Anforderung an eine Eigenschaftszusicherung nach § 459 II BGB im Kunsthandel ("Burra II")

BGH, Urteil v. 15.02.1995  - VIII ZR 126/94 

Fundstellen:

NJW 1995, 1673
LM H. 7/1995 § 459 BGB Nr. 124
MDR 1995, 894
JZ 1995, 1015
ZIP 1995, 570

Vgl. dazu auch BGH NJW 1993, 2103 ("Burra I")



Amtl. Leitsatz:

Zu den Anforderungen an eine Echtheitszusicherung im Kunsthandel.



Zum Sachverhalt:

Der Bekl. ist Kunsthändler. Er verkaufte dem Kl. im November 1990 ein mit "Burra 33" signiertes Ölgemälde zum Preis von 10000 DM. Auf Wunsch des Kl. übergab er diesem eine handschriftlich abgefaßte und von ihm unter dem Datum des 20. 11. 1990 unterschriebene Erklärung, die als Urheber des Gemäldes " Eward Burra" nennt und in der es weiter heißt, das Gemälde sei "ein Original von der Hand des Künstlers". Gestützt auf die Auskunft einer Londoner Galerie, begehrt der Kl. Schadensersatz wegen Nichterfüllung, weil das Bild unecht sei. Den ihm dadurch entstandenen Schaden beziffert er auf 290000 DM. Nach seiner Behauptung hätte das Gemälde, wenn es echt wäre, einen Marktwert von mindestens 300000 DM. Der Bekl. macht demgegenüber geltend, seine schriftliche Erklärung sei nicht als Eigenschaftszusicherung zu werten, weil sie erst nach Abschluß des bereits am 18. 11. 1990 geschlossenen Kaufvertrages abgefaßt worden sei. Beim Verkauf des Bildes habe er dem Kl. erklärt, er könne über die Urheberschaft keine Angaben machen, weil er das Bild selbst erst vor einer Woche erworben und noch keine näheren Recherchen angestellt habe. Im übrigen sei das Bild echt, nämlich ein solches des Malers Burra.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz (Senat, NJW 1993, 2103 = LM H. 10/1993 § 249 (E) BGB Nr. 17 = WM 1993, 1374). Die Berufung des Kl. ist abermals zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich seine Revision ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat die Klage schon am Nachweis einer Zusicherung der Echtheit des verkauften Gemäldes scheitern lassen. Es hat dazu ausgeführt:
Die vertraglich bindende Beschreibung bestimmter Merkmale oder Eigenschaften der verkauften Sache stelle zunächst nur eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S. des § 459 I BGB dar, mit der die Parteien festlegten, "als was" die Sache verkauft werde. Eine Zusicherung i.S. von § 459 II BGB setze weiter voraus, daß der Käufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft der Kaufsache übernehme, dafür also "garantiere", und damit seine Bereitschaft zu erkennen gebe, unter allen Umständen und für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen. Dafür sei entscheidend, wie der Käufer aus seiner Sicht unter Berücksichtigung aller zum Vertragsschluß führenden Umstände die Erklärungen und das Verhalten des Verkäufers habe verstehen dürfen. Werde ein Bild als von einem bestimmten Künstler stammend, also "als echtes" verkauft, so sei seine Echtheit zunächst nur ein vertraglich vereinbartes Beschaffenheitsmerkmal, seine Unechtheit mithin nur ein Fehler i.S. von § 459 I BGB. Zugesichert sei die Echtheit erst, wenn der Verkäufer dafür in der dargelegten Weise "garantiere". Das sei hier nicht geschehen, denn die bei dem Verkaufsgespräch abgegebene Erklärung des Bekl., er könne über die Urheberschaft keine Angaben machen, weil er das Bild selbst erst vor einer Woche erworben und noch keine näheren Recherchen angestellt habe, habe aus der Sicht des Kl. keinen Zweifel daran  gelassen, daß der Bekl. für die Echtheit eben nicht, "koste es, was es wolle", habe garantieren können. Für seine gegenteilige Behauptung, der Bekl. habe ihm auf Nachfrage erklärt, er könne völlig sicher sein, daß das Bild echt sei, und ihm eine schriftliche Zusicherung versprochen, habe der Kl. keinen Beweis angetreten. Diese Ungewißheit gehe zu seinen Lasten. Stütze der Käufer seinen vermeintlichen Anspruch auf eine Zusicherung, so müsse er die Erklärungen oder Umstände beweisen, aus denen die rechtsbegründende Tatsache der Zusicherung geschlossen werden könne. Daß der Bekl. dem Kl. die Urheberschaft Burras ausdrücklich "bestätigt" habe, sei noch kein Hinweis auf eine Zusicherung, sondern belege nur, daß der Bekl. das Bild "als echtes" verkauft habe.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
1. Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, das Berufungsurteil verstoße gegen das zivilprozessuale Verbot der Schlechterstellung (reformatio in peius). Eine unzulässige Schlechterstellung des Kl. will die Revision darin erblicken, daß das BerGer. die schriftliche Bestätigung des Bekl. anders als im ersten Berufungsurteil nun nicht mehr als Zusicherung der Echtheit des Gemäldes wertet. Dem ist nicht zu folgen.
a) Das Verbot der Schlechterstellung gilt nur für das Verhältnis der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu der angefochtenen Entscheidung, für das Berufungsurteil also nur im Verhältnis zu dem erstinstanzlichen Urteil. Da die Klage schon vom LG in vollem Umfang abgewiesen worden ist, ist dem Kl. nach dem erstinstanzlichen Urteil indessen nichts verblieben, was ihm durch das Berufungsurteil genommen worden sein könnte.
b) Die Revision will demgegenüber das Verbot der reformatio in peius auf das Verhältnis zwischen dem ersten, vom RevGer. aufgehobenen und dem nach Zurückverweisung ergangenen zweiten Berufungsurteil anwenden. Das ist verfehlt. Zu einem zweiten Berufungsurteil über denselben Streitgegenstand kann es nur dann kommen, wenn das erste Berufungsurteil vom RevGer. aufgehoben und die Sache an die Berufungsinstanz zurückverwiesen worden ist. Da das erste Berufungsurteil bereits mit seiner uneingeschränkten Aufhebung durch das RevGer. beseitigt worden ist, konnte es im Zeitpunkt der zweiten Berufungsentscheidung keine Wirkung mehr erzeugen, von der das zweite Berufungsurteil nachteilig hätte abweichen können.
2. Das BerGer. war entgegen der Auffassung der Revision auch nicht durch eine irgendwie geartete Bindungswirkung gehindert, die Frage der Eigenschaftszusicherung nunmehr anders zu beurteilen als in der ersten Berufungsentscheidung. Zwar trifft es zu, daß der erkennende Senat als RevGer. im ersten Revisionsverfahren an die damalige Vertragsauslegung des BerGer. gebunden war (Senat, NJW 1993, 2103 unter II 2 = LM H. 10/1993 § 249 (E) BGB Nr. 17 = WM 1993, 1374). Richtig ist auch, daß die Annahme der Vorinstanz, es habe die zugesicherte Eigenschaft der Echtheit des Bildes gefehlt, dazu führte, daß das RevGer. die im ersten Berufungsurteil getroffene Entscheidung, gleichwohl bestehe ein Ersatzanspruch aus § 463 BGB nicht, überprüfen konnte. Das bedeutet entgegen der Auffassung der Revision nicht, daß auch das BerGer. im zweiten Berufungsverfahren an sie gebunden wäre. § 565 II ZPO bindet das BerGer. nur an die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, d.h. auf der die Aufhebung des Berufungsurteils beruht (z.B. BGH, NJW-RR 1993, 834 = BGHRZPOO § 565 II Bindungswirkung 3). Das waren Fehler in der Anwendung des § 463 BGB, was die Rechtsfolge des Fehlens der zugesicherten Eigenschaft angeht. Das BerGer., das nach Aufhebung und Zurückverweisung erneut zu entscheiden hat, ist in der tatrichterlichen Würdigung im Interesse  einer zusammenfassenden Prüfung des gesamten Sachverhalts frei. Es ist nicht an früher getroffene Tatsachenfeststellungen, an eine vorausgegangene Beweiswürdigung (BAG, AP Nr. 10 zu § 565 ZPO) oder an die in dem aufgehobenen Urteil geäußerten Rechtsansichten gebunden, selbst wenn das RevGer. sie teilt (BGH, NJW 1969, 661 