1. Das Widerrufsrecht nach § 1 I HWiG ist nicht als Gestaltungsrecht,
sondern als rechtshindernde Einwendung anzusehen. Der Widerruf verhindert,
daß der Vertrag mit Ablauf der Widerrufsfrist wirksam wird. Er ist
keine neue Tatsache i.S. des § 767 II ZPO.
2. Der Rückgewährungsanspruch nach § 3 I 1 HWiG ist
ein besonders ausgestalteter Bereicherungsanspruch, dessen Geltendmachung
die Rechtskraft eines Leistungsurteils entgegensteht.
WM 1995, 2102
BB 1995, 2495
NJW 1996, 57
BGHZ 131, 82
MDR 1996, 247
JZ 1996, 575 mit Anm. Gottwald
ZIP 1995, 1996
WiB 1996, 187 Eckardt
DB 1996, 83
LM H. 3/1996 HWiG Nr. 20 Anm. Grunsky
Die verbraucherschützenden Widerrufsrechte des Haustürwiderrufsgesetzes sowie des Verbraucherkreditgesetzes geben dem "Verbraucher" eine einseitige Lösungsmöglichkeit vom Vertrag. Die Entscheidung befaßt sich mit den Auswirkungen eines Widerrufs, nachdem der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel erlangt hat. Der BGH kommt zu dem (zutreffenden, aber sehr str.) Ergebnis, daß die für Gestaltungsrechte entwickelten Regeln der Präklusion auf die verbraucherschützenden Widerrufsrechte wegen deren besonderer rechtstechnischer Ausgestaltung weder aus prozeßrechtlichen noch aus spezifisch "verbraucherschutzrechtlichen" Erwägungen übertragbar sind. Der in der Literatur herrschende Streit, ob es sich dabei um Gestaltungsrechte im Rechtssinne handelt, kann dabei letztlich offenbleiben: Jedenfalls ist der Widerruf nicht insofern ein Gestaltungsrecht, als er einen bereits entstandenen Anspruch vernichtet (vgl. hierzu auch Lorenz NJW 1995, 2258 ff).
Achtung: Mit Inkrafttreten von § 361a BGB am 1.6.2000 ist
das Problem zumindest in dieser Form erledigt: Der Widerruf ist dann echtes
Gestaltungsrecht..
Zum Sachverhalt:
Die Kl. wendet sich mit der Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung
der Bekl. aus einem rechtskräftigen Urteil des OLG Hamm vom 4. 11.
1992, das sie zur Zahlung von insgesamt 8256 DM verurteilt hat. Diesem
Urteil lag ein im Jahre 1988 geschlossener, von der Kl. bis dahin nur teilweise
erfüllter Vertrag zugrunde, durch den sich die Kl. mit einer in 124
Monatsraten zahlbaren Gesamteinlage von 9360 DM als stille Gesellschafterin
an dem Unternehmen der Bekl. beteiligt hat. Mit Anwaltsschreiben vom 29.
3. 1993 widerrief die Kl. ihre Vertragserklärung unter Berufung auf
das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen
Geschäften (HWiG) mit der Begründung, der Mitarbeiter der von
der Bekl. mit dem Vertrieb ihrer Anteile beauftragten V-GmbH, in dessen
Privatwohnung sie ihre Vertragserklärung abgegeben habe, habe ihr
die Belehrung über das Widerrufsrecht gemäß den ihm von
der V-GmbH erteilten Weisungen nicht ausgehändigt, sondern in Schädigungsabsicht
wieder an sich genommen. Das ist auch Grundlage ihres Klagebegehrens im
vorliegenden Verfahren. In dem vorangegangenen Verfahren hatte die Kl.
den von der Bekl. auch in diesem Prozeß aufrechterhaltenen Vortrag
nicht bestritten, daß ihr eine Belehrung über ihr Widerrufsrecht
übergeben worden sei, deren Aushändigung sie durch ihre Unterschrift
bestätigt habe. Die Kl. ist der Ansicht, die Zwangsvollstreckung aus
dem rechtskräftigen Urteil sei unzulässig, weil sie nunmehr die
diesem Urteil zugrundelegende Vertragserklärung widerrufen habe. Im
übrigen stehe ihr ein Anspruch wegen sittenwidriger Schädigung
zu, weil sich die Bekl. das arglistige Handeln der V-GmbH zurechnen lassen
müsse.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der
Kl. hatte keinen Erfolg. Auch ihre Revision blieb erfolglos.
