Inhaltsirrtum bei Unterschrift unter eine
ungelesene/falschverstandene Urkunde
BGH, Urteil v. 27.10.1994 - IX ZR 168/93 (Düsseldorf)
Fundstelle:
NJW 1995, 190
Fortsetzung des Falles in
NJW 1997, 3230
Amtl. Leitsatz:
Zur Anfechtung einer Bürgschaftserklärung wegen
Irrtums über deren Inhalt.
Zum Sachverhalt:
Die kl. Sparkasse nimmt die bekl. Iranerin aus
einer Bürgschaft in Anspruch. Die Bekl. besuchte seit dem Jahre 1980
mehrmals ihren Vater Dr. M in N., der aus dem Iran stammt und die deutsche
Staatsbürgerschaft erworben hat. Im August 1980 eröffnete die
Bekl. ein Sparkonto bei der Kl., die in Geschäftsverbindung mit Dr.
M stand. Am 8. 3. 1985 kauften Dr. M und seine Ehefrau ein Hausgrundstück
für 800000 DM. Der Kaufpreis sollte durch die Kl. finanziert werden.
Am 15. 3. 1985 unterzeichnete die Bekl., die von Dr. M begleitet wurde,
in den Geschäftsräumen der Kl. ein von dieser vorgelegtes, in
deutscher Sprache verfaßtes Bürgschaftsformular. Dessen Inhalt
hatte die Kl. vor der Unterschrift nicht erläutert oder übersetzt.
Nach der Urkunde verbürgte sich die Bekl. selbstschuldnerisch ohne
zeitliche oder betragsmäßige Begrenzung für alle bestehenden
und künftigen Forderungen der Kl. aus ihrer Geschäftsverbindung
mit Dr. M und seiner Ehefrau. Am 10. 4. 1985 gewährte die Kl. den
Hauptschuldnern ein Darlehen von 800000 DM. Die Kl., die den Hauptschuldnern
weitere Kredite gegeben hat, macht aus der Geschäftsverbindung eine
restliche Gesamtforderung von mehr als 400000 DM geltend.
Von der Bekl. begehrt die Kl. die Begleichung
einer Verbindlichkeit der Hauptschuldner in Höhe von 251783,91 DM
und Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Arresthypothek über
255000 DM an einer Eigentumswohnung, die die Bekl. Mitte des Jahres 1985
erworben hat. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg; die Widerklage
der Bekl., die Kl. zur Bewilligung der Löschung dieser Hypothek zu
verurteilen, wurde abgewiesen. Die Revision der Bekl. führte zur Aufhebung
des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat eine rechtswirksame Bürgschaft
der Bekl. (§§ 765ff. BGB) angenommen und ausgeführt:
Zur Wahrung des § 766 BGB genüge es,
wenn ein Ausländer, der keine Deutschkenntnis habe, eine deutschsprachige
Bürgschaftsurkunde unterschreibe. Das von der Kl. verwendete Vertragsformular
sei nicht ungewöhnlich i.S. des § 3 AGBG, da es nach seiner Gestaltung
geeignet sei, einen deutschen Durchschnittsbürgen vor dem Risiko infolge
des Umfangs der Bürgschaft zu warnen. Diese sei nicht sittenwidrig,
weil die Bekl. nicht unvorbereitet und unter Ausnutzung ihrer Verständigungsschwierigkeiten
zur Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde bestimmt worden sei. Die
Bekl. habe ihre Vertragserklärung nicht wirksam angefochten, weil
sie einen Erklärungsirrtum nicht schlüssig dargelegt habe. Sie
habe nicht konkret vorgetragen, welche Vorstellung sie vom Inhalt der unterschriebenen
Erklärung gehabt habe; insoweit sei ihr Vorbringen widersprüchlich.
Die Anfechtung gem. § 123 BGB scheitere, weil Anhaltspunkte dafür
fehlten, daß die Kl. die Bekl. über den Bürgschaftscharakter
ihrer Verpflichtung getäuscht habe; eine Täuschung der Bekl.
durch ihren Vetter brauche sich die Kl. nicht zurechnen zu lassen. Eine
Ersatzpflicht der Kl. aus einem Verschulden bei Vertragsschluß entfalle.
