NJW 1998, 2132
Fortsetzung des Rechtsstreits in BGH v. 20.2.2001, X ZR
9/99 = NJW 2001, 1718
Als verzugsbegründende Mahnung genügt
jede eindeutige und bestimmte Aufforderung, mit der der Gläubiger
unzweideutig zum Ausdruck bringt, daß er die geschuldete Leistung
verlangt.
Die Kl. befaßt sich mit der Vermittlung von
Warentermingeschäften. Die Bekl. ist ein Softwareunternehmen, das
sich auch mit dem Vertrieb von Hardware befaßt. Sie hat gemeinsam
mit einer Wettbewerberin der Kl. eine Software für den Betrieb für
Unternehmen im Bereich der Termingeschäfte entwickelt, für deren
Übernahme sich die Kl. interessiert hat. Anfang 1993 erwarb die Kl.
bei der Bekl. ein in deren Auftragsbestätigung vom 26. 2. 1993 näher
bezeichnetes Computersystem, das auf dieser Software aufbaut und eine dafür
vorgesehene geeignete Hardware einschloß, deren Erwerb die Bekl.
nach Darstellung der Kl. als für den Betrieb der Software notwendig
bezeichnet hatte. Der Auftrag wurde später durch eine Reihe von Zusatzarbeiten
erweitert. Nachdem die Bekl. einen Teil der Hardware und die Software geliefert
und installiert hatte, beanstandete die Kl. die Dokumentation für
das von der Bekl. entwickelte Programm als unzureichend, weil sie eine
Arbeit mit der Software nicht ermögliche, und forderte sie unter Hinweis
hierauf seit Ende August 1993 mehrfach zur Überlassung einer ausreichenden
Anwenderdokumentation auf. In der Folge von der Bekl. übersandte Handbücher
wies sie als unzureichend zurück und ist - nachdem sie auf eine weitere
Aufforderung mit Fristsetzung keine aus ihrer Sicht genügende Dokumentation
erhalten hatte - vom Vertrag zurückgetreten. Die Bekl. hat dem Rücktritt
widersprochen. Daraufhin ist sie von der Kl. im Wege der Klage auf Erstattung
der an sie für Hard- und Software bereits gezahlten Teilleistungen
in Höhe von insgesamt 159 542,90 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen
Rückgabe näher bezeichneter Hard- und Software in Anspruch genommen
worden. Die Bekl. hat im Wege der Widerklage eine noch ausstehende Vergütung
verlangt.
Das LG hat der Klage entsprochen und die Widerklage
abgewiesen; die dagegen gerichtete Berufung der Bekl. blieb im Ergebnis
ohne Erfolg. Das BerGer. hat lediglich die im Wege der Zug-um-Zugverurteilung
herauszugebenden Gegenstände genauer bezeichnet. Gegen diese Zurückweisung
ihres Rechtsmittels richtete sich die Revision der Bekl., mit der sie ihre
Anträge auf Abweisung der Klage und aus der Widerklage weiterverfolgte.
Die Revision führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Nach Ansicht des BerGer. ist die Bekl. zur Rückzahlung
der empfangenen Gelder verpflichtet, weil die Kl. wirksam nach § 326
BGB vom Vertrag zurückgetreten sei.
Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung
habe sie unter anderem zur Lieferung einer Anwenderdokumentation verpflichtet,
die eine Inbetriebnahme und Benutzung des gekauften Programms ermögliche.
Diese habe die Kl. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erhalten.
Daher habe sie die insoweit ausstehende Leistung zu Recht mit ihrem Schreiben
vom 31. 8. 1993 angemahnt und die Bekl. damit in Verzug gesetzt. Die Lieferung
eines vertragsgemäßen Handbuches sei nach Angabe der Bekl. in
deren Schreiben vom 6. 9. 1993 kurzfristig möglich gewesen, so daß
hier Fälligkeit eingetreten sei. Gleichwohl habe die Bekl. nach der
Mahnung ihren Verpflichtungen nicht genügt, so daß die Kl. mit
Schreiben vom 13. 9. 1993 ihr zu Recht eine Frist mit Ablehnungsandrohung
gesetzt und diese mit Schreiben vom 20. 9. 1993 aufrechterhalten habe.
Als diese fruchtlos verstrichen sei, habe sie daher von dem Vertrag zurücktreten
können. Die ihr übersandten Aktenordner mit Unterlagen habe sie
nicht als unzureichende Dokumentation nach den §§ 377, 378 HGB
rügen müssen. Voraussetzung einer Rügepflicht nach diesen
Vorschriften wäre eine hier nicht vorliegende Lieferung des Vertragsgegenstandes
gewesen.