Aus den Gründen:
I. Nach Auffassung des BerGer. begründet der Widerruf nach dem
Haustürgeschäftewiderrufsgesetz entgegen den anderslautenden
Entscheidungen der OLGe Karlsruhe(NJW 1990, 2474, zu dem Widerrufsrecht
nach § 1b I AbzG) und Stuttgart (NJW 1994, 1225) keine zulässige
Einwendung i.S. von § 767 ZPO. Diese Vorschrift lasse nur rechtshemmende
und rechtsvernichtende Einwendungen und Einreden zu, nicht hingegen rechtshindernde.
Eine solche mache die Kl. jedoch geltend. Da die auf den Vertragsschluß
gerichtete Willenserklärung des Kunden nach § 1 I HWiG erst wirksam
werde, wenn der Widerruf nicht form- und fristgerecht erklärt werde,
komme ein wirksamer Vertrag vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht zustande
und könnten Erfüllungsansprüche nicht geltend gemacht werden.
Der Widerruf der Kl. habe daher nicht etwa zum nachträglichen Untergang
des titulierten Anspruchs geführt; vielmehr leugne die Kl. die Anspruchsentstehung.
Die Rüge, daß das rechtskräftige Urteil falsch sei, sei
nach § 767 ZPO jedoch nicht gestattet. Die Kl. hätte die schwebende
Unwirksamkeit des Vertrages und das Fehlen des Erfüllungsanspruchs
nach § 767 II ZPO in dem vorausgegangenen Verfahren geltend machen
können und müssen.
Selbst wenn man den Widerruf mit den OLGen Karlsruhe und Stuttgart
grundsätzlich für eine taugliche Einwendung im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage
halte, stehe § 767 II ZPO ihrer Berücksichtigung entgegen. Zwar
nötige diese Vorschrift den Bekl. grundsätzlich nicht, rechtsändernde
Tatsachen vor Abschluß des Rechtsstreits zu schaffen. Etwas anderes
gelte jedoch bei gesetzlichen Gestaltungsrechten. Über die Ausübung
eines Gestaltungsrechtes müsse der Bekl. bis zur letzten mündlichen
Verhandlung und damit möglicherweise vor Ablauf der materiell-rechtlichen
Frist entscheiden. Eine Ausnahme sei mit der Rechtsprechung des BGH nur
bei einem Gestaltungsrecht zu machen, das seinem Wesen nach gerade so beschaffen
sei, daß dem Berechtigten die Entscheidungsfreiheit über das
Ob und Wann der Ausübung auf jeden Fall bis zum Ablauf der materiell-rechtlichen
Frist belassen werden solle, wie das für ein vertraglich eingeräumtes
Optionsrecht zur Verlängerung eines laufenden Mietvertrages entschieden
worden sei. Auf den Fall des Widerrufs nach dem Haustürgeschäftewiderrufsgesetz
treffe das nicht zu, weil dieses Recht nicht in erster Linie der Aufrechterhaltung
einer Wahlmöglichkeit für eine bestimmte Zeit diene. Vielmehr
sei die zeitliche Wahlfreiheit eine Nebenfolge der gesetzlichen Regelung,
nicht aber das Hauptmotiv für seine Existenz.
