Wird dem Grundstücksverkäufer vor
Gefahrübergang ohne sein Verschulden die Vertragserfüllung deswegen
teilweise unmöglich, weil das mitverkaufte Gebäude durch einen
Brand zerstört worden ist, so kann der Käufer die Rechte aus
§ 323 BGB geltend machen.
BGHZ 129, 103
NJW 1995, 1737 ff
LM H. 9/1995 § 323 BGB Nr. 11 m. Anm. Pfeiffer
MDR 1995, 790
JZ 1996, 102
BB 1995, 1261
DB 1995, 2264
ZIP 1995, 1019
Besprechungsaufsatz von Tiedtke NJW 1995,
3081
Im Zentrum des Falles steht ein Schadensersatzanspruch des Kl. (Käufer) wegen anfänglichen Unvermögens des Bekl. (Verkäufer), der ein Grundstück zu einem Zeitpunkt gekauft hat, in welchem es ihm noch nicht gehörte.
Durch notariellen Vertrag vom 18. 5. 1990 verkaufte
der Bekl. den Kl. für 1200000 DM einen aus mehreren Flurstücken
bestehenden und bebauten Grundstückskomplex (nachfolgend: "das Grundstück").
Er hatte das Grundstück am 12. 5. 1990 von W und J gekauft, die es
ihrerseits von dem Eigentümer K gekauft hatten. Der Vertrag zwischen
dem Bekl. und den Kl. enthält einen Gewährleistungsausschluß.
Das Grundstück sollte den Kl. unter bestimmten Voraussetzungen am
1. 8. 1990 übergeben und übereignet werden. In der Nacht zum
24. 5. 1990 wurden die Gebäude durch einen Brand weitgehend zerstört.
Der Eigentümer K erklärte gegenüber W und J am 8. 6. 1990
den Rücktritt von dem mit ihnen geschlossenen Kaufvertrag. Sie einigten
sich aber darauf, daß der Vertrag "nicht zustande gekommen ist".
Für den Brandschaden erhielt K von seiner Versicherung einen Betrag
von 1543000 DM. Die Kl. verlangen vom Bekl. Schadensersatz wegen Nichterfüllung
des Kaufvertrages. Sie behaupten, der Verkehrswert des Grundstücks
habe sich vor dem Brand auf 1900000 DM belaufen, so daß ihnen nach
Abzug des Kaufpreises von 1200000 DM und weiterer Beträge von insgesamt
29512,24 DM ein Schaden von 670487,76 DM entstanden sei. Davon machen sie
mit der Klage einen Teilbetrag von 390000 DM nebst Zinsen geltend.
Das LG hat der Klage stattgegeben; das OLG hat
sie abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
1. Das BerGer. unterstellt, daß der Bekl.
aufgrund des Vertrages vom 18. 5. 1990 den Kl. gegenüber verpflichtet
war, sich die Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück
zu verschaffen, und daß er, weil ihm dies nicht gelungen ist, ihnen
grundsätzlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung schuldet. Es
meint aber, die Kl. wären auch dann, wenn der Bekl. seine Pflichten
so erfüllt hätte, wie er sie nach Eintritt des Brandschadens
schuldete, nicht besser gestellt gewesen, als sie es jetzt seien. Dabei
zieht das BerGer. allerdings nur eine von zwei Alternativen in Betracht,
nämlich die, daß die Kl. "von der ihnen rechtlich eingeräumten
Möglichkeit, die infolge des Brandschadens mangelhafte und damit vertragswidrige
Kaufsache nicht abzunehmen und die Kaufpreiszahlung zu verweigern", nicht
Gebrauch gemacht hätten. Es bleibt also offen, wie sich die Kl. gestanden
hätten, wenn sie - was angesichts der durch den Brand verursachten
Zerstörung der Gebäude näher läge - das Kaufgrundstück
zurückgewiesen hätten.
