Rechtsbindungswille bei Äußerungen auf einer Pressekonferenz, Offerte "ad incertas personas", Zugangsverzicht nach § 151 S. 1 BGB ("Peanuts-Pressekonferenz" der Deutschen Bank nach der "Schneider-Pleite")

OLG Frankfurt a.M., Beschluß v. 27.06.1996 - 10 W 37/95


Fundstelle:

NJW 1997, 136
Zur Abgrenzung Gefälligkeit/Vertrag vgl. auch
BGH NJW 1992, 498 sowie BGH NJW 1995, 3389



Zum Hintergrund und zum juristischen Problem:

Nach der spektakulären Pleite des Bauunternehmers Schneider, in die auch die Deutsche Bank verwickelt war, drohten Handwerker bei laufenden Projekten leer auszugehen. Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank gab eine - als "peanuts-Konferenz" berühmt-brüchtigt gewordene - Pressekonferenz. Öffentliche Aufregung verursachte dabei die Tatsache, daß ein Betrag "unter 50 Mio" als "peantus" bezeichnet wurde. Das Wort "Peanuts" wurde daraufhin von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum "Unwort des Jahres 1994" gewählt.
Der Vorstandssprecher hatte folgendes geäußert:
"Was die Handwerker angeht, ist folgendes zu sagen: Für Fehler, die bei uns gemacht wurden, muß kein Handwerker zahlen. Die drei von uns finanzierten und noch im Bau befindlichen Objekte führen wir zu Ende. Es droht kein Einkommensausfall. Auch ausstehende, berechtigte Handwerkerrechnungen werden wir bezahlen. Architekten prüfen bereits, wie die Projekte bestmöglich zu Ende geführt werden können."
Ferner sagte er auf Nachfrage:
"Ich mache es ganz einfach: Wir werden die Handwerkerrechnungen alle bezahlen, soweit wir sie auf Leistung und Qualität überprüfen können und überprüft haben. Das mag hier und da ein paar Tage dauern, weil auch hier für uns das Problem besteht, daß wir auch dieses nicht direkt, sondern mit dem Konkursverwalter abklären müssen. Aber die Handwerker werden ihr Geld bekommen. Es handelt sich auch nicht um viel Geld. Wir schätzen, daß bei allen drei Projekten - bei den drei Projekten, die die Deutsche Bank betreffen - ein Betrag dabei zur Debatte steht, der ganz deutlich unter 50 Mio. Mark liegt. Wir reden hier eigentlich von peanuts. Und wenn diese Leistungen erbracht sind, wird man das ja feststellen. Sie sind ja werterhöhende Leistungen. Das ist doch ganz einfach. Das war für uns nie ein großes Problem. Das Problem ist ja auch nicht neu."
Auf nochmalige Anfrage, ob alle Handwerker ihr Geld von der Ag. bekommen würden, ergänzte der Vorstandssprecher der Ag.:
"Alle Handwerker auf unseren drei Objekten werden ihr Geld bekommen, in dem Umfang, wie sie Leistungen nachweislich erbracht haben, und in der kontrahierten Qualität."
Daraufhin wandte sich der Kläger an die Deutsche Bank  u.a. mit der Bitte, seine Forderungen gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Dr. Schneider zu begleichen. Er ist der Auffassung, bei den Äußerungen des Vorstandssprechers der Ag. handele es sich um eine mit Rechtsbindungswillen abgegebene Willenserklärung, die als Antrag auf Abschluß eines Bürgschaftsvertrags auszulegen und ihm als Kaufmann gegenüber formlos wirksam sei. Durch seine Bitte um Forderungsausgleich in seinen Anschreiben an die Ag. habe er diesen Antrag angenommen. Das LG hatte den Antrag des Ast. zurückgewiesen.
Zentrale Frage ist dabei diejenige des Rechtsbindungswillens einer solchen Äußerung. Das OLG bejaht diesen ebenso wie einen Zugangsverzicht bzgl. der Annahme gem. § 151 S. 1 BGB, wobei es - methodisch zutreffend - entscheidend auf den objektiven Empfängerhorizont abstellt. Die Klage hatte nur deshalb keinen Erfolg, weil der Kläger nicht dem Personenkreis der "Handwerker" zugehörig war.



