Konkurrenz zwischen
§§ 459 ff BGB und c.i.c. bei vorsätzlichen/fahrlässigen
Falschangaben über die Kaufsache; Begriff der "Eigenschaft" i.S.v.
§ 459 II BGB, Rentabiltätsvermutung bei § 463 BGB und c.i.c.
("Stundenhotel")
BGH, Urteil v.
03.07.1992 - V ZR 97/91
Fundstellen:
NJW 1992, 2564
LM § 276 (Fa) BGB Nr. 127
MDR 1992, 936;1029
BB 1992, 1811
DB 1992, 2545
WM 1992, 1997
ZIP 1992, 1317
Vgl. auch
BGH NJW 1991,
1673 ff
Amtl. Leitsätze:
1. Täuscht der Verkäufer den Käufer,
der auf dem Kaufgrundstück einen Gastbetrieb mit Übernachtungsmöglichkeit
führen will, darüber, daß der bisher bestehende Betrieb
als Stundenhotel bekannt war, ist er ihm zum Schadensersatz wegen Verschuldens
bei Vertragsschluß verpflichtet.
2. Eine zusicherungsfähige Eigenschaft
(§ 459 II BGB) muß sich auf die Kaufsache beziehen; sie braucht
ihr aber nicht unmittelbar innezuwohnen und von ihr auszugehen (Klarstellung
zu BGHZ 114, 263 = NJW 1991, 2556 = LM § 459 BGB Nr. 109).
Zum Sachverhalt:
Die Bekl. waren Eigentümer eines in D. gelegenen
Grundstücks, auf dem sie die "Raststätte D." betrieben. Auf ein
Zeitungsinserat, in dem die Bekl. eine "Gepflegte Pension - Raststätte...
auf Leibrente" anboten, kamen die Parteien in Kontakt. Bei den Vertragsverhandlungen
gaben die Bekl. an, das mit der Raststätte betriebene Geschäft
beruhe überwiegend auf der Zimmervermietung an Monteure und Handlungsreisende
als Stammkunden. Mit notariellem Vertrag vom 5. 6. 1987 verkauften die
Bekl. einen Teil des Grundstücks mit dem Raststättengebäude
und dem Inventar an die Kl. gegen eine einmalige Zahlung von 50000 DM und
eine monatliche Leibrente von zunächst 2000 DM, beginnend am 1. 9.
1987, auf die Dauer von 20 Jahren. Die Gewährleistung für Sach-
und Rechtsmängel wurde ausgeschlossen. Die Kl. nahmen verschiedene
Umbau- und Renovierungsarbeiten vor und führten den Betrieb ab 19.
9. 1987 unter anderer Bezeichnung fort. Die Kl. haben (u. a.) behauptet,
die Bekl. hätten ihnen arglistig verschwiegen, daß ein wesentlicher
Teil des Geschäfts auf dem Betrieb der Raststätte als Absteige
(Stundenhotel) beruht habe. An dem daher rührenden schlechten Ruf
habe es gelegen, daß der von den Bekl. angegebene monatliche Mindestumsatz
von 8000 DM nicht habe erreicht werden können. Die Kl. haben Schadensersatz
wegen Nichterfüllung, hilfsweise wegen Verschuldens bei Vertragsschluß,
verlangt und ihren Schaden zuletzt wie folgt beziffert:
(1) Barpreisanteil
50000,-- DM
(2) bis März 1989 gezahlte Leibrenten
38000,-- DM
(3) Grunderwerbsteuer
5906,-- DM
(4) Kosten des Grundbuchamts und des Notars
5806,72 DM
(5) Umzugs- und Einlagerungskosten
7441,03 DM
(6) Handwerkerkosten für Instandsetzung und
bauliche Veränderungen
30349,40 DM
(7) Baumaterialien
8939,82 DM
(8) Bett- und Tischwäsche, Eisenwaren, Werkzeug
und Hausrat
8779,77 DM
(9) Kreditkosten für Kauf und Investitionen
(Teilbetrag)
5170,28 DM
Auf Zahlung dieser Beträge, insgesamt 160393,02
DM, und Erstattung eines dem Kl. bis August 1989 entstandenen Verdienstausfalls
von 56260 DM Zug um Zug gegen Rückübereignung des Grundstücks,
auf Zustimmung zur Aufhebung der Leibrentenverpflichtung, auf Herausgabe
der vollstreckbaren Ausfertigung der Kaufvertragsurkunde sowie auf Feststellung
der Verpflichtung zum Ersatz weiteren Verdienstausfallsschadens haben die
Kl. die Bekl. in Anspruch genommen. Die Bekl. haben Klagabweisung, die
Bekl. widerklagend Zahlung von 5600 DM für überlassene Ölvorräte
und eine bauliche Veränderung beantragt.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Die Bekl. ist mit der Widerklage durchgedrungen. Mit der Revision verfolgen
die Kl. die Schadensersatzansprüche gemäß den Positionen
1-9 weiter, verrechnen sie in dieser Reihenfolge mit der Widerklageforderung,
und verlangen Zahlung noch in Höhe von 154793,02 DM, Abgabe der Zustimmungserklärung,
Herausgabe der Urkunde und Abweisung der Widerklage. Die Revision der Kl.
führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. legt den Kaufvertrag dahin aus,
daß er nicht die Raststätte als Unternehmen, sondern das Grundstück
nebst Baulichkeiten und Inventar zum Gegenstand gehabt habe.
Es ist der Auffassung, der behauptete Ruf als
Absteige habe zwar einen Mangel des Unternehmens, nicht aber des Grundstücks
dargestellt, auf dem dieses betrieben wurde. Zwar habe sich der Ruf des
Unternehmens auch nach dem Eigentumswechsel nachteilig auf die Ertragsfähigkeit
des Grundstücks auswirken können. Das begründe aber keinen
Fehler, denn der Wert oder die Gebrauchstauglichkeit des Grundstücks
werde hierdurch nicht unmittelbar beeinträchtigt. Da die Ertragsfähigkeit
eine zusicherungsfähige Eigenschaft darstelle, sei auch ein Anspruch
wegen Verschuldens bei Vertragsschluß ausgeschlossen. Eine Klärung
des Streits über die Vermietungspraxis der Bekl. hätte im übrigen
vorausgesetzt, daß die Kl. zuvor Widersprüchlichkeiten ihres
Vortrags ausgeräumt hätten, auf die sie zum Teil bei der Ablehnung
von Prozeßkostenhilfe hingewiesen worden seien. Die bis zu den Hinweisen
vorgetragenen Tatsachen hätten schließlich auch nicht ausgereicht,
eine Aufklärungspflicht der Bekl. zu begründen.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung
nicht in allen Punkten stand.
II. 1. Die Auslegung des Kaufvertrags durch das
BerGer., wonach dieser das Raststättengrundstück nebst Baulichkeiten
und Inventar, nicht aber das Unternehmen zum Gegenstand hatte, nimmt die
Revision hin. Auch die vom Senat nach § 559 II 1 ZPO von Amts wegen
vorgenommene Überprüfung läßt keinen Auslegungsfehler
(§§ 133, 157 BGB) erkennen.
2. Nicht gefolgt werden kann dagegen der Auffassung
des BerGer., dem Grundstück hafte deshalb kein Fehler an, weil die
negative Auswirkung des behaupteten schlechten Rufes der früheren
Raststätte auf dessen Ertragsfähigkeit, von der das Berufungsurteil
ausgeht, keinen Einfluß auf den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit
i. S. des § 459 I BGB habe. Die Rechtsprechung des Senats bejaht die
Zusicherungsfähigkeit von Ertragsangaben beim Verkauf bebauter Grundstücke
gerade deshalb, weil diese Aufschlüsse über die Ertragsfähigkeit
geben, und die Ertragsfähigkeit wiederum nach der Verkehrsanschauung
für die Wertschätzung des Grundstücks bestimmend ist (Senat,
NJW 1980, 1456 f. = LM § 459 BGB Nr. 53; Senat, NJW 1981, 45 f. =
LM § 249 (Cb) BGB Nr. 27; Senat, NJW 1990, 902 = LM § 459 BGB
Nr. 95 = WM 1990, 322; Senat, NJW-RR 1990, 1161 = LM § 133 (C) BGB
Nr. 70 = WM 1990, 1755). Die Bedeutsamkeit eines Umstandes für den
Wert oder die Brauchbarkeit der Kaufsache ist aber Voraussetzung sowohl
dafür, daß er Gegenstand einer Zusicherung (§ 459
II BGB) sein kann, wie auch dafür, daß er als Beschaffenheitsmerkmal
(§ 459 I BGB) in Frage kommt (BGHZ 70, 47 (49) = NJW 1978, 370 = LM
§ 419 BGB Nr. 32; BGHZ 114, 263 (266) = NJW 1991, 2556 = LM §
459 BGB Nr. 109).
3. Ob der Ruf der früheren Raststätte
aus einem anderen Grunde keinen Fehler darstellt, nämlich weil er
dem Kaufgrundstück nicht, was besondere Voraussetzung eines Beschaffungsmerkmals
ist, unmittelbar innewohnt und von ihm ausgeht (BGHZ 70, 47 (49) = NJW
1978, 370 = LM § 419 BGB Nr. 32; Senat, NJW 1980, 1456 (1458) = LM
§ 459 BGB Nr. 53; Senat, WM 1982, 696 (697); Senat, NJW-RR 1988, 10),
kann unentschieden bleiben.
a) Ist der Ruf als Beschaffenheitsmerkmal zu bewerten
(so im Erg. Soergel-Huber, BGB, 12. Aufl., § 459 Rdnr. 26 unter Hinweis
auf RGZ 67, 86, wo allerdings ein Unternehmenskauf vorlag), so steht den
Kl. bei vorsätzlichem Verschweigen des Fehlers ein Schadensersatzanspruch
wegen Nichterfüllung nach § 463 S. 2 i. V. mit § 476 BGB
zu. Daneben können sie, allerdings ebenfalls nur bei Vorsatz der Bekl.,
Ersatz des Vertrauensschadens wegen Verschuldens bei Vertragsschluß
verlangen (st. Rspr. des Senats: BGHZ 60, 319 (321 f.) = NJW 1973, 1234
= LM § 459 BGB Nr. 33; Senat, NJW-RR 1988, 10; Senat, NJW-RR 1990,
970 = LM § 459 BGB Nr. 100 = WM 1990, 1210 (1212)). Ob die Kl. mit
dem Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens im Ergebnis Erstattung
aller geltend gemachten Schadenspositionen erreichen könnten, ist
zweifelhaft; die Investitionen in den künftigen Gastbetrieb zählen
jedenfalls nicht zu den Aufwendungen, die von der Rentabilitätsvermutung
erfaßt werden (BGHZ 114, 193 = NJW 1991, 2277 = LM H. 2/1992 §
249 (E) BGB Nr. 13). Der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens
wegen Verschuldens bei Vertragsschluß erfaßt jedenfalls alle
Positionen, denn die Kl. können danach verlangen, so gestellt zu werden,
wie wenn es zu dem Kauf nicht gekommen wäre; die Höhe des Anspruchs
ist durch das Erfüllungsinteresse nicht begrenzt (BGHZ 57, 191 (193)
