Kettenauflassung?
BGH, Urteil v. 22.11.1996  - V ZR 233/95 (Brandenburg) 
Fundstellen:

NJW 1997, 936
ZIP 1997, 245
WM 1997, 478
LM § 185 BGB Nr. 40
DB 1997, 768
MDR 1997, 340
VIZ 1997, 237
RPfleger 1997, 207
NJ 1997, 307


Zentrales Problem:
s. Anm. zu BGHZ 106, 108
Amtl. Leitsätze:

Die Auflassung enthält dann keine Ermächtigung an den Käufer, das Grundstück ohne Zwischeneintragung an einen Dritten zu veräußern, wenn der Erwerb des Dritten einer vertraglichen Zweckbestimmung zuwiderliefe.



Zum Sachverhalt:

Der Vater des Kl. war Eigentümer eines 8,88 ar großen Grundstücks in G. Er wurde von der Mutter und den Kindern beerbt. Einige der Kinder wurden auch Erben der Mutter. Am 11. 3. 1994 setzten sich die Geschwister dahin auseinander, daß das Grundstück dem Kl. zugewiesen wurde. Die Auflassung an ihn ist erfolgt, ihrem Vollzug steht noch die Eintragung der Bekl. als Eigentümerin im Grundbuch entgegen. Das Grundstück war 1963 unter "vorläufige Verwaltung durch den Rat der Gemeinde gem. § 6 der Verordnung vom 17. 7. 1952" gestellt worden. Am 2. 5. 1991 beschloß der Gemeinderat von G., volkseigene Grundstücke zum Verkehrswert für Wohnzwecke zu veräußern. Dabei sollten "Bürger mit bestehenden Miet- oder Pachtverträgen sowie Antragsteller der Gemeinde" ein Vorkaufsrecht haben. Mit notariellem Vertrag vom 19. 11. 1991 verkaufte die Gemeinde, vertreten durch die Bürgermeisterin, das Grundstück an die damaligen Nutzer, die Eheleute B, zum Preis von 77256 DM. Die Auflassung wurde erklärt, eine Vormerkung zugunsten der Eheleute wurde in das Grundbuch eingetragen. Am 28. 11. 1991 verkauften die Eheleute das Grundstück an die Bekl., die nicht zum Kreis der im Gemeinderatsbeschluß genannten Personen gehörte; die Bekl. übernahm die Kosten und Steuern beider Verträge. Der beurkundete Kaufpreis betrug 88250 DM. Die Auflassung wurde erklärt, die Eheleute B traten den Anspruch auf Eigentumsverschaffung gegen die Gemeinde an die Bekl. ab. Der Kl. hat behauptet, das Grundstück sei unter Umgehung des Beschlusses des Gemeinderats zu einem weit unter dem Verkehrswert liegenden Preis an die Bekl. verschleudert worden. Die Übereignung sei deshalb nichtig. Er hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, der Berichtigung des Grundbuchs zu seinen Gunsten zuzustimmen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat sie abgewiesen und die Anschlußberufung des Kl., mit der er die Berichtigung zugunsten einer Erbengemeinschaft, bestehend aus ihm und seinen Geschwistern verlangte, zurückgewiesen. Die Revision des Kl. hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. meint, die Bekl. habe "Eigentum an dem Grundstück von der Erbengemeinschaft ... erlangt, weil sie von den Vormerkungsberechtigten (scil. Eheleuten B) diese Rechtsposition erlangt und am 14. 9. 1992 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden ist". Danach hätte die Bekl. indessen nur Inhaberin des Anspruchs der Eheleute gegen die Gemeinde auf Eigentumsverschaffung und der, allerdings erst später in das Grundbuch eingetragenen, Vormerkung werden können. Das Eigentum der beiden Erbengemeinschaften, nach dem Vater und nach der Mutter des Kl., wäre hierdurch nicht berührt worden. Damit entfällt die Grundlage des Berufungsurteils.
II. Dieses kann auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten bleiben.
1. Die Auflassung des Grundstücks an die Eheleute B durch die nach §§ 11, 15 VermG verfügungsbefugt gewesene Gemeinde hatte keine Auswirkung auf das Eigentum der Erben. Denn sie war nicht durch Eintragung der Erwerber in das Grundbuch vollzogen worden (§ 873 BGB).
Die Weiterauflassung des Grundstücks durch die Eheleute an die Bekl. war unwirksam, da die Veräußerer nicht Inhaber des aufgelassenen Rechts und auch nicht im Grundbuch als solche eingetragen waren; sie haben das Recht auch nicht mit Zustimmung der Gemeinde auf die Bekl. übertragen (§ 185 BGB). Allerdings entspricht es der vorherrschenden Meinung, daß in der Auflassung für den Empfänger regelmäßig die Ermächtigung liegt, als Nichtberechtigter über das Grundstück zu verfügen (vgl. z.B.RGZ 89, 152 (157); 129 150 (153); 135, 378 (382); BGHZ 106, 108 (112) = NJW 1989, 1093 = LM § 79 GBO Nr. 7). Dies ist aber eine Frage der Auslegung, welche im allgemeinen davon ausgehen kann, daß es dem Willen des Auflassenden nicht widerspricht, wenn für den Fall der Weiterveräußerung der Umweg der Zwischeneintragung des Auflassungsempfängers vermieden wird. Sofern sich aus den Umständen anderes ergibt, etwa weil die Rechtsstellung des Auflassenden durch die Weiterauflassung berührt würde, kann dies nicht gelten (vgl. RGZ 129, 150 (153); KG, JFG 2, 316 (318ff.); BayObLG, NJW 1971, 514; OLG Düsseldorf, OLGZ 1980, 343).