unter II 1 = LM § 565 II ZPO Nr. 12; Senat, NJW 1993, 2103 unter IV = LM H. 10/1993 § 249 (E) BGB Nr. 17 = WM 1993, 1374; Walchshöfer, in: MünchKomm-ZPO, § 565 Rdnr. 13; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 565 Rdnr. 6). Demgemäß hat der erkennende Senat im ersten Revisionsurteil ausgeführt, das BerGer. werde bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung Gelegenheit haben, die besonderen Umstände des Vertragsschlusses bereits bei der Frage zu berücksichtigen, ob die Erklärung des Bekl. über die Urheberschaft des verkauften Gemäldes als Zusicherung seiner Echtheit zu werten ist (Senat, NJW 1993, 2103 unter IV = LM H. 10/1993 § 249 (E) BGB Nr. 17 = WM 1993, 1374).
3. Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge der Revision, das BerGer. habe bei der Auslegung der schriftlichen Bestätigung des Bekl. verfahrensfehlerhaft Tatsachenvortrag des Bekl. verwertet, den der Kl. bestritten hat.
Das BerGer. begründet seine Auffassung, der Bekl. habe mit der dem Kl. übergebenen schriftlichen Bestätigung die Echtheit des verkauften Gemäldes nicht zugesichert, zwar zum einen mit der Erwägung, die bei dem Verkaufsgespräch abgegebene Erklärung des Bekl., er könne über die Urheberschaft keine Angaben machen, weil er das Bild selbst erst vor einer Woche erworben und noch keine näheren Recherchen angestellt habe, habe aus der Sicht des Kl. keine Zweifel daran gelassen, daß der Bekl. für die Echtheit nicht habe garantieren können. Die Abgabe einer derartigen Erklärung des Bekl. hat der Kl., worauf die Revision zutreffend hinweist, auch nach dem Tatbestand des Berufungsurteils bestritten. Ob das BerGer. sie deshalb nicht ohne Beweisaufnahme zum Nachteil des Kl. verwerten durfte, bedarf keiner Entscheidung, denn das angefochtene Urteil beruht jedenfalls nicht auf dem aufgezeigten Verfahrensfehler. Das BerGer. ist nämlich unabhängig davon in anderem Zusammenhang - bei der Erörterung der Beweislast für die vom Kl. behauptete mündliche Erklärung des Bekl., der Kl. könne völlig sicher sein, daß das Bild echt sei - zu dem Ergebnis gelangt, die ausdrückliche (schriftliche) Bestätigung des Bekl. sei noch kein Hinweis auf eine Zusicherung, sondern belege nur, daß der Bekl. das Bild "als echtes" verkauft habe.
Diese von den Begleitumständen losgelöste tatrichterliche Wertung ist sachgerecht. Daß der Bekl. die Urheberschaft Burras ausdrücklich "bestätigt" hat, zwingt entgegen der Auffassung der Revision nicht zur Annahme einer Zusicherung der Echtheit. An eine solche sind im Kunsthandel angesichts hier häufig bestehender Zweifel an der Urheberschaft strenge Anforderungen zu stellen (vgl. dazu auch die Senatsurteile BGHZ 63, 369 (372) = NJW 1975, 970 = LM § 459 BGB Nr. 36 und NJW 1980, 1619 = LM § 9 (Cf) AGBG Nr. 3 = WM 1980, 529 unter I 3). Ob ihnen im Streitfall genügt wäre, falls der Bekl. dem Kl., wie dieser behauptet, darüber hinaus mündlich erklärt hätte, der Kl. könne völlig sicher sein, daß das Bild echt sei, und ihm eine schriftliche Zusicherung versprochen hätte, bedarf keiner Entscheidung, denn der Kl. hat für diese vom Bekl. bestrittene Behauptung keinen Beweis angetreten. Das geht, wie das BerGer. richtig erkannt hat, zu Lasten des Kl., dem der Nachweis derjenigen Erklärungen und Umstände obliegt, aus denen er die anspruchsbegründende Eigenschaftszusicherung herleiten will (BGH, NJW 1991, 912 = LM § 133 (C) BGB Nr. 72 = WM 1991, 519 unter III m. Nachw.).
4. Da der Kl. Ansprüche auf Wandelung oder Minderung wegen bloßer Fehlerhaftigkeit des angeblich unechten Gemäldes ausdrücklich nicht, auch nicht hilfsweise, geltend macht, haben die Vorinstanzen die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen.


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