Zum Sachverhalt:

Der Ast. beabsichtigt, die Ag. als Bürgin für Verbindlichkeiten der GbR Dr. Jürgen Schneider und Claudia Schneider-Granzow in Anspruch zu nehmen. Das LG, dessen Entscheidung in NJW 1995, 2641, mit ausführlicher Sachverhaltsdarstellung veröffentlicht worden ist, hat dem Ast. die beantragte Prozeßkostenhilfe mit der Begründung verweigert, die Ag. habe sich allenfalls gegenüber den Handwerkern zu einem Forderungsausgleich bereit erklärt. Außerdem seien die Erklärungen des Vorstandssprechers der Ag. im Zweifel ohne Rechtsbindungswillen erfolgt. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

II. Entgegen der Auffassung der Ag. und des LG liegt es aufgrund der besonderen Fallumstände nahe, in den Ausführungen des Vorstandssprechers der Ag., die Handwerker erhielten ihr Geld, soweit sie nachweislich ordnungsgemäße Leistungen erbracht hätten, eine mit Rechtsbindungswillen abgegebene Willenserklärung zu sehen, die auf ein Angebot an die Handwerker (unter Abwesenden, ev. 'ad incertam personam') zu einem Vertragsschluß gerichtet war, auch wenn Einzelheiten des abzuschließenden Vertrags offen blieben. Dagegen spricht nicht, daß die Erklärungen gegenüber Journalisten im Rahmen einer Pressekonferenz erfolgten und zur Unterrichtung der Öffentlichkeit dienten, um - wie das LG ausführt - der öffentlichen Entrüstung über ein Fehlverhalten der Ag. entgegen zu wirken. Im Gegenteil: Da sich die öffentliche Entrüstung darauf bezog, daß die Handwerker wegen ihrer Forderungen im Zweifel leer ausgingen, während sie mit ihren Leistungen den Wert der Grundstücke vermehrt hatten, was der Ag. über die Grundpfandrechte auf den Grundstücken zugute kam, sah sich der Vorstandssprecher der Ag. zu den Erklärungen gegenüber der Öffentlichkeit veranlaßt, hat diesen Zusammenhang - werterhöhende Leistungen der Handwerker - auch hervorgehoben und völlig eindeutig erklärt und auf Nachfrage bestätigt, die Handwerker erhielten bei Leistungsnachweisen ihr Geld; die Bauprojekte sollten auch mit den Handwerkern zu Ende geführt werden. Dem Vorstandssprecher der Ag. war dabei bewußt, daß die Handwerker, die die 'Schneider-Affäre' naheliegend in besonderer Weise verfolgten, von seinen Erklärungen Kenntnis erhielten und diese nur als verbindliche Zahlungszusage für ordnungsgemäß erbrachte Leistungen verstehen mußten. Es lag auch auf der Hand, daß der Ansehensverlust der Ag., den ihr Vorstandssprecher abwenden wollte, noch erheblich angestiegen wäre, wenn die Ag. sich später darauf zurückgezogen hätte, die Erklärungen ihres Vorstandssprechers seien ohne Rechtsbindungswillen erfolgt und sie Zahlungen an die Handwerker nicht geleistet hätte.
Soweit die Ag. geltend macht, wenn jede vergleichbare Äußerung eines Unternehmens in der Öffentlichkeit als Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen gewertet werde, werde die Figur der Willenserklärung überdehnt und wären spontane Erklärungen gegenüber Presseorganen nicht mehr möglich, da jeder Satz genau durchdacht werden müsse, trifft dies den Fall nicht. Die Pressekonferenz, in der der Vorstandssprecher der Ag. die genannten Erklärungen abgegeben hat, war naturgemäß vorbereitet. Es ging also nicht um spontane Äußerungen, die in ihren Folgen noch nicht durchdacht waren. Der Vorstandssprecher der Ag. hat sogar Angaben dazu gemacht, welche Handwerkerforderungen in etwa auf die Ag. aufgrund seiner Erklärungen zukommen könnten, nämlich weniger als 50 Mio. DM. Es spricht deshalb alles dafür, daß es um auch in ihren Wirkungen durchdachte Erklärungen handelte, zu denen der Vorstandssprecher der Ag. autorisiert war und nicht etwa nur um firmenpolitische Äußerungen zur Beruhigung der Öffentlichkeit ohne rechtliche Relevanz.