II. Diese Würdigung greift die Revision im
Ergebnis mit Erfolg an. Zu Recht beanstandet sie die Annahme eines Rücktrittsrechts
der Kl. nach § 326 BGB als rechtsfehlerhaft.
1. Frei von Rechtsfehlern ist allerdings der rechtliche
Ausgangspunkt des BerGer., nach dem die Vorschrift des § 326 BGB im
Verhältnis der Parteien anwendbar ist. Zwar ist nach der rechtsfehlerfreien
tatrichterlichen Würdigung im Revisionsverfahren davon auszugehen,
daß die Vereinbarung zwischen den Parteien einen einheitlichen Werklieferungsvertrag
darstellt, auf den - da er eine nicht vertretbare Sache betrifft - Werkvertragsrecht
anzuwenden ist. Dabei kann dahinstehen, ob dem BerGer. in seiner Würdigung
zu folgen ist, daß der Vertrag ursprünglich auf die Lieferung
standardisierter Hard- und Software gerichtet war und deshalb seiner Rechtsnatur
nach einen Kaufvertrag darstellte. Wie die angefochtene Entscheidung frei
von Rechtsfehlern ausführt, hat sich das Gewicht dieser Vereinbarung
durch deren nachträgliche Veränderungen verschoben. Hinzugetreten
sind nicht nur Verpflichtungen der Bekl. bei der Anpassung der Software.
Diese sollte über das Aufstellen der Hardware hinaus weitere Leistungen,
insbesondere die Vernetzung der Rechner mit den vorhandenen erbringen.
Ferner sollte sie individuelle Anpassungen an der Software vornehmen, insbesondere
das von ihr entwickelte Programm auf die speziellen Bedürfnisse der
Kl. zuschneiden. Dabei ist das BerGer. in tatrichterlicher Würdigung
davon ausgegangen, daß diese nachträglichen Absprachen nur eine
Modifizierung eines insgesamt einheitlichen Vertrags bilden. Diese Würdigung
ist möglich und muß daher im Revisionsverfahren hingenommen
werden. Daß dem BerGer. hierbei Rechtsfehler unterlaufen wären,
zeigt die Revision nicht auf.
Nach dem so bestimmten Vertragsgegenstand wird
die Vereinbarung zwischen den Parteien maßgeblich durch von der Bekl.
zu erbringende Leistungen bei der Anpassung von Hard- und Software geprägt;
eine solche Vereinbarung hat die Erstellung eines individuellen Werks zum
Gegenstand und wird daher in der Rechtsprechung des Senats als Werkvertrag
angesehen (vgl. dazu BGH, WM 1986, 1255 [1257]). Auch bei einem solchen
Vertrag können bis zur Abnahme die Rechtsfolgen von Störungen
in der Hauptleistungspflicht aus den §§ 320 ff. BGB geltend gemacht
werden. Eine zur alleinigen Anwendung der §§ 633 ff. BGB führende
Abnahme hat das BerGer. nicht festgestellt. Ihren Rücktritt hat die
Kl. allein auf das Fehlen von ihren Ansprüchen genügenden Handbüchern
gestützt. Die von der Bekl. gelieferten Dokumentationen hat sie ausnahmslos
als unzureichend zurückgewiesen und mithin nicht abgenommen. Insoweit
ist das BerGer. auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Lieferung
dieser Dokumentationen eine Hauptleistungspflicht betrifft, ein Verzug
bei der Erfüllung dieser Verpflichtung mithin zur Anwendung der §§
320 ff. BGB führen kann. Die Lieferung einer ausreichenden Dokumentation
ist nicht nur selbstverständlicher Inhalt eines auf die Lieferung
von Software gerichteten Geschäftes (vgl. BGH, NJW 1993, 461 = LM
H. 4-1993 § 477 BGB Nr. 57 = MDR 1993, 121 - für den Kauf von
Software; vgl. auch BGH, NJW 1993, 1639 = LM H. 11-1993 § 631 BGB
Nr. 73 = MDR 1993, 980); dem Geschäftspartner der Bekl. wird in deren
allgemeinen Geschäftsbedingungen nach der unwidersprochen gebliebenen
Behauptung der Kl. ein entsprechender Anspruch vielmehr ausdrücklich
eingeräumt.
