Verurteilung zur Leistung bei
Unmöglichkeit - Beweislast bei Unmöglichkeit BGH, Versäumnisurt. v. 26. 3. 1999 - V ZR
368/97 (OLG Jena)
Fundstelle:
NJW 1999, 2034 f
BGHZ 141, 179
Amtl. Leitsätze:
1. Einer Verurteilung zur Auflassung steht der
Gesichtspunkt der Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung nur dann
nicht entgegen, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung im Grundbuch noch als Eigentümer eingetragen ist.
2. Ist das Eigentum im Grundbuch auf einen
Dritten umgeschrieben, muß der Gläubiger, der vom nicht mehr
berechtigten Schuldner gleichwohl Auflassung verlangt, darlegen und beweisen,
daß diese Wirksamkeit erlangen wird.
Zentrale Probleme:
Im Zentrum des Falles stehen Fragen
der Unmöglichkeit und der Beweislast. Die Entscheidung legt zentrale
Probleme nahezu lehrbuchartig dar:
Soweit die Unmöglichkeit anspruchsvernichtende
Tatsache
ist (so etwa in §§ 275, 323 BGB), so trägt nach allgemeinen
Beweislastregeln der Schuldner die Beweislast für die Unmöglichkeit.
Soweit die Unmöglichkeit anspruchsbegründend
wirkt (etwa
in §§ 280, 281, 325, 326 BGB), trägt der Gläubiger
die Beweislast. Nur hinsichtlich des Vertretenmüssens
trägt
nach § 282 BGB stets, d.h. unabhängig von den Parteirollen, der
Schuldner die Beweislast, d.h. das Vertretenmüssen wird vermutet.
Da der Gläubiger, der Schadensersatz fordern will, die Unmöglichkeit
häufig nicht beweisen kann, erlaubt ihm § 283 BGB, auf Erfüllung
zu klagen und anschließend eine Frist zu setzen. Nach Ablauf der
Frist kann er dann Schadensersatz fordern. Bei nur wahrscheinlicher, nicht
aber nachgewiesener Unmöglichkeit ist also eine Verurteilung zur Leistung
möglich.
Nicht möglich ist allerdings -
nach allgemeinen Grundsätzen - die Verurteilung zu einer nachgewiesen
bzw. unstreitig unmöglichen Leistung, da niemand durch Urteil zu etwas
verpflichtet werden darf, was er nicht kann. Dies ist bei objektiver
Unmöglichkeit i.d.R. problemlos. Bei nachträglicher subjektiver
Unmöglichkeit, die gem. § 275 BGB der nachträglich objektiven
Unmöglichkeit gleichsteht, darf aber nicht vorschnell eine die Verurteilung
hindernde Unmöglichkeit angenommen werden. Die bloße Tatsache,
daß zB der Schuldner die Sache anderweitig veräußert
hat, hindert eine Verurteilung dann nicht, wenn er in der Lage ist, sich
die Sache wieder zu beschaffen bzw. den Verfügungsberechtigten zur
Übereignung an den Gläubiger zu veranlassen. Daraus ergibt sich
eine Verschärfung des Beweislastproblems, um die es in der vorliegenden
Entscheidung geht: Wenn der Gl. die Beweislast für die Unmöglichkeit
trägt, weil er etwa Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach
§ 325 I 1 BGB geltend macht, kann er schwer beweisen, daß
der Schuldner, der die Sache an einen Dritten veräußert hat,
nicht in der Lage ist, ihm dennoch Eigentum zu verschaffen. Deshalb indiziert
in diesem Fall die Veräußerung die Unmöglichkeit, d.h.
sie wird vermutet. Der Schuldner kann dann darlegen (und beweisen), daß
er trotz Veräußerung an einen Dritten weiterhin bereit und in
der Lage ist, Eigentum zu verschaffen, also keine (subjektive) Unmöglichkeit
vorliegt (s. dazu auch
BGH v. 29.6.2007 - V ZR 1/06).
Wenn der Schuldner die Beweislast für
die Unmöglichkeit trägt, weil er sie als anspruchsvernichtende
Tatsache gegen einen vom Gl. geltend gemachten Erfüllungsanspruch
einwendet, bleibt es bei seiner (vollen) Beweislast. Er wird also zur Erfüllung
verurteilt, auch wenn er die Sache veräußert hat, wenn er nicht
nachweist, daß er nicht in der Lage ist, dennoch Eigentum zu verschaffen.