= NJW 1972, 95 = LM § 195 BGB Nr. 13; BGHZ 69, 53 (56) = NJW 1977,
1536 = LM § 276 (Fc) BGB Nr. 5). Das vom BerGer. - als obiter dictum
- bejahte Mitverschulden der Kl. am Niedergang des Gastbetriebs steht in
keinem Zusammenhang mit den geltend gemachten Schäden. Im übrigen
träte ein Mitverschulden der Kl. hinter den vorsätzlichen Pflichtverstoß
der Bekl. zurück (BGHZ 98, 148 (158) = NJW 1986, 2941 = LM §
31 BGB Nr. 29).
b) Nicht anders ist zu entscheiden, wenn ein Fehler
zu verneinen ist, weil der Ruf kein Beschaffenheitsmerkmal darstellt. Auch
wenn es hieran fehlt, zählt der Ruf des früheren Betriebs zu
den tatsächlichen, sozialen und rechtlichen Beziehungen des Kaufgrundstücks
zu seiner Umwelt, die über dessen physische Eigenschaften hinaus Gegenstand
einer Zusicherung nach § 459 II BGB sein können (Senat, LM §
242 (Bb) BGB Nr. 83 = WM 1977, 118; BGHZ 79, 183 (185) = NJW 1981, 864
= LM § 459 BGB Nr. 57; Senat, NJW-RR 1987, 908 = LM § 459 BGB
Nr. 84 = WM 1987, 1041 (1043)). Positive Angaben zum Ruf des früheren
Betriebs, etwa daß er normal und nicht als Absteige geführt
wurde, hätten daher Inhalt einer Zusicherung sein können. Nicht
erforderlich wäre es dazu gewesen, daß die Angaben ihren Grund
in dem Sinne in der Kaufsache hatten, daß sie ihr unmittelbar innewohnten
oder von ihr ausgingen. Abweichendes brauchte und sollte auch in der Senatsentscheidung
vom 26. 4. 1991 zur Zusicherungsfähigkeit objektgebundener Steuermerkmale
(BGHZ 114, 263 (266) = NJW 1991, 2556 = LM § 459 BGB Nr. 109) nicht
zum Ausdruck kommen. Der Senat hatte dort nicht die Sachmängeltatbestände
des § 459 BGB gegeneinander abzugrenzen. Es ging vielmehr darum, steuerlich
relevante Merkmale in der Person des Erwerbers, die Grundlage für
einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß
sein konnten, von solchen Umständen zu scheiden, die die Beziehung
der Kaufsache zu ihrer Umwelt angehen und deshalb dem Sachmängelbereich,
im damaligen Streitfall speziell dem § 459 II BGB, zuzurechnen sind.
In diesem Zusammenhang hat der Senat, wie auch schon bei früherer
Gelegenheit, wenn die Abgrenzung des Sachmängelrechts zu anderen Behelfen
in Rede stand (vgl. BGHZ 67, 134 (136) = NJW 1976, 1888 = LM § 459
BGB Nr. 41; Senat, LM § 434 BGB Nr. 5 = WM 1979, 949 (950)), auf die
Kaufsache selbst als notwendigen Bezugsgegenstand der Umstände hingewiesen,
die für eine Haftung des Verkäufers nach §§ 459 ff.
BGB relevant sind. Eine Gleichsetzung der Anforderungen an eine zusicherungsfähige
Eigenschaft mit denjenigen an ein Beschaffenheitsmerkmal i. S. des §
459 I BGB war damit nicht verbunden. Die Entscheidung des VIII. Senats
vom 28. 3. 1990 (BGHZ 111, 75 (78) = NJW 1990, 1659 = LM § 276 (Fc)
BGB Nr. 18; vgl. auch Senat, NJW 1991, 1223 = LM § 459 BGB Nr. 104
= ZIP 1991, 321 (323)), die bei der Umschreibung der zusicherungsfähigen
Eigenschaft u. a. auf die Rechtsprechung des Senats zum Fehlerbegriff (BGHZ
70, 47 (49) = NJW 1978, 370 = LM § 419 BGB Nr. 32) Bezug genommen
hat, beruht nicht auf diesem Gesichtspunkt. Die dort zu beurteilende Zusicherung
bezog sich nach der Auffassung des VIII. Senats auf Umstände außerhalb
des Kaufgegenstandes, die lediglich aufgrund allgemeiner Kriterien rechtliche
Folgen für diesen auslösten.
Da eine Zusicherung der Bekl. unstreitig nicht
abgegeben wurde, ist ein Gewährleistungsanspruch im Streitfalle zu
verneinen. Dasselbe gilt für einen Anspruch wegen fahrlässigen
Verschuldens bei Vertragsschluß, der auch dann vom Sachmängelrecht
verdrängt wird, wenn im konkreten Fall keine Zusicherung vorliegt
(BGHZ 60, 319 (322 f.) = NJW 1973, 1234 = LM § 459 BGB Nr. 33; BGHZ
114, 263 (266) = NJW 1991, 2556 = LM § 459 BGB Nr. 109). Den Kl. steht
jedoch, wie in dem Falle, daß ein Fehler zu bejahen ist (oben a),
bei vorsätzlichem Pflichtverstoß ein Anspruch auf Ersatz des
Vertrauensschadens zu. Dies hat das BerGer., das, wenn auch aus anderen
Gründen, von der Zusicherungsfähigkeit des Rufes des Gastbetriebes
ausgegangen ist, übersehen.
