Vererblichkeit "verhaltener" Verbindlichkeiten: Verarmung des Schenkers nach
dem Tod des Beschenkten, Rückforderungsanspruch aus § 528 I BGB gegen die
Erben als Nachlaßverbindlichkeit (§ 1967 BGB)
BGH, Urteil
vom 07.06.1991 - V ZR 214/89
Fundstelle:
NJW 1991, 2558
s. auch
BGH v. 22.3.2013 - V ZR
28/12
Amtl. Leitsatz:
Tritt die Bedürftigkeit des Schenkers erst
nach dem Tode des Beschenkten ein, richtet sich der Rückforderungsanspruch
gegen die Erben des Beschenkten.
Zum
Sachverhalt:
Durch notariellen Vertrag vom 2. 3. 1981 „übertrugen“ die Eheleute
Johann und Gertrud G „im Wege vorweggenommener Erbfolge" ihr Hausgrundstück
auf ihren Sohn Hans Heinrich G, der seinen Eltern dafür u. a. ein Wohnrecht
einräumte, sich verpflichtete, an seine Geschwister Zahlungen zu leisten,
und Grundpfandrechte übernahm, mit denen das Grundstück belastet war. Die
Auflassung wurde erklärt und der Eigentumsübergang in das Grundbuch
eingetragen. Der Erwerber starb 1985 und wurde von der Bekl. zu 1, seiner
Ehefrau, und den Bekl. zu 2 bis 4, seinen Kindern, beerbt. Johann G ist
verstorben; die Übergeberin Gertrud G befindet sich seit Februar 1987 in
einem Altenpflegeheim. Der kl. Landkreis gewährt ihr seitdem Hilfe zur
Pflege durch Übernahme der durch ihre Rente nicht gedeckten Heimpflegekosten
nach dem Bundessozialhilfegesetz. Er leitete durch Bescheid vom 24. 4. 1987
nach § 90 BSHG einen Rückforderungsanspruch der Übergeberin gegen die Bekl.
wegen Verarmung der Schenkerin nach § 528 BGB auf sich über.
Das LG hat der Klage stattgegeben, das OLG hat sie abgewiesen. Die Revision
des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. läßt offen, ob eine (gemischte) Schenkung vorliegt. Es meint,
die Erben des Beschenkten hafteten jedenfalls nicht aus § 528 I BGB, da
dieser Rückforderungsanspruch nicht bereits zu Lebzeiten des Beschenkten
entstanden sei. Die Unterhaltsbedürftigkeit der Schenkerin sei erst nach dem
Tode des Beschenkten eingetreten. Ein Anspruch aus § 528 i. V. mit § 822 BGB
bestehe schon deshalb nicht, weil § 822 BGB einen rechtsgeschäftlichen
unentgeltlichen Erwerb des Dritten voraussetze, die Bekl. aber das
Grundstück als Erben erworben hätten. Auch sonstige, vor allem vertragliche,
Ansprüche gegen die Bekl. seien nicht gegeben.
II. Die Revision hat Erfolg. Das BerGer. verkennt die Stellung der Bekl. als
Erben und damit als Gesamtrechtsnachfolger des Grundstückserwerbers nach §
1922 BGB. Die Erben treten in die volle Rechtsstellung des Erblassers ein.
Sie erwerben sein Vermögen so, wie es diesem zugestanden hat. Auf die Bekl.
sind damit alle Rechte und Pflichten aus dem durch den Übertragungsvertrag
vom 2. 3. 1981 begründeten Rechtsverhältnis so übergegangen, wie dieses
zwischen der Übergeberin und dem Erwerber bestand. Da § 1967 BGB nur
voraussetzt, daß die Verbindlichkeiten vom Erblasser „herrühren“, gehen auch
die „verhaltenen“, noch werdenden und schwebenden Rechtsbeziehungen des
Erblassers auf den Erben über (BGHZ 32, 367 (369) = NJW 1960, 1715 = LM
§ 398 BGB Nr. 13; BGHZ 80, 205 (210) = NJW 1981, 1446 = LM § 1922 BGB Nr.
12). Mithin sind Erblasserschulden auch die erst in der Person des Erben
entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser
entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen
weiteren Voraussetzung verstorben wäre (vgl. Siegmann, in: MünchKomm, 2.
Aufl., § 1967 Rdnr. 10). Die Übergeberin hat demnach das Recht, (auch in
Zukunft) unter den in § 528 I BGB genannten Voraussetzungen ein Geschenk
zurückzufordern, nicht dadurch verloren, daß dieses im Wege der
Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des Übernehmers übergegangen ist.
Mit der gegebenen Begründung kann ein Rückforderungsanspruch wegen
Bedürftigkeit der Schenkerin nach § 528 I BGB deshalb nicht verneint werden.
Das BerGer. wird vielmehr die sonstigen Voraussetzungen eines
Zahlungsanspruches (vgl. dazu auch BGHZ 94, 141 = NJW 1985, 2419 = LM § 528
BGB Nr. 2) zu prüfen haben. Bei der Frage, ob die Übergeberin dem Erblasser
ihren Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück unentgeltlich zugewendet hat,
wird das BerGer. zu berücksichtigen haben, daß die Übernahme dinglicher
Belastungen in der Regel keine Gegenleistung darstellt, sondern lediglich
den Wert des Geschenks mindert (BGHZ 107, 156 ff. = NJW 1989, 2122 = LM §
530 BGB Nr. 11).
|