NJW 1996, 2023
zur Haftungseinheit s. auch BGH
NJW 1996, 2646
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Verletzter
und ein "Erstschädiger" durch im wesentlichen identische Kausalbeiträge
eine einheitliche Gefahrenlage geschaffen haben und daher hinsichtlich
ihrer Verursachungsanteile eine mit einer gemeinsamen Quote zu bewertende
"Zurechnungseinheit" bilden, die bei der Abwägung nach § 254
BGB dem Kausalbeitrag eines "Zweitschädigers" gegenübertritt,
dessen haftungsbegründender Tatbeitrag hernach zu der bereits bestehenden
Gefahrenlage hinzugetreten ist.
2. Zwischen einem in der Zurechnungseinheit
stehenden "Erstschädiger" und dem außerhalb stehenden "Zweitschädiger"
kommt ein Gesamtschuldnerausgleich nicht in Betracht.
3. Zur Abgrenzung der arbeitnehmerähnlichen
Eingliederung in ein Unternehmen nach § 539 II RVO i.V. mit §
539 I Nr. 1 RVO von der Hilfeleistung in gemeiner Gefahr i.S. von §
539 I Nr. 9a RVO.
Die Kl. nimmt den Bekl. zu 1 als Fahrer und die
Bekl. zu 2 als Haftpflichtversicherer eines vom Bekl. zu 1 gesteuerten
Pkw, eines Taxifahrzeuges, auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall
vom 12. 12. 1986 in Anspruch. An diesem Tage begab sich die Kl. zur A-Kaserne
in K., um dort den Zeugen B abzuholen, der zur Rückfahrt sein eigenes
Fahrzeug benutzen wollte. Als dieses nicht ansprang, schoben B und ein
weiterer Helfer A gegen 18.15 Uhr den wegen der leeren Fahrzeugbatterie
gänzlich unbeleuchteten Pkw auf der N-Straße zunächst etwa
200 m bergab in Richtung B., um ihn so in Gang zu setzen. Kurz vor Erreichen
einer Gleisanlage gaben sie diesen Versuch auf, wendeten das Fahrzeug und
wollten es nunmehr bergan zurück zur Kaserne schieben. Hierzu baten
sie die Kl. um Mithilfe. Zusammen mit B schob die Kl. daraufhin das Fahrzeug
von hinten, während der weitere Helfer A in Höhe der Fahrertür
schob und lenkte. Zur gleichen Zeit näherte sich der Bekl. zu 1 mit
dem von ihm gesteuerten Taxi auf der N-Straße dem geschobenen Pkw
von hinten. Der Bekl. zu 1, der zunächst eine Linkskurve durchfahren
mußte, erkannte den unbeleuchteten Pkw des B und die ihn schiebenden
Personen erst, als er die in einer Senke liegenden Gleisanlagen überquerte.
Er fuhr trotz sofortigen Bremens von hinten auf den Pkw des B auf. Dabei
wurde die Kl. zwischen beiden Fahrzeugen eingeklemmt und erheblich verletzt.
Die Kl. ist der Ansicht, der Bekl. zu 1 habe den Unfall schuldhaft verursacht,
da er für die Verhältnisse zu schnell gefahren sei. Sie begehrt
die Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz bezifferten materiellen Schadens
sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Bekl. für alle zukünftigen
materiellen und immateriellen Schäden.
Das LG hat unter Zugrundelegung eines Mitverursachungsanteils
der Kl. von 20 % ein Schmerzensgeldkapital von 16000 DM sowie eine monatliche
Schmerzensgeldrente von 240 DM für angemessen erachtet, die Bekl.