Unzutreffend ist die Ansicht des BerGer., der
vereinbarte Gewährleistungsausschluß habe schon für die
Zeit vor Gefahrübergang den Umfang der Leistungspflicht des Bekl.
eingeschränkt. Zum Beleg dafür verweist es auf das Senatsurteil
vom 8. 3. 1991 (BGHZ 114, 34 = NJW 1991, 1675 = LM § 281 BGB Nr. 11),
das sich aber mit dieser Frage nicht befaßt. Soweit der Standpunkt
des BerGer. auch im Schrifttum vertreten wird, beruht dies auf der Annahme,
die Belange des Käufers seien dadurch gewahrt, daß er die mangelhafte
Sache zurückweisen könne (so z.B. Tiedtke, NJW 1992, 3213). Das
ist jedoch nicht folgerichtig; denn wenn der Gewährleistungsausschluß
die Leistungspflicht des Verkäufers auf die mangelhafte Sache beschränkt,
dann muß sich der Käufer damit abfinden, so daß er die
Sache nicht zurückweisen darf (Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., Vorb.
§ 45 Rdnr. 185).
2. Das angefochtene Urteil kann deshalb mit der
gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Es ist auch nicht aus anderen
Gründen im Ergebnis richtig.
a) Das BerGer. hat, aus seiner Sicht zu Recht,
offengelassen, ob der Kaufvertrag nur unter der - nicht eingetretenen -
Bedingung geschlossen worden ist, daß der Bekl. Eigentümer des
Grundstücks wird. Für eine dahingehende Auslegung bietet der
Vertrag jedoch keinen Anhaltspunkt. Die Erklärung des Bekl., er werde
Eigentümer, konnten die Kl. nur so verstehen, daß er zur Vertragserfüllung
bei Fälligkeit in der Lage ist. Diese Auslegung kann auch das RevGer.
vornehmen, weil hierzu tatsächliche Feststellungen nicht mehr erforderlich
sind (BGHZ 65, 107 (112) = NJW 1976, 43 = LM Allg. Geschäftsbedingungen
Nr. 79a).
b) Der Bekl. hat durch den Abschluß des
Kaufvertrages die Garantie übernommen, daß er den Kl. gem. §
433 I 1 BGB Besitz und Eigentum an dem Kaufgrundstück verschaffen
kann (st.Rspr. des Senats, vgl. WM 1972, 656; BGHZ 62, 119 (120) = NJW
1974, 692 = LM § 278 BGB Nr. 65). Dazu war er aber nicht imstande.
Deshalb ist er den Kl. zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung des
Vertrages verpflichtet. Maßgebend für die Höhe des Schadens
ist, wie sich die Kl. bei Erfüllung des Vertrages gestanden hätten.
Dabei ist zu berücksichtigen, welcher Verlauf sich bis dahin ergeben
hätte.
Auch wenn der Bekl. Eigentümer des Grundstücks
gewesen wäre, so wäre ihm die Erfüllung seiner Leistung
infolge der durch den Brand verursachten Zerstörung der Gebäude
teilweise unmöglich geworden; denn Gegenstand des Kaufvertrages waren
auch die Gebäude als wesentliche Bestandeile des Grundstücks.
Der Bekl. hatte den Brandschaden nicht zu vertreten. Dieser ist aber vor
Gefahrübergang entstanden. Daher hätten sich die Rechtsfolgen
dieser Leistungsstörung nicht aus den Gewährleistungsvorschriften,
sondern aus den allgemeinen Bestimmungen hergeleitet (BGHZ 34, 32 (37)
= NJW 1961, 772 = LM § 459 BGB Nr. 9 (L); BGH, LM § 346 BGB Nr.
13 = WM 1984, 936 (938)). Das entspricht der Regelung in § 459 I 1
BGB, denn danach entsteht ein Gewährleistungsanspruch erst mit Gefahrübergang.
