Bestreiten in Abrede gestellt hat, steht aufgrund der Beweiskraft des Tatbestands des Berufungsurteils (§ 314 ZPO) fest. Davon, daß der Bekl. den betreffenden Sachvortrag der Kl. bestritten hat, geht auch das BerGer. aus. Es behandelt das Vorbringen der Kl. allein deshalb als unstreitig, weil ein einfaches Bestreiten nicht ausreiche, der Bekl. vielmehr substantiiert hätte bestreiten, d. h. eine Gegenrechnung aufmachen müssen.
b) Das ist nicht richtig.
aa) Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner - hier die Kl. - vorgetragen hat (st. Rspr., z. B. BGH, NJW 1990,45 = LM § 42 VerglO Nr. 6 = WM 1989, 1779 [unter IV], und BGH, NJW 1993, 528 = LM H. 5/1993 § 823 [Dc] BGB Nr. 186 = WM 1993, 461 [unter II 4 a], jew. m. w. Nachw.). In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Kl. das einfache Bestreiten des Bekl. (BGH, NJW 1993, 1782 = LM H. 8/1993 § 836 BGB Nr. 24 [unter II 3 a] m.w. Nachw.; BGH, NJW 1995, 3311 = LM H. 2/1996 § 780 BGB Nr. 17 [unter II 3]). Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muß, läßt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH, DtZ 1993, 278 = LM H. 9/1993 § 79 DDR-VertragsG Nr. 4 [unter II 2 b cc], und BGH, NJW 1993, 3196 = LM H. 2/1994 § 677 BGB Nr. 32 [unter III 1], jew. m. w. Nachw.). Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (st. Rspr., z. B. BGH, DtZ 1993, 278 = LM H. 9/1993 § 79 DDR-VertragsG Nr. 4 [unter 112 b cc], und BGH, NJW 1995, 3311 = LM H. 2/1996 § 780 BGB Nr. 17; BGH, NJW 1990, 3151 = LM § 138 ZPO Nr. 28 = WM 1990, 1844 [unter III 2]; BGH, NJW 1997, 128 = LM H. 2/1997 § 362 BGB Nr. 24 = WM 1996, 2253 [unter 112 b], jew. m. w. Nachw.). bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe war das einfache Bestreiten des Bekl. ausreichend und wirksam.
(1) Entgegen der Auffassung des BerGer. hat die Kl. mit Hilfe der vom BerGer. angeführten Unterlagen nicht im einzelnen dargetan, daß und wie bei den einzelnen Mandantenkonten Fremdgelder, Auslagen und Gebühren ohne Trennung von den sonstigen Einnahmen (Honoraren) gebucht worden sein sollen. Den Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 1992 bis 1994, auf die das BerGer. sich in diesem Zusammenhang in erster Linie bezieht, ist dafür nichts zu entnehmen. Auf der Einnahmeseite dieser Aufstellungen sind jeweils nur "Erlöse", "sonstige Erlöse" und "Zinserträge" für einen bestimmten Monat sowie "kumuliert" aufgelistet. Ob und in welcher Höhe bei den aufgelisteten Beträgen Fremdgelder als Kanzleieinnahmen verbucht worden sind, geht aus den Aufstellungen nicht hervor. Ebensowenig lassen sie Rückschlüsse darauf zu, ob und in welcher Weise Fremdgelder, Auslagen und Gebühren bei den einzelnen Mandantenkonten verbucht worden sind. Darüber könnten allenfalls Kontenblätter oder die Mandantenkontenlisten Aufschluß geben, zu deren Inhalt die Kl. indessen nichts vorgetragen und die sie auch nicht zu den Akten gereicht hat.
(2) Unergiebig sind insoweit auch die von der Kl. weiter zu den Akten gereichten "Gewinnermittlungen nach § 4 III EStG". Ein Abzugsposten "enthaltene Fremdgelder - netto" findet sich allein in der "berichtigten Gewinnermittlung" für das Jahr 1992. Die Aufstellung läßt indessen nicht erkennen, wie sich der dort aufgeführte Betrag von 22802,59 DM zusammensetzt, sowie ob und in welchem Umfang ihm tatsächlich fälschlich als Honorareinnahmen verbuchte Fremdgelder zugrunde liegen. Dies im einzelnen darzulegen, wäre Sache der Kl. gewesen. Solange sie untätig blieb, durfte der Bekl. sich auf ein einfaches Bestreiten ihres Sachvortrags beschränken.
(3) Ein einfaches Bestreiten des Bekl. war schließlich auch insoweit ausreichend, als die Kl. sich zur Stützung ihres Sachvortrags auf das zu den Akten gereichte Schreiben des Rechtsanwalts K vom 29. 3. 1996 bezogen hat. Die dort jeweils als Jahressumme aufgeführten Beträge lassen gleichfalls nicht erkennen, wie sie sich im einzelnen zusammensetzen. Sie beziehen sich zudem auf die Jahressteuererklärungen, die nicht zu den Akten gelangt sind und zu deren Inhalt die Kl. nichts vorgetragen hat. Dem Schreiben vom 29. 3. 1996 ist somit nicht mehr zu entnehmen als die pauschale Behauptung, in den Jahren 1991 bis 1994 seien Fremdgelder in Höhe der jeweils angegebenen Summen "in den Jahressteuererklärungen" fälschlich als Betriebseinnahmen gebucht und behandelt worden. Dieses pauschale Vorbringen der Kl. durfte der Bekl. ebenso pauschal bestreiten.