zur Zahlung materiellen Schadensersatzes in Höhe von 5024,64 DM verurteilt
und dem Feststellungsbegehren mit einer Haftungsquote der Bekl. von 80%
entsprochen. Auf die Berufungen beider Parteien hat das OLG,das nur von
einem Haftungsanteil der Bekl. von 40 % ausgeht, ein Schmerzensgeldkapital
von 35000 DM - unter Abweisung des Antrags auf Schmerzensgeldrente - sowie
materiellen Schadensersatz in Höhe von 6332,32 DM zugesprochen; dem
Feststellungsantrag der Kl. hat es zu 40 % stattgegeben. Mit ihrer Revision
verfolgt die Kl. ihr hierüber hinausgehendes Schadensersatzbegehren
mit Ausnahme des Antrags auf Schmerzensgeldrente weiter. Die Anschlußrevision
der Bekl. ist auf eine Reduzierung ihrer Schadensersatzverpflichtung auf
der Grundlage eines Haftungsanteils von nur 25 % gerichtet. Das Rechtsmittel
der Kl. hatte Erfolg und führte zur teilweisen Aufhebung und Zurückverweisung;
die Anschlußrevision der Bekl. wurde zurückgewiesen.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. bewertet in Übereinstimmung
mit dem LG den der Kl. persönlich anzulastenden Mitverursachungsanteil
am Unfallgeschehen mit 20 %. Den Bekl. zu 1 treffe am Zustandekommen des
Unfalls das weitaus überwiegende Verschulden, da ihm ein schwerwiegender
Verstoß gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht und eine den Verhältnissen
nicht angepaßte Fahrgeschwindigkeit vorzuwerfen sei. Demgegenüber
wiege das Verschulden der Kl. weniger schwer, auch wenn sie grob leichtfertig
ein unbeleuchtetes Fahrzeug im Verkehr geschoben habe; es sei hier zu berücksichtigen,
daß sie um Hilfe gebeten worden sei, nachdem der Pkw bereits vorher
an gefährlicher Stelle ohne Beleuchtung liegengeblieben sei. Bei der
Haftungsverteilung sei der Kl. jedoch darüber hinaus noch eine den
Zeugen Btreffende Haftungsquote von 40% zuzurechnen. Dieser habe die Gefahr
dadurch verursacht, daß er sein unbeleuchtetes Fahrzeug ohne ausreichende
Sicherung über einen längeren Zeitraum hinweg in den Verkehr
gebracht habe; hierfür müsse er gem. § 7 StVG einstehen.
Die Belastung der Kl. auch mit diesem Haftungsanteil ergebe sich aus den
Grundsätzen über das gestörte Gesamtschuldverhältnis.
Die Kl. habe beim Schieben des Fahrzeugs des Bfür diesen eine arbeitnehmerähnliche
Tätigkeit i.S. des § 539 II i.V. mit I Nr. 1 RVO ausgeführt,
so daß für sie zwar gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bestehe,
ihre zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche gegen B jedoch gem.
§ 636 RVO ausgeschlossen seien. Unter diesen Umständen könne
die Kl. die außerhalb des Sozialversicherungsverhältnisses stehenden
Bekl. insoweit nicht in Anspruch nehmen, als der für diesen
Unfall ebenfalls verantwortliche Zeuge B ohne seine Haftungsfreistellung
im Verhältnis zu den Bekl. für den Schaden aufkommen müßte.
Der Kl. stehe deshalb im Ergebnis, auch hinsichtlich des Schmerzensgeldes,
ein Ersatzanspruch nur in Höhe eines Haftungsanteils von 40 % zu.
II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen
der Revision der Kl. nicht stand; die vom OLG zuungunsten der Kl. vorgenommene
Zurechnung einer den Zeugen B treffenden Haftungsquote von 40 % ist nicht
frei von Rechtsfehlern. Die Anschlußrevision der Bekl. hat keinen
Erfolg; die von ihr begehrte Belastung der Kl. mit einem Verursachungsanteil
von mehr als 60 % kommt aus Rechtsgründen nicht in Betracht.