Diese habe die Bekl. nicht zu einem Irrtum über ihr erhöhtes
Risiko veranlaßt und habe davon ausgehen können, daß der
Hauptschuldner die Bekl. unterrichtet habe und Fragen anläßlich
der Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde übersetzen werde. Da
umfassende Bürgschaften gegenüber Kreditinstituten üblich
seien, sei es unerheblich, daß die Verpflichtung der Bekl. weitergegangen
sei, als dies zur Sicherung von Ansprüchen der Kl. aus der Finanzierung
des Kaufpreises für das Haus der Hauptschuldner nötig gewesen
wäre.
II. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen
Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, ein
wirksamer Bürgschaftsvertrag der Parteien sei nicht zustande gekommen,
weil die Voraussetzungen des § 2 I AGBG fehlten. Nach dieser Vorschrift
werden AGB nur dann Bestandteil eines Vertrages, falls der Verwender bei
Vertragsabschluß die andere - nichtkaufmännische - Vertragspartei
(vgl. § 24 S. 1 Nr. 1 AGBG) auf die AGB hinweist (Nr. 1) und der anderen
Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise vom
Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen (Nr. 2), und wenn diese Partei mit der
Geltung der AGB einverstanden ist.
a) Das BerGer. ist davon ausgegangen, daß
die Parteien ihre Beziehungen aufgrund der Bürgschaftserklärung
der Bekl. vom 15. 3. 1985 dem deutschen Recht unterworfen haben (vgl. dazu
für die hier maßgebliche Zeit vor dem Gesetz zur Neuregelung
des IPR vom 25. 7. 1986 - BGBl I, 1142 - BGHZ 53, 189 (191ff.) = NJW 1970,
999 = LM Art. 7ff. EGBGB (Deutsches Intern. Privatrecht) Nr. 35; BGH, NJW
1984, 2762 (2763) = LM § 110 ZPO Nr. 12 m.w.Nachw.). Dies wird von
den Parteien nicht beanstandet.
b) Weiterhin hat das BerGer. zu Recht angenommen,
die Bürgschaftsurkunde enthalte AGB i.S. des § 1 AGBG; dies entspricht
der Ansicht der Parteien. Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen
sog. Formularvertrag, der in seinem Text alle wesentlichen Vertragsbedingungen
der Kl. enthält. Da das Vertragsformular mit einem im wesentlichen
gleichen Inhalt für eine Vielzahl von Verträgen benutzt werden
soll und der Verwender die darin aufgeführten Bedingungen der Gegenseite
abverlangt, erfüllt der gesamte Formularvertrag den gesetzlichen Begriff
der AGB (§ 1 I 2 AGBG; vgl. BGHZ 62, 251 (252 f.) = NJW 1974, 1135
= LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 55; BGHZ 63, 238 (239) = NJW 1975,
165 = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 57; BGHZ 75, 15 (20) = NJW
1979, 2387 = LM § 138 (Bc) BGB Nr. 30a). § 2 I AGBG ist auf einen
Formularvertrag nicht anzuwenden (BGHZ 104, 232 (238) = NJW 1988,
2465 = LM § 1 AGBG Nr. 12; OLG Frankfurt a.M., NJW 1986, 2712 (2713);
Löwe/v. Westphalen/Trinkner, AGBG, 1977, § 2 Rdnrn. 6, 19; Ulmer/Brandner/Hensen,
AGBG, 7. Aufl., § 2 Rdnr. 2; Kötz, in: MünchKomm, 3. Aufl.,
§ 2 AGBG Rdnrn. 6, 11; Soergel/Stein, BGB, 12. Aufl., § 2 AGBG
Rdnr. 3; Erman/Hefermehl, BGB, 9. Aufl., § 2 AGBG Rdnr. 5; in diesem
Sinne auch Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 9; Palandt/Heinrichs,
BGB, 53. Aufl., § 2 AGBG Rdnr. 8). Das gilt auch für den vorliegenden
formularmäßigen Bürgschaftsvertrag. Die Vertragsurkunde
enthält alle wesentlichen Bürgschaftsregelungen. Die Unterschrift
der Bekl. deckt diesen Vertragsinhalt. Mit der formlosen Annahme der Bürgschaftserklärung
durch die Kl. kam der Vertrag zustande.