Andernfalls würde dem Gl. die Möglichkeit genommen, ein Leistungsurteil
zu bekommen und anschließend nach § 283 vorzugehen.
Eine Ausnahme legt der BGH hier nur
für den Fall dar, daß die Verurteilung selbst bereits einen
Teil der vom Schuldner geschuldeten Verfügung darstellt, eine solche
Verfügung aber zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Urteils durch
den Schuldner nicht möglich wäre. Das wäre hier der Fall:
Die Verurteilung zur Übereignung des Grundstücks beinhaltet die
Verurteilung zur Mitwirkung an dem dinglichen Rechtsgeschäft (Auflassung,
§ 925 BGB). Wird der Schuldner hierzu verurteilt, wird seine hierzu
nötige Willenserklärung mit Rechtskraft durch das Urteil ersetzt
(§ 894 ZPO). Da dies das einzige Element zur Eigentumsübertragung
ist, an dem der Schuldner mitwirken muß (Übergabe ist ja nicht
erforderlich, sondern lediglich noch die Eintragung in das Grundbiuch,
vgl. § 925 I BGB), würde das Urteil so die (unwirksame) Verfügung
eines Nichtberechtigten kreieren. Damit kann im Falle der Klage auf Übereignung
(= Auflassung) eines Grundstücks, welches der Schuldner bereits anderweitig
übereignet hat, eine Verurteilung zur Leistung nur erfolgen, wenn
der Gl., der Übereignung verlangt, nachweisen kann, daß diese
noch möglich ist, die durch das Urteil fingierte Willenserklärung
des Schuldners (Verkäufers) bzgl. des dinglichen Rechtsgeschäfts
noch eine wirksame Verfügung bewirken kann. Das ist etwa der Fall,
wenn der jetzige Eigentümer einwilligt (§ 185 I BGB) oder durch
eine Vormerkung (§ 883 BGB) die Eigentumslage zugunsten des Gl. (Käufers)
"eingefroren" war (§ 888 I BGB).
Zum Sachverhalt:
Die Bekl. sind zu je 1/6 die Erben ihrer am 16.
6. 1985 verstorbenen Mutter S. Diese war Erbin ihres am 25. 10. 1983 verstorbenen
Ehemannes A. A war Eigentümer von acht landwirtschaftlich genutzten
Grundstücken, die im Grundbuch von W auf Blatt 304 eingetragen und
mit einem - am 22. 9. 1992 im Grundbuch gelöschten - Bodenreformsperrvermerk
belastet waren. Durch notariellen Vertrag vom 21. 1. 1993 verkauften die
Bekl. die Grundstücke an P, ließen sie ihm auf und bewilligten
die Eintragung einer Auflassungsvormerkung. Die Vormerkung wurde am 16.
4. 1993 in das Grundbuch eingetragen. Auf den am 8. 10. 1994 eingegangenen
Antrag auf Umschreibung des Eigentums zeigte das Grundbuchamt mit Schreiben
vom 21. 10. 1994 dem Kl. die beabsichtigten Rechtsanderungen an. Dieser
widersprach der Verfügung mit Schreiben vom 23. 11. 1994. Am 2. 3.
1995 wurden der Erwerber als Eigentümer und eine Vormerkung zugunsten
des Kl. auf Auflassung eingetragen. Der Kl. hat unter anderem beantragt,
die Bekl. zu verurteilen, die unentgeltliche Auflassung der im Grundbuch
von W, Blatt 304, eingetragenen, im einzelnen näher bezeichneten acht
Grundstücke zu erklären. Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg
gehabt. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung und
Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hält den Kl. für aktiv-
und die Bekl. für passivlegitimiert. Es meint, die Veräußerung
der Grundstücke und die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch stehe
einer Verurteilung zur Auflassung nicht entgegen. Denn der Erwerber "dürfte"
wegen der eingetragenen Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Kl.
nur Bucheigentümer sein. Dies hält der Revision nicht stand.
Hierüber ist durch Versäumnisurteil zu erkennen (§§
331, 557 ZPO). Insoweit beruht das Urteil allerdings nicht auf der Säumnis,
weil es ohne Säumnis ebenso ergangen wäre (BGHZ 37, 81 f. = NJW
1962, 1149 = LM § 331 ZPO Nr. 2).
II. 1. Das BerGer. stellt fehlerfrei fest, daß
die Bekl. nicht zuteilungsfähig sind und der Kl. gem. Art. 233 §
11111 i. V. mit § 12 II Nr. 2 lit. b EGBGB vorrangig berechtigt ist.
