Unselbständige
Vorfragenanknüpfung im internationalen Namensrecht
BayObLG, Beschluß v. 28.03.1991 - BReg. 3 Z
149/90
Fundstelle:
NJW 1992, 632
S. dazu auch BayObLG FamRZ 2003, 310
Amtl. Leitsatz:
Bei der Beurteilung namensrechtlicher Fragen sind familienrechtliche
Vorfragen auch nach der Entscheidung BGH, NJW 1986, 3022 = FamRZ 1986, 984
jedenfalls dann unselbständig anzuknüpfen, wenn sie nicht die Ehelichkeit
oder Nichtehelichkeit eines Kindes betreffen.
Zum Sachverhalt:
Das betroffene Kind wurde laut Eintrag im Geburtenbuch des Standesamts
für das Jahr 1987 als Tochter der Bet. zu 1, einer türkischen
Staatsangehörigen, geboren; es führt den damaligen Familiennamen A seiner
Mutter, die zu diesem Zeitpunkt ledig war. Vater des Kindes ist der 1971
geborene Bet. zu 2, ebenfalls türkischer Staatsangehöriger. Dieser
erkannte am 2. 9. 1988 - damals noch minderjährig - mit Zustimmung seines
für die Vaterschaftsanerkennung vom VormG bestellten Pflegers zu Urkunde
des Stadtjugendamts die Vaterschaft zu dem Kind an. Das Stadtjugendamt
stimmte als gesetzlicher Vertreter des Kindes der Vaterschaftsanerkennung
zu. Die Bet. zu 1 hat inzwischen geheiratet und führt den Ehenamen B.
Nachdem sich die Bet. zu 1 und der gesetzliche Vertreter des Kindes
dagegen gewendet hatten, daß das Kind nach türkischem Recht in der Folge
der Vaterschaftsanerkennung den Familiennamen des Bet. zu 2 erhalten
sollte, bat der Standesbeamte über die Bet. zu 3 (Standesamtsaufsicht)
gem. § 45 II PStG das AG um Entscheidung darüber, ob die Beischreibung der
Vaterschaft ausschließlich nach deutschem Recht oder unter
Berücksichtigung des türkischen Rechts vorzunehmen sei. Das AG ordnete an,
daß dem einschlägigen Geburtenbucheintrag des Standesamts folgender
Randvermerk beizuschreiben sei:
"Der Vater des Kindes ist C. Er hat die
Vaterschaft am 2. 9. 1988 gegenüber dem Stadtjugendamt anerkannt, sein
Pfleger diesem Anerkenntnis am 2. 9. 1988 ebenfalls gegenüber dem
Stadtjugendamt zugestimmt. Diese Anerkennung des türkischen Vaters hat
gem. Art. 312 TürkZGB die namensrechtliche Wirkung, daß das Kind den
Familiennamen des Vaters C trägt."
Zur Begründung wird ausgeführt, daß nach
deutschem wie nach türkischem Recht ein wirksames Vaterschaftsanerkenntnis
zustandegekommen sei. Gem. Art. 10 I EGBGB i. V. mit Art. 312
TürkZGB erwerbe das Kind im Fall der Vaterschaftsanerkennung den
Familiennamen des Vaters. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public
(Art. 6 EGBGB) könne hierin nicht gesehen werden. Die sofortige Beschwerde
des Bet. zu 3 wurde zurückgewiesen. Die weitere sofortige Beschwerde
führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
II. 2. ... Zwar bestehen keine Bedenken
gegen die Auffassung des LG, daß der deutsche ordre public (Art. 6 EGBGB)
einem Namenswechsel des Kindes aufgrund der Vaterschaftsanerkennung
jedenfalls deshalb nicht entgegensteht, weil alle Beteiligten türkische
Staatsangehörige sind (vgl. Ansay-Wuppermann, StAZ 1974, 113 (122)). Das
LG hat jedoch die für die Änderung des Familiennamens des Kindes
wesentliche Vorfrage einer nach türkischem Recht rechtswirksamen
Vaterschaftsanerkennung unzutreffend gewürdigt und insoweit notwendige
Ermittlungen ( § 12 FGG) unterlassen.
a) Gem. Art. 10 I EGBGB unterliegt der Name einer Person dem Recht des
Staates, dem die Person angehört. Da vorliegend das Kind nichtehelich von
einer türkischen Mutter geboren ist, ist es gem. Art. 1
TürkStaatsangehörigkeitsG vom 11. 2. 1964 i. d. F. des Änderungsgesetzes
vom 13. 2. 1981 (deutsche Übersetzung StAZ 1981, 334) von Geburt an
türkischer Staatsangehöriger.