Einen Anspruch aus § 826 BGB, der im übrigen nicht mit der
Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden könne, verneint das
BerGer. mit der Begründung, daß die Bekl. nach dem eigenen Vortrag
der Kl. keine Kenntnis von der angeblich unterbliebenen Aushändigung
der Widerrufsbelehrung und der damit verfolgten Absicht habe. Für
eine sittenwidrige Ausnutzung des nicht erschlichenen Urteils sei nichts
dargetan.
II. Hiergegen wendet sich die Revision vergeblich.
1. § 767 ZPO setzt voraus, daß der Kl. eine Einwendung zusteht,
die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betrifft (Abs.
1) und die auf Gründen beruht, die erst nach dem Schluß der
mündlichen Verhandlung, in der die Einwendung spätestens hätte
geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch
nicht mehr hätten geltend gemacht werden können (Abs. 2). Dafür
kommen nur solche neuen Tatsachen in Betracht, die den in dem früheren
Urteil für die ausgesprochene Rechtsfolge als maßgebend angesehenen
Sachverhalt verändert und auf diese Weise zu einer Änderung der
rechtskräftig festgestellten Rechtslage geführt haben. Denn die
Vollstreckungsgegenklage läßt keinen Eingriff in die Rechtskraft
des Urteils zu (BGHZ 100, 211 (212) = NJW 1987, 3266 = LM § 767 ZPO
Nr. 72; BGH, NJW 1983, 126 = LM § 812 BGB Nr. 159 = WM 1983, 658 (659);
Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 322 Rdnr. 247; Gottwald, in:
MünchKomm-ZPO, 1992, § 322 Rdnr. 142).
Das BerGer. geht zutreffend - und insoweit von der Revision auch nicht
angegriffen - davon aus, daß die Kl. in dem vorangegangenen Prozeß
nicht zur Beitragszahlung hätte verurteilt werden dürfen, wenn
sie nicht ordnungsgemäß über das ihr nach § 1 I HWiG
zustehende Widerrufsrecht belehrt worden wäre. Denn die auf den Abschluß
eines Vertrages über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung,
zu der der Kunde durch mündliche Verhandlungen im Bereich einer Privatwohnung
bestimmt worden ist, wird nach § 1 I HWiG erst wirksam, wenn er sie
nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft. Der Lauf
der Frist beginnt nach § 2 I 2 HWiG erst, wenn die andere Vertragspartei
dem Kunden eine Belehrung über sein Recht zum Widerruf ausgehändigt
hat. Nach einhelliger Meinung ist vor dem Wirksamwerden der Willenserklärung
und damit vor dem Wirksamwerden des Vertrages weder der Kunde noch die
andere Vertragspartei zur Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistung
verpflichtet (Soergel/M. Wolf, BGB, 12. Aufl., § 1 HWiG Rdnr. 28;
Erman/Klingsporn, BGB, 9. Aufl., § 1 HWiG Rdnr. 2b; Palandt/Putzo,
BGB, 54. Aufl., § 1 HWiG Rdnr. 4; Ulmer, in: MünchKomm, 3. Aufl.,
§ 1 HWiG Rdnr. 6; Werner/Machunsky, HWiG, 1990, § 1 Rdnr. 262;
Schwenzer, JA 1989, 505). Die zwischen dem Abschluß und dem Wirksamwerden
des Vertrages bestehende Rechtslage wird in Rechtsprechung und Literatur
vielfach als Schwebezustand beschrieben, der durch den Widerruf des Kunden
beendet werde: Die Willenserklärung des Kunden und mit ihr der Vertrag
seien zunächst "schwebend unwirksam", der rechtzeitige Widerruf des
Kunden führe zur "endgültigen Unwirksamkeit". Diese - vom Gesetz
nicht gebrauchte - Terminologie legt nahe, dem Widerruf des Kunden rechtsgestaltende
Wirkung beizumessen. Ein beträchtlicher Teil des Schrifttums klassifiziert
das Widerrufsrecht demgemäß auch als Gestaltungsrecht
(vgl. Soergel/M. Wolf, § 1 HWiG Rdnr. 28; Palandt/Putzo § 1 HWiG
Rdnr. 12; Ulmer, in: MünchKomm, § 1 HWiG Rdnr. 3, § 2 Rdnr.