Die Revision erhebt insoweit auch keine Rüge.
2. Zu Recht macht sie dagegen geltend, daß
die zugunsten des Kl. eingetragene Vormerkung bereits Anfang Juli1995,
also über drei Monate vor Klageerhebung, gem. Art. 233 § 13 V
1 EGBGB i. d. F. des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes vom 20. 12.
1993 (BGBl 1,2182) wieder erloschen war, so daß die Verfügung
über die Grundstücke jedenfalls von diesem Zeitpunkt an dem Kl.
gegenüber wirksam wurde ( Wacke, in: MünchKomm, 3. Aufl., §
883 Rdnr. 48). Das BerGer. hat darüber hinaus übersehen, daß
noch vor Eintragung der Vormerkung zugunsten des Kl. bereits am 16. 4.
1993 eine Vormerkung zugunsten des Erwerbers in das Grundbuch eingetragen
worden war, so daß der Eigentumsübergang auf den Erwerber dem
Kl. gegenüber schon aus diesem Grund wirksam geworden ist.
3. Die angefochtene Entscheidung hat schließlich
auch deswegen keinen Bestand, weil sie die Bekl. zu einer unmöglichen
Leistung verurteilt.
a) Die Verurteilung zu einer Leistung, deren Unmöglichkeit
zwischen den Parteien unstreitig ist oder festgestellt wird, ist nach ständiger
Rechtsprechung unzulässig (BGHZ 62, 388 [393] = NJW 1974, 1552 = LM
§ 21 WohnungseigentumsG Nr. 2; BGHZ 97, 178 [1811 = NJW 1986, 1676
= LM § 283 BGB Nr. 5; BGH, NJW 1972, 152 = LM § 283 BGB Nr. 2).
Der objektiven Unmöglichkeit steht gem. § 275 II BGB das Unvermögen
gleich. Hat der Schuldner die geschuldete Sache veräußert, ist
die Leistung nicht schon deswegen unmöglich, weil der Schuldner über
den Gegenstand nicht mehr verfügen kann und auf ihn auch keinen Anspruch
hat (BGH, NJW 1974, 2317 = LM Vorb. zu § 253 ZPO - Rechtsschutzbedürfnis).
Unmöglichkeit liegt vielmehr erst dann vor, wenn feststeht, daß
der Schuldner die Verfügungsmacht nicht mehr erlangen und zur Erfüllung
des geltend gemachten Anspruchs auch nicht auf die Sache einwirken kann
(BGHZ 62, 388 [393] = NJW 1974, 1552 = LM § 21 WohnungseigentumsG
Nr. 2; BGH, NJW 1982, 881 = LM § 2 GrundstücksverkehrsG Nr. 6
= WM 1982, 206 [208]; BGH, NJW 1984, 479 = LM Vorb. zu § 145 BGB Nr.
16). Solange dagegen die Möglichkeit besteht, daß der Dritte
dem Schuldner die Verfügungsmacht wieder einräumt oder der Verfügung
zustimmt, steht sein Unvermögen nicht fest (BGHZ 131, 176 [183] =
NJW 1996, 515 = LM H. 4/1996 § 556 BGB Nr. 21; Staudinger/Löwisch,
BGB, 1995, § 275 Rdnr. 50).
b) Die Darlegungs- und Beweislast für die
Tatsachen, aus denen sich die Unmöglichkeit der Leistung ergibt, richtet
sich nach den allgemeinen Regeln (Staudinger/Löwisch, § 275 Rdnr.
60). Danach trägt derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die
Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen,
während der Gegner die anspruchshindernden, die anspruchsvernichtenden
und die anspruchs-hemmenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat (BGH,
NJW 1986, 2426 [2427] = NJW § 559 BGB Nr. 6; Senat, NJW 1999, 352
[353]). Ist die Unmöglichkeit - wie bei den Ansprüchen nach §§
280, 281, 325, 326, 327, 347, 989 BGB - anspruchsbegründende Voraussetzung,
wird es dem Gläubiger häufig nicht möglich sein, Umstände
vorzutragen, aus denen sich ergibt, daß ein Rückerwerb des geschuldeten
Gegenstandes durch den Schuldner ausgeschlossen ist. Die für diese
Beurteilung maßgeblichen Tatsachen beruhen weitgehend auf den rechtlichen
und tatsächlichen Beziehungen des Schuldners zum Erwerber, die dem
darlegungsbelasteten Gläubiger regelmäßig nicht oder nicht
ausreichend bekannt sind, während der Schuldner hierzu aus eigener
Kenntnis ohne weiteres näher vortragen kann. In diesen Fällen
hat der Senat daher angenommen, daß die Weiterveräußerung
die Unmöglichkeit indiziert, sofern der Schuldner nicht darlegt, daß
er zur Erfüllung willens und in der Lage ist (Senat, NJW 1992, 3224
[3225] = LM H. 2/1 993 § 90 BGB Nr. 1; Senat, NJW-RR 1993, 626 = LM
H. 8/1993 § 347 BGB Nr. 13 = WM 1993, 1155 [1156]; Staudinger/Löwisch,
§ 275 Rdnr. 50).