1. Die Auffassung des BerGer., der Kl. müsse
über den ihr angelasteten eigenen Verursachungsanteil am Unfallgeschehen
von 20 % hinaus noch eine weitere Haftungsquote, nämlich diejenige
des Zeugen B in Höhe von 40 %, nach den Grundsätzen über
das gestörte Gesamtschuldverhältnis anspruchsmindernd zugerechnet
werden, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Das BerGer. geht zwar zutreffend von dem rechtlichen
Ansatz aus, daß dann, wenn der Zeuge B einerseits nach den Normen
des Zivilrechts an sich der Kl. gesamtschuldnerisch mit den Bekl. auf Schadensersatz
haften würde, ihm andererseits aber im Verhältnis zur Kl. das
Haftungsprivileg des § 636 I RVO zugute käme, ein gestörtes
Gesamtschuldverhältnis zu bejahen wäre, das zu einer Beschränkung
der Haftung des Bekl. zu 1 (und damit auch der Zweitbekl.) als sog. "außenstehenden
Zweitschädiger" auf denjenigen Anteil führen würde, der
im Verhältnis zum privilegierten "Erstschädiger" (dem Zeugen
B) auf ihn entfiele, wenn der Ausgleich nach § 426 BGB nicht durch
das Haftungsprivileg verhindert würde (st.Rspr., vgl. z.B. die Senatsurteile
in BGHZ61, 51 (55) = NJW 1973, 1648 = LM § 636 RVO (L) Nr. 7; BGHZ
94, 173 (176) = NJW 1985, 2261 = LM § 426 BGB Nr. 66; BGHZ 110, 114
(117) = NJW 1990, 1361 = LM § 426 BGB Nr. 83 m.w. Nachw.).
b) Diese Voraussetzungen liegen hier entgegen
der Auffassung des BerGer. jedoch unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten
nicht vor.
aa) Es kann dahinstehen, ob sich, wovon das BerGer.
ausgeht, eine Schadensersatzhaftung des Zeugen B gegenüber der Kl.
auf § 7 I StVG gründen läßt. Zutreffend ist insoweit
im Berufungsurteil ausgeführt, das Unfallgeschehen habe sich bei dem
Betrieb des Fahrzeugs des Zeugen B ereignet; auch der liegengebliebene
und fahruntüchtige Pkw bleibt so lange im Betrieb i.S. von §
7 I StVG, als er, wie dies vorliegend der Fall ist, aufgrund seines Standortes
Gefahren für den fließenden Verkehr hervorrufen kann (vgl. Senatsurteile
BGHZ 29, 163 (166f.) = NJW 1959, 627 = LM § 7 StVG Nr. 22; NJW-RR
1995, 215 = LM H. 4/1995 § 823 (Dc) BGB Nr. 198 = VersR 1995, 90 (92)
m.w. Nachw.). Jedoch kommt vorliegend im Hinblick auf § 8 StVG ein
Ausschluß der Haftung aus § 7 I StVG in Betracht. Dies kann
hier aber offenbleiben, da sich ein Anspruch der Kl. gegen B jedenfalls
aus § 823 I BGB herleiten läßt.
bb) Erheblichen Bedenken begegnet hingegen die
Auffassung des BerGer., der Zeuge B könne sich gegenüber einer
Inanspruchnahme durch die Kl. auf das Privileg des § 636 I RVO berufen.
Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß auf der Grundlage der
getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden kann, die Kl.
sei als "Pannenhelferin" i.S. des § 539 II i.V. mit § 539 I Nr.
1 RVO in das in der Kraftfahrzeughaltung bestehende "Unternehmen" (vgl.
§ 658 II Nr. 2 RVO) des Zeugen B eingegliedert gewesen, als sie das
Fahrzeug im Unfallzeitpunkt geschoben hat. Vielmehr spricht alles dafür,
daß die Kl. hier gem. § 539 I Nr. 9a RVO in gemeiner Gefahr
Hilfe geleistet hat, als es zum Unfall kam.
Nach den Feststellungen im Berufungsurteil wurde
die Kl. hier zu einem Zeitpunkt tätig, als es nur noch darum ging,
das unbeleuchtete Fahrzeug wieder von der Straße zu entfernen; die
Kl. wurde erst um Hilfe gebeten, als sich der funktionsuntüchtige
Pkw, dessen elektrische Anlage vollkommen ausgefallen war, bei Dunkelheit
im Bereich einer gefährlichen Stelle auf der Straße befunden
hatte, so daß eine sofortige Beseitigung dieses Verkehrshindernisses
notwendig war, um Gefahren vom fließenden Verkehr abzuwenden. Die
Tätigkeit des Wegschiebens war daher objektiv auf die Beseitigung
einer gemeinen Gefahr gerichtet; auf der Grundlage dieser Feststellungen
ist auch davon auszugehen, daß die Kl. subjektiv wesentlich von der
Vorstellung bestimmt war, auf die Ausschaltung eines gemeingefährlichen
Zustands hinzuwirken.