2, § 7 VerbrKrG Rdnr. 10 m.w. Nachw. in Fußn. 24; Jung,ZRP 1981,
137 (142); Gilles, NJW 1986, 1131 (1138), der von einem "Rechtsgeschäft
mit rechtsgestaltender Wirkung" ausgeht; Kessler, in: RGRK, 12. Aufl.,
AbzG § 1b Rdnr. 1; Teske, NJW 1991, 2793 (2794), zum Widerrufsrecht
nach § 7 VerbrKrG; auch die Begr. zum Entwurf eines Gesetzes über
den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften,
BT-Dr 10/2876, S. 11, spricht von einem "Gestaltungsrecht", das der Kunde
nach freiem Belieben und ohne Angabe von Gründen ausüben könne).
Das OLG Karlsruhe (NJW 1990, 2474 (2475)) läßt in der zu
§ 1b AbzG ergangenen Entscheidung die Rechtsnatur des Widerrufsrechts
zwar ausdrücklich offen, führt jedoch aus, daß die Ausübung
des Widerrufsrechts den schwebend unwirksamen vertraglichen Anspruch endgültig
entfallen lasse, und zieht daraus den Schluß, daß der Widerruf
eine neue, die Rechtslage ändernde Tatsache sei. Auch das OLG Stuttgart
(NJW 1994, 1225 (1226)) hält den Widerruf wegen der ihm beigelegten,
nicht näher untersuchten Gestaltungsfolge für eine die Rechtslage
ändernde Tatsache. Beide Entscheidungen erörtern sodann, ob es
für eine Präklusion nach §§ 796 II, 767 II ZPO auf
den Zeitpunkt des Entstehens des Widerrufsrechts ankomme oder auf den Zeitpunkt
der Ausübung. Da die Freiheit des Berechtigten, bis zu dem im Gesetz
genannten Zeitpunkt zu widerrufen, die vom Gesetz gewollte Folge der unterbliebenen
oder fehlerhaften Belehrung sei, halten beide Entscheidungen den Zeitpunkt
der Ausübung des Widerrufsrechts für maßgeblich. Das Schrifttum
hat sich dem ohne Erörterung der Problematik angeschlossen (vgl. Thomas/Putzo,
ZPO, 19. Aufl., § 767 Rdnrn. 20, 22; Schmidt, in: MünchKomm-ZPO,
1992, § 767 Rdnrn. 80, 82; Zöller/Vollkommer, ZPO, 19. Aufl.,
Vorb. § 322 Rdnr. 67; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 21. Aufl., §
767 Rdnr. 33; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 53. Aufl., §
767 Rdnr. 37; auch Bülow, WuB IV C. § 1b 4.90 AbzG).
Diese Einordnung des Widerrufsrechts ist mit dem Gesetz nicht vereinbar.
§ 1 I HWiG ist als rechtshindernde Einwendung ausgestaltet (vgl. BGHZ
113, 222 (225) = NJW 1991, 1052 = LM HWiG Nr. 5). Der Widerruf des Kunden
bewirkt nicht die Unwirksamkeit des ohnehin nicht wirksamen Vertrages,
sondern verhindert, daß der Vertrag mit Ablauf der Widerrufsfrist
nach § 1 I HWiG (bzw. nach § 2 I 4 HWiG) wirksam wird. Anders
als die Anfechtung, der Rücktritt, die Kündigung und die Aufrechnung
bewirkt der Widerruf nach dem Haustürgeschäftewiderrufsgesetz
(ebenso der Widerruf nach § 1b AbzG bzw. § 7 VerbrKrG) somit
keine Änderung der bis dahin bestehenden Rechtslage, sondern verhindert
eine anderenfalls ipso jure eintretende Änderung (Erman/Klingsporn/Rebmann,
BGB, 9. Aufl., § 7 VerbrKrG Rdnr. 26, fassen den Widerruf nicht als
Willenserklärung, sondern als Rechtshandlung auf, weil er keine unmittelbar
auf die Herbeiführung einer Rechtslage gerichtete Erklärung sei.