An dem Abschluß eines Bürgschaftsvertrages
der Parteien ändert nichts, daß die bekl. Iranerin nach ihrem
Vorbringen, das mangels anderer tatrichterlicher Feststellungen im Revisionsverfahren
zugrunde zu legen ist, bei Unterzeichnung des - in deutscher Sprache verfaßten
- Vertragsformulars Deutsch weder sprechen noch lesen konnte. Nach eigener
Behauptung bediente sich die Bekl. in ihrem geschäftlichen Umgang
mit der Kl. des Hauptschuldners - ihres Vetters -, der unstreitig die deutsche
Sprache und Schrift beherrscht, als Dolmetscher. Da dieser die Bekl. damals
begleitete, hatte diese vor Unterzeichnung der Vertragsurkunde die Möglichkeit,
in zumutbarer Weise von der Art und dem Inhalt des seitens der Kl. vorgelegten
Schriftstücks Kenntnis zu nehmen, indem sie sich durch den Dolmetscher
die auf einer DIN A 4-Seite befindlichen, gut lesbaren, übersichtlich
gegliederten und inhaltlich auch für einen Rechtsunkundigen hinreichend
verständlichen Vertragsbedingungen übersetzen ließ. Nachdem
die Bekl. diese Möglichkeit nicht genutzt hat, steht sie demjenigen
gleich, der eine Urkunde unterschrieben hat, ohne sich über ihren
Inhalt Gewißheit verschafft zu haben. Dieser erklärt sich mit
dem Inhalt der Urkunde aus der maßgeblichen Sicht des Vertragsgegners
einverstanden (vgl. BGH, BB 1956, 254; DB 1967, 2115). Diese Rechtsstellung
der Bekl. wäre - vorbehaltlich eines noch zu erörternden Rechts
zur Irrtumsanfechtung (§ 119 BGB) - nicht anders, wenn sie einen im
einzelnen ausgehandelten, von der anderen Vertragspartei aber unrichtig
niedergelegten Vertragstext ungelesen unterschrieben hätte. Auch in
dem - hier nicht gegebenen - Fall, daß gesonderte, in deutscher
Sprache verfaßte AGB in einen Vertrag einbezogen werden, muß
ein Ausländer, falls deutsch die Verhandlungs- und Vertragssprache
ist, den nicht zur Kenntnis genommenen Text der AGB gegen sich gelten lassen
(BGHZ 87, 112 (114f.) = NJW 1983, 1489 = LM § 1 AbzG Nr. 15).
c) Entgegen den - nicht näher dargelegten
- Bedenken der Revision ist die gem. § 766 BGB erforderliche Schriftform
der Bürgschaftserklärung gewahrt. Die Urkunde drückt den
Willen des Bürgen aus, für fremde Schuld einzustehen, und bezeichnet
den Gläubiger, den Hauptschuldner und die verbürgte Schuld (vgl.
BGH, NJW 1993, 1261 (1262) = LM H. 7/1993 § 766 BGB Nr. 25 m.w.Nachw.).
Die Warnfunktion der Schriftform hat die Bekl. mißachtet, indem sie
die Urkunde unterzeichnet hat, ohne sich zuvor die Tragweite dieses Schritts
durch Kenntnisnahme vom Inhalt der Urkunde klarzumachen.
2. Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß
das BerGer. ein Recht der Bekl. verneint hat, ihre Vertragserklärung
wegen Irrtums über deren Inhalt anzufechten und damit dem Bürgschaftsvertrag
rückwirkend die Rechtswirksamkeit zu nehmen (§§ 119 I, 121,
142 I, 143 I BGB).
a) Entgegen der Ansicht des BerGer. hat die Bekl.
schlüssig und widerspruchsfrei dargelegt, daß sie bei Abgabe
ihrer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum gewesen sei
(§ 119 I Fall 1 BGB). Maßgeblich ist ihre letzte Behauptung,
sie sei damals - aufgrund einer entsprechenden Mitteilung des Hauptschuldners
- davon ausgegangen, daß es sich um eine formelle Unterschrift für
ihre Geldanlage bei der Kl. (Sparkonto) handele; sie habe zu diesem Zeitpunkt
noch nicht gewußt, daß die Hauptschuldner sieben Tage zuvor
ein Haus gekauft hatten und die Kl. den Kaufpreis finanzieren sollte. Zwar
war demgegenüber ursprünglich für die Bekl. vorgetragen
worden, diese habe gewußt, daß sie für die Finanzierung
der Kaufpreisschuld der Hauptschuldner aus dem Hauskauf bürgen solle.
Dieses Vorbringen hat die Bekl. jedoch schon vor der mündlichen Verhandlung
fallen lassen, weil es nach ihrer - bisher unwiderlegten - Darstellung
nicht von ihr stammte, sondern auf Angaben des Hauptschuldners gegenüber
ihrem Prozeßbevollmächtigten beruhte. Danach ist ihr Vortrag
insoweit nicht widersprüchlich (vgl. § 138 I ZPO). Bei Richtigkeit
ihres Vorbringens hat sich die Bekl. über den Inhalt ihrer Erklärung
geirrt. Auch derjenige, der ein Schriftstück ungelesen unterschrieben
hat, darf anfechten, wenn er sich von dessen Inhalt eine bestimmte, allerdings
unrichtige Vorstellung gemacht hat (BGH,BB 1956, 254; BAG, NJW 1971, 639
(640)). Hat die Bekl. angenommen, sie billige mit ihrer Unterschrift einen
tatsächlichen Vorgang bezüglich ihres Sparguthabens, so
hat sie nicht gewußt, daß sie eine rechtsgeschäftliche
Erklärung abgab. Sollte die Bekl. davon ausgegangen sein, daß
sie mit ihrer Unterschrift ein Rechtsgeschäft hinsichtlich ihres Sparguthabens
vornahm, so hat sie nicht gewußt, daß sie eine Bürgschaftsverpflichtung
einging. In beiden Fällen hat die Bekl., ohne dies zu merken, etwas
anderes zum Ausdruck gebracht, als das, was sie in Wirklichkeit hatte erklären
wollen; sie hat sich darüber geirrt, welche Bedeutung ihrer Erklärung
im Rechtsverkehr zukam (vgl. BGH, LM § 119 BGB Nr. 21).
b) Dieser Irrtum war nach dem weiteren Vorbringen
der Bekl. für die Unterzeichnung der Urkunde ursächlich (§
119 I BGB; vgl. BGH, NJW 1988, 2597 = LM § 119 BGB Nr. 29 = BGHRBGBB
§ 119 -Ursächlichkeit 1). Die Bekl. hat behauptet, sie hätte
bei Kenntnis der wahren Sachlage keine Bürgschaftsverpflichtung unterschrieben.
Damit hat die Bekl. zugleich geltend gemacht, daß sie sich so auch
bei verständiger Würdigung des Falles verhalten hätte. Zwar
fühlte sich die Bekl. nach ihrem Vorbringen gegenüber dem Hauptschuldner
zu Dank verpflichtet, weil er ihr eine schmerzlindernde Rückenoperation
vermittelt hatte. Zu einer solchen Dankesschuld stand aber außer
Verhältnis, daß die Bekl. für Verbindlichkeiten der Hauptschuldner
in Höhe von 800000 DM für den Hauskauf und darüber hinaus
für deren weitere Schulden aus dem finanzierten Erwerb von drei Eigentumswohnungen
einstehen sollte.
c) Das BerGer. hat offengelassen, ob die Bekl.
ihre Vertragserklärung gem. § 121 BGB unverzüglich angefochten
hat. Nach dem Vorbringen der Bekl. ist das nicht auszuschließen.