cc) Umstände, die ausnahmsweise eine Substantiierungslast des nicht darlegungs- und beweispflichtigen Bekl. begründen könnten, hat das BerGer. nicht festgestellt. Die Mandatskontenlisten, die möglicherweise Aufschluß über die Verbuchung eingehender Fremdgelder geben könnten, hat der Bekl. nach der Darstellung der Kl., die das BerGer. seiner Entscheidung zugrunde legt, bereits mit Schreiben vom 11. 1. 1996, also vor Abschluß des Kaufvertrags der Parteien, an Rechtsanwalt K übersandt. Daß dieselben danach an den Bekl. zurückgelangt wären, ist weder festgestellt noch von der Kl. vorgetragen worden. Die in der Kanzlei vorhandene EDV-Anlage, mit deren Hilfe möglicherweise Feststellungen zur Verbuchung ein- gegangener Gelder getroffen werden können, ist mit der Übernahme der Kanzlei durch die Kl. in deren Besitz übergegangen. Dasselbe gilt zumindest für einen Teil des vorhandenen Akten-bestandes. Unter diesen Umständen ist dem Bekl. auch unter Berücksichtigung seiner Äußerungen in seinem Schreiben an die Rechtsanwaltskammer vom 16. 5. 1995, sein für die Buchhaltung verantwortlicher Kollege K habe die Buchungen nur in Gesamtbeträgen vorgenommen und müsse die Einbuchungen nach Fremdgeldern, Auslagen und Gebühren aufschlüsseln, nicht die Möglichkeit abgeschnitten, das nicht nachvollziehbare Rechenwerk der Kl. durch ein einfaches Bestreiten in Frage zu stellen. Es fehlt nach alledem an den Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung ausnahmsweise eine Substantiierungslast der an sich nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei anerkennt.
III. Der Klage hätte daher nicht ohne Beweisaufnahme über die angebliche Unrichtigkeit der von dem Bekl. genannten Umsatzzahlen stattgegeben werden dürfen. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen teilweise - in Höhe des von der Kl. gezahlten Kaufpreises von 180 000 DM - als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. Der Kaufvertrag der Parteien ist nicht gem. § 134 BGB i. V. mit § 203 StGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (vgl. dazu BGHZ 116, 268 [272ff.] = NJW 1992, 737 = LM H. 5/1992 § 134 BGB Nr. 137 für den Verkauf einer Arztpraxis; Senat, NJW 1995, 2026 = LM H. 11/ 1995 § 134 BGB Nr. 149 = WM 1995, 1357 für die Übertragung einer Rechtsanwaltskanzlei; Senat, NJW 1996, 2087 = LM H. 9/1996 § 134 BGB Nr. 157 = WM 1996, 1815 für die Übertragung einer Steuerberaterkanzlei). Die Parteien haben nämlich in § 7 des Kaufvertrags vereinbart, daß Aktenvorgänge und sonstige Unterlagen der Kl. nur insoweit überlassen werden, als sie Auftraggeber betreffen, die mit der Fortführung des Mandates durch die Kl. einverstanden sind. Eine solche Absprache verletzt weder das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Mandanten noch die anwaltliche Schweigepflicht des veräußernden Rechtsanwalts (Senat, NJW 1995, 2026 = LM H. 11/1995 § 134 BGB Nr. 149 = WM 1995, 1357 für die Übertragung einer Rechtsanwaltskanzlei). Ob dies auch für die in § 8 des Vertrags geregelte Abtretung der Honorarforderungen gilt, bedarf keiner Entscheidung. Die eventuelle Nichtigkeit dieser Vertragsbestimmung (vgl. dazu Senat, NJW 1995, 2026 = LM H. 11/1995 § 134 BGB Nr. 149 =WM 1995, 1357 für die Übertragung einer Rechtsanwaltskanzlei) hat nach dem Willen der Vertragsschließenden nicht die Unwirksamkeit des Vertrags insgesamt zur Folge. In § 12 II des Vertrags haben die Parteien nämlich vereinbart, daß die Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen die Gültigkeit des Gesamtvertrags nicht berühren soll. Eine derartige salvatorische Klausel verkehrt die Vermutung des § 139 BGB in ihr Gegenteil (Senat, NJW 1996, 773 = LM H. 2/1996 § 139 BGB Nr. 83 = WM 1996, 22 [unter II 2b aa] m.w. Nachw.). Zur Widerlegung der danach für bloße Teilnichtigkeit sprechenden Vermutung ist nichts festgestellt, im übrigen auch nichts vorgetragen worden.
2. Ein Anspruch der Kl. auf Rückzahlung des Kaufpreises wegen ungerechtfertigter Bereicherung infolge der von ihr erklärten Täuschungsanfechtung (§§ 123 I, 142 I, 812 I BGB) setzt, soweit er auf die Angaben des Bekl. zu den Kanzleiumsätzen der Jahre 1992 bis 1994 gestützt ist, ebenso wie der Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß unter anderem voraus, daß die von dem Bekl. angegebenen Umsatzzahlen unrichtig sind. Dazu fehlt es, wie unter II. dargelegt, an verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des BerGer. 



<- Zurück mit dem "Back"-Button Ihres Browsers!