Nach Ollmann, WM 1992, 2005 (2006) entspricht der Widerruf demjenigen nach
§ 130 I 2 BGB, weil er das Wirksamwerden einer anderen Willenserklärung
verhindere).
Der von der Kl. nach Abschluß des vorangegangenen Prozesses erklärte
Widerruf hat die rechtskräftig festgestellte Rechtslage somit nicht
zu ihren Gunsten geändert. Er ist keine relevante neue Tatsache, weil
die darauf gegründete Einwendung den durch das Urteil festgestellten
Anspruch nach materiellem Recht gerade nicht betrifft (vgl. OLG Hamm, NJW
1993, 140 (141)).
2. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der in § 3 HWiG geregelten
Rechtsfolge des Widerrufs.
a) Nach § 3 I 1 HWiG ist im Falle des Widerrufs zwar jeder Teil
verpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
Das rechtskräftige Urteil aus dem vorangegangenen Prozeß hindert
die Kl. auch nicht etwa daran, geltend zu machen, daß sie nach dem
Haustürgeschäftewiderrufsgesetz zum Widerruf ihrer Vertragserklärung
berechtigt gewesen sei. Denn nach allgemeiner Meinung erwächst nur
die in dem Urteil ausgesprochene Rechtsfolge in Rechtskraft, nicht aber
die Feststellung zugrundeliegender präjudizieller Rechtsverhältnisse
und sonstiger Vorfragen (vgl. BGHZ 43, 144 = NJW 1965, 693 = LM §
322 ZPO Nr. 52; BGHZ 94, 29 (32f.) = NJW 1985, 2481 = LM § 322 ZPO
Nr. 105; Gottwald, § 322 Rdnr. 92). Hätte die Kl. durch den Widerruf
den Rückgewähranspruch nach § 3 1 HWiG erlangt, könnte
sie allerdings auch im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage einwenden, daß
die Bekl. arglistig handle, weil sie im Wege der Zwangsvollstreckung
beitreibe, was sie nach § 3 I 1 HWiG zurückzugewähren habe
(vgl. BGHZ 38, 122 (126) = NJW 1963, 244 = LM § 2058 BGB Nr. 3). Die
Präklusionsvorschrift des § 767 II ZPO stünde der Berücksichtigung
dieses auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhenden Leistungsverweigerungsrechts
nur dann entgegen, wenn man statt auf den späteren Zeitpunkt des Leistungsverweigerungsrechts
darauf abstellen würde, daß die Kl. schon während des vorangegangenen
Verfahrens hätte widerrufen und dadurch den Anspruch nach § 3
I 1 HWiG hätte erlangen können, den sie damals allerdings nicht
benötigte, um einer Verurteilung zu entgehen, weil der eingeklagte
Anspruch nicht bestand.
b) Der Versuch, eine Einwendung gegen den rechtskräftig festgestellten
Anspruch aus der Vorschrift des § 3 I 1 HWiG herzuleiten, verkennt
indessen die Rechtsnatur des dort geregelten Rückgewährungsanspruchs.
