NJW 1993, 2103
LM § 249 (E) BGB Nr. 17 Anm. Grunsky
MDR 1993, 843
WM 1993, 1374
ZIP 1993, 1004
Vgl. dazu auch BGH NJW
1995, 1673 ("Burra II")
Für das unmittelbare Erfüllungsinteresse
des Käufers hat der Verkäufer, der eine nicht vorhandene Eigenschaft
der Kaufsache (hier: Echtheit eines Gemäldes) zugesichert hat, auch
dann in unbeschränkter Höhe einzustehen, wenn der hypothetische
Wert der Kaufsache, falls diese die zugesicherte Eigenschaft besäße,
ihren tatsächlichen Wert und den damit übereinstimmenden Kaufpreis
um ein Vielfaches übersteigt.
Der Bekl. ist Kunsthändler. Er verkaufte dem
Kl. im November 1990 ein mit "Burra 33" signiertes Ölgemälde
zum Preis von 10000 DM. Auf Wunsch des Kl. übergab er diesem eine
handschriftlich abgefaßte und von ihm unter dem Datum des 20. 11.
1990 unterschriebene Erklärung, die als Urheber des Gemäldes
"Edward Burra" nennt und in der es weiter heißt, das Gemälde
sei "ein Original von der Hand des Künstlers". Gestützt auf die
Auskunft einer Londoner Galerie, begehrt der Kl. Schadensersatz wegen Nichterfüllung,
weil das Bild unecht sei. Den ihm dadurch entstandenen Schaden beziffert
er auf 290000 DM. Nach seiner Behauptung hätte das Gemälde, wenn
es echt wäre, einen Marktwert von mindestens 300000 DM. Der Bekl.
macht demgegenüber geltend, seine schriftliche Erklärung sei
nicht als Eigenschaftszusicherung zu werten, weil sie erst nach Abschluß
des bereits am 18. 11. 1990 geschlossenen Kaufvertrages abgefaßt
worden sei. Beim Verkauf des Bildes habe er dem Kl. erklärt, er könne
über die Urheberschaft keine Angaben machen, weil er das Bild selbst
erst vor einer Woche erworben und noch keine näheren Recherchen angestellt
habe. Im übrigen sei das Bild echt, nämlich ein solches des Malers
Burra.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat offengelassen, ob die schriftliche
Erklärung des Bekl. bereits bei Abschluß des Kaufvertrages vorlag
und ob das dem Kl. verkaufte Gemälde von dem Maler Burra stammt. Es
hält den eingeklagten Schadensersatzanspruch schon nach dem eigenen
Vorbringen des Kl. für nicht gegeben und hat dazu ausgeführt:
Der Bekl. habe zwar in seiner schriftlichen Erklärung
vom 20. 11. 1990 eindeutig die Echtheit des Gemäldes zugesichert.
Gleichwohl könne die vom Kl. behauptete Unechtheit den geltend gemachten
Schadensersatzanspruch nach § 463 BGB nicht auslösen. Der Umfang
des nach dieser Bestimmung zu leistenden Schadensersatzes hänge davon
ab, welche Bedeutung der Zusicherung beizulegen sei. Dafür sei entscheidend,
welchen Zweck sie verfolge. Zu ersetzen seien nur solche Schäden,
vor denen der Käufer durch die Zusicherung gerade habe gesichert sein
sollen. Zweck und Tragweite der vom Bekl. gegebenen Zusicherung, die durch
Auslegung zu ermitteln seien und sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles
richteten, machten deutlich, daß die Zusicherung der Echtheit des
Gemäldes nicht den Vertragswillen des Bekl. umschlossen habe, die
Gewähr auch dafür zu übernehmen, daß das für
nur 10000 DM abgegebene Bild einen tatsächlichen Vermögens- und
Marktwert von 300000 DM haben werde. Es widerspreche aller Lebenserfahrung,
daß der Bekl. als Kaufmann und gewerblicher Kunsthändler bei
einem Kaufpreis von 10000 DM für einen Vermögenszuwachs von 290000
DM habe einstehen wollen. Auch der Kl. habe das Verhalten des Bekl. unter
Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses nach Treu
und Glauben so nicht verstehen können. Der geltend gemachte Schaden
sei im übrigen auch nicht vom Schutzzweck der §§ 459 ff.