So liegen die Dinge hier; der Senat kann dies - selbst - der Auflassungserklärung der Gemeinde entnehmen, denn weitere tatsächliche Feststellungen sind nicht zu erwarten (BGHZ 65, 107 (112) = NJW 1976, 43 = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 79a; BGHZ 121, 284 (289) = NJW 1993, 1532 = LM H. 9/1993 Berufsunfähigkeitszusatzvers. Nr. 19): Aufgrund der in den Vertrag vom 19. 11. 1991 aufgenommenen Zweckbestimmung waren die Käufer (B) verpflichtet, das Grundstück innerhalb einer bestimmten Frist mit einem Eigenheim zu bebauen. Für den Fall der unberechtigten Weiterveräußerung an einen Dritten war der Gemeinde das Recht eingeräumt, die Rückauflassung zu verlangen. Dieses Recht bestand bis 31. 12. 1994 und sollte durch eine Rückauflassungsvormerkung gesichert werden. Diese war zum Zeitpunkt der Weiterveräußerung an die Bekl. noch nicht im Grundbuch eingetragen. Eine Weiterveräußerung des Grundstücks in unbebautem Zustand wäre der vertraglichen Zweckbestimmung zuwidergelaufen. Es kann, selbst wenn die Sicherung des Rückerwerbsrechts ... bereits eingetreten gewesen wäre, nicht davon ausgegangen werden, daß die Gemeinde hierzu ihre Hand geliehen hätte. Schon gar nicht kann ihre Bereitschaft, die Weiterveräußerung durch ihre Zustimmung zu ermöglichen, für einen Zeitpunkt unterstellt werden, zu dem der Vorrang der Rückauflassungsvormerkung gegenüber dem Eigentum des Zweiterwerbers noch nicht gesichert war. Die Rückauflassungsvormerkung wurde am 15. 9. 1992, einen Tag nach dem Eigentum der Bekl., in das Grundbuch eingetragen. Sie hätte mithin, wäre dieses wirksam begründet worden, ihm gegenüber Nachrang besessen (§ 879 I 2 BGB). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Entschluß der Eheleute B, das Grundstück unmittelbar an die Bekl. weiterzuveräußern, der Vertreterin der Gemeinde bekannt gewesen und von dieser gebilligt worden wäre. Hierfür bietet das Berufungsurteil aber keine Grundlage.
Mit der Gegenrüge, bei der Auslegung müsse dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die Gemeinde von dem Rückerwerbsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, dringt die Bekl. nicht durch. Für die Auslegung, wie die Eheleute B als Empfänger der Auflassungserklärung der Gemeinde diese verstehen mußten, können erst nach deren Zugang eingetretene Umstände nicht berücksichtigt werden (Senat, NJW 1988, 2878 = LM § 133 (B) BGB Nr. 30). Zudem hätte ein Rückauflassungsverlangen der Gemeinde wegen des Nachrangs der hierfür bestellten Vormerkung hinter der Buchposition der Bekl. nicht die Möglichkeit eröffnet, der Zweckverfehlung abzuhelfen. Sein Unterbleiben könnte mithin keine Grundlage für Schlußfolgerungen im Sinne der Bekl. abgeben.
2. Die Bekl. kann dem Berichtigungsbegehren keinen gegen die Erben gerichteten Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem streitigen Grundstück entgegensetzen. Die Gemeinde ist bei dem Verkauf an die Eheleute B im eigenen Namen als "eingetragene Eigentümerin" aufgetreten. Auch wenn, wovon vorstehend zugunsten der Bekl. ausgegangen wurde, dies einer Verfügung über das Grundstück als Verwalterin (§§ 11, 15 VermG) nicht entgegenstand, ist eine Pflicht der Erben zur Eigentumsverschaffung durch den Vertrag vom 19. 11. 1991 nicht begründet worden. Durch die Abtretung der Rechte aus diesem Vertrag konnte die Bekl. mithin keinen Anspruch gegen die Erben erwerben.
3. Berichtigung zu seinen Gunsten kann der Kl. allerdings nicht verlangen, da der Eigentumserwerb aufgrund des Auseinandersetzungsvertrags vom 11. 3. 1994 noch nicht abgeschlossen ist. Wohl aber ist er als Miterbe befugt, das Recht der Erbengemeinschaften auf Berichtigung des Grundbuchs geltend zu machen (§§ 2039, 894 BGB; BGHZ 44, 367 = NJW 1966, 773 = LM § 2039 BGB Nr. 7).


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