cc) Zwar ist der Versicherungsschutz aus §
539 I Nr. 9a RVO im Verhältnis zu demjenigen nach § 539 I Nr.
1 und § 539 II RVO subsidiär (vgl. Senatsurteil BGHZ 129,
195 (199) = NJW 1995, 2078); Unfallversicherungsschutz nach Nr. 9a des
§ 539 I RVO ist daher nur gegeben, wenn die unfallbringende Tätigkeit
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht schon
nach anderen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere nach § 539 I
Nr. 1 und § 539 II RVO versichert ist (vgl. BSGE 68, 119 (121)
m.w. Nachw.; BSG, NJW 1993, 1030). Dies bedeutet aber nicht, daß
dann, wenn die zur Abwehr einer gemeinen Gefahr geleistete Hilfe zugleich
auch einem einzelnen Unternehmen, wie hier der Kraftfahrzeughaltung des
Zeugen B, zugute kommt, stets die Anwendung des § 539 I Nr. 9a RVO
ausgeschlossen wäre. Vielmehr muß in einem derartigen Fall entscheidend
darauf abgestellt werden, ob etwaige Umstände, die für einen
Versicherungsschutz nach § 539 II i.V. mit I Nr. 1 RVO in Betracht
zu ziehen sind, nach den Gegebenheiten des Sachverhalts, insbesondere mit
Blick auf die Motive des Handelnden, von derart untergeordneter Bedeutung
sind, daß sie als rechtlich unerheblich unberücksichtigt zu
bleiben haben (vgl. Senat, NJW-RR 1990, 1174 = LM § 539 RVO Nr. 12
= VersR 1990, 995 (997) m.w. Nachw.; BSG, SozialR, 2. Folge, § 539
RVO Nr. 116, S. 328 (332)). Auf dieser Grundlage kann eine gebotene Abwägung
gerade in einem Fall, in welchem Hilfe bei dem Wegschieben eines eine Verkehrsgefahr
bildenden liegenbebliebenen Pkw geleistet wird, dazu führen, daß
§ 539 I Nr. 9a RVO - und nicht § 539 I Nr. 1 i.V. mit §
539 II RVO - zur Anwendung kommt (vgl. BSG, SozR, 3. Folge, § 539
RVO Nr. 19, S. 69 (70f.)).
dd) Auch im vorliegenden Fall liegt es im Hinblick
auf die dargelegten, den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen
zu entnehmenden Sachverhaltsumstände sehr nahe, daß die Hilfeleistung
der Kl. i.S. des § 539 I Nr. 9a RVO objektiv in erster Linie und weit
überwiegend der Beseitigung einer durch den liegengebliebenen Pkw
des Zeugen B drohenden Verkehrsgefahr diente und subjektiv von einer dahingehenden
Motivation der Kl. getragen war, so daß die damit zugleich verwirklichte
Unterstützung des "Betriebs Kraftfahrzeughaltung" des Zeugen B nur
von untergeordneter und hinter den Hauptzweck der Tätigkeit zurücktretender
Bedeutung war. Eine solche den Versicherungsschutz nach § 539 I Nr.
9a RVO auslösende Hilfeleistung könnte jedoch nicht zu einer
Haftungsprivilegierung des Zeugen B gem. § 636 I RVO führen (vgl.
dazu Senat, NJW 1981, 760 = LM § 539 RVO Nr. 5 = VersR 1981, 260 (261);
NJW-RR 1990, 1174 = LM § 539 RVO Nr. 12 = VersR 1990, 995 (996) m.w.