Die Anfechtungserklärung im anwaltlichen Schriftsatz vom 3. 7. 1991,
der Kl. zugestellt am 12. 7. 1991, konnte nicht zum Erfolg führen
mit der - in diesem Schriftsatz gegebenen - Begründung, die Bekl.
habe bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde gewußt, daß
sie für den Kredit bürgen solle, mit dem der Kaufpreis für
das Haus der Hauptschuldner beglichen werden sollte; sie habe allerdings
infolge fehlender Sprachkenntnis nicht gewußt, daß sie mit
ihrer Unterschrift eine Bürgschaftserklärung abgebe. Bei Richtigkeit
dieses Vorbringens hätte sich die Bekl. nicht im Rechtssinne geirrt,
da ihr Wille und ihre Erklärung übereingestimmt hätten.
Rechtserheblich ist dagegen die erstmals im Schriftsatz vom 16. 9. 1991
aufgestellte Behauptung der Bekl., sie habe bei Unterzeichnung der Urkunde
nicht gewußt, daß sie für die Hauptschuldner bürgen
solle; vielmehr sei sie davon ausgegangen, daß ihre Unterschrift
ihre Geldanlage bei der Kl. betreffe. Es kann offenbleiben, ob die Bekl.,
wie die Revisionserwiderung meint, mit diesem Vorbringen einen neuen Anfechtungsgrund
in unzulässiger Weise nachgeschoben hat (vgl. dazu BGH, NJW 1966,
39 = LM § 143 BGB Nr. 4). Zumindest hat die Bekl., indem sie anstelle
des ursprünglichen Anfechtungsgrundes einen anderen geltend gemacht
hat, eine neue Anfechtungserklärung ausgesprochen, deren Rechtzeitigkeit
nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist (vgl. BGH, NJW
1966, 39 = LM § 143 BGB Nr. 4; NJW-RR 1993, 948). Das BerGer. wird
prüfen müssen, ob die Anfechtungserklärung im Schriftsatz
vom 16. 9. 1991, die der Kl. durch das Gericht an demselben Tage zugeleitet
wurde, ohne schuldhaftes Zögern erfolgt ist (vgl. BGH, WM 1962, 511
(513)). Dies ist nach dem Vorbringen der Bekl. unter den besonderen Umständen
des vorliegenden Falles nicht auszuschließen. Kenntnis vom Anfechtungsgrunde
hat die Bekl. frühestens erlangt, als ihr Prozeßbevollmächtigter
mit der Einsicht in die Gerichtsakte die Klagebegründung kennengelernt
hat; dies ist Anfang Juli 1991 geschehen. Die Sach- und Rechtslage hat
die Bekl. nach ihrem Vorbringen Anfang September 1991 mit ihrem Prozeßbevollmächtigten
erörtert.
d) Sollte rechtzeitig angefochten worden sein,
so muß das BerGer. dem Beweisangebot der - beweispflichtigen - Bekl.
nachgehen, da die Kl. einen Irrum der Bekl. bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde
bestritten hat.
3. Das angefochtene Urteil ist nicht aus einem
anderen Grunde richtig (§ 563 ZPO). Das BerGer. hat - von seinem Standpunkt
aus folgerichtig - nicht geprüft, ob der zugesprochene Betrag der
Kl. als Ersatz eines Vertrauensschadens gem. § 122 BGB zusteht, falls
die Anfechtung durchgreift. Die Kl. hat bisher nicht dargelegt, daß
die Klageforderung sich auf einen Vermögensverlust beziehe, der ihr
entstanden sei, weil sie auf die Gültigkeit der Bürgschaft der
Bekl. vertraut habe (vgl. BGH, NJW 1984, 1950 = LM § 122 BGB Nr. 2).