4. Auch die Hilfsbegründung, mit der das
BerGer. einen Schadensersatzanspruch abgelehnt hat, hält der rechtlichen
Überprüfung nicht stand.
a) Die Kl. haben vorgetragen, die Bekl. hätten
ab 1972 in erheblichem Umfang stundenweise Zimmer an unverheiratete Paare
zur Ausführung des Geschlechtsverkehrs vermietet. Die Raststätte
sei in interessierten Kreisen als preiswerte Absteige bekannt gewesen.
Zu einer Anzahl ihnen aus der Vergangenheit bekannt gewordener Einzelvorkommnisse,
zu Anfragen nach stundenweiser Vermietung an sie selbst und zum Ruf der
Raststätte haben sie Beweis angetreten.
Das BerGer. sieht diesen, zum Teil dem früheren,
insgesamt dem Hinweis vom 22. 10. 1990 vorangegangenen Vortrag mit der
Begründung als unerheblich an, daß eine gelegentliche Überlassung
der Zimmer zu dem angegebenen Zwecke einen schlechten Ruf nicht habe begründen
können. Damit würdigt es das Vorbringen nur unvollständig.
Nach der Behauptung der Kl. war die Vermietung als Absteige eine wesentliche
Einnahmequelle des Betriebs. Daß die unter Beweis gestellten Einzelfälle
nur einen Bruchteil der Gesamtheit der Zimmervermietungen ausmachen, kann
nicht so gedeutet werden, als ob die Kl. ihren Vortrag eingeschränkt
hätten. Sie haben vielmehr die von ihnen ermittelten Einzelfälle
als Beweis für die Gesamtstruktur des Betriebs angeführt.
Trifft die Behauptung der Kl. zu, so waren der
Hinweis im Inserat, es werde eine "Gepflegte Pension" angeboten, und die
Behauptung, das Geschäft beruhe überwiegend auf der Zimmervermietung
an Gewerbetreibende als Stammkunden, irreführend. Die abweichenden
tatsächlichen Verhältnisse waren den Bekl. in diesem Falle bekannt,
ebenso der Umstand, daß die Kl. hiervon nichts wußten. Das
Vorliegen der zum vorsätzlichen Verschulden bei Vertragsschluß
ebenfalls erforderlichen Vorstellung, daß die Kl. den wirklichen
Verhältnissen, jedenfalls möglicherweise, Bedeutung für
den Kaufabschluß beigemessen hätten (Senat, NJW 1990, 1658 =
LM § 459 BGB Nr. 98 = WM 1990, 1344), ist schlüssig behauptet.
Dasselbe gilt für die Inkaufnahme dieser Möglichkeit durch die
Bekl.
b) Gegenüber der weiteren Begründung
greift die Verfahrensrüge (§§ 138 II, 286 ZPO) der Bekl.
durch.
Unter Bezugnahme auf seine früheren Hinweise
stellt das BerGer. einen Widerspruch zwischen der in der Klageschrift angegebenen
"Vielzahl" von Anfragen nach stundenweiser Vermietung an die Kl., den in
der Berufungsbegründung angegebenen "vereinzelten" Fällen und
den an anderer Stelle genannten "5-10 Nachfragen" fest. Widersprüchlich
sei auch, daß die Kl. nach ihrem Vortrag bis Dezember ohne Argwohn
gewesen seien, gleichwohl aber Ende November/Anfang Dezember 1987 einen
Zeugen nach früheren Absteigewünschen befragt hätten. Zusätzlich
sieht das Berufungsurteil einen Widerspruch darin, daß die Kl. ihre
Aufklärungsschwierigkeiten damit begründeten, die Bekl. hätten
sich zur Wahrung ihres Rufs in der Dorfgemeinschaft erfolgreich um Diskretion
bemüht, andererseits aber vortrügen, die Betriebsführung
als Absteige sei in interessierten Kreisen, insbesondere bei Taxifahrern,
Beschäftigten ansässiger Unternehmen und der Bundeswehrstandortverwaltung,
bekannt gewesen. Dies wiederum sei nicht in Einklang damit zu bringen,
daß eine politische Partei regelmäßig und der Gemeinderat
gelegentlich bei den Bekl. getagt hätten. Wegen der gegen das Gebot
wahrheitsgemäßen Vortrags (§ 138 I ZPO) verstoßenden
Widersprüchlichkeit müsse das Vorbringen unberücksichtigt
bleiben.