2. Ohne Erfolg greift die Revision auch die weitere
Annahme des BerGer. an, die Kl. habe diese Leistung in einer den Verzug
begründenden Weise angemahnt. Die von der Revision zitierte Auffassung,
eine Mahnung müsse erkennen lassen, daß bei Ausbleiben der Leistung
für den Schuldner nachteilige Folgen eintreten werden, bedeutet -
wie die Revision zu Recht ausführt - nicht, daß auf diese Rechtsfolgen
eines Verzugs ausdrücklich hingewiesen werden muß. Für
eine den Anforderungen des § 284 BGB entsprechende Mahnung genügt
nach Sinn und Zweck der Vorschrift vielmehr jede eindeutige und bestimmte
Aufforderung, mit der der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt,
daß er die geschuldete Leistung verlangt, wobei diese Folgen auch
durch eine - wie hier - in höflicher Form abgefaßte Aufforderung
ausgelöst werden (so im Erg. auch OLG Hamburg, MDR 1978, 577; Palandt-Heinrichs,
BGB, § 284 Rdnr. 17). In Verzug gerät der Schuldner, weil er
trotz der dringenden Aufforderung des Gläubigers und der bereits eingetretenen
Fälligkeit seinen Verpflichtungen nicht fristgerecht genügt.
3. Von seinen tatsächlichen Feststellungen
nicht getragen wird jedoch die Annahme des BerGer., die Verpflichtung der
Bekl. zur Lieferung der Dokumentation sei fällig gewesen. Damit kann
eine wesentliche Voraussetzung für den Eintritt des Verzugs aufgrund
des aus dem angefochtenen Urteil ersichtlichen Sachverhalts nicht festgestellt
werden. Dabei kann dahinstehen, ob der Kl. aufgrund des ursprünglichen
Vertrags ein Anspruch auf Aushändigung eines Handbuchs ohne die individuellen
Anpassungen zustand. Auf dessen Ausbleiben hat sie Fristsetzung und Rücktritt
nicht gestützt. Unter Fristsetzung angemahnt hat sie allein eine Dokumentation
unter Einschluß aller individuellen Anpassungen. Insoweit ist derzeit
ein Verzug nicht festzustellen. Wie die Revision mit Recht rügt, hat
die Bekl. in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht, sie habe die Arbeiten
an dem Programm und der Anlage nicht abschließen können, weil
die Kl. notwendige Mitwirkungshandlungen unterlassen habe. Nach ihrer Darstellung
fehlten für die weitere Bearbeitung notwendige Unterlagen über
das Geschäftssystem der Kl., das in die Software integriert werden
und auf dem diese aufbauen sollte, und über die bei der Kl. vorhandene,
nicht von der Bekl. gelieferte Hardware.
Nach ihrem Vorbringen hat die Bekl. den für
die Finanzbuchhaltung erforderlichen Kontenrahmen nicht erhalten. Ferner
sind danach für den Warenterminbereich wichtige Parameter nicht bezeichnet
worden, wie insbesondere die Provisionsstruktur bei der Kl., ohne die die
in die Programme integrierte Provisionsbuchhaltung, die eine Berücksichtigung
der Provisionsstaffel erforderte, nicht abschließend eingebunden
werden konnte. Als fehlend hat die Bekl. ferner eine Entscheidung der Kl.
zu den Grundlagen der Währungsumrechnung gerügt. Außerdem
habe diese trotz mehrfacher Aufforderung nicht an der für die Fertigstellung
des Programms erforderlichen Neugestaltung der Formulare mitgearbeitet.
Schließlich habe sie für den Abschluß der Arbeiten an
der Hardware und deren Vernetzung erforderliche Unterlagen trotz mehrfacher
dringender Aufforderung nicht überlassen. Hierzu hat die Bekl. ferner
geltend gemacht, daß eine sinnvolle Arbeit mit dem von ihr gelieferten
System nur möglich sei, wenn die komplette Vernetzung installiert
sei und mit dieser Begründung auch davon abgeraten, das Programm lediglich
auf einem Rechner zu installieren.
Traf diese Darstellung zu, trat Verzug nicht
ein. Dieser kommt nicht in Betracht, wenn das Werk deshalb nicht rechtzeitig
hergestellt werden kann, weil der Besteller eine für die Vollendung
der Arbeiten notwendige Mitwirkungshandlung nicht erbringt (vgl. dazu Senat,
NJW 1996, 1745 = LM H. 7-1996 § 284 BGB Nr. 44 = MDR 1996, 567; s.
auch BGH, NJW-RR 1996, 989). Soweit die Bekl. ihre Arbeiten an Soft- und
Hardware infolge der unterbliebenen Mitwirkung nicht abschließen
konnte, fehlt es zumindest an dem für den Eintritt des Verzugs erforderlichen
Verschulden auf ihrer Seite. Der fehlende Verzug bei den Arbeiten an
Soft- und Hardware schließt zugleich - anders als die Revisionserwiderung
meint - einen Verzug auch bei der Lieferung der Handbücher aus. Eine
abschließende Dokumentation des Programms, seiner Leistung und seiner
Bedienung ist erst möglich, wenn die Software fertig ist und ihr endgültiger
Aufbau festliegt. Auch der auf die Dokumentation gerichtete Anspruch wird
daher erst fällig, wenn das Programm zumindest in einem solchen Umfang
fertiggestellt ist, daß noch ausstehende Teilleistungen keine Aufnahme
in den Handbüchern finden müssen.