c) Macht der Gläubiger einen Erfüllungsanspruch
geltend und wendet der Schuldner ein, die Sache veräußert zu
haben, muß er grundsätzlich ebenfalls darlegen und notfalls
beweisen, daß ihm die Erfüllung rechtlich oder tatsächlich
nicht (mehr) möglich ist. Die fehlende Verfügungsmacht indiziert
noch nicht die Unmöglichkeit. Vielmehr kann der Gläubiger dem
Schuldner nach § 283 BGB zur Bewirkung der Leistung eine angemessene
Frist bestimmen und so auf vereinfachtem Wege zu Schadensersatz gelangen
(BGHZ 56, 308 [312] = NJW 1971, 2065 = LM § 556 BGB Nr. 3). Diese
Möglichkeit darf der Schuldner dem Gläubiger nicht allein mit
dem Hinweis auf die Weiterveräußerung aus der Hand nehmen, obwohl
es ihm möglich und zumutbar ist, zur Frage einer Wiedererlangung der
Verfügungsmacht oder eines berechtigten Zugriffs auf die veräußerte
Sache nach Rechtskraft des Urteils vorzutragen. Diese Grundsätze gelten
bei der Veräußerung von Grundstücken sowohl für den
Anspruch auf Herausgabe, als auch für den Anspruch auf Auflassung
(vgl. Senat, NJW 1982, 881 = LM § 2 GrundstückverkehrsG Nr. 6
=WM 1982, 206 [208]) oder Abgabe der Löschungserklärung (vgl.
Senat, NJW 1988, 699 [700] = LM § 242 [Ba] BGB Nr. 84). Hier besteht
allerdings die Besonderheit, daß die geschuldete Erklärung mit
Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt (§ 894 ZPO) und die Möglichkeit
eines Vorgehens nach § 283 BGB ausscheidet (BGHZ 53,29 [34] = NJW
1970, 241 = LM § 985 BGB Nr. 27; Emmerich, in: MünchKomm, 3.
Aufl., § 283 Rdnr. 13; Staudinger/Löwisch, § 283 Rdnr. 7).
Hat der Schuldner nach Rechtskraft des Urteils aber keine Gelegenheit mehr,
sich die Rechtsmacht zur Abgabe der geschuldeten Erklärung noch zu
beschaffen, weil die Erklärung bereits als abgegeben gilt, steht einer
Verurteilung zur Abgabe der Erklärung der Gesichtspunkt der Unmöglichkeit
nur dann nicht entgegen, wenn der Schuldner in der letzten mündlichen
Verhandlung noch im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Ist
dagegen das Eigentum zu diesem Zeitpunkt - wie hier - bereits umgeschrieben,
steht in der Regel fest, daß ihm eine wirksame Auflassung nicht mehr
möglich ist, so daß der Schuldner hierzu auch nicht verurteilt
werden darf (vgl. BGHZ 136, 283 [285] = NJW 1998, 224 = LM H. 2/1998 Art.
233 EGBGB 1986 Nr. 24; BGH, NJW 1998, 1482 [1483] = LM H. 6/1998 §
183 BGB Nr. 5, und BGH, WM 1999, 448 [449]), es sei denn, die Auflassung
erlangte trotz der fehlenden Rechts-macht des Schuldners Wirksamkeit, z.
B. gem. § 185 1 BGB (vgl. BGH, NJW 1998, 1482 [1483] = LM H. 6/1998
§ 183 BGB Nr. 5 = DNotZ 1999,40 m. Anm. Einsele), gem. § 185
II BGB (vgl. Senat, NJW 1988, 699 [700] = LM § 242 [Ba] BGB Nr. 84)
oder gem. §§ 883 II, 888 BGB. Diesen Ausnahmetatbestand darzulegen
ist jedoch Sache des Gläubigers, der weiter Erfüllung verlangt.