BGB gedeckt. Die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften dienten
dem Zweck, den Käufer, der den Preis für eine mangelfreie Ware
bezahlt habe, in seinem Vertrauen auf die Mangelfreiheit zu schützen.
Aus dieser Sicht gebühre dem Kl. aber kein Vertrauensschutz, weil
er den Kaufpreis für eine mangelfreie Ware, der nach seiner eigenen
Darstellung bei 300000 DM gelegen hätte, gerade nicht gezahlt
habe. Schließlich beschränke sich die Zusicherungshaftung nach
§ 463 BGB auf solche Schäden, welche die Zusicherung üblicherweise
miterfassen solle. Daran fehle es hier, denn es sprenge die "Grenzen der
Normalität", daß eine Zusicherung über einen Kaufgegenstand
"gleichzeitig beinhalten (solle), der gekaufte Gegenstand habe den 30-fachen
Wert des tatsächlich gezahlten Kaufpreises".
Eine arglistige Täuschung seitens des Bekl.
sei nicht schlüssig dargetan, ein etwaiger Schaden wegen und in Höhe
des vom Kl. gezahlten Kaufpreises jedenfalls nicht eingeklagt.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher
Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Zutreffend und von der Revision unbeanstandet
sieht das BerGer. in der Urheberschaft des verkauften Bildes eine verkehrswesentliche
[verkehrswesentliche] Eigenschaft (vgl. BGHZ 63, 369 (371) = NJW 1975,
970 = LM § 459 BGB Nr. 36; BGH, NJW 1988, 2597 = LM § 119 BGB
Nr. 29 = WM 1988, 1415 (unter II 1b aa)), deren zusicherungswidriges Fehlen
Schadensersatzansprüche nach § 463 BGB auslösen kann.
2. Ob der Verkäufer eine bestimmte Eigenschaft
der Kaufsache zugesichert hat, ist in erster Linie eine Frage tatrichterlicher
Vertragsauslegung (BGH, NJW 1988, 1018 = LM § 479 BGB Nr. 7 = WM 1987,
1460 (unter II 3a aa); BGH, WM 1989, 1894 (unter II 1a)). Die Auslegung
der Erklärung des Bekl. vom 20. 11. 1990 als Zusicherung der Echtheit
des verkauften Gemäldes ist wiewohl nicht zwingend (dazu unten IV),
so doch möglich und daher für das RevGer. bindend (BGH, WM 1989,
1894 (unter II 1a)). Das ist nicht anders, wenn der Kaufvertrag, wie der
Bekl. behauptet, von den Parteien bereits am 18. 11. 1990 mündlich
abgeschlossen worden war. Denn eine Zusicherung ist - gegebenenfalls im
Wege der Vertragsänderung - auch nachträglich möglich (z.
B. Soergel-Huber, BGB, 12. Aufl., § 459 Rdnr. 168 m. Nachw.).
3. Für die Entscheidung im Revisionsverfahren
ist mangels abweichender Feststellungen des BerGer. ferner vom Sachvortrag
des Kl. auszugehen, das verkaufte Gemälde stamme nicht von dem Maler
Burra. Dies unterstellt, sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
gegen den Bekl. gem. § 463 S. 1 BGB erfüllt. Danach kann der
Käufer verlangen, durch Wertersatz in Geld so gestellt zu werden,
als besäße die Kaufsache die vom Verkäufer zugesicherte
Eigenschaft. Entscheidet er sich - wie hier der Kl. - für den sogenannten
"kleinen Schadensersatz", so hat er Anspruch auf die Wertdifferenz zwischen
dem hypothetischen Vermögensstand, der gegeben wäre, wenn die
Sache bei Gefahrübergang mangelfrei gewesen wäre, und dem Vermögensstand,
wie er sich infolge des Sachmangels tatsächlich darstellt (BGHZ 50,
200 (204) = NJW 1968, 1622 = LM § 463 BGB Nr. 14; BGH, WM 1975, 230
(unter I); NJW 1965, 34 (unter 4) = LM § 463 BGB Nr. 10; H. P. Westermann,
in: MünchKomm, 2. Aufl., § 463 Rdnrn. 19, 25; Soergel-Huber,
§ 463 Rdnr. 53; Staudinger-Honsell, BGB, 12. Aufl., § 463 Rdnr.