Nachw.).
c) Letztlich kann die Frage einer Eingliederung
der Kl. i.S. des § 539 II RVO i.V. mit § 539 I Nr. 1 RVO in das
"Unternehmen" des Zeugen B jedoch offenbleiben. Denn unabhängig davon,
ob eine Haftungsprivilegierung des Zeugen B nach § 636 I RVO eingreift
oder nicht, kann auf die Grundsätze zum gestörten Gesamtschuldverhältnis
hier schon deshalb nicht zurückgegriffen werden, weil zwischen der
Kl. als Geschädigter und dem Zeugen Bals "Erstschädiger" eine
Zurechnungseinheit im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Haftungseinheit
besteht. Dies führt dazu, daß für den Verantwortungsbeitrag
der Kl. und des B am Unfallgeschehen den Bekl. gegenüber eine einheitliche
Quote festzusetzen ist, so daß ein im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs
nach § 426 BGB vorzunehmender Haftungsrückgriff der Bekl. gegenüber
dem Zeugen B von vornherein und unabhängig von der Frage der Haftungsprivilegierung
aus § 636 I RVO nicht in Betracht kommt. Diese einheitliche Haftungsquote
darf nicht dadurch gewonnen werden, daß für die Kl. einerseits,
für den Zeugen B andererseits zunächst getrennt ermittelte Haftungsanteile
addiert werden.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats
bilden im Rahmen der Abwägung der Verursachungsanteile unter mehreren
Unfallbeteiligten diejenigen für die Feststellung der auf sie entfallenden
Quote eine Einheit, deren Verhalten sich im wesentlichen in ein und demselben
zum Unfall führenden Ursachenbeitrag ausgewirkt hat, bevor der von
einem oder mehreren anderen Beteiligten zu vertretende Kausalverlauf hinzugetreten
ist. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die Verhaltensweisen mehrerer
Schädiger zu einem einheitlichen unfallursächlichen Umstand geführt
haben (Haftungseinheit, vgl. z.B. Senatsurteile BGHZ 54, 283 (285) = NJW
1971, 33 = LM § 840 BGB Nr. 12; NJW-RR 1989, 918 = LM § 67 VVG
Nr. 57 = VersR 1989, 730 (731); NJW 1995, 1150 = LM H. 5/1995 § 276
(Bb) BGB Nr. 13 = VersR 1995, 427 (429)). Zum andern können jedoch
aus entsprechenden Gründen auch der Geschädigte und einer der
Schädiger als Einheit einem anderen Schädiger gegenüberstehen
(Zurechnungseinheit oder Tatbeitragseinheit, vgl. z.B. Senatsurteile BGHZ
61, 213 (218) = NJW 1973, 2022 = LM § 254 (F) BGB (L) Nr. 14; BGH,
LM § 823 (Dc) BGB Nr. 94 = VersR 1974, 1127 (1129); NJW 1978, 2392
= LM § 426 BGB Nr. 46 = VersR 1978, 735 (736); NJW 1983, 623 = LM
§ 254 (F) BGB Nr. 22 = VersR 1983, 131). Letzteres ist dann der Fall,
wenn die vom "Erstschädiger" und dem Geschädigten zu verantwortenden
Kausalbeiträge im wesentlichen deckungsgleich erscheinen, weil sie
gemeinsam eine bereits gefahrbringende Verkehrslage geschaffen haben, zu
der dann erst der weitere Schadensbeitrag des zweiten Schädigers hinzugetreten
ist. Durch die Rechtsfigur der Haftungs- bzw. Zurechnungseinheit soll vermieden
werden, daß im wesentlichen identische Verursachungsfaktoren zum
Nachteil eines der Beteiligten doppelt zum Ansatz kommen (vgl. Senat, NJW
1995, 1150 = LM H. 5/1995 § 276 (Bb) BGB Nr. 13 = VersR 1995, 427
(428) m.w. Nachw.).
bb) Aufgrund der im Berufungsurteil getroffenen
Feststellungen sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer derartigen
Zurechnungseinheit hinsichtlich der Verursachungsbeiträge der Kl.
einerseits, des Zeugen B andererseits zu bejahen. Die tatsächlichen
Umstände, die eine Mitverantwortlichkeit dieser beiden Beteiligten
für das Unfallgeschehen begründen, haben zu einer einheitlichen,
nicht trennbaren Gefahrenlage geführt, nämlich dem Schieben des
nicht fahrbereiten unbeleuchteten Pkw auf der Fahrbahn einer Verkehrsstraße
bei Dunkelheit. Alle wesentlichen Elemente der Verantwortlichkeit für
diese Gefahrenlage trafen die Kl., die das Fahrzeug ohne jede Sicherung
von hinten geschoben hat, und den Zeugen B, der als für den Pkw Verantwortlicher
die Kl. zum Schieben mitveranlaßt hat, in im wesentlichen identischer
Weise. Erst danach trat der Ursachenbeitrag des Bekl. zu 1 zum Unfallgeschehen
hinzu, als dieser auf den Pkw und die ihn schiebende Kl. aufgrund verkehrswidrigen
Verhaltens von hinten auffuhr.