Einen solchen Sachverhalt hat das BerGer. nicht
festgestellt. Von ihm kann nach der Darstellung der Bekl. zum Umfang der
noch ausstehenden, von der unterbliebenen Mitwirkung der Kl. abhängigen
Arbeiten auch nicht ausgegangen werden. Zu dieser hat das BerGer. Feststellungen
nicht getroffen, so daß sie der revisionsgerichtlichen Beurteilung
zugrunde zu legen ist. Die danach für die Feststellung eines Verzugs
fehlenden Feststellungen können auch durch den sonstigen, aus dem
Berufungsurteil ersichtlichen Sachverhalt oder das unstreitige Vorbringen
der Parteien nicht ergänzt werden. Die Kl., die die Beweislast für
die Voraussetzungen des Verzugs und damit auch die Fälligkeit der
Leistung und die Erfüllung ihrer Mitwirkungsverpflichtungen trifft,
hat zwar vorgetragen, die Programmteile seien im wesentlichen fertig gewesen.
Diese Darstellung steht jedoch im Widerspruch zu der der Bekl. und kann
deshalb nicht als unstreitig angesehen werden.
Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung in diesem
Zusammenhang geltend, die Bekl. sei jedenfalls mit der Lieferung einer
dem erreichten Arbeitsstand entsprechenden Dokumentation in Verzug geraten.
Für das Bestehen einer auf deren Lieferung gerichteten Verpflichtung
der Bekl. ist dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen. Das BerGer.
hat die Vereinbarung der Parteien nur dahin verstanden, daß die Bekl.
Handbücher auf der Grundlage des fertigen Programms und unter Einschluß
aller Programmfunktionen schuldete. Über diese Auslegung hinauszugehen,
ist dem RevGer. verwehrt. Rechtsfehler bei der tatrichterlichen Würdigung
zeigt auch die Revisionserwiderung nicht auf. Es ist auch nicht zu erkennen,
daß sich eine über das Verständnis des Tatrichters hinausgehende
Würdigung des Vertrags ohne weitere tatrichterliche Aufklärung
gewinnen ließe.
III. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung
wird das BerGer. daher in erster Linie zu klären haben, ob im Zeitpunkt
der von der Kl. ausgesprochenen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung die
Voraussetzungen eines Verzugs der Bekl. vorlagen, insbesondere sowohl der
Anspruch auf Abschluß der Arbeiten an Hard- und Software und - daran
anschließend - der Handbücher fällig war oder ob die Ausführungen
der Arbeiten an einer von der Kl. verweigerten Mitwirkung scheiterten.
Soweit danach ein Verzug ausscheidet, wird gegebenenfalls weiter zu prüfen
sein, ob - wie die Kl. meint - und gegebenenfalls auf welcher rechtlichen
Grundlage die Bekl. trotz des Fehlens einer ausdrücklichen vertraglichen
Bestimmung zur Lieferung einer Dokumentation nach dem jeweils erreichten
Aufbauzustand verpflichtet war. Im Falle des Bestehens einer solchen Verpflichtung
wird weiter der Frage nachzugehen sein, ob - wie die Bekl. geltend gemacht
hat - von ihr eine derartige Dokumentation geliefert und ob diese von der
Kl. zu Recht zurückgewiesen worden ist. Dabei werden die von der Kl.
angeführten Gründe darauf zu untersuchen sein, ob sie einen Mangel
der Dokumentation darstellen, die lediglich den erreichten Aufbauzustand
wiedergibt. Dabei wird insbesondere auch zu klären sein, welche Anforderungen
an eine solche Dokumentation zu stellen sind, wozu gegebenenfalls auch
eine Prüfung der Frage gehören kann, ob in sie auch die für
den Zugang zum Programm erforderlichen Codes aufzunehmen sind, aus deren
Fehlen von dem gehörten Zeugen u. a. die mangelnde Brauchbarkeit der
Handbücher abgeleitet worden ist.