35). Läge der Wert des dem Kl. verkauften Gemäldes, wenn es von
dem Maler Burra stammte, bei 300000 DM, wie mangels abweichender Feststellungen
des BerGer. für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist, so beläuft
sich die Wertdifferenz zwischen dem hypothetischen und dem tatsächlichen
Vermögensstand des Kl. und damit der ihm zu ersetzende Nichterfüllungsschaden
auf die Klageforderung von 290000 DM.
4. Ob der Bekl. mit der Zusicherung der Echtheit
des Bildes die Gewähr auch für dessen den Kaufpreis um ein Vielfaches
übersteigenden Marktwert übernehmen und für einen entsprechenden
Vermögenszuwachs auf seiten des Kl. einstehen wollte, ist in der hier
zu beurteilenden Fallkonstellation entgegen der Auffassung des BerGer.
für den Umfang der Schadensersatzpflicht des Verkäufers aus §
463 S. 1 BGB ohne Belang. Die vom BerGer. in diesem Zusammenhang erörterten
Gesichtspunkte des Zwecks und der Tragweite der gegebenen Zusicherung sind
nur dort von Bedeutung, wo es um die Zusicherungshaftung des Verkäufers
für Mangelfolgeschäden geht. Diese hängt in der Tat entscheidend
davon ab, ob die vom Verkäufer gegebene Zusicherung den Käufer
auch und gerade gegen Folgeschäden absichern sollte (vgl. dazu die
vom BerGer. rechtsirrig für seine Auffassung angeführten Senatsurteile
BGHZ 50, 200 = NJW 1968, 1622 = LM § 463 BGB Nr. 14 und NJW 1973,
843 = LM § 459 BGB Nr. 32). Auch die Kommentarstellen, auf die das
BerGer. sich zur Stützung seiner Auffassung glaubt beziehen zu können,
befassen sich allein mit der Haftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden
(Grunsky, in: MünchKomm., 2. Aufl., Vorb. § 249 Rdnr. 45; Staudinger-Honsell,
§ 463 Rdnr. 37, je m. w. Nachw.).
Im Streitfall geht es demgegenüber um die
Haftung des bekl. Verkäufers für das unmittelbare Erfüllungsinteresse
des Käufers. Für dieses hat der Verkäufer, der eine nicht
vorhandene Eigenschaft zugesichert hat, nach § 463 S. 1 BGB stets
einzustehen. Denn es macht gerade das Wesen der Eigenschaftszusicherung
aus, daß der Verkäufer mit ihr in vertragsmäßig bindender
Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft übernimmt
und damit die Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens
dieser Eigenschaft einzustehen (BGHZ 59, 158 (160) = NJW 1972, 1706 = LM
§ 459 BGB Nr. 30; BGH, NJW 1983, 217 = LM § 459 BGB Nr. 65 =
WM 1982, 1382 (unter I 2b); BGH, NJW 1985, 967 = LM § 459 BGB Nr.
75 = WM 1985, 321 (unter II 1); vgl. z. B. auch Reinicke-Tiedtke, KaufR,
5. Aufl., S. 157, 159). Ist eine nicht vorhandene Eigenschaft zugesichert,
so haftet der Verkäufer ohne Rücksicht auf seine bei Vertragsabschluß
vorhandenen Vorstellungen für alle unmittelbaren Folgen des Fehlens
der zugesicherten Eigenschaft. Die vom BerGer. rechtsirrig unter dem Gesichtspunkt
des Umfangs der Schadensersatzpflicht erörterte Frage, inwieweit der
Bekl. für die Folgen mangelnder Echtheit des verkauften Bildes einstehen
wollte und wie der Kl. die Erklärung des Bekl. über die Echtheit
des Gemäldes unter Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses
nach Treu und Glauben verstehen durfte, ist vielmehr von entscheidender
Bedeutung bereits für die im Wege der Vertragsauslegung zu beantwortende
Frage, ob eine ihrem Wortlaut nach "eindeutige" Eigenschaftsangabe im Rechtssinne
als Eigenschaftszusicherung zu werten ist (BGHZ 59, 158 (160 f.) = NJW
1972, 1706 = LM § 459 BGB Nr. 30; BGH, NJW 1983, 217 = LM § 459
BGB Nr. 65; BGH, NJW 1985, 967 = LM § 459 BGB Nr. 75).