Das türkische Internationale Privatrecht knüpft für die Bestimmung des
Familiennamens ebenfalls an das Heimatrecht des Namensträgers an und nimmt
damit die Verweisung des deutschen Rechts an (vgl. Krüger, StAZ 1983, 49
(51 Fußn. 21)). Nach dem somit anzuwendenden türkischen Recht - Art. 312
TürkZGB vom 17. 2. 1926 (insoweit abgedr. bei Bergmann-Ferid, Int. Ehe-
und KindschaftsR, Türkei, S. 19 f.) - führt ein Kind, dessen väterliche
Abstammung aus einer Anerkennung hervorgeht, den Familiennamen seines
Vaters, während nach Art. 311 TürkZGB die der Mutter verbleibenden
nichtehelichen Kinder ansonsten deren Familiennamen führen. Eine
rechtswirksame Vaterschaftsanerkennung ist somit für die mit der weiteren
Beschwerde angesprochene Namensänderung eine Vorfrage und keine
Hauptfrage, die unmittelbar über Art. 20 I 3 EGBGB zur Anwendung deutschen
sachlichen Rechts führen könnte.
b) Bei der Beurteilung namensrechtlicher Fragen sind familienrechtliche
Vorfragen grundsätzlich unselbständig anzuknüpfen (BGHZ 90, 129 (140)
= NJW 1984, 1299 = LM Art. 18 EGBGB Nr. 4; BayObLGZ 1986, 155 m. w.
Nachw.; KG, StAZ 1988, 325 m. Anm. Hepting; Birk, in: MünchKomm, 2. Aufl.,
Art. 10 EGBGB Rdnr. 11; Palandt-Heldrich, BGB, 50. Aufl., Einl. Art. 3
EGBGB Rdnr. 30; zweifelnd Massfeller-Hoffmann, PStG, § 21 Rdnrn. 226-231).
An diesem Grundsatz hält der BGH auch in seiner Entscheidung vom 9. 7.
1986 (NJW 1986, 3022 = LM Art. 7 ff. EGBGB (Dt. JPR) Nr. 55 = FamRZ 1986,
984) ausdrücklich fest. Eine Ausnahme soll lediglich im Fall der
Feststellung der Ehelichkeit oder Nichtehelichkeit gelten und diese
Vorfrage selbständig angeknüpft werden. Soweit allerdings ausgeführt
wird, daß die Abstammung nur einheitlich festgestellt werden könne - was
in Widerspruch zum Vorrang der unselbständigen Anknüpfung der Vorfrage der
Abstammung auch im Staatsangehörigkeitsrecht (vgl. Palandt-Heldrich, Vorb.
Art. 3 EGBGB Rdnr. 30) stehen könnte -, handelt es sich lediglich um eine
zusätzliche Bemerkung, die keine Möglichkeit der Vorlage nach § 28 II FGG
eröffnet.
c) Da vorliegend der Status des Kindes als nichtehelich sowohl nach
deutschem als auch nach türkischem Recht bereits feststeht (vgl. Art. 290
TürkZGB), ist die Vorfrage der Vaterschaftsanerkennung im Wege der
unselbständigen Anknüpfung nach türkischem Recht zu beantworten. Das
türkische Internationale Privatrecht verweist insoweit nicht auf das
deutsche Recht zurück (vgl. Krüger, StAZ 1983, 49 (52 Fußn. 41)). Nach
Art. 291 TürkZGB kann das nichteheliche Kind durch seinen Vater anerkannt
werden. Die Anerkennung findet durch eine öffentliche Urkunde oder durch
Verfügung von Todes wegen statt, sie wird dem Standesbeamten des Ortes, an
dem das nichteheliche Kind eingetragen ist, mitgeteilt. Entgegen der
Auffassung des LG ist noch nicht geklärt, ob die Vaterschaftsanerkennung
des Bet. zu 2 vom 2. 9. 1988, die dem Standesamt mitgeteilt wurde, nach
türkischem Recht wirksam ist.
(1) Der zur Zeit der Anerkennung 17 Jahre alte Bet. zu 2 war unmündig i.
S. von Art. 11 TürkZGB. Er war deshalb handlungsunfähig und konnte sich
nur mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters durch seine Handlungen
verpflichten (Art. 14, 16 TürkZGB). Nach Art. 268 i. V. mit Art. 262 und
263 TürkZGB sind die Eltern die gesetzlichen Vertreter ihrer Kinder. Es
steht somit keineswegs fest, daß die Zustimmung des nach deutschem Recht
bestellten Pflegers zur Vaterschaftsanerkennung für deren
Rechtswirksamkeit nach türkischem Recht ausreicht. Vielmehr sind noch
Ermittlungen anzustellen, wie der Bet. zu 2 nach türkischem Recht
gesetzlich vertreten war und warum ihm ein Pfleger bestellt wurde.
Hinweise hierauf dürften u. a. die Pflegschaftsakten des
Vormundschaftsgerichts geben, die nicht beigezogen wurden.
(2) Des weiteren ist - gegebenenfalls durch Erholung einer Auskunft nach
dem Übereinkommen vom 7. 6. 1968 (vgl. Palandt-Heldrich, Vorb. Art. 3
EGBGB Rdnr. 35) oder durch Erholung eines rechtsvergleichenden Gutachtens
- zu klären, ob nach türkischem Recht die Übermittlung der
Anerkennungsurkunde an den Standesbeamten Wirksamkeitsvoraussetzung der
Anerkennung ist und, wenn ja, ob die Übermittlung an einen deutschen
Standesbeamten hierfür ausreichte.
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