Es ist unklar, ob sich die Klageforderung auf den Hauskauf bezieht. Außerdem
hat die Kl. nicht behauptet, daß die Hauptschuldner ihre Verbindlichkeiten
gegenüber der Kl. nicht erfüllen können. Eine Ersatzpflicht
kann gem. § 122 II BGB entfallen, wenn die Kl. Anhaltspunkte dafür
hatte, daß der Hauptschuldner die Bekl. nicht richtig und vollständig
über Art, Inhalt und Umfang der angestrebten Bürgschaftsverpflichtung
unterrichtet hatte.
4. Da eine Bürgschaftsschuld der Bekl. nicht
feststeht, durfte diese nicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung aufgrund
der Arresthypothek (§ 932 ZPO, §§ 1147, 1184 BGB) verurteilt
werden. Aus demselben Grunde durfte das BerGer. nicht die Widerklage der
Bekl., die Kl. zur Mitwirkung an der Löschung dieser Hypothek zu verurteilen,
abweisen.
III. ... Der Senat braucht nicht einzugehen auf
die Frage, ob der Bekl. ein Schadensersatzanspruch aus einem Verschulden
der Kl. bei Vertragsschluß zusteht, der auf Befreiung von der Bürgschaftsschuld
gerichtet wäre (§ 249 BGB) und der eingekl. Bürgschaftsforderung
einredeweise entgegengesetzt werden könnte (vgl. BGH, WM 1966, 944
(945)). Die Bekl. hat nicht - im Anschluß an die Zeugenaussage des
Hauptschuldners im Arrestverfahren - behauptet, die Mitarbeiter der Kl.
hätten eine Bürgschaft der Bekl. gegenüber dem Hauptschuldner
als eine reine Formsache bezeichnet und eine solche Verharmlosung des Bürgschaftsrisikos
habe sich über den Hauptschuldner auf ihre Entschließung ausgewirkt
(vgl. dazu BGH, NJW 1985, 848 = LM § 765 BGB Nr. 38 = WM 1985, 155
(157); NJW 1988, 3205 = LM § 765 BGB Nr. 55 = ZIP 1987, 1519 (1521)).
Eine entsprechende schadensursächliche Pflichtverletzung der Kl. entfiele
von vornherein, sollte sich ihre Behauptung als richtig erweisen, das Sparguthaben
der Bekl. bei der Kl., das nach der Aussage des Hauptschuldners im Arrestverfahren
bei Eingehung der Bürgschaft etwa 500000 DM betragen hat, stamme zumindest
zum erheblichen Teil vom Hauptschuldner. Handelte es sich bei diesem
Guthaben in Wirklichkeit um verschleiertes Vermögen des Hauptschuldners,
so kann eine Äußerung der Mitarbeiter der Kl., eine Bürgschaft
der Bekl. sei eine reine Formsache, die allen Beteiligten bekannte Tatsache
zum Ausdruck gebracht haben, dieses rechtlich der Bekl. zustehende, wirtschaftlich
jedoch zum Vermögen des Hauptschuldners gehörende Guthaben solle
über eine Bürgschaft der Bekl. als Sicherheit für den Kredit
von 800000 DM dienen, mit dem die Kl. den Kaufpreis für das Hausgrundstück
der Hauptschuldner finanzieren sollte.
Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob eine
Bürgschaftshaftung der Bekl. gem. §§ 3, 4 AGBG auf den Kredit
der Kl. für den Hauskauf der Hauptschuldner zu beschränken sei
(vgl. dazu BGH, NJW 1994, 1656 = LM H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 92; WM
1994, 784 (785f.); NJW 1994, 2145f. = LM H. 10/1994 § 765 BGB Nr.
96), stellt sich beim derzeitigen Sachstand nicht. Die Bekl. hat ihr ursprüngliches
Vorbringen, sie habe bei Unterzeichnung des Bürgschaftsformulars angenommen,
daß sie für die Rückzahlung dieses Darlehens bürgen
solle, fallen lassen.
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