5. Die Haftung des Bekl. für das unmittelbare
Erfüllungsinteresse des Kl. läßt sich entgegen der Auffassung
des BerGer. auch nicht mit der Begründung verneinen, der geltend gemachte
Schaden falle nicht in den Schutzbereich der kaufrechtlichen Gewährleistungshaftung
nach §§ 459 ff. BGB. Das BerGer. zieht die Grenze des Schutzbereichs
des § 463 S. 1 BGB zu eng, wenn es in ihn nur den Käufer einbeziehen
will, der einen dem Verkehrswert der Kaufsache entsprechenden Kaufpreis
gezahlt hat. Damit stünde der Käufer schutzlos, dem es - aus
welchen Gründen auch immer - gelungen ist, zu einem besonders günstigen
Kaufpreis abzuschließen. Für eine derartige Einschränkung
der Haftung nach § 463 BGB besteht keine Veranlassung. Das vom BerGer.
für seine gegenteilige Ansicht zitierte Urteil des XI. Zivilsenats
des BGH vom 30. 1. 1990 (NJW 1990, 2057 = LM § 249 (A) BGB Nr. 89
= MDR 1990, 715 = WM 1990, 808) betrifft einen nicht vergleichbaren Sachverhalt
(Begrenzung der Haftung wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung).
6. Schließlich läßt sich ein
Ausschluß der Haftung des Bekl. auch nicht mit der Erwägung
begründen, der hier geltend gemachte Schaden sprenge die "Grenzen
der Normalität". Der Grundsatz, daß die Zusicherungshaftung
nach § 463 BGB sich nur auf solche Schäden erstreckt, die von
der Zusicherung typischerweise miterfaßt werden sollten, betrifft,
wie die vom BerGer. hierfür angeführte Kommentarstelle belegt,
wiederum allein die Haftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden
(Reich, in: AK-BGB, § 463 Rdnrn. 6 ff.). Für den hier zu beurteilenden
Fall der Haftung für das unmittelbare Erfüllungsinteresse des
Käufers ist eine solche Einschränkung nicht anzuerkennen.
III. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen
die Annahme des BerGer., eine arglistige Täuschung des Kl. über
die Unechtheit des Gemäldes sei nicht schlüssig dargetan. Aus
dem Umstand, daß der Bekl. es ungeachtet der vom Kl. geäußerten
und durch die Auskunft der englischen Galerie gestützten Zweifel nach
wie vor für echt hält, läßt sich Arglist nicht herleiten.
Auf den von der Revision als übergangen gerügten Sachvortrag
des Bekl. kommt es insoweit nicht an, weil der Kl. sich diesen nicht zu
eigen gemacht hat.
IV. Mit der gegebenen Begründung kann das
Berufungsurteil somit keinen Bestand haben. Eine eigene abschließende
Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil es dazu weiterer tatsächlicher
Feststellungen zur Echtheit des Bildes und gegebenenfalls zur Höhe
des Schadens bedarf. Damit diese getroffen werden können, ist das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das BerGer. zurückzuverweisen.
Dieses wird bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits
ohne Bindungswirkung an seine aufgehobene Entscheidung (BGHZ 106, 219 (221)
= NJW 1989, 1486 = LM § 559 ZPO Nr. 23) Gelegenheit haben, die von
ihm aufgezeigten - und die von den Parteien darüber hinaus vorgetragenen
- besonderen Umstände des Vertragsschlusses bereits bei der Frage
zu berücksichtigen, ob die Erklärung des Bekl. über die
Urheberschaft des verkauften Gemäldes als Zusicherung seiner Echtheit
zu werten ist.