Da in den Fällen des § 1 I HWiG ein wirksamer Vertrag nicht
zustande kommt, bestehen keine Erfüllungsansprüche. Gleichwohl
erbrachte Leistungen erfolgen ohne rechtlichen Grund und können deshalb
grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 812ff. BGB zurückgefordert
werden. Ob einem Bereicherungsanspruch der anderen Vertragspartei, falls
diese weiß, daß sie nicht zur Leistung verpflichtet ist, die
Vorschrift des § 814 BGB entgegensteht, oder ob Sinn und Zweck des
Haustürgeschäftewiderrufsgesetzes gebieten, eine Bindung der
anderen Vertragspartei anzunehmen, solange der Vertrag noch wirksam werden
kann (so etwa Erman/Klingsporn, § 1 HWiG Rdnr. 2), ist insoweit ohne
Belang. Der an die Ausübung des Widerrufsrechts geknüpfte Rückgewähranspruch
des § 3 I 1 HWiG gestaltet den auch nach allgemeinen Grundsätzen
bestehenden Anspruch auf Rückgewähr grundloser Leistungen besonders
kundenfreundlich aus und trägt den auf den Vorschriften des Haustürgeschäftewiderrufsgesetzes
beruhenden Besonderheiten Rechnung (vgl. Soergel/M. Wolf § 3 HWiG
Rdnr. 2). Der Sache nach ist dieser Anspruch nichts anderes als ein Anspruch
auf Herausgabe der rechtsgrundlos erlangten Leistung; § 3 HWiG ist
daher als lex specialis zu §§ 812ff. BGB anzusehen. Daher steht
die Rechtskraft eines Leistungsurteils einem Anspruch nach §
3 I 1 HWiG ebenso entgegen wie einem Bereicherungsanspruch. Wer zu Unrecht
auf Leistung in Anspruch genommen und rechtskräftig verurteilt wird,
kann der Zwangsvollstreckung des Titelgläubigers nicht entgegenhalten,
daß der Rechtsstreit unrichtig entschieden worden sei und er in Wahrheit
nichts schulde. Nach vollendeter Zwangsvollstreckung hat er keinen Bereicherungsanspruch
gegen den Titelgläubiger, weil das rechtskräftige Urteil das
Bestehen des Anspruchs und damit den rechtlichen Grund gerade festgestellt
hat (vgl. BGHZ 83, 278 (280) = NJW 1982, 1147 = LM § 1569 BGB Nr.
5; Gottwald, in: MünchKomm-ZPO, § 322 Rdnr. 196; Stein/Jonas/Leipold,
§ 322 Rdnr. 206). Ebensowenig kann die Kl. der Zwangsvollstreckung
der Bekl. einen Rückgewährungsanspruch nach § 3 I 1 HWiG
entgegenhalten. Als besonders ausgestalteter Bereicherungsanspruch setzt
dieser Anspruch voraus, daß ein wirksamer Vertrag nicht zustande
gekommen ist und Erfüllungsansprüche nicht bestanden haben. Die
rechtskräftige Entscheidung des vorangegangenen Prozesses stellt den
Anspruch der Bekl. jedoch fest.
Damit steht die Kl. zwar schlechter, als wenn sie freiwillig auf den
nicht wirksam gewordenen Vertrag geleistet hätte; denn die Rückgewähr
dieser Leistung hätte sie im Falle fristgerechten Widerrufs nach §
3 I 1 HWiG verlangen können. Das ist jedoch kein Widerspruch, sondern
eine Konsequenz der materiellen Rechtskraft. Wer, ohne dazu verurteilt
worden zu sein, eine rechtsgrundlose Leistung erbringt, kann sie kondizieren,
während derjenige, der zu Unrecht zu ihrer Bewirkung verurteilt worden
ist, keinen Bereicherungsanspruch hat.
3. Der Revision ist zuzugeben, daß der Gesetzgeber in den Fällen
des § 1 I HWiG die Wirksamkeit des Vertrages und ein Rücktrittsrecht
des Kunden hätte vorsehen können. Bei der Einführung des
Widerrufsrechts gem. § 1b AbzG, dem das Widerrufsrecht des §
1 I HWiG nachgebildet ist, wurde diese Lösung erwogen und von einer
Minderheit des Rechtsausschusses befürwortet (BT-Dr 7/1398, S. 2).