Eine im Schrifttum verbreitete Auffassung sieht den Zweck dieser Vorschrift
darin, die Haftung des Verkäufers auch auf solche Sachmängel
zu erweitern, die in der Zeit bis zum Gefahrübergang entstanden sind
(Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., Vorb. § 459 Rdnr. 184). Diese an sich
zutreffende Meinung ändert aber nichts daran, daß der Käufer
grundsätzlich erst nach Gefahrübergang Gewährleistungsansprüche
geltend machen kann. Allerdings wird ihm dieses Recht ausnahmsweise schon
vorher zugebilligt, nämlich dann, wenn der Verkäufer den Sachmangel
- was hier der Fall gewesen wäre - nicht beheben kann oder dessen
Beseitigung verweigert (BGHZ 34, 32 (34, 35) = NJW 1961, 772 = LM §
459 BGB Nr. 9 (L); Westermann, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 459
Rdnr. 5). Dadurch soll aber der Käufer begünstigt und nicht benachteiligt
werden; deshalb kann er nach den allgemeinen Bestimmungen vorgehen, wenn
sie ihn besser stellen als die Gewährleistungsvorschriften (BGHZ 34,
32 (37) = NJW 1961, 772 = LM § 459 BGB Nr. 9 (L); Erman/Grunewald,
BGB, 9. Aufl., Vorb. § 459 Rdnr. 16, § 459 Rdnr. 25). So verhält
es sich hier.
Die Kl. hätten gem. § 323 II i.V. mit
§ 281 BGB vom Bekl. gegen Zahlung des Kaufpreises Herausgabe der Brandentschädigung
von 1543000 DM verlangen können, weil er diese erhalten hätte,
wenn er Eigentümer des Grundstücks am 1. 8. 1990 gewesen wäre,
dem Zeitpunkt, zu dem er den Kl. nach Kaufpreiszahlung Übereignung
schuldete. Voreigentümer wären dann W und Jgewesen, von denen
der Bekl. das Grundstück gekauft hatte. Sie wiederum hätten es
von dem Erstverkäufer K erworben. Dieser hatte die Brandversicherung
abgeschlossen. Seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag wären nach
§ 69 I VVG auf W und J übergegangen; denn sie wären bei
Eintritt des Brandschadens am 23./24. 5. 1990 Grundstückseigentümer
oder aufgrund der Auflassungsvormerkung jedenfalls Anwartschaftsberechtigte
gewesen, falls sie vertragsgemäß am 30. 4. 1990 den Kaufpreis
an K gezahlt hätten. Ihnen wäre infolge der durch den Brand verursachten
Zerstörung der Gebäude die Erfüllung des mit dem Bekl. geschlossenen
Kaufvertrages unverschuldet teilweise unmöglich geworden. Daher hätte
der Bekl. von ihnen nach §§ 323 II, 281 BGB gegen Zahlung des
Kaufpreises Herausgabe der Brandentschädigung verlangen können.
Allerdings ist es zu diesem Ablauf, der sich normalerweise ergeben hätte,
nicht gekommen, da Wund J mangels Eigentumserwerb nicht in der Lage waren,
dem Bekl. an dem ihm verkauften Grundstück Eigentum zu verschaffen.
Dafür muß der Bekl. einstehen, weil er - wie dargelegt - mit
dem Weiterverkauf an die Kl. die Erfüllung seiner Übereignungspflicht
garantiert hat.
3. Der Rechtsstreit ist noch nicht zu einer Endentscheidung
reif. Nach dem vom LG eingeholten Gutachten des Sachverständigen W
hatte das Grundstück vor Eintritt des Brandschadens einen Verkehrswert
von 1900000 DM. Von diesem Wert wären die Leistungen abzuziehen, welche
die Kl., sofern der Bekl. den Vertrag erfüllt hätte, hätten
aufbringen müssen, nämlich den Kaufpreis von 1200000 DM und Kosten
von 29512,24 DM. In Höhe der sich daraus ergebenden Differenz von
670487,76 DM könnten die Kl. als Nichterfüllungsschaden geltend
machen, daß sie die Brandentschädigung erhalten hätten,
wenn der Bekl. Eigentümer des Grundstücks gewesen wäre.
Demnach wäre die eingeklagte Teilforderung von 390000 DM berechtigt.
Der Bekl. hat jedoch in den Vorinstanzen das Gutachten beanstandet. Daher
muß das BerGer. feststellen, welchen Wert das Grundstück hatte.
Deswegen ist die Zurückverweisung der Sache geboten.