III. Doch braucht dies nicht vertieft und abschließend entschieden zu werden, auch kann die rechtliche Einordnung eines Vertragsangebots dahinstehen, denn der Vorstandssprecher der Ag. hat die Zahlungszusage ausdrücklich nur auf Handwerker bezogen. Der Ast. ist jedoch kein Handwerker, so daß dem LG darin zuzustimmen ist, daß ein Vertragsangebot an ihn nicht gerichtet war. Allerdings hat die Ag. unstreitig auch Leistungen von Architekten und Ingenieuren vergütet und in Übereinstimmung hiermit in dem Schreiben vom 22. 6. 1994 an den Ast. ausgeführt, sie habe sich grundsätzlich bereit erklärt, berechtigte Forderungen von 'Dienstleistern' bei den von ihr finanzierten Projekten zu begleichen. Doch folgt hieraus nicht, daß die Erklärungen des Vorstandssprechers der Ag. in der Pressekonferenz entsprechend ausgelegt werden könnten. Sie waren unmißverständlich nur auf Zahlungen an die Handwerker gerichtet, auf deren Nachteile durch die Flucht der Eheleute Schneider und das Konkursverfahren sich der Unmut in der Öffentlichkeit bezog.
Auch wenn der Vorstandssprecher der Ag. einen Zusammenhang mit der Werterhöhung der Grundstücke durch die Handwerkerleistungen hergestellt hat, konnten daraus andere Personen, die werterhöhende Leistungen erbracht hatten, nicht den Schluß ziehen, auch ihnen sei eine Zahlungszusage gemacht worden. Sie konnten lediglich den Versuch unternehmen, mit dem Argument der Werterhöhung auch durch ihre Leistungen an die Ag. heranzutreten, um eine Vergütung zu vereinbaren, was an den Projekten beteiligten Architekten und Ingenieuren auch gelungen ist. Dies aber war die freie Entschließung der Ag., die zwar im Zusammenhang mit den Preiserklärungen stand, aber eben nicht schon hierdurch festgelegt war.
Indem die Ag. dem Ast. mitteilte, sie habe sich grundsätzlich bereit erklärt, berechtigte Forderungen von 'Dienstleistern' zu begleichen, hat sie auch nicht etwa zum Ausdruck gebracht, sie selbst lege die Erklärungen ihres Vorstandssprechers so aus, daß sie nicht nur auf Handwerker zu beziehen seien bzw. ihr Vorstandssprecher habe schon bei der Pressekonferenz die Erklärungen nicht nur in Bezug auf Handwerker, sondern auch in Bezug auf 'Dienstleister' abgeben wollen. (Wird ausgeführt.)
Es kommt hinzu, daß der Ast. nicht einmal mit den Architekten und Ingenieuren, die an den Projekten gearbeitet haben und zu der Werterhaltung der Grundstücke beigetragen haben, vergleichbar ist. Er hat keine Leistungen für die Bebauung der von der Ag. finanzierten Projekte erbracht, sondern Handwerkerrechnungen geprüft und in erheblichem Maße gekürzt. Unmittelbar hat er damit nicht zur Werterhöhung der Grundstücke beigetragen, sondern zur Entlastung der Schneider-GbR, um deren Verpflichtungen gegenüber den Handwerkern herabzusetzen.
Selbst wenn dies der Ag. hinsichtlich der Übernahme der Zahlungsverpflichtung gegenüber den Handwerkern zugute gekommen sein sollte und auch der Wert der Grundstücke mittelbar betroffen ist, indem der Aufwand für die Bauleistungen geringer ist, ändert dies nichts daran, daß die Leistungen des Ast. ganz unterschiedlich zu denjenigen der Handwerker, Architekten und Ingenieuren sind. Auch aus diesem Grund konnte der Ast. - selbst bei weiter Interpretation - die Erklärungen des Vorstandssprechers der Ag. nicht als an ihn gerichtetes Angebot verstehen. Es ist geradezu abwegig, eine Zusage, Handwerkerleistungen zu vergüten, auch darauf zu beziehen, Leistungen zur Überprüfung und Kürzung von Handwerkerrechnungen zu vergüten, zumal in dem Zusammenhang, in dem die Erklärungen des Vorstandssprechers der Ag. gemacht wurden.



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