Ob der Kunde in diesem Fall mit einem späteren Rücktritt nach
§ 767 II ZPO präkludiert worden wäre, weil Einwendungen
grundsätzlich schon dann ausgeschlossen sind, wenn sie objektiv in
dem nach § 767 II ZPO maßgeblichen Zeitpunkt hätten geltend
gemacht werden können (so für die Aufrechnung: BGHZ 24, 97 (98)
= NJW 1957, 986 = LM § 768 BGB Nr. 2; BGHZ 34, 274 (279) = NJW 1961,
1067 = LM § 767 ZPO Nr. 19; BGHZ 38, 122 (123) = NJW 1963, 244 = LM
§ 2058 BGB Nr. 3; BGHZ 100, 222 (225) = NJW 1987, 1691 = LM §
387 BGB Nr. 74; für die Anfechtung: BGHZ 42, 37 (39ff.) = NJW 1964,
1797 = LM § 767 ZPO Nr. 27), bedarf keiner Erörterung. Denn die
eindeutige Gesetzeslage läßt die von der Revision vorgeschlagene
"wertende Auslegung des Gesetzes" nicht zu, die den widerrufenden Kunden
so behandeln soll, als habe er sich von einem wirksamen Vertrag gelöst.
Das von der Revision im Anschluß an die zitierten Entscheidungen
der OLGe Karlsruhe (NJW 1990, 2474 (2475)) und Stuttgart (NJW 1994, 1225
(1226)) vorgebrachte Argument, dem Widerrufsberechtigten würde ein
Teil des vom Gesetzgeber beabsichtigten Schutzes entzogen, wenn ihm die
Widerrufsmöglichkeit nur bis zur Titulierung der Forderung erhalten
bliebe, trägt nicht. Wie schon das BerGer. zutreffend ausgeführt
hat, kann der Kunde - wie jeder, der zu Unrecht mit einer Klage oder einem
Mahnverfahren überzogen worden ist - die Titulierung der nicht bestehenden
Forderung dadurch verhindern, daß er die tatsächlichen Umstände
vorträgt, aus denen sich das Nichtbestehen der Forderung ergibt. Unterläßt
er das, muß er im Rahmen des Streitgegenstandes die Konsequenzen
tragen, die aus der materiellen Rechtskraft folgen. Im übrigen bleibt
die materiellrechtliche Lage maßgeblich, so daß der Kunde etwa
Teilleistungen, die nicht Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens waren,
wegen der mangelnden Wirksamkeit des Vertrages nicht zu erbringen braucht
bzw. die Rückgewähr bereits erbrachter Teilleistungen verlangen
kann. Das Risiko, aufgrund unvollständigen Tatsachenvortrages oder
unterlassenen Bestreitens einer unzutreffenden gegnerischen Tatsachenbehauptung
zu Unrecht und ohne die Möglichkeit der Korrektur verurteilt zu werden,
ist ein allgemeines Risiko, das im Interesse der durch das Institut der
materiellen Rechtskraft gewährleisteten Rechtssicherheit hingenommen
werden muß.
Unerträgliche Ergebnisse können jedoch auf der Grundlage
der Rechtsprechung des BGH zu § 826 BGB vermieden werden. Eine Durchbrechnung
der Rechtskraft ist danach ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn der Titel
materiell unrichtig ist, der Gläubiger die Unrichtigkeit kennt und
besondere Umstände vorliegen, die die Vollstreckung als mißbräuchlich
erscheinen lassen (BGH,NJW 1987, 3256 (3257ff.) = LM § 700 ZPO Nr.
5; BGH, NJW 1988, 971 = LM § 826 (Fa) BGB Nr. 32). Das Unterlassen
der Belehrung kann grundsätzlich als ein besonderer Umstand in Betracht
kommen, der die Vollstreckung aus dem Titel sittenwidrig erscheinen läßt.
Ob das der Fall ist, hängt von der jeweiligen Gestaltung des Einzelfalles
ab.