Bei einer solchen Sachlage durfte das BerGer.
im Verhältnis zu den Bekl. keine separaten Haftungsquoten für
die Kl. einerseits, den Zeugen B andererseits festsetzen. Vielmehr muß,
da für die an den Ursachenbeiträgen der Beteiligten ausgerichtete
Haftungsabwägung neben den Bekl. zu 1 nur die aus der Kl. und dem
Zeugen B bestehende Zurechnungseinheit tritt, im Verhältnis zwischen
dem Bekl. zu 1 als außenstehendem Schädiger und dieser Einheit
für letztere eine einheitlich zu bemessende Quote bestimmt werden.
Diese darf nicht aus einer Addition zunächst für die Kl. und
den Zeugen B getrennt ermittelter "Ausgangsanteile" resultieren. Denn der
haftungsrechtlich gemeinsame Verursachungsanteil dieser beiden Beteiligten
darf die Bekl. nur einmal entlasten. Die vom BerGer. vorgenommene Summierung
getrennter Haftungsquoten bedeutet eine unzulässige doppelte Berücksichtigung
im wesentlichen identischer Kausalbeiträge (vgl. hier auch Senat,
NJW-RR 1989, 918 = LM § 67 VVG Nr. 57 = VersR 1989, 730 (732)).
cc) Die Zurechnungseinheit zwischen der Kl. und
dem Zeugen B hat weiter zur Folge, daß zwischen den Bekl. und dem
Zeugen B ein Gesamtschuldnerausgleich von vornherein nicht in Betracht
kommt. Denn der Haftungsanteil des Zeugen B ist - eben wegen der Zurechnungseinheit
- bereits bei der Bemessung der Schadensersatzverbindlichkeit des Bekl.
zu 1 gegenüber der Kl. in vollem Umfang zu berücksichtigen. Die
Bekl. sind auf diese Weise bereits in der gebotenen Weise von dem auf B
entfallenden Verursachungsbeitrag entlastet. Für einen weiteren, auf
§ 426 BGB gestützten Ausgleichsanspruch gegenüber dem Zeugen
B ist daher, unabhängig von der oben erörterten Frage einer Haftungsprivilegierung
nach § 636 I RVO, bereits aus schadensrechtlichen Gründen kein
Raum (vgl. Senatsurteile BGHZ 61, 213 (219) = NJW 1973, 2022 = LM §
254 (F) BGB (L) Nr. 14; BGH, NJW 1978, 2392 = LM § 426 BGB Nr. 46
= VersR 1978, 735 (736); s. auch Senat, NJW-RR 1989, 918 = LM § 67
VVG Nr. 57 = VersR 1989, 730 (732)).
d) Da bei dieser Sachlage die Heranziehung der
Grundsätze zum gestörten Gesamtschuldverhältnis auf den
vorliegenden Fall ausscheidet und die vom BerGer. zu Lasten der Kl. vorgenommene
Addition zweier separater für die Kl. einerseits, für den Zeugen
B andererseits festgesetzter Haftungsanteile sich als rechtsfehlerhaft
erweist, kann das Berufungsurteil, soweit es von der Revision der Kl. angefochten
ist, keinen Bestand haben. Da die Beurteilung des BerGer. auf der unzulässigen
doppelten Berücksichtigung identischer Verursachungsbeiträge
zu Lasten der Kl. beruht, kommt - entgegen der Revisionserwiderung - eine
Betrachtung dahin, der für die Zurechnungseinheit gemeinsam festzusetzende
Verursachungsanteil sei aufgrund der getroffenen Feststellungen jedenfalls
im Ergebnis in Übereinstimmung mit der im Berufungsurteil der Kl.
zugerechneten Gesamtquote mit 60 % zu bewerten, nicht in Betracht.
e) Die fehlerhafte Ermittlung der Haftungsanteile
durch das BerGer. erfaßt sämtliche von der Revision angegriffenen
Schadenspositionen, auch das im Berufungsurteil zugesprochene Schmerzensgeldkapital.