Dies ist nicht haltbar. Wegen Verstoßes
gegen die Wahrheitspflicht ist ein Tatsachenvortrag nur dann unbeachtlich,
wenn er bewußt der Wahrheit zuwider oder ohne sachliche Grundlage,
aufs Geradewohl, aufgestellt ist und sich deshalb als mißbräuchlich
erweist (BGH, NJW 1968, 1233 f. = LM § 138 ZPO Nr. 11; BGH, NJW 1984,
2888 = LM § 282 ZPO (Beweislast) Nr. 41; BGH, NJW-RR 1987, 415 = LM
§ 282 ZPO (Beweislast) Nr. 49, BGHRZPOO § 138 I - Rechtsmißbrauch
1). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung
geboten; in der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher
Anhaltspunkte rechtfertigen (BGH, NJW 1984, 2888 = LM § 282 ZPO (Beweislast)
NR 41 = MDR 1985, 315; BGH, NJW 1991, 2707 = LM H. 3/1992 § 130 ZPO
Nr. 16, BGHR, ZPO § 286 I - Beweisantrag/Ablehnung 5).
Die vom BerGer. als widersprüchlich gewerteten
Punkte berühren die Behauptung, ein wesentlicher Teil des Geschäfts
habe im Betrieb als Stundenhotel bestanden, allenfalls mittelbar. Sie können
geeignet sein, in einer Beweiswürdigung zum Nachteil der Kl. verwendet
zu werden, geben aber keine Grundlage für das Urteil ab, der umfangreiche,
gleichbleibende und auf zahlreiche Beweismittel gestützte Vortrag
zur Hauptsache sei aus der Luft gegriffen. Im übrigen ist der Wertung
des BerGer. nicht zu folgen. Die behauptete "Vielzahl" von Anfragen an
die Kl. war nicht auf einen Zeitabschnitt beschränkt; bei den späteren
Angaben ging es dagegen um die Spanne von Oktober bis Dezember 1987. Die
Kl. hatten Anlaß, im Berufungsrechtszug auf diesen Zeitraum besonders
einzugehen, denn das LG hatte seine klageabweisende Entscheidung u. a.
darauf gestützt, daß sie bis Dezember 1987 Verhandlungen wegen
des Ankaufs weiterer Teilflächen mit den Bekl. geführt hatten.
Wegen der Zahl der Nachfragen überhaupt hatten die Kl. ihren Vortrag
weiter spezifiziert. Was den beginnenden Argwohn der Kl. und die Anfrage
bei dem Zeugen angeht, tritt eine zeitliche Unstimmigkeit nicht hervor.
Im übrigen verkürzt das BerGer. das Vorbringen der Kl., denn
diese hatten für beide Ereignisse die Zeitspanne November - Dezember
1987 angegeben. Allerdings haben die Kl., worauf sich das Berufungsurteil
auch stützt, weiter erklärt, sie hätten im Januar 1988 durch
einen Anwalt eine jeden Zweifel ausschließende Auskunft über
den Charakter der Raststätte erhalten. Ein Widerspruch zum übrigen
Vortrag läßt sich hieraus jedoch nicht herleiten. Aus dem Vorbringen
der Kl. ergibt sich vielmehr, daß sich deren Verdacht nach und nach
verstärkt hatte und schließlich im Januar 1988 zur Gewißheit
geworden war. Daß die Absteigemöglichkeit nicht jedermann
im Umkreis, wohl aber Interessierten bekannt gewesen sein soll, ist innerlich
ohne Widerspruch. Der Vortrag über die Tagungen des Gemeinderats und
des Ortsverbands einer Partei stammt nicht von den Kl. Diese haben zudem
erwidert, daß der Bekl. in jener Partei mitgewirkt und deshalb bei
der Wahl des Veranstaltungsortes berücksichtigt worden sei.