4. Im vorliegenden Fall rügt die Revision jedoch ohne Grund, das
BerGer. habe es unterlassen, auf die Stellung eines Klageantrages hinzuwirken,
mit dem ein Anspruch aus § 826 BGB hätte verfolgt werden können.
Ein solcher Hinweis wäre allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn
das Vorbringen des Kl. ausreichende Anhaltspunkte dafür enthalten
hätte, daß ein anderer materiellrechtlicher Anspruch bestehen
könnte, für dessen Einführung in den Prozeß eine Klageänderung
erforderlich wäre (vgl. BGH,NJW 1994, 589 (592) = LM H. 5/1994 §
64; ZPO Nr. 7). Das BerGer. hat einen Anspruch aus § 826 BGB nicht
für gegeben erachtet, weil die Bekl. nach dem eigenen Vortrag der
Kl. keine Kenntnis von der angeblich unterlassenen Aushändigung der
Widerrufsbelehrung und der damit verfolgten Absicht hatte und weil nichts
für eine sittenwidrige Ausnützung des nicht erschlichenen Urteils
dargetan sei. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
Soweit die Revision abweichend von dem bisherigen Vorbringen behauptet,
daß es die Bekl. von Anfang an darauf abgesehen gehabt habe, vertragliche
Rechte trotz nicht erteilter Widerrufsbelehrung durchzusetzen, scheidet
eine Berücksichtigung dieses Vortrages nach § 561 I ZPO aus.
Erfolglos ist auch der Hinweis der Revision auf das Urteil des I. Zivilsenats
vom 8. 7. 1993 (NJW 1993, 2868 = LM H. 1/1994 HWiG Nr. 23 = WM 1993, 1840),
nach dem eine zusammen mit der Widerrufsbelehrung unterschriebene, von
dieser räumlich abgesetzte Bestätigung über ihre Aushändigung
eine "andere Erklärung" i.S. von § 2 I 3 HWiG ist. Auch wenn
die Bekl. weiß, daß die Widerrufsbelehrung, weil sie mit einem
Empfangsbekenntnis verbunden war, den später von der Rechtsprechung
aufgestellten Anforderungen nicht genügte, sind die oben unter 3 aufgeführten
Voraussetzungen nicht erfüllt, unter denen eine Durchbrechung der
Rechtskraft zugelassen wird.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein objektiv unrichtiges Urteil
im übrigen dann nicht über § 826 BGB korrigiert werden,
wenn es auf nachlässiger Prozeßführung beruht (vgl. BGH,NJW-RR
1988, 957 (959) m.w. Nachw.; vgl. auch BGH, NJW 1987, 3259 (3260) = LM
§ 700 ZPO Nr. 6 zu dem Gesichtspunkt der anwaltlichen Vertretung).
Die in dem vorausgegangenen Verfahren anwaltlich vertretene Kl. hat als
damalige Bekl. der Behauptung der Gegenseite, ihr sei eine Widerrufsbelehrung
übergeben worden, deren Aushändigung sie schriftlich bestätigt
habe, nicht widersprochen. Wenn es eine Partei trotz anwaltlicher Beratung
und Vertretung versäumt, den gegnerischen Vortrag in einem entscheidenden
Punkt richtigzustellen, so ist es mit dem Gerechtigkeitsgedanken nicht
schlechthin unvereinbar, wenn der Gegner aus dem Titel vollstreckt, auch
wenn dieser materiell unrichtig ist. Denn der über § 826 BGB
erlangte Schutz gegen die Vollstreckung aus einem rechtskräftigen,
aber materiell unrichtigen Urteil muß nach der ständigen Rechtsprechung
des BGH auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle
beschränkt werden, weil sonst die Rechtskraft ausgehöhlt, die
Rechtssicherheit beeinträchtigt und der Rechtsfriede in Frage gestellt
würde (vgl. BGHZ 103, 44 = NJW 1988, 971 = LM § 826 (Fa) BGB
Nr. 32).