Entgegen der Revisionserwiderung muß es insoweit nicht bereits im
Hinblick auf den Umfang der Berufungsanträge der Kl. bei dem vom BerGer.
festgesetzten Betrag verbleiben. Das BerGer. ist nicht gehindert, die Bemessung
des Schmerzensgeldes an dem Rahmen auszurichten, der durch eine Zusammenrechnung
der im landgerichtlichen Urteil zuerkannten Kapital- und Rentenbeträge
abgesteckt ist und der Höhe nach durch das im angefochtenen Berufungsurteil
ausgeworfene Schmerzensgeld nicht ausgeschöpft ist.
2. Die Anschlußrevision der Bekl., mit der
sie die Belastung der Kl. mit Haftungsanteilen von zusammengenommen 75
%, somit mehr als den im Berufungsurteil zugrunde gelegten insgesamt 60
% begehren, hat keinen Erfolg.
Die vom BerGer. vorgenommene Haftungsverteilung
hat zwar - wie dargelegt - zu einer aus Rechtsgründen nicht haltbaren
zu hohen Belastung der Kl. geführt; hingegen vermag die Anschlußrevision
keine durchgreifenden Rechtsfehler aufzuzeigen, die dem BerGer. bei den
einzelnen Bewertungskriterien der Verursachungsbeiträge der Beteiligten
zu Lasten des Bekl. zu 1 unterlaufen sein und im Rahmen der beschränkten
revisionsrechtlichen Überprüfung der tatrichterlichen Abwägungsüberlegungen
(vgl. dazu Senat, NJW-RR 1988, 1373 = LM § 254 (F) BGB Nr. 27 = VersR
1988, 1238 (1239); NJW-RR 1993, 480 = LM H. 8/1993 § 489 HaftpflG
1978 Nr. 17 = VersR 1993, 442; NJW 1995, 1150 = LM H. 5/1995 § 276
(Bb) Nr. 13 = VersR 1995, 427 (428)) dazu führen könnten, die
Bewertung des Haftungsanteils der Bekl. mit jedenfalls 40 % zu beanstanden.
a) Das BerGer. hat die durch das Inverkehrbringen
und Schieben des unbeleuchteten und ungesicherten Fahrzeugs bei Dunkelheit
auf einer Verkehrsstraße geschaffene erhebliche Gefahrenlage hinreichend
in seine Erwägungen einbezogen und ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen,
daß diese Gefahr durch eine grob leichtfertige Verhaltensweise der
Kl. und des Zeugen B herbeigeführt worden ist; es war nicht gehalten,
darüber hinaus im einzelnen zu strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen
dieser Beteiligten Stellung zu nehmen. Nicht zu beanstanden ist des weiteren
angesichts der in der gegebenen Situation drohenden ganz erheblichen Gefahren
die Bewertung, der dem Bekl. zu 1 anzulastende Verstoß gegen das
Gebot des Fahrens auf Sicht stelle eine schwerwiegende Verkehrswidrigkeit
dar. Entgegen der Auffassung der Anschlußrevision vermag der Senat
in den Überlegungen, die das BerGer. der Bewertung der Fahrweise des
Bekl. zu 1 zugrunde gelegt hat, weder Widersprüche noch revisionsrechtlich
relevante Fehlbeurteilungen zu erkennen. Gleiches gilt auch hinsichtlich
der Bewertungen, die das BerGer. dem Verhalten der Kl. hat angedeihen lassen.
b) Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Anschlußrevision,
das BerGer. habe seinen Ausführungen Kenntnisse über die Unfallörtlichkeit
zugrunde gelegt, die nicht prozeßordnungsgemäß in das
Verfahren eingeführt worden seien. Die diesbezüglichen Feststellungen
im Berufungsurteil werden hinreichend durch den erhobenen Zeugenbeweis,
die eigenen Einlassungen des Bekl. zu 1 und die Erkenntnisse des BerGer.
aus den beigezogenen Akten des Zivilrechtsstreits vor dem AG B. getragen.